Cookies help us deliver our services. By using our services, you agree to our use of cookies.
PathfinderWiki
Log in

Log 120

From PathfinderWiki

Von Fightern und Frauen
Autor: Garrick Andersson
Autor: Mark de Boer
Autor: Lew Sulik
Autor: Seeta Yadeel

„Logbucheintrag der USS Katana. Sternzeit 58.755,0. Captain Ebbersmann: Nach Eintreffen der 8. Flotte bei Klackhohn und einigen kurzen Gefechten hat sich die romulanische Invasionsflotte zurückgezogen. Offenbar hat das romulanische Oberkommando von der Invasion abgesehen, nachdem ihr das Überraschungs­moment und somit der strategische Vorteil abhanden gekommen ist. Dennoch ist die Sternenflotte in höchste Alarmbereitschaft versetzt worden, um die Grenzen der Föderation vor weiteren Bedrohungen durch die Romulaner zu schützen. Das Raumgebiet der Klackhohn wird derzeit von der Sternenflotte besetzt gehalten und ist zum Besatzungsgebiet erklärt worden. Der zukünftige Status von Klackhohn bleibt damit vor erst ungeklärt. Die Vorkommnisse der letzten Tage stellen eine große Herausforderung für die Diplomatie dar, wenn ein Krieg mit dem romulanischen Imperium verhindert werden soll. Denn der eindeutige Invasionsversuch der Romulaner bei Klackhohn erfordert im Grunde hartes Durchgreifen von Seiten der Föderation. Bleibt also nur zu hoffen, dass es den Diplomaten gelingt einen Krieg zu verhindern ohne dass die Föderation dabei ihr Gesicht verliert. Wir sind nun auf dem Weg zur Erde, wo wir eine kurze Verschnaufpause bekommen werden, während wir Verstärkung an Personal und Material erhalten werden. Vom Oberkommando wurden uns neue Befehle bezüglich des Squadron A-20 übermittelt. Offenbar erhalten wir Verstärkung für die Attack Fighter, die ich in Anbetracht der jüngsten Ereignisse mehr als begrüße.“


Zwei Wochen zuvor im Oberkommando der Sternenflotte, Sternzeit: 58.716,1.

„Sir. Warten sie bitte einen Moment, Sir“, ertönte eine aufgeregte Stimme aus dem Gang hinter ihm, als Admiral Horaki gerade die Türschwelle zum Konferenzraum überschritt. Der Admiral drehte sich um und sah Lieutenant Warson mit hektischen Schritten den Gang entlang auf sich zu kommen, während dieser mit einem PADD aufgeregt in der Höhe herumfuchtelte. Warson war ein sehr gewissenhafter und dienstbeflissener Assistent, dabei vielleicht ein wenig übereifrig und übertrieben arbeitsam, was ihm aber nur zum Vorteil gereichte. Ein richtiger Speichellecker eben, einer von dem Schlag, der es im Oberkommando noch sehr weit bringen konnte. Mit einem bestimmten aber ruhigen Tonfall fragte Horaki: „Was gibt es den, Warson?“

„Sir, die neuen Berichte...“, begann Warson außer Atem, als er noch einige Meter vom Admiral entfernt war. Der Lieutenant konnte gerade noch seine schnellen und ausholenden Schritte abrupt stoppen um einen Zusammenstoß zu vermeiden und um kurz vor seinem Vorgesetzten zum Stehen zu kommen. Bei diesem Manöver sprach er ohne Pause weiter: „…über das Versuchsprojekt mit der Spitfire-Klasse auf der Katana sind so eben eingetroffen. Ich dachte sie könnte für sie in der heutigen Konferenz von Nutzen sein, Sir.“

„Danke Warson.“, kommentierte Horaki knapp als er das von seinem Assistenten überreichte PADD entgegen nahm. Mit einem flüchtigen Blick überflog er schnell das Inhaltverzeichnis der Textdatei, dabei wusste er bereits schon, was ihn in den drei zusammengefassten Berichten erwartete. Der erste Offizier der Katana würde im Auftrag des Captain wie stets objektiv und sachlich die Vor- und Nachteile der Attack-Fighter Einsätze abwägen und mit einem positiven Fazit seine Ausführungen beenden. Der taktische Offizier wiederum würde überwiegend einseitig von der Schlagkraft und den strategischen wie taktischen Vorzüge der Spitfire-Klasse schwärmen und der Squadron Leader würde sich wie immer in seiner blumigen Sprache über alle möglichen Mängel des Projekts beschweren und eine Verstärkung durch drei weitere Squadrons verlangen. Es war jedes Mal dasselbe und Horaki hatte längst das Interesse an diesem Projekt verloren. Für ihn persönlich war das Projekt bereits erfolgreich Abgeschlossen, denn es hatte zu einer Reihe von Erkenntnissen und Entscheidungen bezüglich der Stationierung von Attack-Fightern geführt und – was für Horaki noch viel wichtiger gewesen war – es hatte damals zu seiner Beförderung zum Admiral beigetragen. Damit war für ihn das Thema Katana und ihre Attack-Fighter eigentlich abgehakt, es war ihm bisher nur noch nicht gelungen die Zuständigkeit an eine ihm untergeordnete Abteilung abzuwälzen.

Dennoch fühlte sich der Admiral von Warsons übereifriges Handeln nicht unnötig Belästigt. Unter Umständen hatte er für diesen Bericht bei der anstehenden Konferenz tatsächlich Verwendung. Es bestand die Möglichkeit sich diesem für ihn inzwischen so lästigen Projekts zu entledigen und jemand anderem aufzubürden. Darum legte Horaki das PADD auf den Stapel seiner eigenen Unterlagen und sagte: „Gut gemacht Warson.“

Daraufhin erschien ein lächelnder und zugleich dankbarer Gesichtsausdruck in den Zügen des Assistenten. Augenblicklich kam Horaki das Bild eines kleinen Hündchens in den Sinn, dass dem Lob seines Herrchens dankbare Freude und Unterwürfigkeit entgegenbrachte. Um nicht länger aufgehalten zu werden wies Horaki seinen Assistenten an: „Nochmals danke Warson. Widmen sie sich jetzt ihren anderen Aufgaben.“

„Ja Sir! Wenn sie mit der Konferenz fertig sind, werden die Unterlagen zum Projekt BU-12/30-T für sie zur Gegenzeichnung bereit liegen.“, entgegnete der Assistent nun in einem fast förmlichen Tonfall um sich nach dem üblichen „Sir“ zackiger als es die Sternenflotten Protokolle erforderten, umzudrehen und genauso hektisch wie zuvor wieder den Gang hinunter zu hetzen. Noch einen Augenblick schaute Admiral Horaki seinem Assistenten nach. Dieser Übereifrige Lieutenant hatte begriffen wie man im Oberkommando am besten Karriere machen konnte: Nach oben buckeln und nach unten treten. Wenn er sich weiter so gut machte, konnte sich Horaki vorstellen diesen jungen Mann bei seiner Karriere zu protegieren.

Diese Gedanken wieder abschüttelnd, drehte sich Admiral Horaki wieder herum und betrat den Konferenzsaal. Mit einem stummen Nicken begrüßte er die bereits anwesenden Konferenzteilnehmer, die er wie üblich, zur Hervorhebung seiner eigenen Bedeutung hatte warten lassen. Mit seiner Beförderung vor einigen Monaten war er zum verantwortlichen Admiral für alle Fighter-Projekte ernannt worden und war nun leitender Vorgesetzter für alle Entwicklungsstätten und Werften die mit der Forschung und Entwicklung neuer Attack-Fighter und für den Kampf bestimmter Shuttles befassten. Er hatte nun endlich seinen eigenen Zuständigkeitsbereich und diese Macht kostete er aus so oft es ihm nur möglich war. Deshalb setzte er sich ohne ein Wort an das Kopfende des Konferenztisches und breitete bedächtig und demonstrativ seine mitgebrachten PADDs vor sich aus ohne auch nur einmal die Anwesenden eines Blickes zu würdigen. Die herrschende Stille im Saal und das gespannte und ungeduldige Warten der Konferenzteilnehmer waren wie eine lautlose Bestätigung seiner ganz persönlichen Bedeutung. Nach der Verstreichung einer angemessenen Zeit hob er den Kopf und begann mit fast zeremoniellem Tonfall: „Wie ich sehe sind alle leitende Offiziere der Entwicklungsstätten und Werften anwesend. Ich kann also die Konferenz für eröffnet erklären und begrüße sie zu unserer heutigen Quartalssitzung.“

„Als erstes sollten wir die erfolgreich Abgeschlossenen Projekte besprechen.“, begann Admiral Horaki ohne Umschweife und griff sich eines der vor ihm liegenden PADDs heraus. Wieder nahm er einen gebührende Zeitraum in Anspruch um die auf dem Display enthaltenden Informationen demonstrativ zu studieren um sich dann an Captain Rogers vom TTCR-3 zu wenden: „Wie ich den Informationen entnehme wurden die Stationierungen der Spitfire- sowie der Thunderbird-Klasse auf den vorgesehenen Raumstationen und Raumschiffen erfolgreich abgeschlossen?“

