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Jebor

From PathfinderWiki

Jebor
Autor: TCR
Sternzeit: 55616.6
Datum: 13.08.2378


Jebor saß im Pilotensitz seines Jägers. Gemeinsam mit 15 anderen der Orlat-Gruppe war er in das System eingedrungen, das die neuen Eigentümer "Vela" nannten. Seit etwa sieben Jahren waren diese Fremden nun schon hier. Mit ihrer fortgeschrittenen Sensor-Technologie hatten sie das Latinum auf dem fünften Planeten entdeckt und ziemlich schnell damit begonnen, es in Minen abzubauen, zu raffinerieren und in Gold zu pressen. Auf diese Art und Weise veredelt, ließ es sich gut transportieren und war als Zahlungsmittel allgemein anerkannt - auch wenn die "Föderationsbürger", wie sie sich selbst nannten, es in eher unkonventionelle Größen aufteilten. Aber trotzdem hatten sie die erbeuteten Barren sehr gewinnbringend unters Volk bringen können.

Doch seit mehr als vier Wochen hatten sie nun kein Latinum von Vela mehr erbeuten können - seit das neue Raumschiff im Orbit des Planeten Stellung bezogen hatte. Und obwohl es sich nur um ein vergleichsweise kleines Schiff handelte, so hatte es doch ein beeindruckendes Waffenarsenal an Bord. Die beiden Späher, die der Patron losgeschickt hatte, hatten von gepulsten Strahlenwaffen berichtet, die einen Raider mit wenigen Treffern ausschalten konnten. Daraufhin hatte der Patron schwerere Waffen und stärkere Schilde in die Jäger einbauen lassen, doch Jebor bezweifelte, dass die kleine Angriffsflotte dem Raumschiff tatsächlich ernsthaften Schaden würde zufügen können. In seinen Augen wäre es sinnvoller gewesen, die im Bau befindliche Raumstation im Orbit endlich komplett zu vernichten. Vielleicht würde sich das Militär nach einem solchen Verlust endlich von hier zurückziehen.

Andererseits schienen diese "Menschen", wie sich die meisten von ihnen Gerüchten zufolge selber nannten, hartnäckiger zu sein, als die Patronen gedacht hatten. Der flächendeckende Angriff auf die Kolonie hatte jedenfalls auch nicht dazu geführt, dass sie die Siedlung aufgaben und den Planeten verließen.

Jebor überlegte, dass es falsch gewesen war, die Zivilisten anzugreifen. Man hätte den Angriff auf die kleine Gruppe Soldaten konzentrieren müssen, die seit etwa einem Jahr mehr oder weniger erfolglos versuchte, die Kolonie vor den Orlat und den anderen Gruppen zu schützen. Wären diese ausgeschaltet worden, hätten die Kolonisten vielleicht die Flucht ergriffen. Wie hieß es doch so schön? "Schlag dem Bortax den Kopf ab, dann ist der Körper wehrlos." Jetzt schien zwar das neue Raumschiff der Kopf zu sein, aber Jebor war sich ziemlich sicher, dass ein gezielter Schlag gegen den Stützpunkt auf dem Planeten ebenfalls eine signifikante Schwächung bedeuten würde.

Er würde sicherlich eine Standpauke vom Patron zu hören bekommen, weil er sich während eines Angriffs von seinen Kameraden entfernt hatte. Aber der Erfolg würde ihm Recht geben und der Patron würde ihn nach seiner Strafpredigt zur Seite nehmen und loben. Eigeninitiative war immer gern gesehen - vor allem, wenn sie einen positiven Effekt erzielte. Ohne Eigeninitiative hätte er sich niemals seinen Jäger verdient. Sollten die anderen sich doch an diesem Schiff die Zähne ausbeißen - er, Jebor, würde Fakten schaffen. Und im Anschluss vermutlich der neue Anführer der Orlat-Gruppe sein.


Als der Befehl kam, die Tarnung aufzugeben und das Raumschiff anzugreifen, brach Jebor mit seinem Jäger aus der Formation aus. Sofort quengelte die Stimme seines Flügelmannes Berlot aus dem Kom-System: "Hey, Jebor, wo zum Teufel willst du denn hin?" - "Haltet mir einfach den Rücken frei!" forderte er und raste auf den Planeten zu, während die anderen Jäger begannen, aus allen Rohren auf den Feind zu feuern.

