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Stecknadel im Heuhaufen
Autor: Garrick Andersson
Autor: Seeta Yadeel

Eine Woche war vergangen, seitdem Caressia und die Lazarus in der selben Zelle hockten, in der Atrin Lazarus seit Wochen vor sich hinschmorte. Die Elirianerin hatte die Zeit genutzt, um die diversen Wachen zu sondieren. Vorsichtig und behutsam, hatte sie die Seelen gestreichelt und war ganz vorsichtig in die Gedanken der Wachen eingedrungen. Sie war erstaunt über wie viel Ignoranz die meisten verfügten. Niemand hatte gemerkt, dass sie sich auf die Suche nach jemandem gemacht hatte, der ihnen aus ihrer misslichen Lage hinaus half. Sie hatte versucht, der Familie Lazarus Trost zu spenden. Leider hatte sich ihre Assistentin wider Erwarten nicht hier befunden und sie machte sich inzwischen ernsthafte Gedanken um Lidia.

Ihr Blick fuhr zur Tür herüber, als diese sich mit quietschenden Scharnieren öffnete. Im Nachhinein war sie froh, dass man sie und die Lazarus in einem Gefängnis einquartiert hatte, das uralt sein musste. Es gab keine Überwachungsgerätschaften. Das einzige, was zwischen ihnen und der Freiheit stand, waren die geschlossenen Türen. Und das Wachpersonal hatte die Schlüssel zu diesen Türen. Sie hatte mit den Lazarus flüsternd beraten, ob man versuchen sollte, eine der bewaffneten Wachen zu überwältigen, dann jedoch davon abgeraten. Sie hatte einen anderen Plan und die Lazarus hatten sich schließlich einverstanden erklärt, abzuwarten.

Und so hatte sie sich Tag um Tag darum bemüht, ein passendes Opfer für ihren Plan zu finden, und es schon bald gefunden. Sein Name war Rueben und er war der einzige der Wächter, der über so etwas wie ein Gewissen zu verfügen schien. Er fand es nicht gut, wie seine Regierung mit dem, was sie für eine potentielle Gefahr hielt, umging.

Sie war behutsam weiter und weiter in die Gedanken des Mannes eingedrungen und war nun fast sicher, dass sie ihn bewegen konnte, ihnen zur Flucht zu verhelfen. Sie hatte sich seinen Dienstplan genau eingeprägt und glaubte, dass er bald erscheinen musste. Erwartungsgemäß zeigte sich sein rundes Gesicht in der Tür, als er ihnen die Schalen mit dem Essen hinstellte.

Caressia entschied sich, es jetzt mit einem ersten Kontakt zu versuchen. „Danke“, meinte sie, während sie zu einer der Schalen griff. Auf Ruebens Gesicht zeigte sich der Ansatz eines Lächelns. Er bedauerte die eher karge Verpflegung. Überhaupt hielt er es für falsch irgendjemanden wegen seiner Einstellung einzusperren. Aber er würde den Teufel tun und das laut zugeben, denn dann wäre er unter Umständen der nächste, der in einer Zelle landete.

„Bitte schön“, meinte er, und verließ dann die Zelle. Caressia war zufrieden. Der Erste Kontakt zwischen ihr und Rueben war gelungen.