„Ja Sir.“, entgegnete Captain Rogers und fügte erklärend hinzu: „Beide Fighter-Typen sind damit vollständig im aktiven Dienst und die Projekte stehen damit in Verantwortung und der Kompetenz des Flottenkommandos.“

„Ausgezeichnet.“, quittierte Horaki diese Bestätigung und legte das PADD beiseite um nicht weniger bedächtig und ebenfalls mit angemessener Zeit sich die nächsten Unterlagen herauszusuchen. Nach durchsicht der auf dem PADD enthaltenen Informationen blickte zu Captain T’Nokal und meinte: „Ich sehe ihre neu entwickelten Runabouts der Thor-Klasse werden inzwischen ausgeliefert und in Dienst gestellt. Sehr gut.“ Auf diese Art und Weise, nach durchsicht der Kurzinformationen auf den PADDs dieselben in einer rhetorischen Frage wiederzugeben, fuhr er nun fort. Dieser langwierige Monolog, stets nur kurz durch kurzen Bestätigungen und knappen Erklärungen der jeweiligen Ressortleiter unterbrochen, dauerte beinahe eine Stunde bis er endlich zum nächsten großen Tagesordnungspunkt der Konferenz kam: „Gut. Damit können wir uns dann der im Gange befindlichen und der noch anstehenden Projekte widmen.“

Wieder griff er sich ein PADD aus seinen Unterlagen heraus, erfasste dieses Mal mit einem knappen Blick die Informationen und wandte sich an Captain Fuchida: „Wie weit sind sie in der Entwicklung ihrer Fighter der Azrael Klasse?“

„Die technische Entwicklung an unseren Prototypen ist abgeschlossen Sir.“, antwortete Captain Fuchida nicht ohne Stolz und legte ausführlich dar: „Wir haben die Serienreife erreicht und beginnen bereits mit der ersten Marge in der Serienproduktion. Als nächstes stehen Manöver mit einer größeren Anzahl an Einheiten an um erweiterte taktische und strategische Einsatzmöglichkeiten zu entwickeln und die Möglichkeiten kombinierter Einsätze mit anderen Fighter-Typen zu erforschen. Dazu planen wir auch Feldversuche auf in Dienst stehenden Raumschiffen.“

„Feldversuche?“, hakte der Admiral nach, der bei diesem Wort hellhörig geworden war. Wieder widmete er sich der vor ihm ausgebreiteten PADDs und unterbrach die Besprechung als er nach dem Bericht von der USS Katana griff. Er beugte sich vor, stützte sich mit dem rechten Ellbogen ab und studierte das Display. Dabei übte er sich in der hohen Kunst des demonstrativen Nachdenkens in dem er die Stirn runzelte und den Zeigfinger seiner rechten Hand auf seiner Unterlippe tippte. Kurze Zeit später schaute er über das PADD hinweg zu Fuchida: „Möglicherweise kann ich ihnen da weiter helfen. Kommen für sie die Attack-Fighter der Spitfire-Klasse für kombinierte Einsätze in Betracht?“

„Ja Sir.“, entgegnete Fuchida und nickte dabei anerkennend zu Captain Rogers: „Die Spitfire-Klasse ist ein Fighter-Typ im aktiven Dienst der sich bereits bewährt hat. Wir halten die Spitfire Klasse für eine der potentiellen Typen, die in Kombination mit unserem Fighter eingesetzt werden können.“

„Sehr gut. Auf der USS Katana befindet sich eine Spitfire-Staffel im Rahmen eines Feldversuches. Es wird also kein Problem sein, dieses Projekt um ein oder zwei ihrer Fighter zu erweitern.“, meinte Horaki und bemerkte wie erstaunt Captain Fuchida über diese Ankündigung schien, dem Vorschlag offenbar nicht abgeneigt war: „Nun, wenn diese Möglichkeit prinzipiell besteht, nehme ich sie gerne in Anspruch. Ich werde die Durchführbarkeit gerne prüfen und die entsprechenden Anträge stellen.“

„Das müssen sie nicht, Captain. Meine Abteilung wird den Antrag beim Zuständigen Admiral für die Katana einreichen.“ entgegnete Admiral Horaki daraufhin und begann Befehle in leeres PADD zu schreiben. In einem Tonfall der kaum einen Widerspruch zu lies verkündete er dabei: „Hiermit erweitere ich das Versuchsprojekt und verfüge dazu die Stationierung zweier ihrer Fighter auf die USS Katana. Die Zuständigkeit dieses Projekts wird bei Vize-Admiral Bellheim aus unserer Unterabteilung B-46 liegen. Nach der Konferenz wenden sie sich an Captain Rogers um die Parameter des Versuches abzusprechen um dann ihre Vorschläge und Wünsche an die Abteilung B-46 weiter zu leiten.“

Damit beendete Horaki seine Ausführung, rief über Interkom eine Ordonanz um dieser das PADD mit den kurz verfassten Marschbefehlen sowie der Anweisungen für die jeweiligen Dienststellen und der notwendigen Anträge an seinen Assistenten weiter zu leiten. Im Gesichtsausdruck Captain ?? konnte er erkennen, dass dieser sehr erstaunt über diesen extremen Eingriff in dessen Kompetenz war und Captain Rogers machte den Eindruck als ob er mit der Entscheidung nicht sehr glücklich war.

Zufrieden lehnte sich Admiral Horaki in seinen Sessel zurück und genossen diesen Moment. Er fühlte sich hervorragend. Er hatte so eben eine wichtige Entscheidung getroffen und sich dazu noch der Verantwortung für den Feldversuch auf der Katana entledigt. Möglicherweise hatte er damit sogar eine wegweisende Entscheidung getroffen, die ihm vielleicht in absehbarer Zeit eine weitere Beförderung bescherte. Das war das wunderbare am Posten eines Admirals. Man konnte gewichtige Entscheidungen treffen, dennoch die Verantwortung weiter nach unten delegieren und trotzdem die Lorbeeren dafür kassieren. Sich wieder den ausgebreiteten PADDs vor ihm zuwendend und voller Tatendrang und Entscheidungsfreude meinte er mit feierlicher Stimme: „So, ich denke wir können uns dem nächsten Projekt widmen. Wollen doch mal sehen was wir da bewerkstelligen können!“


USS Katana auf dem Weg zur Erde, Sternzeit: 58.757,7

„Herein!“, verkündete Captain Ebbersmann, schaute von seinem Computerterminal auf und sah den Squadron Leader Lew Sulik eintreten. Er trug wie fast immer seinen Pilotenoverall anstatt einer der üblichen Uniform und sah recht erschöpft aus. Von der letzten Mission hatten die Attack Fighter des Squadron einige ernsthafte Schäden davon getragen und die Piloten arbeiteten gemeinsam mit den Staffeltechnikern mit Hochdruck daran, die Fighter zu reparieren. Der Lieutenant trat vor den Schreibtisch des Captains und fragte: „Sie haben mich rufen lassen… Sir?“

„Setzen sie sich doch!“, bot Ebbersmann an und deutete auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch. Noch während er sich setzte, wiederholte Lieutenant Sulik seine Frage: „Was gibt es denn so wichtiges, dass ich gleich persönlich bei ihnen vorsprechen muss?“

„Nun, Mister Sulik…“, begann der Captain und lehnte sich in seinen Sessel zurück: „Offenbar wurde im Oberkommando ihren Anfragen auf Verstärkung für ihre Staffel stattgegeben. Das Squadron A-20 erhält in kurzer Zeit Verstärkung.“

„Wir bekommen endlich drei weitere Staffeln? Wer wird Wing Commander des neuen Geschwaders?“, horchte Sulik interessiert auf, wobei er eigentlich davon ausging, selbst zum Wing Commander ernannt zu werden. Doch der Captain neigte leicht den Kopf und meinte: „Langsam, Mister Sulik. Es ist nicht ganz so, wie sie es sich vermutlich vorgestellt haben. Der Feldversuch mit dem Squadron A-20 wurde erweitert um eine neue Einsatzmöglichkeit zu erproben. Dazu werden zwei weitere Attack Fighter auf der USS Katana stationiert.“

Der Captain reichte dem Lieutenant ein PADD mit den Informationen die er vor kurzem erhalten hatte und die neuen Einsatzbefehle sowie Spezifikationen der zwei zusätzlichen Attack Fighter enthielten. Lew nahm das PADD entgegen und überflog die die erste Seite. Ihm genügte ein kurzer Blick über die Spezifikationen um zu erkennen, dass es sich um gänzlich andere Attack Fighter als die der Spitfire Klasse handelte. Offenbar ein neu entwickelter Typ der ihm bisher unbekannt war. Er lies das PADD sinken und meinte: „Das ist allerdings ein Problem…“