Nach wenigen Minuten hatte sich Jebor dem Planeten soweit genähert, dass er sich auf den Eintritt in die Atmosphäre vorbereitete. Er deaktivierte nun ebenfalls die neue Tarnvorrichtung und warf einen letzten Blick auf die im All tobende Schlacht. Das fremde Schiff wehrte sich tapfer und schien selbst den stärkeren Waffen der Jäger gewachsen zu sein. Der Patron würde etwas mit erheblich mehr Feuerkraft benötigen, wenn er dieses Schiff besiegen wollte. Jetzt tauchte sein Jäger in die Lufthülle des Planeten ein. Der Rumpf glühte orange und das helle Leuchten nahm ihm die Sicht. Endlich war er soweit in die Atmosphäre eingetaucht, dass das Glühen verblasste.

Auf dieser Seite des Planeten herrschte gerade Nacht. Jebor begrüßte diesen Umstand, so konnte er die Siedlung anhand der künstlichen Beleuchtung gut ausmachen. Obwohl das nicht einmal notwendig war. Er lud die taktischen Daten, welche er und die anderen bei den vorherigen Besuchen gesammelt hatten, in den Waffencomputer des Jägers. Eine dreidimensionale Abbildung der Gebäude der Siedlung erschien auf einem Bildschirm. Jebor gab die Koordinaten des Stützpunktes der Soldaten ein und sofort färbte sich eines der Gebäude rot. Der Anflug würde ein Kinderspiel sein und er beschloss, ihn dem Autopiloten zu überlassen und sich ganz darauf zu konzentrieren, jenes Gebäude mit chirurgischer Präzision dem Erdboden gleich zu machen.

Nur noch wenige Augenblicke, dann würde er in Waffenreichweite sein. Der Autopilot legte einen perfekten Anflug hin. Jebor hielt den Finger an den Abzug seiner Bordwaffen, als auf einmal unten auf der Oberfläche etwas aufblitzte. Grelles Leuchten raste ihm entgegen und blendete ihn erneut. Jebor versuchte ein Ausweichmanöver, aber der Autopilot war noch immer aktiv. Bevor der Pilot ihn abschalten konnte, trafen mehrere Entladungen seinen Jäger. Verschiedene Alarme ertönten und Anzeigen wechselten schlagartig von grün nach rot.

"Verdammte Scheiße!" fluchte Jebor, nachdem er sich von der ersten Überraschung erholt hatte. Er hieb auf den Autopiloten, doch das System ließ sich nicht deaktivieren. Verzweifelt zerrte Jebor am Steuerknüppel, doch der Jäger setzte seinen Anflug trotz des beschädigt jaulenden Triebwerks unbeirrt fort. Für einen Sekundenbruchteil überlegte Jebor, wenigstens noch seine Waffen abzufeuern, doch auch die Waffenkontrolle war durch den unerwarteten Beschuss ausgefallen. Er schrie vor Wut und Verzweiflung, bevor ihm klar wurde, dass er den Jäger sofort aufgeben musste, wollte er nicht mit ihm auf dem Planeten aufschlagen.


Tess erwachte. Sie war sich nicht sicher, ob sie das Heulen der Sirene der Kolonie oder das Zirpen ihres Kommunikators aus dem Schlaf gerissen hatte. Schnell griff sie nach dem kleinen Gerät und aktivierte es: "Gilbert hier!" Die leicht angespannte Stimme ihres Ersten Offiziers erklang: "Captain, wir werden angegriffen! 15 Raider haben sich gerade enttarnt..." Typischer Gefechtslärm unterbrach das Gespräch kurz, bevor Reon fortfuhr: "Offenbar haben unsere Freunde aufgerüstet... Feuer!" hörte Tess ihn einen Befehl rufen. "Sagten Sie 15 Raider, XO?" - "Kurs 43.73, ein Viertel Impuls! Ja, Captain." Tess überlegte kurz, dann sagte sie: "Das kommt mir merkwürdig vor. Bislang sind die doch immer paarweise aufgetaucht." Erneut ertönte der Lärm von Waffenfeuer, das auf die Schutzschilde der Stingray traf. "Ja, Captain. Ich möchte nicht ausschließen, dass eine oder mehrere der Ratten durchgekommen sind. Ich empfehle, Sie suchen einen der Schutzräume auf!" Tess fiel die Kinnlade herab. Sie hörte wohl nicht richtig! Sie war doch nicht hier unten, um sich selbst zu schützen, sondern um alle anderen zu be-schützen! Doch jetzt war nicht der richtige Augenblick, um ihrem XO noch einmal die Feinheiten ihres aktuellen Auftrages zu erläutern, und so sagte sie nur: "Sehen Sie zu, dass wir hier unten nicht noch mehr Gesellschaft bekommen, Commander!" Dann beendete sie die Verbindung.