Nachdem alle wichtigen Einzelheiten für einen weiteren Tag im Maschinenraum geklärt waren, kam, was in den letzten Wochen immer passierte: Einer der anwesenden Ingenieure brachte ein kleines technisches Problem zur Sprache. Seeta und Garrick vermieden es bewusst, sich verschwörerisch anzuschauen, und die Chefingenieurin begann bereits damit, alle positiven Möglichkeiten des Pauley-Paradoxons, zu dem jener Einwand unweigerlich führen musste, aufzuzählen und zu beschreiben. Sie kam bei ihrem Vortrag richtig in Fahrt und der ein oder andere Kollege aus ihrem Stab begann sich bereits zu fragen, warum der Erste Offizier nicht längst dagegen hielt. Schließlich machte Seeta eine kurze Pause, in die Garrick auch sogleich mit einem „Aber...“ einfiel, jedoch von der Zanderianerin direkt abgewürgt wurde: „Allerdings...“ fuhr sie fort und erläuterte nun, warum die eben beschriebenen Möglichkeiten aller Wahrscheinlichkeit nach doch nicht umsetzbar seien. Langsam erkannte die Technikercrew, was hier vor ging: Dieses Mal würde keiner der Wetter gewinnen, denn da Seeta sowohl pro, als auch kontra argumentierte, gab es keine Diskussion und damit auch keinen Sieger nach Punkten. Leichtes Unbehagen machte sich unter den Ingenieuren breit. Allen wurde unmissverständlich klar, dass die beiden Senioroffiziere sie offensichtlich durchschaut hatten. Endlich, nach einer knappen halben Stunde, kam die Chefingenieurin zum Schluss ihrer Ausführungen. Garrick war jedoch der Einzige, der dem Vortrag vom Anfang bis zum Ende gefolgt war und er war begeistert – auch wenn er sich das natürlich nicht anmerken ließ. „Nun“, fragte Seeta herausfordernd, „haben Sie nichts dazu zu sagen, Sir? Schließlich sind wir es eigentlich gewohnt, auch von Ihnen eine Stellungnahme zu solch einem technischen Thema zu bekommen!“ Garrick nickte: „Ja, Commander. Allerdings haben Sie auf sehr beeindruckende Weise alle Seiten des Sachverhaltes beschrieben, der auch als Pauley-Paradoxon bekannt und neben einer Reihe anderer hochinteressanter Paradoxa in diesem Buch hier enthalten ist.“ Er hielt ein Datenpadd für alle gut sichtbar in die Höhe, auf dem in großen Lettern der Titel eines allen Anwesenden offenbar wohlbekannten Buches stand. Zumindest ließen deren Reaktionen einen entsprechenden Schluss zu. „Sie sehen, Commander, es gibt nichts, was ich Ihren Ausführungen noch hinzufügen könnte.“ Die Chefingenieurin wandte sich an alle Anwesenden und nagelte jeden einzelnen mit ihrem funkelnden Blick fest, bis alle mit furchtbar wichtigen Studien des Teppichbodens beschäftigt schienen: „Und ich hoffe, Sie alle sehen das ebenso klar und unsere zukünftigen Besprechungen werden wieder etwas zügiger vonstatten gehen können.“ Allgemeines erleichtertes Nicken setzte ein. Sollten sie wirklich so einfach davon kommen? „Gut, und jetzt will ich wissen, wer von Ihnen diese glorreiche Schnapsidee hatte!“ Die Studien des Teppichbodens wurden umgehend wieder aufgenommen. Hörbar zog Seeta die Luft ein. Dann trat schließlich Maggie Kincaid schwer schluckend einen Schritt vor. Weder die Chefingenieurin noch der Erste Offizier hatten auch nur im Entferntesten vermutet, dass ausgerechnet die Rechte Hand der Zanderianerin für diese Geschichte verantwortlich zeichnete. Garrick musste zugeben, dass er der Schottin soviel Schneid gar nicht zugetraut hatte – und ein leichtes Schmunzeln huschte kurz über sein Gesicht, bevor er sich beeilte, wieder absolut streng dreinzuschauen. Seeta wurde von dieser Erkenntnis jedoch völlig überrollt. Nicht nur, dass sich ihre Crew einen solchen unverschämten Spaß mit ihr erlaubt hatte, nein, er war auch noch von Maggie – ausgerechnet Maggie! – initiiert worden! Garrick erkannte an den unnatürlich groß werdenden Augen der Ingenieurin, dass der zanderianische Dampfkessel offenbar kurz vor einer Explosion stand. Er beschloss, einzugreifen, da er sich von der Überraschung bereits wieder erholt hatte: „Sie können dann wegtreten!“ sagte er schnell. Alle Anwesenden nahmen diese Fluchtmöglichkeit umgehend wahr, während sich zu Seetas Gefühlschaos eine weitere Empfindung hinzugesellte: Was fiel dem Lulatsch ein, jetzt auch noch IHRE LEUTE herumzukommandieren?! Der Erste Offizier bemerkte, dass sich die Wut der Ingenieurin nun primär auf ihn richtete. „Warum konnte sich nicht einfach die Hülle öffnen, und diesen Kerl ins All entweichen lassen?“ fuhr es Seeta durch den Sinn. Das funkelnde Feuer ihrer gelben Augen prallte offenbar wirkungslos an dem Menschen ab: „Sie begleiten mich, Commander!“ Seine Miene ließ keinen Widerspruch zu, das erkannte Seeta trotz ihrer Rage. „Wohin?“ presste sie hervor. „In das Arboretum. Sie scheinen etwas Ruhe zu benötigen!“ Dieser Befehl war in Seetas Augen nun völlig verrückt, doch etwas im Gesicht des Ersten Offiziers riet ihr, sich besser zu fügen. Schlagartig wurde ihr klar, dass sie bei all ihren Streitgesprächen und Diskussionen mit Garrick Andersson einen solchen Ausdruck noch nie zu Gesicht bekommen hatte. Meist war es dem Menschen gelungen, sie mit der Ruhe und Besonnenheit, die er auch in den heftigsten Verbalschlachten nie ganz abzulegen schien, fast in den Wahnsinn zu treiben, doch jetzt erkannte sie, dass unter der ruhigen Schale des Dänen ein Vulkan schlummerte, der dem in ihrem Inneren möglicherweise in nichts nachstand. Sie fragte sich, was wohl beängstigender sein mochte: Das, was zum Vorschein kam, sollte dieser Vulkan je ausbrechen, oder das, was einen solchen Ausbruch verursachen konnte. In jedem Fall erschien es ihr ratsam, dann möglichst weit weg zu sein. Diese Erkenntnis war innerhalb von Sekundenbruchteilen in ihr gereift und sie beschloss, dass es besser sei, jetzt kein Risiko einzugehen – obwohl sie eigentlich sicher war, dass ein Ausbruch des Mount St. Lulatsch nicht wirklich unmittelbar bevorstand. So begaben sich die beiden schweigend zum Arboretum. Sie schwiegen, als sie den Maschinenraum verließen, sie schwiegen, als sie in den Turbolift traten, sie schwiegen, als sie sich durch den Korridor dem blühenden Garten näherten und sie schwiegen noch immer, als sie den parkähnlich gestalteten Raum schließlich betraten. Eleyne Maddigan sah auf, als sie die beiden Neuankömmlinge bemerkte. „Welch seltener Anblick hier!