„Mister Sulik, es gibt keine Probleme, nur Herausforderungen.“, entgegnete Ebbersmann mit einem Lächeln um dem beim Piloten offensichtlich aufkommenden Ärger zu zerstreuen. Doch seine Antwort hatte beinahe den gegenteiligen Effekt auf den Lieutenant. Dieser setzte zu einer Antwort an und beinahe wäre ihm heraus geplatzt, dass ein Misthaufen auch ein Misthaufen bliebe, selbst wenn man ihn als organischen Dünger bezeichnete. Er konnte sich aber noch zusammenreißen und brachte mit erkennbaren Unmut seine Antwort hervor: „Ich halte nicht viel von Euphemismen…“

„Wie gesagt Lieutenant...“, begann der Captain, um sein Gegenüber an dessen Rang und der damit verbundenen Rangordnung zu erinnern: „…das sind die Befehle an denen weder sie noch ich etwas ändern können. Aber sie haben die Möglichkeit die Parameter des Feldversuches zu beeinflussen. Die zuständige Abteilung im Oberkommando meinte, sofern sie Wünsche und Vorschläge hätte, könnten sie sie binnen einer Woche noch anmelden.“

„Gut. Sie sollen mir erst ein ganzes Wing Spitfire unterstellen, dann können wir weiter reden.“, gab Lew trotzig von sich und legte das PADD beinahe verächtlich auf den Schreibtisch ab. Auch wenn er mit dem kurzen Blick auf das PADD nur einen Bruchteil der darauf enthaltenen Informationen gesehen hatte, er hielt jetzt schon nicht viel von den Befehlen des Oberkommandos und machte auch keinen Hehl daraus.

Benjamin hatte Jahrzehnte lange Erfahrung als Offizier der Sternenflotte und deshalb sich und seine Gefühle sehr gut unter Kontrolle, denn sonst hätte er wohl in diesem Moment laut geseufzt und seinen Kopf in die Hände sinken lassen. Es war nie leicht als neuer Captain zu einer bereits etablierten, durch gemeinsam bestandene Gefahren zur Gemeinschaft geschweißten, Crew zu stoßen. Doch er glaubte diese Herausforderung auf der USS Katana inzwischen ganz gut gemeistert zu haben. Als Captain fühlte er sich von der Crew inzwischen mehr als nur akzeptiert und als Teil der Gemeinschaft. Mit allen Führungsoffizieren pflegte er einen professionellen und freundschaftlichen Umgang. Nur wenn er mit Lieutenant Sulik sprach, dann kam er sich sehr alt vor. Wie ein Vater, der seinem rebellierenden Sohn die Flaussen aus dem Kopf jagen musste. Bisher war es zwischen ihm und dem Lieutenant noch nicht zu einem Eklat gekommen, wie es laut der Datenbank der Katana seinen Vorgängern auf dem Kapitänsposten ergangen war. Doch einfach war der Pilot des Squadrons A-20 nicht, das hatte er inzwischen oft genug erfahren müssen. Vielleicht war die Katana tatsächlich nicht nur eine Gemeinschaft sonder wie eine Familie, denn Familienangehörige konnten mitunter sehr kompliziert sein. Wie Lieutenant Lew Sulik eben. Um einen offenen Streit mit dem Piloten zu vermeiden aber gleichzeitig die Oberhand über das Gespräch zu behalten, erklärte der Captain der USS Katana mit ruhigem aber bestimmten Tonfall: „Mister Sulik. Mir ist bewusst mit welchen Schwierigkeiten sie und ihre Leute mit den Umständen und des Verlaufs des bisherigen Feldversuches haben. Aber sie sollten akzeptieren, dass weder sie noch ich diese Befehle des Oberkommandos verhindern können. Sie sollten sich damit abfinden und das Beste aus der Situation machen.“

„Das Beste?“, fragte Sulik mit einem sarkastischen Unterton und griff wieder nach dem PADD um die Informationen der ersten Seite ein weiteres Mal kurz zu überfliegen: „Wenn das mal nicht ins Auge geht…“

„Sie sollten sich die die Informationen und Befehle auf dem PADD erst einmal aufmerksam durchlesen und sich erst dann ein Urteil bilden.“, meinte Captain Ebbersmann in einem versöhnlichen Tonfall. Dann fügte er mit bestimmter Stimme als Schlusspunkt des Gesprächs an: „Morgen um 0930 werden sie dann im täglichen Briefing der Führungsoffiziere in einem kurzen Vortrag alle über den neuen Feldversuch und die neuen Attack Fighter unterrichten.“


Geheime Forschungseinrichtung auf dem Erdenmond. Sternzeit: 58.760,7.

Mark de Boer hetzte den Flur entlang. Er war gerade unter der Dusche gewesen, als Admiral Winters ihn zu sich gerufen hatte. Mark betrat das Büro und blieb verwundert stehen. Im Büro saßen bereits Captain Fuchida, der Projektleiter des Azrael-Projekts, die Chef-Mechanikerin Natalie Bardal sowie Kjetil Skorgan. Skorgan grinste ihn an, während Bardal nervös auf dem Stuhl hin- und herrutschte. Captain Fuchida hingegen fixierte finster einen Punkt irgendwo hinter dem Admiral. Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, konnte nichts Angenehmes auf sie warten. Der Admiral blickte von seinem PADD auf. „Ah, gut. Jetzt sind alle da. Dann können wir ja anfangen. Sie haben das Azrael-Projekt ja sehr erfolgreich abgeschlossen…“, begann er. Bei diesen Worten verfinsterte sich Captain Fuchidas Gesichtsausdruck weiter. „Sir. Abgeschlossen ist das Projekt noch nicht. Es gibt noch einige Dinge, die weiter geprüft und verfeinert werden müssen...“, unterbrach ihn Mark. Der Admiral brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen. „Das ist mir durchaus bewusst, Lieutenant. Nichts desto trotz werden wir in die nächste Phase eintreten.“ Mit diesen Worten reichte er allen Anwesenden ein PADD. „Hier werden Sie die weitere Vorgehensweise finden.“ Er stand auf und schaute aus dem Fenster auf die graue Mondoberfläche. Mark warf einen Blick auf das PADD und konnte nicht glauben, was er da las. Skorgan, Bardal und er sollte gemeinsam versetzt werden. „Sir! Was hat das zu bedeuten?“ Der Admiral gab keine Antwort. „Captain…?“ wandte sich nun Natalie Bardal an den Projektleiter. „Chikusho…“, fluchte dieser. „Jemand aus der Admiralität ist der Meinung, sich in unser Projekt einmischen zu müssen…“ „Es ist nicht irgendjemand.“, widersprach der Admiral leise. „Es ist unser Freund Admiral Horaki, der diesen Befehl erteilt hat.“ Fuchida schnaubte abfällig. „Admiral. Wie kann ein anderer Admiral Ihnen denn so etwas vorschreiben? Sie sind schließlich der Befehlshaber über die gesamte Werft.“, mischte sich nun Kjetil Skorgan ein. Admiral Winters drehte sich wieder um und seufzte. „Es ist leider nicht so einfach. Admiral Horaki versteht sich meisterlich darauf, sich auf dem politischen Parkett zu bewegen. Er ist nun der oberste Verantwortliche sämtlicher Fighter-Projekte in der Föderation. Und in dieser Funktion hat er eben bestimmt, die Azrael-Klasse unter Realbedingungen zu testen.“ „Baka! Auch wenn wir noch nicht einmal genug Fighter produziert haben, um überhaupt eine einzige Staffel zu bilden!“, polterte Fuchida. „Captain! Mäßigen Sie sich! Sie sprechen immer noch von einem Angehörigen der Sternenflotte und von einem Admiral!“, unterbrach ihn der Admiral barsch. Der Captain antwortete nicht und beschränkte sich wieder darauf, einen Punkt an der Wand zu fixieren. „Sir, wie soll dieser Realtest denn aussehen? Mit zwei Fightern sind wir für die …“ Mark schaute auf sein PADD „…für die USS Katana doch kein Gewinn.“ „Ein berechtigter Einwand…“, entgegnete Admiral Winters. „…Von daher sollen Ihre beiden Maschinen in die Staffel A-20 unter Lieutenant Sulik integriert werden. Seine Staffel ist mit Spitfire-Jägern ausgestattet.“ Skorgan räusperte sich. „Ich habe von diesem Fighter-Typ gehört. Er ist aber gänzlich anders als die Azrael-Klasse. Die Ausrichtung der beiden Fighter-Typen ist völlig verschieden. Wie soll da unsere Zusammenarbeit aussehen?“ Der Admiral betätigte ein paar Tasten auf seiner Computer-Konsole. „Ich habe Ihnen die Details auf Ihre PADDs gespielt. Studieren Sie sie. Wenn Sie Fragen hätten, können Sie sich gerne an Captain Fuchida oder an mich wenden. Allerdings ersparen Sie sich die Mühe, Ihre Versetzung noch verhindern zu wollen. Die Entscheidung ist gefallen, und Admiral Horaki ist niemand, der sich sonderlich für die Belange Einzelner interessiert.“ Und mit einem Seitenblick auf Captain Fuchida ergänzte er warnend: „Und er mag es nicht, wenn seine Befehle in Frage gestellt werden.“ „Sir, eine Frage hätte ich noch.“, begann Natalie Bardal vorsichtig. „Was soll ich auf der USS Katana? Ich bin kein Pilot.“ „Nein, Sie sind die beste Mechanikerin für die Azrael-Klasse, die es gibt. Sehen Sie das als Möglichkeit, die Karriereleiter hinaufzusteigen.“ Skorgan grinste Sie an: „Und ich möchte auch nicht, dass irgendein Schlächter an unseren Babys rumbastelt.“ Bardal zwang sich zu einem Lächeln. „Gut, dann ist das ja auch geklärt. Die USS Katana wird in Kürze für einen Landurlaub zur Erde kommen. Sie werden dann auf das Schiff wechseln.“, erklärte Admiral Winters und beendete damit die Besprechung.