Schnell stieg sie in ihre Uniformhose und holte das Phasergewehr und den Feldstecher hervor, die sie in ihrem Kleiderschrank aufbewahrte. Anschließend eilte sie die Treppe hinauf auf das Flachdach des kleinen Gebäudes, in dem sie Quartier bezogen hatte. Das Häuschen befand sich ganz am westlichen Rand der Kolonie und die Captain hatte es mit voller Absicht gewählt. Jetzt nahm sie den Feldstecher vor die Augen und suchte den dunklen Nachthimmel ab.

Schließlich entdeckte sie, wonach sie Ausschau gehalten hatte. Ziemlich genau in westlicher Richtung zeigte sich das typische Leuchten, das ein in eine Planetenatmosphäre eintauchendes Schiff verursachte. Offenbar kam er alleine. Tess begrüßte den Umstand, dass gerade Neumond war; die Dunkelheit war ihr eine gute Tarnung.

Als sie den Raider auch mit dem bloßen Auge erkennen konnte, legte sie den Feldstecher beiseite und aktivierte das Phasergewehr. Der Pilot des Raiders schien sich seiner Sache absolut sicher zu sein, denn er führte einen direkten, geraden Anflug auf sein Ziel aus. Nicht einmal die Positionslichter hatte er deaktiviert! Nun, diese Arroganz würde ihm teuer zu stehen kommen! Tess schaltete die automatische Zielerfassung aus, da sie nicht sicher sein konnte, dass die Systeme des Raiders den Waffenfokus nicht registrierten. Dann legte sie auf das sich immer noch im geraden Anflug nähernde Flugobjekt an. Schon hörte sie den Raider kommen und als sie fast meinte, das Weiß in den Augen des Piloten sehen zu können, feuerte sie ihre Waffe ab.

Entladung um Entladung jagte dem Angreifer entgegen und zu Tess' eigener Überraschung trafen mehrere davon. Auf ein sich so schnell bewegendes Ziel zu feuern, war äußerst schwierig. Noch überraschter war die Captain allerdings darüber, dass der Raider offenbar nicht von Schilden geschützt wurde, denn jeder Treffer verursachte kleine Explosionen auf der Hülle des Fluggerätes. Das Maschinengeräusch veränderte sich zu einem lauten Jaulen, als der Raider schließlich - eine schwarze Rauchspur hinter sich her ziehend und brennende Trümmerteile verlierend - über sie hinweg donnerte. Tess wirbelte herum, verzichtete aber darauf, weiter auf den Raider zu schießen. Offenbar hatte ihr Beschuss das Flugobjekt schwer beschädigt, denn der Pilot schien keinen Versuch zu unternehmen, auszuweichen, die Flugbahn zu ändern oder seine Waffen abzufeuern. Für einen erschreckend langen Augenblick befürchtete die Offizierin, der Raider würde innerhalb der Kolonie abstürzen, doch dann beobachtete sie, wie er etwa einen Kilometer jenseits der östlichen Bebauungsgrenze zwischen den Bäumen verschwand. Ein Lichtblitz, gefolgt von einem in den schwarzen Himmel steigenden Feuerball, markierte das Ende des Angreifers. Sekunden später rollten der Knall und das anschließende Grollen der Explosion über die Kolonie hinweg.

Zufrieden schulterte Tess ihr Phasergewehr. "Willkommen auf Vela V. Ich hoffe, Sie haben einen unangenehmen Aufenthalt!"


Bäume. Viele Bäume. Nach dem wilden Flackern der Warnleuchten im Cockpit benötigten Jebors Augen eine Weile, bis sie sich an die völlige Dunkelheit gewöhnt hatten. Der Notfalltransporter hatte ihn möglichst weit vom berechneten Aufschlagpunkt des Jägers entfernt in unbewohntes Gebiet auf die Oberfläche gebeamt. Dann wurde es für einen kurzen Moment ein wenig heller, bevor das Grollen einer Explosion über ihn hinweg rollte und die Dunkelheit zurückkehrte. Jebor zweifelte nicht. Er zweifelte nicht daran, dass er irgendwann zur Orlat-Gruppe zurückkehren würde. Er zweifelte auch nicht daran, dass der Patron ihm dann eine Standpauke halten würde, die sich gewaschen hätte. Er zweifelte ebenfalls nicht daran, dass es sehr lange dauern würde, bis er wieder in einem Cockpit sitzen würde. Berlot hingegen würde einen neuen Flügelmann bekommen. Eigeninitiative hatte ihm seinen Jäger eingebracht, Eigeninitiative hatte ihm seinen Jäger nun wieder genommen.