“ erhob sie sich mit einem Lächeln im Gesicht. „Mrs. Maddigan, schön, Sie zu sehen! Wie geht es Ihnen?“ begrüßte Garrick die Frau des Schiffsarztes. Diese erkannte, dass es vor allem in der Chefingenieurin heftig brodelte. „Danke, sehr gut, Commander! Ich bin gerade dabei, ein paar Setzlinge zu pflanzen. Wollen Sie mir zur Hand gehen?“ Der Erste Offizier stutzte, das hatte er nun nicht unbedingt im Sinn gehabt, aber warum nicht? „Ich muss Sie warnen, ich habe so etwas noch nie wirklich beherrscht...“ – „Ach, das kriegen wir schon hin!“ meinte Eleyne zuversichtlich und zog den Dänen mit sich, eine etwas verdutzte Zanderianerin zurücklassend. „Na toll...“ dachte diese, „und was soll ich nun hier?“ Sie holte tief Luft – und die Düfte der verschiedensten blühenden Pflanzen berührten ihre Sinne. Es roch herrlich, beinahe berauschend. Sie schloss für einen Moment die Augen und genoss die Luft. An Bord der Katana kam diese hier der Atmosphäre auf einem Planeten noch am nächsten. Sie spürte, wie sie sich langsam beruhigte. Dieser Ort war so grundlegend anders, als alle anderen Räume an Bord – es gab hier kaum etwas, das irgendwie technisch aussah. Erst jetzt fiel Seeta auf, dass sie sogar auf richtigem Gras stand! Das alles ließ ihren Zorn sich buchstäblich in Luft auflösen. Sie hockte sich auf den Rasen und ihre Gedanken schweiften ab. Natürlich war sie noch immer wütend auf ihre Crew – und vor allem Maggie – dass diese es gewagt hatte, sich einen solchen Scherz mit ihr zu erlauben. Und sie war wütend auf den Lulatsch, der schon lange davon gewusst und das Spiel mitgespielt hatte! Sie war wütend auf sich selbst, dass sie es noch nicht einmal bemerkt hatte! Ihr wurde klar, dass allerdings kaum wirklicher Schaden entstanden war. Ihre Leute hatten sich einen Scherz mit ihr erlaubt, na und? Immerhin war auch der Erste Offizier Opfer dieses Scherzes geworden und er schien es mit Humor zu nehmen. Vielleicht sollte sie das auch tun. Und vielleicht sollte sie es ihren Leuten – und vor allem Maggie – mit gleicher Münze zurückzahlen. Es dämmerte ihr, wie gut es gewesen war, dass Garrick sie daran gehindert hatte, direkt auf ihre Leute loszugehen. Sie gestand sich widerstrebend ein, dass ansonsten möglicherweise ein nicht wieder gut zu machender Schaden innerhalb ihres Teams entstanden wäre. Denn sie hätte auf jeden Fall überreagiert. Immerhin war Maggie Kincaid ihre beste Frau, Stellvertreterin und Freundin. Ein Grinsen bildete sich auf dem Gesicht der Zanderianerin, als sie erkannte, dass sie die Schottin offenbar ordentlich unterschätzt hatte. Nie im Leben hätte sie ihr eine solche Ader zugetraut! Oh, sie würde sie leiden lassen, soviel stand fest! Seeta erhob sich und ging dann langsam durch den Garten, um sich zu Eleyne und Garrick zu gesellen. Der Erste Offizier kniete am Boden und stopfte gerade ein paar Setzlinge in den feuchten Mutterboden. Die Zanderianerin schüttelte missbilligend den Kopf: „Commander, der Sinn ist es, die Setzlinge zu pflanzen, nicht, sie zu beerdigen“, meinte sie sarkastisch, woraufhin Eleyne in leises Lachen ausbrach. Garrick drehte sich zu ihr um und erwiderte giftig: „Na, dann probieren Sie es doch!“ Er erhob sich, schlug sich die Erde von den Händen und setzte grummelnd hinzu: „Immerhin bin ich Erster Offizier, und kein Gärtner!“ – „Dafür war es schon gar nicht übel, Mr. Andersson“, beruhigte Eleyne ihn schmunzelnd, während Seeta bereits die Ärmel hochgekrempelt und sich niedergekniet hatte. Durchaus beeindruckt beobachtete Garrick, wie sie erheblich geschickter als er die Setzlinge so pflanzte, dass eine gewisse Überlebenschance bestand – im Gegensatz zu den Exemplaren, die er in das Erdreich gewürgt hatte und die nun anklagend daraus hervor schauten. Jedenfalls bemerkte er zufrieden, dass die Kerntemperatur des zanderianischen Dampfkessels nun wieder weit unter das kritische Niveau gefallen war. So meinte er: „Meine Damen, bitte entschuldigen Sie mich, ich schätze, ich muss so langsam mal wieder auf die Brücke!“ Auch Seeta fiel ein, dass sie ja eigentlich Dienst im Maschinenraum und dort auch genug Arbeit hatte. Sie verabschiedete sich ebenfalls von Mrs. Maddigan und gemeinsam verließen die beiden Senioroffiziere das Arboretum wieder. „Ich schätze, ich sollte öfter herkommen. Ein wirklich schöner Ort“, sinnierte Seeta. Garrick pflichtete ihr bei. „Solange man Sie nicht an die Pflanzen lässt, Sir!“ setzte die Ingenieurin schelmisch grinsend hinzu. Der Erste Offizier stieß geräuschvoll die Luft aus, beschloss dann aber, das Thema zu wechseln: „Einen sehr beeindruckenden Vortrag haben Sie da vorhin im Maschinenraum übrigens gehalten, Commander. Sie sollten das aufschreiben und dem Verlag zuschicken. Ist erheblich besser als der aktuelle Artikel über das Thema.“ Wenig später betrat Seeta schwungvoll wieder den Maschinenraum. Ihre Crew war gewohnt effizient an der Arbeit. Maggie Kincaid stand an einer der Konsolen, die den Warpkern umgaben und wirkte sehr beschäftigt, nachdem sie die Ankunft der Zanderianerin bemerkt hatte. Außerdem schien just in diesem Augenblick die Warpkernkonsole, die es ihr ermöglichte, hinter dem Kern in Deckung vor ihrer Chefin zu gehen, ihre ganze Aufmerksamkeit zu benötigen. Seeta unterdrückte ein Schmunzeln. Oh ja, sie würde leiden... sehr sogar... So, als sei nichts gewesen, betrat die Chefingenieurin ihr kleines Büro und begann damit, Datenpadds zu studieren. Obwohl sie nach außen nun ebenfalls äußerst beschäftigt wirkte, entging ihr nicht, dass Maggie an diesem Morgen offenbar arge Konzentrationsprobleme hatte. Immer wieder starrte die Schottin nahezu verzweifelt an die Decke und wanderte von einer Konsole zur nächsten, wobei sie sich dem Eingang zu Seetas Büro immer weiter näherte. Plötzlich stand sie vor ihrer Vorgesetzten: „Es... es tut mir Leid...“ murmelte sie ergeben. Seeta sah auf und hatte tatsächlich Mitleid mit dem Häuflein Elend, das dort vor ihr stand. „Lieutenant...“ sagte sie, legte das Padd auf den Tisch und lehnte sich langsam zurück.