Als sie das Büro verließen, waren alle noch ein wenig durcheinander. „Puh, das war ein Schlag!“, kommentierte Natalie Bardal die Besprechung. „Ich würde vorschlagen, wir treffen uns gleich in Café del Sol und sprechen erstmal alles durch und machen richtig einen drauf!“, schlug Kjetil Skorgan vor. Mark lächelte. Egal, was auch passierte, Kjetil fand immer einen Grund zum Feiern. „Okay, klingt gut. Dann mal bis später!“


USS Katana auf dem Weg zur Erde. Sternzeit: 58.761,3.

Aus den zwei Lautsprechern einer etwas altmodisch erscheinenden Musikanlage tönte laut eine ebenso antiquiert wirkende Rockmusik. Das Licht im Quartier war herunter geregelt und die Fenster mit einfachen Leintüchern verhängt, so dass das Zimmer in einem schummrigen Halbdunkel gehüllt war. Lew bevorzugte dieses schummrige Dunkel in seinem Quartier als Ausgleich zu dem grellen Licht auf dem Rest der Katana. Vielleicht hatte er sich als Pilot schon viel zu sehr an das matte Schwarz des Alls gewöhnt und verwandelte deshalb sein Quartier lieber in eine dunkle, im Zwielicht liegende Höhle.

Er saß in seinem Sessel und dachte über die vergangene Mission nach. Beinahe hätte er wieder einer seiner Leute verloren und ohne etwas Glück wären die Katana sowie seine Staffel von den letzten Gefechten nicht so glimpflich davon gekommen. Lew war sich absolut sicher, hätte er ein ganzes Wing zur Verfügung gehabt, die Sache wäre ganz anders ausgegangen. Mit einem ganzen Geschwader hätte er gegen die Klackhohn und Romulaner wesentlich mehr ausrichten können.

Sein Blick schweifte langsam über die Modellflugzeuge in seinem Regal. Er betrachtete die einmotorigen Jäger mit Propellerantrieb – eine Hurrican, eine Spitfire MK II, eine Messerschmidt 109 und noch weitere Jäger aus dem zweiten Weltkrieg der Erde. Dann viel sein Blick auf die zwei- und viermotorigen Bomber aus demselben Zeitraum.

Der Staffelführer griff das PADD mit den Parametern für den neuen Feldversuch mit den Attack Fightern vom Wohnzimmertisch und sah sich die Informationen darauf ein weiteres Mal durch. Alles war in guter Sternenflottenmanier völlig verquarzt und verklausuliert geschrieben, aber der eigentliche Sinn des Ganzen war ersichtlich. Im Grunde sollten sie nur ein altbewährtes System neu erproben. Ein stark bewaffneter, speziell ausgerüsteter aber etwas schwerfälliger Fighter sollte sein Ziel ansteuern und angreifen, während ihm wendigere Einheiten Feuerschutz leisteten. Soweit er das anhand der auf dem PADD enthaltenen Informationen beurteilen konnte, war die Azrael Klasse ein hervorragender Fighter und für dies Aufgabe bestens geeignet. Auch die Spitfire Klasse seiner Staffel wäre mit der Aufgabe eines Geleitschutzes ohne weiteres einsetzbar. Aber nur eine Staffel Spitfire und nur zwei Fighter der Azrael Klasse, das war taktischer Unsinn. Eine solche Konstellation war seiner Meinung nach viel zu unflexibel und die Einsatzmöglichkeiten eingeschränkt.

Aber was blieb ihm schon anderes übrig als die Befehle auszuführen? Seine Proteste und Forderungen verschwanden im Oberkommando irgendwo in dunkle Kanäle und fanden niemandes Gehör. Wohl oder übel würde er sich mit der Suppe auseinandersetzten, die ihm das Oberkommando nun eingebrockt hatte. Mit einem seufzen war er das PADD auf das Sofa zu dem anderen dort herumliegenden Gerümpel und aktivierte seinen Kommunikator: „Lew an Charlie. Wie weit seit ihr mit den Reparaturen?“

„Ähm, mhm, nuah“, erklagen zunächst undefinierbaren Laute aus dem Interkom, gefolgt vom Gebrummel des Chefs des Squadrons: „Ah ja, die gröbsten Macken und übelsten Schäden sind ausgebügelt. Wir können mit der Feinjustierung anfangen.“

„Gut!“, entgegnete Lew und meinte: „Dann kannst du den Jungs für heute Abend frei geben und morgen mit der Rejustierung weiter machen. Komm mit Ian ins Diners. Nach dem ganzen Mist der letzten Tage haben wir einen anständigen Drink verdient. Außerdem gibt es Neuigkeiten die ich euch mitteilen muss.“


Mit einem kurzen Tastendruck auf sein PADD hakte Captain Ebbersmann den nächsten Tagesordnungspunkt des Briefings der Führungscrew ab. Damit waren alle verwaltungstechnischen und bürokratischen Punkte der Besprechung erledigt und somit Zeit für Lieutenant Suliks Vortrag über die bald anstehenden Veränderungen für das Squadron A-20. Benjamin Ebbersmann nickte über den Tisch zu Sulik zu und sprach dann erklärend in die Runde: „Wie ich bereits bekannt gegeben habe, wird das Squadron A-20 in Kürze Verstärkung erhalten. Dabei werden zwei neue Attack Fightern an Bord der USS Katana versetzt und in die Staffel integriert. Es handelt sich um eine Erweiterung des Feldversuches mit dem A-20 auf unserem Schiff. Mister Sulik wird uns nun über die technischen und taktischen Aspekte dieser Veränderung aufklären.“

Der Squadron Leader war noch nie besonders gut darin gewesen, seine Gefühle, insbesondere seine negativen, zu verbergen. Als er von seinem Stuhl aufstand um an das Kopfende des Tisches zu gehen, konnte man an Lews Gesichtsausdruck deutlich sein Unbehagen ablesen. Am Kopfende des Tisches aktivierte er den großen Wandbildschirm woraufhin eine technische Zeichnung eines neuen Attack-Fighter Types auf dem Monitor erschien.

„Die Azrael-Klasse.“, begann der Staffelführer seinen Vortrag und deutete auf die Spezifikationen unterhalb der technischen Zeichnung: „Ein neu entwickelter Jäger der Sternenflotte. Der Großteil der genauen technischen Spezifikationen steht noch unter strengster Geheimhaltung. Erst mit der Versetzung der beiden Fighter auf die Katana wird der Geheimhaltungsstatus endgültig aufgehoben. Darum sind auch mir momentan nur die wesentlichen und grundlegenden Punkte bekannt. Wie die technischen Zeichnung zeigt, handelt es sich um einen völlig anderen Fighter-Typ als unsere Jäger der Spitfire-Klasse. Die Azrael-Klasse ist einwenig größer, weniger Wendig aber mit stärkeren Waffensystemen bestückt als unsere Spitfire-Klasse.“

Lew machte eine Pause und schaute in die Runde, da er jetzt einige Fragen aus der Führungscrew erwartet hätte. Doch die Offiziere schauten immer noch Aufmerksam zu ihm vor und warteten auf weitere Ausführungen. Er fuhr fort: „Die Azrael Klasse wurde speziell entwickelt um Raumschiffe und Raumstationen anzugreifen. Ihre Bewaffnung ist dazu entsprechend stark, insbesondere mit einer großen Anzahl an Quantentorpedos der Standardausführung Mark IV. Wie bereits gesagt, im Vergleich zu unseren Spitfire-Klasse ist sie weniger Wendig, aber gegenüber großen Raumschiffen ist ihre Wendigkeit um ein vielfaches Höher.“