Im Schutze der Dunkelheit schlich sich Jebor an das Gebäude heran, das die kleine Ankunfts- und Abfertigungshalle des Raumbahnhofs der Vela-Kolonie beherbergte. Wie er erwartet hatte, war das Gelände zu dieser nächtlichen Stunde verlassen. Die Vela-Kolonie war bei weitem noch nicht wichtig oder bekannt genug, dass rund um die Uhr Passagiere eintrafen oder den Planeten verlassen wollten. Dementsprechend lax wurde offensichtlich auch die Sicherheit gehandhabt. Jebor konnte das nach seinem unfreiwilligen Abstecher auf die Oberfläche nur Recht sein. Wenn er denjenigen in die Finger bekam, der seinen Jäger abgeschossen hatte, konnte er etwas erleben! Doch jetzt galt es zunächst, sich möglichst unauffällig unter die Kolonisten zu mischen und auf eine Gelegenheit zu warten, zur Orlat-Gruppe zurückkehren zu können.

Obwohl niemand in Hör- oder Sichtweite zu sein schien, bemühte sich Jebor, möglichst lautlos voran zu kommen. Vorsichtig schlich er um das Gebäude herum, nachdem er zuvor den billigen Maschendrahtzaun überwunden hatte, der das Gelände umgab. Nun, die Kolonisten hatten momentan sicher drängendere Probleme, als sich vor etwaigen blinden Passagieren zu schützen. Und vermutlich hatte auch noch niemand auf dem Planeten das Bedürfnis verspürt, unerkannt von Vela verschwinden zu wollen und deshalb dem Raumbahnhof einen unautorisierten Besuch abstatten zu müssen. Immer wieder blickte der Söldner an der Außenmauer hoch, bis er schließlich fand, wonach er die ganze Zei t gesucht hatte: ein Fenster, das nicht verschlossen, sondern nur gekippt war. Ein zufriedenes Grinsen huschte über sein Gesicht, dann zog er sich am Fenstersims hoch, griff durch den Spalt, entriegelte das Fenster und stieß es schließlich auf. Behende schwang er sich über das Sims in den dahinter liegenden Raum und ging vorsichtshalber erst einmal in die Hocke. Doch in dem Raum rührte sich nichts. Nachdem Jebor ein paar Sekunden angestrengt gelauscht hatte, erhob er sich langsam und ließ den Blick durch den dunklen Raum gleiten. Offensichtlich befand er sich in irgendeinem Büro; den Datenpadds, die auf dem Schreibtisch lagen, nach zu urteilen, handelte es sich vermutlich um den Sitz eines der Frachtunternehmen, deren Transportschiffe er bis vor kurzem erfolgreich überfallen hatte. Leise brachte er das Fenster wieder in seine Ausgangslage, bevor er zur Tür des Raumes schlich, die sich zischend öffnete. Überrascht zuckte Jebor kurz zurück, dann legte sich ein beeindruckter Ausdruck auf sein Gesicht. Offensichtlich war diesen Menschen ihre Bequemlichkeit heilig, wenn sie zwar an der Sicherheitsausstattung sparten, aber selbst in einer so jungen Kolonie nicht auf automatisch öffnende Türen verzichten wollten.

Jebor trat auf den Korridor und blickte sich kurz um. Niemand war zu sehen. Er schlich in die Richtung, in der er die Ankunftshalle vermutete, weiter und zuckte nur ganz leicht zusammen, als sich die Bürotür zischend hinter ihm wieder schloss. Nur wenige Augenblicke später erreichte er tatsächlich die Ankunftshalle, die sich dunkel und verlassen vor ihm erstreckte. Auf einem Monitor entdeckte er eine Liste, die offensichtlich die für den nächsten Tag erwarteten Raumtransporter enthielt. Zufrieden stellte er fest, dass am Vormittag ein Passagierschiff von Osai eintreffen würde. Er würde sich einfach unter die ankommenden Reisenden mischen und so hochoffiziell nach Vela einreisen. Bis dahin galt es nur noch, sich irgendwo zu verstecken. Einer Eingebung folgend, trat Jebor durch eine weitere Tür, auf der das Piktogramm eines Mannes abgebildet war. Wie er erwartet hatte, handelte es sich um eine sanitäre Räumlichkeit. Interessant, fuhr es ihm beim Anblick mehrerer abgetrennter Kabinen durch den Kopf, dass sich manche Dinge doch in allen Kulturen irgendwie ähnlich entwickelten... Er hatte sein Versteck gefunden.