Die Suche nach der Graviton-Ellipse erwies sich als schwieriger, als zunächst angenommen. An keiner der bislang sieben von den beiden Raumschiffcrews vorherberechneten Stellen im All hatte sich auch nur ein winziges Schimmern der Anomalie gezeigt. Selbst Garrick beschlich das unterschwellige Gefühl, sein Optimismus bezüglich der Rückkehr in ihr eigenes Universum, den er gegenüber der Captain zur Schau gestellt hatte, könnte möglicherweise einen herben Dämpfer erhalten. Täglich hatte sich die Katana aufgemacht und die entsprechenden Koordinaten aufgesucht – nur, um immer von neuem eine Enttäuschung zu erleben und zu jener Welt zurückzukehren, an der ihre Reise durch dieses Universum begonnen hatte. Langsam gingen ihnen Optionen aus. Dem gesamten Führungsstab des Sternenflottenschiffes war mittlerweile klar geworden, wie sehr das Genie ihres Wissenschaftsoffiziers ihnen in dieser Situation fehlte. Die Crew der Comet tat zwar alles ihr Mögliche, aber die Tatsache, dass man in diesem Universum offenbar nicht sehr vertraut mit Subraumphysik zu sein schien, erleichterte die Analyse der Daten nicht unbedingt.