„Kann dieser Fighter Typ damit Aufgaben übernehmen, wozu ihre Jäger nicht im Stande sind?“, kam die erste Frage aus dem Kreis der Führungscrew Lieutenant Commander Ramirez. Lew ärgerte diese Frage einwenig und er erklärte: „Die Spitfire-Klasse ist sehr Wendig und mit ihren Phaserbänken ausreichend bewaffnet. Allerdings handelt es sich bei den Quantentorpedos um kleinere Ausführungen der Standardtorpedos, die weniger als die Hälfte der Sprengkraft eines normalen Torpedos haben. Wir können in ausreichender Zahl größere Raumschiffe bekämpfen in dem wir dem Gegner viele kleine Nadelstiche zu fügen. Aber da wir nur eine Staffel an Bord der Katana haben, sind unsere Einsatzmöglichkeiten gegen größere Raumschiffe stark eingeschränkt. Wenn man also die Spitfire-Klasse mit einer Wespe vergleicht, dann handelt es ich bei der Azrael-Klasse um eine verdammt große Hornisse.“

„Was bedeutet nun diese Versetzung der Azrael-Klasse auf die Katana und deren Integration in ihre Staffel. Worum geht es denn genau bei diesem neuen Feldversuch?“, wollte Commander Anderson nun wissen. Lew verzog einwenig das Gesicht und aus seinem Ton konnte man seinen Unmut deutlich heraus hören: „Normaler weise ist es ungewöhnlich einer kompletten Staffel zwei weitere Fighter eines völlig anderen Typs zu zuteilen. Taktisch und strategisch ist das ausgemachter Unsinn. Bei dem Feldversuch will das Oberkommando klären, ob die Fighter der Azrael Klasse mit denen der Spitfire Klasse im Einsatz kombiniert werden können. Offenbar glaubt man im Oberkommando, dass es dazu ausreicht einen sowieso schon schlecht vorbereiteten und ausgeführten Feldversuch einfach zu erweitern.“

Captain Ebbersmann bemerkte die Gefahr, dass die Ausführungen des Piloten in gefährliches Fahrwasser abzudriften und sich der Pilot dabei zu ausfälligen Bemerkungen über das Oberkommando hinreißen lassen konnte. Daher versuchte er mit seiner Frage Lews Ausführungen in eine andere Richtung zu bewegen: „In welcher Form sollen denn die beiden Fighter Typen im Kampf kombiniert werden. Welche strategischen und taktischen Überlegungen liegen dieser Idee zu Grunde?“

„Die Grundidee ist gar nicht mal so schlecht.“, begann der Lieutenant, offenbar nun wieder völlig in seinem Element: „Die Fighter der Azrael-Klasse sollen im Einsatz auf große Raumschiffe oder Raumstationen angesetzt werden. Während sie zu ihrem Ziel durchbrechen, geben wir ihnen mit der Spitfire-Klasse Jagdschutz und halten feindliche Jäger oder kleiner Raumschiffe von ihnen fern, damit sie sich voll auf das Ziel konzentrieren können. Genau genommen ein alt bewährtes System.“

„Wie schätzen sie die Verstärkung durch diese zwei neuen Fighter Typen und durch diese Form des kombinierten Einsatzes für die Katana ein? Können sie dies in irgendeiner Weise quantifizieren.“, fragte der Manõel Ramirez gemäß seiner Aufgabe als taktischer Offizier. Lew machte einige abschätzende Bewegungen mit der Hand und meinte: „Schwer zu sagen. Von der Waffenbestückung ausgehend, würde ich fast von einer Verdopplung der bisherigen Feuerkraft sprechen.“ Er machte eine Pause und nach einer kurzen Überlegung meinte er: „Sagen wir mal, wir müssten es mit einem Gegner mit vergleichbarem Stand der Technik aufnehmen. Bisher können wir, wenn wir von der Katana und unsere jetzigen Staffel ausgehen, bei ungefähr zwei gegnerischen Raumschiffen sagen, dass wir im Kampf ungefähr ein ausgewogenes Kräfteverhältnis haben. Mit den zwei neuen Fighter, schätze ich, könnten wir es mit drei oder vier gegnerischen Raumschiffen aufnehmen, bei ausgewogenem Kräfteverhältnis. Aber wie gesagt, ich gehe jetzt nur allein von der Feuerkraft aus. Die Taktik und Strategie sind davon noch ausgenommen.“

„Könnten sie das mit der Taktik und der Strategie etwas näher erläutern?“, bat der erste Offizier Anderson, der schon früher großes Interesse an den Attack Fightern gezeigt hatte. Lew musste tatsächlich zugeben, dass der XO inzwischen einiges über den taktischen und strategischen Einsatz der Attack Fighter dazu gelernt hatte. Das Thema das Garrick nun angesprochen hatte, zählte seit jeher zum Reizthema für den Squadron Leader und so war in seinem Tonfall wieder Ärger zu entnehmen: „Wie ich schon immer gesagt habe, eine einzige Staffel auf der Katana ist zu wenig. Mindestens ein Geschwader ist notwendig um die Potentiale dieser Waffe wirklich ausnutzen zu können. Mit den neuen Fightern verhält es sich ähnlich. Mit diesen neuen Fightern wird das eigentliche Problem nicht gelöst. Für einen vernünftigen Einsatz sind meiner Meinung nach mindestens ein Wing Spitfire und wenigstens acht Azrael-Fighter, wenn nicht eine ganze Staffel davon, notwendig. Aber bei diesem Verhältnis wie wir es im Feldversuch haben können… bleiben die taktischen und strategischen Einsatzmöglichkeiten begrenzt.“

„In wiefern bleiben sie begrenzt?“, hakte der XO nach. Daraufhin meinte Lew: „Nun, das werden die nächsten Wochen und Monate zeigen. Prinzipiell sind wir bei dieser Konstellation weniger flexibel im Einsatz. Im Grunde liegt es an mir und der Staffel neue Taktiken und Strategien für denn kombinierten Einsatz auszuarbeiten. Vielleicht können wir dabei sogar einiges erreichen, aber die Ergebnisse werden für eine Umsetzung in anderen Verhältnissen von Staffeln und Geschwadern nicht repräsentativ sein.“

„Gut. Vielen Dank Mister Sulik, für diese erste Ausführungen. Ich schlage vor, sie arbeiten in den nächsten Tagen ihre Vorschläge aus, wie die technischen und logistischen Aspekte dieser Verstärkung in ihrem Teil von Shuttlebay 1 zu lösen sind.“, verkündete Captain Ebbersmann und beendete damit das Briefing.


Logbucheintrag der USS Katana. Sternzeit 58.792,8. Captain Ebbersmann. Nach einer beinahe zweiwöchigen Reise durch das halbe Föderationsgebiet sind wir so eben im Orbit der Erde eingetroffen und steuern die Raumbasis 104 an, wo unser Schiff eine technische Generalüberholung unterzogen wird. Außerdem werden wir dort neues Gerät und Material an Bord nehmen und es werden neue Mannschaftsmitglieder zu uns stoßen. Insbesondere die Verstärkung unserer Fighter-Staffel durch zwei neue Piloten inklusive neuer Attack Fighter wird eine wesentliche Veränderung für die USS Katana bedeuten. Ich verspreche mir von diesen zusätzlichen Attack Fightern eine wesentliche Verbesserung unserer Kampfkraft, auch wenn mein Squadron Leader dies einwenig anders beurteilt. Die anstehende technische Generalüberholung der USS Katana wird überwiegend vom technischen Personal der Raumbasis durchgeführt, weshalb für den größten Teil der Crew einige Tage Urlaub in Aussicht steht. Ich selbst hoffen auf eine Gelegenheit für einen kurzen Landurlaub auf der Erde.“


Garrick Andersson und Seeta Yadeel liefen nebeneinander eine staubige Straße entlang. Sie hatte den Transporteroffizier gebeten, sie in Santiago Del Teide abzusetzen, der dem Familiensitz der Yadeels am nächsten liegenden Stadt. Sie wollte Garrick auf dem Fußweg noch einiges über ihre Kultur und ihre Familie erzählen, damit er wusste, was auf ihn zukam.

„Also, Commander, in unserer Kultur haben die Frauen das Sagen, denn es handelt sich um ein Matriarchat. Der Vorsitz geht jeweils von der Mutter auf die älteste Tochter über, ganz ähnlich, wie man es aus den irdischen Königshäusern kennt, nur dass es dort eben jeweils die Männer sind, die den Titel erben. Derzeit hat meine älteste Schwester das Sagen, denn meine Mutter hat ihr vor einigen Jahren sozusagen das Zepter übergeben“, erklärte sie ihm. Er grinste vor sich hin. Das erklärte zumindest das bisweilen herrische Benehmen der Frau neben ihm.

„Halten Sie sich in jedem Fall von meiner Schwägerin Senda fern, sie hat ein richtig boshaftes Maul und niemand ist vor ihr sicher. Sie ist nie mit meinem Bruder glücklich geworden. Auf mich und meinen jüngeren Bruder ist sie besonders schlecht zu sprechen, weil wir beide, im Gegensatz zu ihr, die arrangierte Ehe verweigert haben“, wies sie ihn weiter ein.