Nachdem am nächsten Morgen eine freundliche Computerstimme auf die Ankunft des Raumschiffs von Osai hingewiesen hatte und der Lärmpegel in der Ankunftshalle in der Folge angestiegen war, schlüpfte Jebor schließlich aus seinem Versteck. Er blickte sich kurz um und mischte sich dann unauffällig unter die Neuankömmlinge, die bereits eine Schlange am Einreiseschalter bildeten. Der Schalter war mit einer Sternenflottenoffizierin besetzt, wie Jebor anhand der goldfarbenen Uniform der jungen Frau erkannte. Jetzt war er froh, dass sich seine Pilotenjacke durch einfaches Auf-Links-Wenden in ein zivil ausschauendes Pendant verwandeln ließ. Sicherlich hätte der martialischer aussehende Look ansonsten das Misstrauen der Offizierin erregt. Jebor beschloss nun auch endgültig, sein Glück mit dem gefälschten Dorani-Ausweis zu versuchen. Er war sich ziemlich sicher, dass jene Offizierin noch keinen echten Dorani-Ausweis zu Gesicht bekommen hatte und ihr somit die Fälschung nicht auffallen würde. Falls die Sternenflotte aber schon wusste, dass die Angriffe auf Vela von Gobena ausgingen, konnte es sicher nicht schaden, vorzugeben, Einwohner der Nachbarwelt zu sein.

Während er in der Schlange wartete, fiel sein Blick auf einen Monitor, auf dem offensichtlich die neuesten Nachrichten der Kolonie angezeigt wurden. Er las: "Erfolg für die Sternenflotte! Raider-Angriff abgewehrt! Heute nacht kam es zu einem neuerlichen Angriff der Raider auf unsere Kolonie. 16 Jäger griffen an, konnten aber von der USS Stingray in Schach gehalten werden. Der Besatzung gelang es, sieben der feindlichen Schiffe zu zerstören. Commander Daye, der zu der Zeit das Kommando über die Stingray führte, kommentierte dies mit den Worten: "Leider ist es uns aber nicht gelungen, Gefangene zu machen, so dass wir noch immer den Herkunftsort der Raider nicht kennen." Die übrigen Schiffe brachen ihren Angriff ab, obwohl ein Jäger die Verteidigungslinie der Stingray durchbrechen und die Oberfläche erreichen konnte. Sein Ziel war offensichtlich, den Stützpunkt der Sternenflotte auf Vela anzugreifen. Ob diese Attacke geplant war oder es sich um eine Einzelaktion handelt, konnte bisher nicht geklärt werden. Captain Gilbert gelang es jedoch, den Jäger abzuschießen, bevor er sein Ziel angreifen konnte. Der Jäger stürzte in den östlich der Siedlung angrenzenden Wald und explodierte beim Aufschlag. Vom Piloten fehlt noch jede Spur, daher werden alle Bewohner Velas zu erhöhter Vorsicht und Aufmerksamkeit aufgerufen."

Jebors Wangenmuskeln mahlten und er ballte seine Hände zu Fäusten, als er diese Neuigkeiten verdaute. Sieben seiner Kameraden tot! Was bildeten sich diese Föderierten eigentlich ein?! Nur mühsam konnte er sich in der Gewalt halten; wenn er jetzt die Beherrschung verlor, würde seine wahre Identität sicher schnell ans Licht kommen. Immerhin, so sagte er sich, wusste er nun schon einmal, wem er seinen Abschuss zu verdanken hatte. Er hatte sich schon durch die Kolonie laufen und alle möglichen Leute unverfängliche Fragen stellen sehen - eine Arbeit, die ihm nun erspart blieb. Jetzt galt es nur noch, diesen Captain Gilbert ausfindig zu machen und ihn dann schön langsam für das bezahlen zu lassen, was die Föderierten ihm und seinen Kameraden angetan hatten.