Eine Woche später nahm Garrick wie mittlerweile üblich an einer weiteren Besprechung der Ingenieurscrew teil, doch als Seeta dieses Mal nach weiteren sonstigen Themen fragte, meldete sich niemand mehr zu Wort. Das schien die Chefingenieurin kurz aus dem Konzept zu bringen, hatte sie sich doch tatsächlich irgendwie an die Streitgespräche mit dem Ersten Offizier gewöhnt. Garrick warf der Zanderianerin einen kurzen Blick zu, doch diese blickte gerade leicht gedankenverloren auf das Pulsieren des Warpkerns, bevor sie die Besprechung schloss.

An diesem Mittag betrat Commander Andersson das Büro der Chefingenieurin. Diese wollte prompt von ihrem Stuhl aufstehen, doch der Erste Offizier bedeutete ihr, Platz zu behalten. "Haben Sie einen Augenblick Zeit?" fragte er stattdessen. Seeta zog leicht überrascht und fragend eine Augenbraue hoch: "Sicher, Sir." - "Gut..." Garrick legte das Datenpadd, welches er bei sich hatte, vor der Zanderianerin auf den Schreibtisch. Die Frau nahm es und las den Titel: "Die 25 schwierigsten Paradoxien der Föderationstechnologie" Sie runzelte die Stirn: "Ich dachte, wir hätten dieses Problem vor einer Woche gelöst, Commander?" Der Mann nickte: "Ja, haben wir. Immerhin war die Besprechung heute morgen eine knappe halbe Stunde kürzer, als gewöhnlich. Ich bin übrigens froh, dass Maggie noch unter den Lebenden weilt..." setzte er schmunzelnd hinzu, während sich das Stirnrunzeln der Ingenieurin vertiefte. Garrick fuhr schliesslich fort: "Heute wäre Kapitel 13 - Brahms-Knoten im Warpfeld an der Reihe gewesen. Kommt direkt nach dem Pauley-Paradoxon." Die Chefingenieurin legte das Padd zur Seite und lehnte sich zurück: "Und weiter?" - "Naja", zuckte der Erste Offizier mit den Schultern, "ich persönlich halte jeden Gedanken daran, wie dieses theoretische Phänomen die Leistung des Warpantriebs verstärken könnte, für absoluten Unfug." Seeta kniff die Augen zusammen. Dann traf sie eine Entscheidung. Zum einen eröffnete sich hier eine Möglichkeit, den XO besser kennen zu lernen, was ihrem Plan, ihn zu verkuppeln, entgegen kam. Zum anderen hatte der Lulatsch sie tatsächlich richtig eingeschätzt, was die Theorie der Brahms-Knoten anging. Ein Teil von ihr fragte sich kurz, ob dem irgendeine Bedeutung beizumessen sei. Dann entgegnete sie: "Das liegt dann wohl daran, dass Sie noch nicht mit allen Fakten vertraut sind! ... Sir!" fügte sie schnell hinzu. Der Offizier wiegte den Kopf: "Das wäre durchaus möglich..." gab er zu. "Also schön. Sagen wir heute Abend, 1900, hier im Büro", beschloss die Ingenieurin. Garrick nickte und wandte sich zur Tür. Kurz bevor er das Büro verließ, drehte er sich noch einmal um: "Seien Sie pünktlich, Commander!" Dann verließ er – zufrieden vor sich hin summend – den Maschinenraum. So kam es, dass man an diesem Abend im Maschinenraum Zeuge werden konnte, wie sich Chefingenieurin und Erster Offizier ein weiteres ihrer schiffsbekannten technischen Wortgefechte lieferten. Die Verbissenheit und der scharfe Ton der früheren Diskussionen hatten zwar zugunsten einer eher sachlichen Auseinandersetzung das Feld geräumt, aber Garrick war der Ansicht, dass das Streitgespräch dadurch zumindest für die Beteiligten an Wert gewann. Denn auch weiterhin verteidigten beide Offiziere ihren jeweiligen Standpunkt vehement, bis sie schließlich alle Aspekte des Themas durchleuchtet hatten. Wie bei den 12 Paradoxien vorher kamen sie natürlich auch dieses Mal nicht zu einer eindeutigen Lösung (ansonsten hätten sie wahrscheinlich auch den diesjährigen Nobelpreis für Physik abgeräumt), doch der Erste Offizier war von dem anregenden Gedankenaustausch sehr angetan. „Dieses Diskussion war wie immer sehr erhellend“, meinte Garrick schließlich und fuhr fort: „Ich danke Ihnen, dass Sie sich die Zeit dafür genommen haben, Commander.“