Da war sie wieder, die Verwunderung, die er jedes Mal verspürte, wenn er hörte, dass es in ihrem Volk noch immer üblich war, Ehen zu arrangieren. Diesmal fragte er nach. „Commander, was ist eigentlich der Sinn dieser arrangierten Ehen?“, erkundigte er sich.

Sie musste weiter ausholen. „Ich weiß nicht, ob es Ihnen bekannt ist, aber der Planet, von dem meine Rasse eigentlich stammt, wurde von den Drach vernichtet. Eine kleine Gruppe, die sich zu der Zeit auf einem anderen Planeten befand, überlebte, jedoch mit einer Seuche infiziert. Wir verdanken es Sheridan und den Menschen, dass rechtzeitig ein Gegenmittel gefunden wurde.“

Garricks Miene wurde bei dieser Schilderung sehr ernst. Er wusste, es war recht selten, dass in irgendwelchen Auseinandersetzungen ganze Planeten und Völker ausgelöscht wurden, als umso schlimmer empfand er es jedes Mal, wenn er von einem derartigen Fall erfuhr.

„Am Ende waren wir noch etwas mehr als 250. Das ist sehr wenig für einen intakten Genpool. Man entschied sich, dass genetisch zusammenpassende Paare heiraten mussten, um den Fortbestand der Rasse zu gewährleisten. Jede Familie musste mindestens 5, besser 10 Kinder haben.

Das ist jetzt weit mehr als 100 Jahre her. Inzwischen ist der Fortbestand nicht mehr gefährdet. Aber niemand will den Brauch mehr abschaffen. Stattdessen arrangieren inzwischen die Vorsitzenden der Familie die Ehen. Viele Kinder zu kriegen ist jedoch auch heute noch bei meinem Volk Tradition.“

Garrick nickte. „Und Sie sagten Nein zu der für Sie arrangierten Ehe?“, fragte er nach. Blut schoss in ihre Wangen. „Genau genommen habe ich meinen Bräutigam am Altar stehen lassen.“, erklärte sie.

Ein amüsierter Ausdruck stahl sich auf sein Gesicht, als er sie sich vorstellte, wie sie mit einem hinter ihr her flatternden Brautkleid aus einer Kirche floh. Was ihn dazu brachte, dass eine zanderianische Hochzeit vermutlich völlig anders ablief, als eine menschliche.

„Dann wird ihre Familie vermutlich sehr groß sein?“, fragte er nach. Sie nickte. „Ja, ich habe sechs Geschwister, außer mir sind die, zumindest ab morgen, alle verheiratet. Ich habe 35 Cousinen und Cousins. Es werden sehr viele Leute bei der Zeremonie zugegen sein, denn neben der Familie der Braut werden natürlich auch die Nachbarn und befreundete Familien eingeladen. Sie sollten mit weit über 200 Leuten rechnen“, erklärte sie ihm.

Er nickte. „Und wie läuft die Zeremonie ab?“, wollte er dann wissen. Sie hob ihre Hände an und streckte sie mit den Handflächen nach oben vor sich aus. „Das Paar hält sich so an den Händen. Dann werden ihre Hände mit einem Band zusammengebunden, in das Steine eingenäht sind, als Zeichen ihrer Verbundenheit“, erklärte sie den Hauptteil der Zeremonie. Er fand den Gedanken dahinter interessant.

„Und wieso glauben Sie nun, meinen 'Schutz' zu benötigen“, wollte er dann von ihr wissen. Sie verzog das Gesicht. „Meine Schwester hat es sich nun mal in den Kopf gesetzt, aus mir doch noch eine vernünftige Frau zu machen. Sie war wohl seinerzeit bereit, Commander Summers als Kompromiss zu akzeptieren, aber dass ich inzwischen wieder solo bin, hat sie wohl erneut auf den Plan gerufen, wenn ich Shadan glauben darf“, erläuterte sie.

Er nickte. Er sollte also so tun, als wäre er Seetas Freund. Eine Scharade, die ihm nicht unbedingt unangenehm war. Sie zeigte auf einen Punkt, wo die Bäume sich teilten. „Wir sind da, Garrick, komm schon“, meinte sie, in die Rolle schlüpfend. Dann nahm sie seine Hand, um gleich von Anfang an klar zu machen, dass sie ihren Freund dabei hatte und jegliche Kuppelei von Seiten ihrer Familie daher völlig unnötig war.

Als sie sich dem Anwesen nun näherten, erkannten Seetas scharfe Augen sogleich ihren Lieblingsbruder, der damit beschäftigt schien, diverse Vorräte aus einem Antigrav-Gleiter ins Haus zu tragen. Garrick nahm zur Kenntnis, dass hier offenbar durchaus noch auf herkömmliche Art und Weise gekocht wurde, womit die Tage zumindest in kulinarischer Hinsicht ein besonderes Erlebnis zu versprechen schienen. „Shadan!“, rief Seeta nun laut, löste sich gleich wieder vom XO und stürmte ihrem Bruder fröhlich winkend entgegen. Garrick folgte ihr ganz bewusst in erheblich gemäßigterem Tempo. Er wusste aus eigener Erfahrung, wie schön und besonders die Begrüßung von geliebten Personen war, nachdem man sie monatelang nur über Subraumkommunikation – wenn überhaupt – zu Gesicht bekommen hatte. Und offensichtlich verband die Chefingenieurin ein ganz besonderes Gefühl mit diesem Bruder. Shadan hatte das Paket, das er eben erst aufgenommen hatte, sogleich abgesetzt und war seiner Schwester erfreut entgegengeeilt. Ein beeindruckender Redeschwall schwappte zum XO herüber, von dem dieser aber kein Wort verstand. In ihrer Freude war die Zanderianerin in ihre Muttersprache verfallen und der Universaltranslator identifizierte die Worte als nicht an den Dänen gerichtet. Sein Timing war indessen ziemlich gut, denn das Gespräch endete gerade, als er die beiden Geschwister erreicht hatte. „Sie müssen Garrick sein!“ begrüßte ihn der Bräutigam mit freundlichem Lächeln und reichte ihm ebenso freundlich die Hand. Der XO ergriff sie gerne: „Ja, das ist richtig. Es freut mich, Sie kennenzulernen, Shadan!“, benutzte auch er die persönlichere Anrede. Seeta strahlte, dass die beiden Männer sich offenbar auf Anhieb gut verstanden. „Herzlich Willkommen auf Kuba! Schön, dass Sie der Einladung meiner Schwester gefolgt sind. Yadana und ich freuen uns sehr, dass Sie es einrichten konnten, mit uns die Hochzeit zu feiern!“ Diese Worte des Zanderianers waren absolut aufrichtig und Garrick entspannte sich zusehends ob der Wärme dieser Begrüßung. So antwortete er: „Es wird mir eine große Ehre und besonderes Vergnügen sein, mit Ihnen Beiden zu feiern!“ Shadan strahlte nun beinahe mit seiner Schwester um die Wette und die Verwandtschaft zwischen den beiden war zweifelsfrei feststellbar. „Ich denke, die anderen werden sich irgendwo im Haus oder Garten aufhalten, aber Du kennst Dich ja aus, Fada. Ich muss mich leider noch um diese Vorräte kümmern; sie vertragen die hohen Temperaturen hier draußen nicht so gut. Ich hoffe aber sehr, dass wir noch die Gelegenheit zu einem ausführlicheren Gespräch finden werden!“