Die Sicherheitsoffizierin begrüßte Jebor freundlich, als er schließlich an den Schalter trat: "Willkommen auf Vela, Sir!", sagte sie diensteifrig und fügte an: "Können Sie sich ausweisen, Sir?" Jebor reichte ihr den Dorani-Ausweis und antwortete: "Ja, bitte sehr!" Die junge Frau richtete ihren Tricorder auf das kleine Plastikdokument und drückte ein paar Tasten, als es widerstrebend piepte. Innerlich spannte Jebor sich an, bereit, die Flucht durch den Korridor anzutreten, durch den er die Halle in der Nacht erst betreten hatte. Jetzt blickte die Offizierin ihn jedoch lächelnd an: "Sie stammen von einer Welt namens Dorani, Sir?" erkundigte sie sich. Jebor erwiderte: "Das ist korrekt." Die junge Frau nickte leicht und wollte dann wissen: "Hat Ihre Heimatwelt schon offizielle Beziehungen zur Vereinten Föderation der Planeten aufgenommen?" Jebors Augen weiteten sich leicht, damit hatte er nun nicht gerechnet. "Ich... ich weiß nicht genau. Vermutlich nicht..." antwortete er. "Dann liegt hier sehr wahrscheinlich eine Erstkontakt-Situation vor, Sir. Dafür gibt es in der Föderation und der Sternenflotte spezielle Regelungen und Verfahren. Wenn möglich, muss bei einem Erstkontakt ein Kommandooffizier oder ein gleichrangiger Zivilbeamter anwesend sein. Bitte begleiten Sie doch Ensign Miller; ich werde einen entsprechenden Offizier herbeirufen."

Diese Wendung der Ereignisse sagte Jebor nun gar nicht zu. Jetzt konnte wohl kein Gedanke mehr daran bestehen, sich möglichst unauffällig unter die Kolonisten zu mischen und Captain Gilbert aufzuspüren und auszuschalten. Er zwang sich zu einem unverbindlichen Lächeln und folgte dann einem jungen Offizier in einen nahegelegenen kleinen Besprechungsraum. Der Ensign sagte nicht viel und auch Jebor stand nicht unbedingt der Sinn nach Konversation, so warteten beide stumm auf die Ankunft des Kommandooffiziers. Einige Zeit später betrat eine schlanke, blonde Frau den Raum. Der Ensign nahm sofort Haltung an und sagte: "Captain Gilbert, das hier ist Mister Jebor. Mister Jebor, Captain Teresa Gilbert.", stellte er vor. Während Tess Jebor freundlich anlächelte, überschlugen sich dessen Gedanken und seine Gefühle fuhren Achterbahn. Sollte es wirklich möglich sein? Dass er seinem Ziel so unglaublich schnell so nahe kam? Er konnte jetzt einfach seine Waffe ziehen, und dieser Captain ihr blasiertes Grinsen aus dem Gesicht schießen! Möglicherweise würde er auch den Ensign noch ausschalten können. Aber was wäre dadurch gewonnen? Seine Gedanken rasten weiter, während er versuchte, einen möglichst neutralen Gesichtsausdruck zu machen. Wenn er hier das Feuer eröffnete, würde er es niemals aus dem Raumbahnhof schaffen. Sehr wahrscheinlich würde er auf der Flucht getötet werden. Er hätte zwar seine Rache gehabt, aber um welchen Preis?

Das Lächeln auf Tess' Gesicht begann langsam zu bröckeln. Jebor wurde klar, dass sie offensichtlich ein paar Worte der Begrüßung an ihn gerichtet hatte. Er ließ ein verlegenes Räuspern vernehmen und sagte dann: "Entschuldigen Sie bitte meine Unhöflichkeit, Captain Gilbert. Ich... bin es nur nicht gewohnt, so sehr im Mittelpunkt zu stehen. Erster Kontakt, wow, Sie wissen schon! Ich bin ja nur ein ganz gewöhnlicher Bürger!" Gilberts Lächeln vertiefte sich erneut: "Oh, machen Sie sich keine Sorgen, Mr. Jebor. Es ist zwar in der Tat recht selten, dass der Erste Kontakt zu einer anderen Spezies mit einem Zivilisten erfolgt, aber solche Fälle kommen durchaus vor." Sie deutete auf einen der Stühle: "Bitte, nehmen Sie doch Platz!" Tess bot ihrem Gast etwas zu trinken an und replizierte sich selbst einen Kaffee, bevor sie Jebor gegenüber am Tisch Platz nahm und ein Padd vor sich ablegte. "Normalerweise", ergänzte sie, "ereignen sich Erstkontakte während ein Schiff der Sternenflotte in unbekanntem Territorium unterwegs ist. Daher auch die Regel, dass ein Kommandooffizier anwesend sein sollte." Jebor nickte langsam, darum bemüht, nur so wenig wie möglich von sich selbst preisgeben zu müssen. Tess fuhr fort: "Sie stammen also von einer Welt namens Dorani?", wollte sie dann wissen. Jebor nickte erneut und antwortete: "Das ist richtig, Captain." Die Captain lächelte ob der kurzen Antwort und erkundigte sich: "Und Ihre Welt ist fähig zum überlichtschnellen Raumflug?" Jebor zog missbilligend die Brauen hoch. Für was hielt ihn diese Frau? Irgendeinen Hinterwäldler? Tess hob sogleich beschwichtigend die Hände: "Bitte verstehen Sie mich nicht falsch! Es ist nur so, dass die Föderation einem strengen Kodex der Nicht-Einmischung folgt. Wir nennen es die Oberste Direktive. Da die Erkenntnis, nicht alleine im Universum zu sein, auf eine Gesellschaft signifikante Auswirkungen hat, ist es uns nicht gestattet, Kontakt mit Welten aufzunehmen, die den Warpantrieb noch nicht erfunden haben.", erläuterte sie. Jebors Gesichtsausdruck wurde wieder weicher. "Verstehe.", grummelte er, "ja, wir besitzen den Warpantrieb. Seit etwa 50 Jahren."