Garrick Andersson versah seinen Dienst auf der Brücke der Katana. Der Flug zu den nächsten Koordinaten, an denen sich die Graviton-Ellipse möglicherweise befinden konnte, würde noch einige Stunden beanspruchen und so war nur reine Routinearbeit zu erledigen. Der Commander grübelte daher über die nächste mit Seeta zu diskutierende Paradoxie nach und verfolgte die Vorgänge auf der Brücke nur mit mäßigem Interesse. Doch dann erregte die Meldung von Manoel Ramirez seine Aufmerksamkeit. „Captain, die Sensoren haben ein kleines Objekt, etwa ein halbes Lichtjahr an Backbord entdeckt. Es könnte sich um ein kleines Schiff, zum Beispiel ein Shuttle, handeln.“ Marina DeSoto richtete ihrerseits Sensoren auf das vom Sicherheitschef bezeichnete Objekt. Sie nickte bestätigend: „Ein Shuttle unbekannter Herkunft. Allerdings ohne Energie. Keine Lebenszeichen erkennbar. Es wirkt außerdem recht alt; vermutlich wurde es vor langer Zeit aufgegeben.“ - „Also nur ein Stückchen Weltraumschrott?“ vergewisserte sich die Kommandantin. „Ja, Captain, sieht ganz danach aus.“ Doch Garricks Neugier war nachhaltig geweckt worden. Woher stammte dieses Schiffchen? Vielleicht enthielt es Informationen über seine Erbauer? Er rief sich die Daten über das Objekt auf seinen kleinen Monitor. Das ramponierte Shuttle trudelte langsam um seine drei Achsen und sah arg mitgenommen aus. Es schien wirklich ziemlich alt zu sein. Wahrscheinlich hatte es irgendeinen Schaden gehabt, dessen Reparatur seinen ursprünglichen Besitzern zu aufwendig erschienen war. Irgendwie berührte der Anblick dieses verlassenen Stücks Technologie den ehemaligen Ingenieur. „Captain, wir liegen gut in der Zeit und könnten uns einen kurzen Abstecher erlauben. Ich würde mir das Shuttle gerne aus der Nähe ansehen. Möglicherweise entdecken wir in seiner Datenbank noch Informationen über seine Erbauer? Das könnte uns auf eine Zivilisation hier in der Nähe aufmerksam machen, die möglicherweise sogar mit der Graviton-Ellipse vertraut ist“, wandte er sich an die Trill, die neben ihm auf dem Kommandosessel saß. „Das ist nur ein Stück wertloser Schrott, Commander“, verlieh sie ihrer Ablehnung Ausdruck. Garrick wollte das nicht so ohne weiteres gelten lassen. Er legte das Bild des Shuttles auf den Hauptschirm. „Aber es stammt definitiv von einer bislang unbekannten Spezies; noch dazu aus einem unerforschten Universum. Und wir sind doch schließlich zu Forschungszwecken hier draußen, Ma'am. Und sieht es nicht auch wunderschön aus, wie es sich da so glänzend... naja, ein wenig abgestumpft – das will ich zugeben – im Sternenlicht dreht?“ Die Trill lehnte sich ein wenig in ihrem Sitz zurück. Ein leichtes Schmunzeln huschte über ihr Gesicht. Sie stellte erneut fest, dass ihr neuer XO durchaus redegewandt war. Sie musterte ihn kurz und entschied dann, ihm den kleinen Gefallen zu tun: „Also schön, aber sorgen Sie dafür, dass wir uns durch dieses Schiff keine Probleme an Bord holen, XO! Mr. Lucas, setzen Sie Kurs auf das Shuttle!“

Seeta stellte fest, dass der Lulatsch aufgeregt wie ein kleiner Junge erschien, als das fremde alte Shuttle schließlich vom Flugdeckoffizier mittels Traktorstrahlen in den Hangar gehievt wurde. Er strahlte über das ganze Gesicht, als er dann bewundernd um das veraltete Stück Technik herum wanderte und immer wieder die Hand an die Außenhaut legte. Seeta klappte ihren Tricorder auf und nahm eine erste grobe Untersuchung vor. Sie seufzte, schüttelte den Kopf, klappte das kleine Gerät wieder zu und meinte: „An dem alten Kübel funktioniert nichts mehr. Alles, was von Wert gewesen sein mochte, hat man rausgerissen. Das ist nur noch eine ausgehöhlte Hülle, Sir. Wir hätten es Mr. Ramirez für ein paar Übungen im Zielschießen überlassen sollen.“ Daraufhin schaute der Däne hinter der Backbordwarpgondel des Shuttles hervor und musterte die Zanderianerin überrascht: „Sagen Sie doch nicht sowas! Es ist doch wunderschön! Alleine diese Formen, da schlägt einem doch das Herz höher!“ Er strahlte sie an. „Eigentlich ist die Form für ein Objekt, dass sich im All bewegen soll, völlig irrelevant, Sir!“ dozierte sie. Garrick rollte mit den Augen. „Mit der Einstellung hätten Sie bei den Borg unwahrscheinlich Schlag, wissen Sie das, Commander?“ grummelte er zurück, ein wenig angefressen, dass sie ihm dieses Schiffchen offenbar madig machen wollte. „Natürlich, ein paar Ersatzteile hier, etwas Farbe dort“, lenkte er dann ein, „aber dann ist es in Null Komma Nix wieder wie neu!“ Er tätschelte eine der Metallplatten, welche die Außenhülle bildeten, worauf diese mit einem knirschenden Geräusch aus ihrer Verankerung brach und zu Boden donnerte. „Ups!“ sprang der XO schnell zur Seite, während Seeta ihn mit gerunzelter Stirn ansah. „Sir, ich sehe keinen Wert, den dieser Schrott für die Katana haben könnte. Wir sollten es wieder ins All werfen und keine Ressourcen daran verschwenden!“ Garrick rollte erneut mit den Augen: „Wie kann man als Ingenieurin so eine Einstellung gegenüber einer so schönen Maschine an den Tag legen? Sie haben doch noch nicht mal einen Blick ins Innere geworfen!“ Seeta schüttelte den Kopf: „Das brauche ich nicht. Wie gesagt, sämtliche Komponenten, die von Wert gewesen sein mochten, wurden entfernt. Da ist nicht mal mehr ein Pilotensessel drin!“ - „Bitte sehr! Wenn das so ist, dann können Sie wieder auf ihren Posten zurückkehren, Commander.“