So begann das erste Abendessen, das Commander Garrick Andersson, Erster Offizier der USS Katana, im Hause Yadeel erleben sollte. Die Familie hatte sich um die große Tafel im Speisesaal des Anwesens versammelt, mit Hadja als Vorsteherin des Hauses an der Stirnseite des Tisches. Links von ihr stand ihre Mutter, der Ehrenplatz zu ihrer Rechten war Garrick, als Gast des Hauses, vorbehalten. Ihm zur Seite würde Seeta Platz nehmen, was den Dänen ein wenig beruhigte. Insgesamt erinnerte ihn das Ganze sehr an einen Holodeckroman, der auf einem mittelalterlichen Schloss spielte. Auf ein Zeichen von Hadja setzten sich alle und sie begann: „Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, einen Gast in unserem Hause willkommen zu heißen. Commander Garrick Andersson, Willkommen im Hause Yadeel!“ Garrick nickte ihr offen und freundlich zu und bedankte sich: „Vielen Dank, Mrs. Hamed.“ Er fand es irritierend, dass zwar die Frauen das Sagen hatten, aber trotzdem die Namen ihrer Männer annahmen. „Es ist mir eine Ehre und ein großes Vergnügen, die Gastfreundschaft Ihres Hauses genießen zu dürfen!“ – „Mal sehen, wie lange...“ Die etwas respektlose Bemerkung stammte von Radira, Seetas anderer Schwester. Garrick rief sich schnell das erheblich bessere Gehör der Zanderianer in Erinnerung, und gab vor, den Kommentar schlicht überhört zu haben, doch Hadja sah sich genötigt, zu intervenieren: „Radira, ich möchte solch abfällige Äußerungen nicht in diesem Haus hören, verstanden?“ – „Ja, Hadja“, kam es zurück. Halberlei rechnete Garrick damit, dass sie nun vom Tisch geschickt werden würde, doch eine derartige Eskalation der Ereignisse blieb dann doch glücklicherweise aus. „Außerdem möchte ich besonders Seeta begrüßen, die den Weg nach Hause gefunden hat und uns endlich einmal wieder in unserer Mitte Gesellschaft leistet!“ fuhr Hadja nun fort. „Danke, Hadja“, antwortete Seeta mit einer Unterwürfigkeit in der Stimme, die Garrick bei ihr noch nie zuvor vernommen hatte. Er war sich auch nicht sicher, ob die nun aufgesetzt oder echt war. „Ich bin froh, Euch alle zu diesem Ereignis wieder zu sehen!“ Hadja nickte und fuhr fort: „Dann lasst uns nun den Steinen für dieses reiche Mahl danken!“ Garrick war nicht unbedingt ein religiöser Mann, doch die unterschiedlichen Glaubenskonzepte waren ihm auch nicht fremd. Ein fester Glaube, woran auch immer, konnte ein starker Partner sein und einem Halt geben. Er hatte für sich entschieden, dass ein Universum, welches gottähnliche Wesen wie die Q hervorzubringen vermochte, möglicherweise auch wirkliche Götter erschaffen konnte. Im Ernstfall betete er einfach zu allen guten Geistern, die existieren mochten, in der Hoffnung, dass sich eine dieser Mächte seinem Problem eventuell annehmen möge. Nun begann ein vielstimmiges Gemurmel auf zanderianisch, welches der Insignienkommunikator, den Garrick trug, glücklicherweise einmal mehr nicht als übersetzungswürdig einstufte, wie der Däne erleichtert zur Kenntnis nahm. Damit schien der offiziellere Part des Abends vorüber zu sein, und man erwartete offenbar von Garrick, dass er als Ehrengast das Mahl eröffnete. In dieser Rolle fühlte sich der XO nicht sonderlich wohl, bis er die Idee hatte, das Ganze einfach als ein diplomatisches Essen, wie sie an Bord der Katana immer mal wieder stattfanden, zu sehen. Das war ein Terrain, auf dem er sich bestens auskannte. Er bemühte sich, nicht zuviel Essen auf seinen Teller zu legen, um nicht als gierig zu erscheinen, aber auch nicht zu wenig, um den Koch oder die Köchin nicht zu beleidigen. In der Tat war der Tisch reich gedeckt und die Speisen sahen ausnahmslos verlockend aus; einige kannte er von seinem Picknick mit Seeta am Strand. Dann war die Reihe an Hadja, und erst, als sie und ihre Mutter sich bedient hatten, schien es keine weitere offizielle Reihenfolge mehr zu geben, auch wenn Garrick eine gewisse, unausgesprochene Regelung zur Kenntnis nahm. Er wartete, bis auch Seeta sich vom Essen genommen hatte. Hadja bemerkte sein Zögern und meinte: „Sie können ruhig schon beginnen, Mr. Andersson.“ – „Vielen Dank, Ma’am“, antwortete der Däne und wartete weiter. Ihm war durchaus bewusst, dass die Regeln der Höflichkeit vorschrieben, sich an die Gepflogenheiten des Hauses, in dem man verweilte, zu halten, doch seinen eigenen Regeln widerstrebte es sehr, dass man seiner „Freundin“ offenbar nicht den gleichen Respekt zollte, wie ihm. Seeta nahm dieses Verhalten zur Kenntnis und ihr wurde klar, dass der XO es nicht nur um der Scharade willen tat. Wäre sie tatsächlich seine Freundin gewesen, würde er sicherlich genauso unerschütterlich zu ihr stehen. Dies erzeugte ein merkwürdiges, aber nicht unangenehmes Gefühl in ihr, und sie berührte ihn bei nächster Gelegenheit scheinbar zufällig an der Hand. Dieser leichte Kontakt versetzte ihm so etwas wie einen feinen elektrischen Schlag, und er nutzte die Chance, ihr einen verliebten Blick zuzuwerfen. Das konnte der Glaubwürdigkeit sicher nicht schaden!

Als nun endlich alle aßen, wandte sich Hadja erneut an ihn. „Unsere Gepflogenheiten müssen Ihnen recht altertümlich erscheinen, Mr. Andersson. Oder ist es Ihnen lieber, wenn ich Sie Commander nenne?“ Garrick sah sie freundlich an: „Mr. Andersson oder auch Garrick ist mir Recht, Ma’am. Immerhin befinde ich mich nicht im Dienst, damit ist ein Festhalten am Rang nicht nötig. Es sei denn, Sie wünschen mit mir über dienstliche Belange zu sprechen“, beantwortete er ihre zweite, ungefährlichere Frage zuerst. Doch auch die erste Frage führte ihn nicht sonderlich aufs Glatteis. „Ich betrachte mich als aufgeklärten Menschen, der die Bräuche und Kultur anderer Spezies zu respektieren und achten gelernt hat. Aber ich gebe zu, dass Ihre Kultur sich in einigen Punkten von der sonst auf der Erde und anderen Föderationswelten vorherrschenden sehr unterscheidet. Allerdings steht es meiner Meinung nach niemandem zu, über die Wertvorstellungen anderer Gesellschaften zu urteilen. Ich denke, jede Gesellschaft sucht sich die Form, von der sie sicher ist, dass sie das Überleben und den Fortbestand am besten sichert. Und damit können unterschiedliche Konzepte durchaus völlig gleichwertig sein, nebeneinander bestehen und ein Recht auf Existenz besitzen. Für die Menschheit hat sich über viele Jahrhunderte das Konzept der Gleichberechtigung und persönlichen Freiheit als das Maß der Dinge entwickelt, aber auch das bedeutet nicht, dass dies bis zum Ende aller Tage gelten muss.“ Garrick war selbst ein wenig überrascht, wie sehr ihm dieses Konzept, dass ihm erst auf der Akademie beigebracht worden war, mittlerweile in Fleisch und Blut übergegangen war. Er hatte es sich tatsächlich zu Eigen gemacht, und diese Worte waren für ihn nicht nur leeres Gerede. Hadja erkannte die Aufrichtigkeit in seinen Worten. „Sie erscheinen mir als jemand, der sehr an Gepflogenheiten und Regeln festhält, sehe ich das richtig?“ Seeta stellte fest, dass Hadja dem Lulatsch Fragen stellte, die auch für sie durchaus von Interesse waren. Trotzdem wäre es ihr lieber gewesen, ihre älteste Schwester hätte das Verhör nun beendet. Doch Garrick besaß genug diplomatische Erfahrung, um mit dieser Situation umgehen zu können. Er bestätigte: „Das ist richtig. Gewisse Regeln sind notwendig, wenn eine Gesellschaft erfolgreich funktionieren soll.“ Seine Gegenüber lächelte schmal, dann feuerte sie ihren Pfeil ab: „Wie stehen Sie dann zu jemandem, der aus seiner Gesellschaft auszubrechen versucht, indem er immer mal wieder die Regeln überschreitet?“ Garrick spürte, wie Seeta neben ihm zusammenzuckte. Aus den Augenwinkeln bemerkte er, wie der Zanderianerin das Blut ins Gesicht schoss. Sämtliche übrigen Gespräche, die bislang sowieso nur verhalten geführt worden waren, erstarben nun komplett. Der Erste Offizier lächelte offen und ein wenig versonnen. Wäre Seeta tatsächlich seine Freundin gewesen, hätte er vielleicht erbost reagiert, doch wie die Dinge lagen, konnte er seine Rolle einigermaßen unbehindert von persönlichen Gefühlen spielen. Er nahm die Hand der Zanderianerin und sah ihr aufmunternd in die Augen. Hätte er gewusst, welches Gefühlschaos er damit in der kleinen Frau erzeugte, hätte er sich diesen Blick vermutlich verkniffen. Dann antwortete er Hadja: „Es liegt immer daran, welche Regeln gebrochen werden, Ma’am. Viele einschneidende und positive Veränderungen in der Geschichte der Menschheit wurden von Personen herbeigeführt, die bereit waren, gegen alle Widerstände Althergebrachtes in Frage zu stellen. Diese Art von Fortschritt hat die Menschheit zu dem gemacht, als das wir sie heute kennen.“ Garrick wusste, dass er möglicherweise zu weit gegangen war, aber da ihm an diesem Tisch eigentlich nur eine Person überhaupt irgendetwas bedeutete, war es ihm egal. Er hoffte nur, dass er Seetas Probleme mit seinen Äußerungen nicht vergrößert hatte, doch der Blick der Zanderianerin war undeutbar. Hadja erkannte, dass dieser Mensch offenbar unerschütterlich hinter ihrer Schwester stand. Ein Teil von ihr freute sich darüber. Es war nicht so, daß sie ihre Schwester nicht liebte, im Gegenteil, sie wollte das Beste für sie. Leider waren die beiden Frauen völlig geteilter Auffassung darüber, was das Beste für Seeta war. Um den weiteren Verlauf des Abends nicht ernsthaft zu gefährden, ließ sie es nun dabei bewenden und brachte mit der bevorstehenden Hochzeit ein Thema zur Sprache, dass allen Anwesenden erheblich besser gefiel.