Tess nickte und schob dann das Padd zu ihm herüber, nachdem sie eine Sternenkarte des Vela-Sektors dort aufgerufen hatte. "Können Sie mir zeigen, wo Dorani liegt?", forderte sie ihn auf. Jebor ergriff das Padd, zögerte kurz und deutete dann auf das entsprechende Sternensystem. Wenn er erfolgreich untertauchen wollte, machte es keinen Sinn, an dieser Stelle die Unwahrheit zu sagen. Eine geschwungene gestrichelte Linie verlief zwischen dem Dorani-System und dem Sonnensystem der Vela-Kolonie. Ein kurzes Zucken um die Mundwinkel der Captain sagte ihm, dass die Föderierten offensichtlich tatsächlich schon ahnten, dass jenes System der Herkunftsort der Angreifer sei. Und dass Captain Gilbert genau zu wissen schien, welche Fragen sie zu stellen hatte und welche Informationen sie wann preisgeben musste. Er durfte diese Frau offensichtlich keinesfalls unterschätzen. Aus diesem Grund erläuterte Jebor nun: "In diesem System gibt es zwei bewohnte Planeten, Captain. Der innere ist Dorani, sein äusserer Nachbar Gobena." Nun war es an Tess, leicht zu nicken. "Und die Bewohner von Dorani haben Gobena kolonialisiert?", wollte sie wissen. Jebor verneinte: "Nein, auf beiden Welten entwickelten sich unabhängig voneinander höhere Lebensformen. Allerdings ist Dorani seismisch aktiver, als Gobena. Dies führte vor etwa 55 Millionen Jahren zu einer Reihe von Super-Vulkanausbrüchen, die ein Massenaussterben zur Folge hatten. Daher halten sich die Gobener für die "ältere" und damit überlegenere Spezies. Dabei ist nachgewiesen, dass sich beide Rassen erst vor etwa 20 Millionen zu entwickeln begannen." Tess hatte interessiert zugehört. "Faszinierend!", meinte sie ehrlich berührt. "Und wie ist das Verhältnis zwischen Ihren beiden Welten heute?" Jebor wandt sich etwas unbehaglich. "Wir haben einen gewissen... Status Quo erreicht, Captain. Sehen Sie, die Bewohner beider Welten begannen natürlich irgendwann damit, auch das All zu erforschen. Man beobachtete die eigenen Monde und schließlich die Nachbarplaneten. Irgendwann entdeckte man Anzeichen für Leben, und schließlich auch für intelligentes Leben auf dem jeweiligen Nachbarn. Vor diesem Hintergrund war das Bestreben auf beiden Welten sehr hoch, die interplanetare Raumfahrt voranzutreiben. Gleichzeitig wurde die Funktechnologie entwickelt und vor etwa 100 Jahren ein erster Audio-Kontakt hergestellt. Vor etwa 80 Jahren gelang es dann den Gobanern, ein bemanntes Raumschiff nach Dobani zu schicken, landen und wieder zurückkehren zu lassen. Seither fühlten sie sich für die Sicherheit des Systems verantwortlich. Die Dorani akzeptierten jedoch nicht, dass die Gobaner die dominierende Spezies seien und intensivierten ihrerseits ihre Anstrengungen, ihr Raumfahrtprogramm zu verbessern und unabhängig von Gobani zu werden. Wir entwickelten unter absoluter Geheimhaltung den Überlicht-Antrieb." Jebors Augen schienen nun vor Stolz zu leuchten, als er erzählte: "Das war ein Tag, Captain! Leider war ich damals noch nicht geboren, aber die Aufzeichnungen sind ergreifend! Der Start war als Satellitenstart angekündigt und als das Raumschiff plötzlich in einem grellen Lichtblitz verschwand, dachten alle schon, dass der Start ein Fehlschlag gewesen sei. Doch dann zeigten die Teleskope einen ähnlichen Lichtblitz jenseits von Gobani und der Pilot meldete sich nur wenige Minuten später über Funk. Die Gobaner konnten die Technologie irgendwann adaptieren, aber trotzdem sitzt diese Demütigung wohl noch tief in einigen von ihnen. Seither sind aber beide Welten offiziell gleichberechtigt."