Garrick saß in seinem Quartier und brütete über allen Daten, die er zum Thema „Graviton-Ellipse“ in der Datenbank hatte ausfindig machen können. Er hoffte, den Datenpadds vielleicht durch bloßes Anstarren einige Antworten entlocken zu können, als der Türmelder ihm einen Besucher ankündigte. „Herein!“ sagte er und war etwas überrascht, als Regine Bruckner eintrat. „Lieutenant! Was kann ich für Sie tun?“ - „Sir, ich benötige ein Holodeck“, kam sie gleich zur Sache. Der Däne runzelte ein wenig die Stirn: „Nun ja, dann beantragen Sie entsprechend Zeit...“ Sie schüttelte den Kopf: „Es ist nicht privat. Ich möchte eine Theorie überprüfen, die es uns ermöglichen könnte, in unser Universum zurückzukehren.“ Damit hatte sie das Interesse des Ersten Offiziers geweckt: „Was schwebt Ihnen vor?“ Die Wissenschaftsoffizierin entschied sich für die Kurzfassung: „Sir, ich habe mir gedacht, wenn sich diese Graviton-Ellipse nicht aufspüren lässt, sollten wir uns vielleicht einfach unsere eigene erzeugen.“ Der Däne hob eine Augenbraue, meinte aber dann: „Fahren Sie fort!“ Regine reichte ihm ein Datenpadd und erläuterte: „Ich habe die gesammelten Daten über die Ellipse mit den uns bekannten Phänomenen verglichen, die Reisen zwischen den Universen ermöglichen. Daraus konnte der Computer extrapolieren, welche physikalischen Effekte innerhalb der Ellipse wahrscheinlich für den Übergang in ein anderes Universum verantwortlich sind. Ich glaube, die Katana wäre in der Lage, die entsprechende Anomalie künstlich zu erzeugen. Ich möchte diese Vermutung mit einem Test auf dem Holodeck untermauern.“ Garrick hatte unterdessen das Datenpadd studiert und rief nun auf seinem Computer die aktuelle Belegung der Holodecks auf. „Hmm, ich denke, wir nehmen Holodeck 3. Immerhin könnte Commander Yadeel durchaus behilflich sein...“