Der Rest des Abends war erstaunlich reibungslos verlaufen. Seeta war nicht von Garricks Seite gewichen und so hatte niemand irgendwelche weiteren unangenehmen Fragen gestellt. Dies hatte dem XO die Gelegenheit gegeben, sich mehr und mehr zu entspannen und die freie Zeit zu genießen. Er ging allerdings davon aus, dass dies nicht so bleiben würde.

Am frühen Morgen war ein heftiger Regenguß runtergekommen, der ihm bewußt gemacht hatte, daß hier auf Kuba gerade die regenreiche Zeit herrschte. Das ungewohnte Rauschen hatte ihn geweckt, denn in seinem Quartier auf der Katana war er von derartigen Umwelteinflüssen natürlich verschont. Schließlich hatte sein Magen darauf bestanden, daß er aufstand und sich etwas zu essen holte.

Vorsichtig öffnete er die Tür seines Zimmers und sah auf den Flur hinaus. Er war doch recht froh gewesen, dass man dem „Liebespaar“ getrennte Zimmer gegeben hatte. Seetas Zimmer war gleich nebenan. Er huschte förmlich über den Flur und klopfte vorsichtig an ihre Tür. Aus dem Zimmer war kein Geräusch zu hören. Als von der Treppe Schritte erklangen, drückte er die Klinke herunter und stahl sich in ihr Zimmer. Sein Blick huschte zu ihrem Bett hinüber. Ein Knubbel unter dem Laken machte klar, dass sie noch schlief. Er war versucht, an ihr Bett zu treten und sie zu beobachten. Einen Moment widerstand er der Versuchung, dann huschte er hinüber zum Bett und betrachtete die schlafende Frau, die ungemein friedlich aussah.

Einige Momente später kehrte er zur Tür zurück und lauschte auf den Flur. Es war nichts zu hören, und so trat er wieder hinaus. Er straffte sich. Er kam sich ein bisschen albern vor. Er war XO eines Sternenflottenschiffes und ging der Familie seiner Chefingenieurin aus dem Weg.

Er ging die Treppe hinunter und wandte sich dem Esszimmer zu, das er noch von gestern Abend kannte. Es war leer, wie Garrick erfreut feststellte. Auf einer Anrichte fand er eine Kanne Tee und Broiche. Er nahm sich von beidem und setzte sich hin. Schon wenig später vernahm er erneut Schritte hinter sich. Eine weitere Zanderianerin erschien durch die Tür ihm gegenüber. Irgendwie hatte er bisher noch nicht gelernt, sie zu unterscheiden. Lediglich Yadeel konnte er von den anderen unterscheiden, was wohl daran lag, dass er sie fast täglich sah. Die Frau nahm sich von der Anrichte und kam dann zu ihm herüber.

„Sie müssen Seetas neuer Freund sein“, sprach sie ihn dann an. Garrick nickte. Es war wohl am geschicktesten, nicht allzu viel Informationen preiszugeben. Ihm wurde klar, dass er eigentlich zu wenig über Yadeel wusste, um mit der Scharade durchzukommen. Aber er würde sein Bestes tun.

„Wie lange kennen Sie sich schon?“, fragte die Frau nach. Die Frage konnte er leicht und einwandfrei beantworten. „Seit Anfang des Jahres“, erklärte er. „Wussten Sie, dass sie ihren Verlobten am Tag der Vereinigung verlassen hat? Vor allen?“, band sie ihm etwas auf die Nase, von dem sie sicher glaubte, dass es die Beziehung der beiden belasten würde.

Erneut konnte er wahrheitsgemäß antworten und damit der bösartigen Frau noch einen Dämpfer verpassen. Vermutlich handelte es sich bei ihr um die von Seeta bereits beschriebene Schwägerin. „Ja, das wusste ich“, sagte er mit einem leichten Lächeln.

Sie stutzte kurz, ließ sich aber nicht davon abhalten, weiter ihr Gift zu verspritzen. „Sie glauben nicht wirklich, dass Sie die Frau gebändigt kriegen? Sie werden nie mit ihr glücklich werden“, sagte sie. Er lächelte sie einfach weiter an. „Aber ich bin doch bereits jetzt sehr glücklich mit ihr. Sie ist eine wundervolle Frau“, flötete er förmlich.

In diesem Moment wurde er von Seeta erlöst, die in der Tür aufgetaucht war. „Und Du bist ein wunderbarer Mann, Liebling“, meinte sie und setzte sich zu ihnen. Sie ignorierte ihre Schwägerin und meinte zu Garrick: „Lass uns ein Stück spazieren gehen. Ich zeige Dir den Strand. Wir werden noch rechtzeitig zurück sein, um uns für die Zeremonie vorzubereiten.“

Garrick nahm einen letzten Schluck aus der Tasse und stand dann gemeinsam mit ihr auf. Auf dem Weg zum Ausgang flüsterte er ihr zu: „Gerade noch rechtzeitig, Commander.“ Sie lächelte und zog ihn dann hinunter in Richtung Strand.

Auf dem Weg dorthin fühlte sich der XO beobachtet. Er hatte sich bei Seeta eingehakt und drehte sich nun zum Haus um. Hinter einem Fenster des Esszimmers stand Senda, und schaute den beiden tatsächlich nach. „Sie guckt uns hinterher...“ zischte Garrick, mit einem überaus freundlichen Lächeln in Sendas Richtung auf dem Gesicht, zu Seeta. Dann hob er seine freie Hand und winkte der Zanderianerin hinter dem Fenster jovial zu. Blitzschnell verschwand diese. „Weg ist sie...“ knurrte er nun, während Seeta sich vor Lachen schüttelte. Garrick widerstand dem Wunsch, den Arm um ihre Taille zu legen, denn immerhin spielten sie hier nur eine Scharade.


Am Strand angekommen holte er tief Luft. Das Wetter war herrlich, der Sand noch nicht zu warm und die Luft noch klar. Gemeinsam liefen sie am Wasser vorbei, wie sie es bereits zweimal zuvor getan hatten, allerdings in holographischer Umgebung. Dieses Mal mussten sie den feinen Sandstrand daher teilen.

Eine Weile liefen sie schweigend, dann meinte Garrick. „Ich nehme an, das war die angesprochene Schwägerin?“, fragte er nach, denn von allen anderen war er hier sehr freundlich aufgenommen worden und wäre da nicht die Tatsache gewesen, dass er nur vorgab mit einer der Töchter des Hauses zusammen zu sein, hätte er sich vermutlich pudelwohl gefühlt. Ihre älteste Schwester wirkte zwar etwas streng, was jedoch, wie er annahm, in erster Linie mit ihrer Verantwortung für die Familie zusammenhing. Außerdem hatte Garricks diplomatisches Geschick während ihres Verhörs seine Wirkung offenbar nicht verfehlt, denn ihre Reserviertheit schien im weiteren Verlauf des Abends ein wenig nachgelassen zu haben. Ihr Vater war ein sehr liebenswerter älterer Mann, der seine jüngste Tochter offensichtlich fast ebenso vergötterte wie seine zahlreichen Enkel, die Onkel Shadan dann wiederum für unglaublich toll hielten.

Er hatte auch bereits die Braut kennen gelernt. Ein etwas scheues Wesen, aber sehr nett, nachdem sie einmal aufgetaut war.

Seeta nickte. „Ja, genau, das war Senda. Halten Sie sich von ihr fern, so gut Sie können, Sir“, meinte sie. Er legte keinen gesteigerten Wert darauf, die Bekanntschaft mit der offensichtlich verbitterten und missgünstigen Frau zu vertiefen. „Bleiben Sie einfach bei mir, Seeta, dann kann nichts passieren“, meinte er. Sie nickte. „Ich werde mich darum bemühen, Sir“, versprach sie und stellte fest, dass ihr der Gedanke, in seiner Nähe zu bleiben, sehr angenehm war. „Es sollte aber eigentlich auch nicht zu weiteren Möglichkeiten für Senda kommen, Ihnen zu nahe zu treten“, ergänzte sie dann. „Wir bleiben einfach hier, bis es so weit ist, dass wir uns fertig machen müssen. Nach der Zeremonie wird die Feier stattfinden und anschließend begeben sich alle zur Nachtruhe. Dann haben wir nur noch morgen früh zu überstehen“, führte sie weiter aus.

„Nun“, meinte Garrick, „ansonsten werde ich die weiteren Gelegenheiten nutzen, mein schauspielerisches Talent zu verbessern. Wenn ich mit bösen Typen auf waffenstarrenden Raumschiffen fertig werde, will ich verdammt sein, wenn ich nicht auch mit missgünstigen Schwägerinnen zurande komme!“