"Das bedeutet, es gibt jeweils eine planetare Zentralregierung?", hakte Tess nach. "Ja, das stimmt, Captain. Aber... ich bin nun schon viele Jahre nicht auf Dorani oder Gobena gewesen, deswegen kann ich zur aktuellen politischen Lage nicht viel sagen..." Nun zog Tess leicht die Augenbrauen hoch und sah Jebor fragend an. Er zuckte leicht die Schultern: "Ich bin ein Einzelkind und nach dem Tod meiner Eltern hat mich nichts auf Dorani gehalten. Ich wollte was von der Welt sehen und hab dann auf dem nächstbesten Schiff angeheuert. Seitdem fliege ich von Welt zu Welt und immer, wenn ich etwas Geld für die nächste Reise und zum Leben brauche, suche ich mir einen Job." Tess nickte: "Und Sie denken, hier auf Vela einen Job finden zu können?" Jebor setzte eine zuversichtliche Miene auf: "Ja, Captain. Ich bin technisch einigermaßen versiert, da sollte sich in einer der Minen doch etwas für mich finden lassen. Zumindest, dass es für ein weiteres Ticket reicht!" Tess warf einen Blick auf ihr Padd. "Sie sind von Osai angekommen?" Das war der schwache Punkt in seinem Plan, dachte Jebor. Wenn die Captain nun die Passagierliste überprüfte, würde seine ganze Geschichte auffliegen. Doch dieses Risiko musste er nun wohl eingehen. "Ja, das stimmt. Ich hab dort von dieser Kolonie gehört und mir gedacht, dass das etwas für mich sein könnte." Die Captain ließ das Padd sinken und musterte ihn dann eine Weile. "Sie sind also schon ziemlich weit herum gekommen?" Jebor wog leicht den Kopf: "Das könnte man so sagen. Ich denke, so an die 20 Welten habe ich wohl schon besucht." Zumindest das war keine Lüge, dachte er sich, auch wenn seine Besuche dieser Welten mit ziemlicher Sicherheit anders ausgesehen hatten, als Captain Gilbert in diesem Augenblick dachte. Tess rief erneut die Sternenkarte auf und deutete auf die gestrichelte Linie. "Vor einigen Jahrhunderten, als große Gebiete der Erde - meiner Heimatwelt - noch unerforscht waren, zeigten Karten dort nur weiße Flecken mit der Aufschrift "Hier könnten Drachen leben"." Zum ersten Mal musste Jebor lächeln: "Drachen, Captain?" Tess erwiderte das Schmunzeln: "Oh ja, große, geflügelte, feuerspeiende Reptilien. Natürlich ein reiner Mythos. Aber in gewisser Weise stehe ich heute vor einem ähnlichen Problem. Jenseits dieser Linie kenne ich mich nicht aus. Nach allem, was ich weiß, könnten dort tatsächlich Drachen leben." Sie machte eine kurze Pause, in der sie abschätzte, ob und wie weit sie Jebor wohl vertrauen konnte. Sie fuhr fort: "Sie haben möglicherweise schon davon gehört, dass unsere Kolonie unter Angriffen zu leiden hat. Wir wissen nicht, woher die Angreifer stammen. Ich könnte jemanden gebrauchen, der sich in diesem Winkel der Galaxie ein wenig auskennt. Und Sie sind bisher derjenige den ich getroffen habe, der einem Experten am nächsten kommt."

Jebor glaubte, seinen Ohren nicht zu trauen. Bot ihm diese Captain, die er eigentlich töten wollte, gerade an, für sie gegen seine Kameraden zu arbeiten? Andererseits: So konnte er doch gezielt falsche Informationen streuen und gleichzeitig für die Orlat-Gruppe spionieren! Ein direkter Draht zur höchsten Offizierin des Feindes! Tess wertete das Zögern ihres Gegenübers jedoch falsch: "Sie bekämen natürlich eine kleine Aufwandsentschädigung und eine kostenlose Unterkunft, Mr. Jebor." Sie machte eine kurze Pause, bevor sie ergänzte: "Aber falls Sie lieber an einer eher körperlichen Tätigkeit interessiert sind, möchte ich Sie auf Ihrem Weg zu den Minenbetreibern nicht länger aufhalten...!"