Wenig später standen die beiden Offiziere vor dem Eingang von Holodeck 3. Garrick betätigte den Türmelder und nach einigen Sekunden erklang die etwas atemlose Stimme der Chefingenieurin: „Ja, bitte?“ - „Bitte verzeihen Sie die Störung, Commander“, begann Garrick. Auf dem Holodeck verdrehte Seeta leicht die Augen. Konnte der Lulatsch sie also nicht einmal in ihrer Freizeit in Ruhe lassen? Alexandra Black musterte ihre Sparringspartnerin amüsiert. „Wir benötigen das Holodeck und Ihre technische Expertise für die Überprüfung einer Theorie, Commander“, ergänzte Garrick nun. Seeta seufzte unhörbar und warf Alexandra einen entschuldigenden Blick zu, doch diese nickte nur schmunzelnd. Sie wusste aus eigener Erfahrung, dass der Job es mit sich brachte, auch einmal Freizeitaktivitäten hinten an zu stellen. „In Ordnung, Sir, kommen Sie herein.“ Garrick und Regine traten ein. „Sir“, begrüßte ihn die Leiterin des Elite-Force-Teams mit einem Nicken. „Lieutenant Black“, grüßte der XO freundlich zurück. „Bitte entschuldigen Sie nochmals die Unterbrechung.“ - „Selbstverständlich, Sir. Also dann, bis später, Seeta. War mir wie immer ein Vergnügen!“ verabschiedete sich Alexandra. „Ja, mir auch, Alex. Nächste Woche zur gleichen Zeit?“ - „Gerne!“ Damit war sie aus dem Holodeck verschwunden. „Sie trainieren zusammen, Commander?“ stellte Garrick das Offensichtliche fest und sein Respekt vor der kleinen Frau wuchs nachhaltig. Er wusste, dass Lieutenant Black eine hervorragende Nahkämpferin war, und wenn sich die Zanderianerin mit ihr messen konnte, musste auch sie in dieser Hinsicht über beeindruckende Fähigkeiten verfügen. „Ja“, antwortete diese nun knapp und wischte sich mit einem Handtuch den Schweiß aus dem Gesicht. „Nun, was haben Sie?“ fuhr sie dann fort. Garrick überließ es der Wissenschaftsoffizierin, der Chefingenieurin ihre Idee vorzustellen, und wenig später schwebte mitten im Raum ein maßstabsgetreues Abbild der Katana. Vor dem Schiff zeigte sich eine tiefschwarze Wolke mit ausgefransten Rändern, in der gelegentlich giftgrüne Blitze zuckten. „Also, ich weiß nicht recht...“ kratzte sich Garrick am Kopf. „Was ist denn, Sir?“ erkundigte sich Regine neugierig. Ihr Gesicht drückte freudige Zuversicht aus. „Die Daten sehen doch bisher ganz vielversprechend aus!“ - „Das mag wohl sein, aber das Ding sieht aus, wie der Vorhof der Hölle. Nichts, wo man gerne mit einem Raumschiff hineinfliegen würde...“ Seeta schüttelte kurz den Kopf über diese Bemerkung, doch dann kam ihr eine Idee und sie drückte ein paar Tasten an einer der Konsolen, mit der das Programm modifiziert werden konnte. Daraufhin begann die Wolke in einem warmen Rot zu leuchten und sah gleich viel einladender aus. Der Däne zog eine Augenbraue hoch: „Was haben Sie gemacht?“ Die Zanderianerin zuckte beiläufig mit den Schultern: „Nur ein wenig Wasserstoff aus den Bussard-Kollektoren freigesetzt, Sir.“ - „Nun, dann sollten wir vielleicht einen Probeflug riskieren“, meinte Garrick daraufhin. „Gerne, ich möchte nur noch ein paar Dinge kontrollieren...“ stimmte Regine zu und tippte weiter eifrig auf einem Datenpadd herum. Unterdessen zog die Chefingenieurin den XO ein wenig zur Seite: „Sir, das könnte wirklich funktionieren, aber ich muss darauf hinweisen, dass die Erzeugung dieser Anomalie fast unseren gesamten Energievorrat aufzehren würde.“ Garrick nickte. Er hatte etwas in der Art erwartet: „Wieviel?“ fragte er knapp. „Ich schätze, zwischen 80 und 90 Prozent der Antimaterie-Vorräte. Wir haben nur einen Versuch, und falls wir scheitern, könnten an Bord ziemlich schnell buchstäblich die Lichter ausgehen, Sir. Und wir wissen nicht, wo und ob wir in diesem Universum auf geeignete Vorkommen an Antimaterie treffen werden.“

Auf dem Hauptbildschirm der simulierten Katana-Brücke zeigte sich nun die beeindruckende rotschimmernde Wolke. „Nun, dann fliegen wir mal rein...“ meinte Garrick und langsam rückte die Wolke näher. Der Flug erwies sich als einigermaßen holprig und die eine oder andere Konsole gab funkensprühend ihren Geist auf. Es sah so aus, als sollte sich Seeta nach diesem Flug nicht über mangelnde Arbeit beklagen können. Schließlich wurden die Sterne wieder sichtbar und die Fluglage stabilisierte sich. „Wo sind wir?“ erkundigte sich der XO. Regine überprüfte die Anzeigen ihrer Konsole. „Also... die gute Nachricht ist, wir sind im richtigen Universum...“ Garrick und Seeta musterten sie unisono: „Aber...?“ Die Wissenschaftsoffizierin seufzte: „Aber die falsche Galaxie. NGC-1856. Wir brauchen schätzungsweise etwas mehr als 250000 Jahre bei Maximumwarp, um nach Hause zu gelangen... Ich wusste, dass der Ort eine Variable in dieser Theorie darstellt, aber ich hatte mit einer Abweichung von einigen Lichtjahren gerechnet...“ Die Ernüchterung war greifbar. Sie konnten eine Anomalie erzeugen, die sie in ihr Heimatuniversum führen würde. Die Katana würde den Flug durch diese Anomalie überstehen. Aber sie konnten buchstäblich überall in ihrem unendlichen Universum landen. Und das war nur bedingt besser, als in einem komplett anderen Universum festzusitzen.


„Nun, XO, was konnten Sie über die Erbauer dieses Shuttles herausfinden, das wir neulich geborgen haben? Besteht tatsächlich die Möglichkeit, dass sie etwas über die Graviton-Ellipse, nach der wir suchen, wissen könnten?“ Die Captain saß an ihrem Schreibtisch im Besprechungsraum und war nun tatsächlich ein wenig gespannt auf den Bericht ihres Stellvertreters. Immerhin hatte die Katana mittlerweile mehr als 14 vergebliche Versuche unternommen, die Ellipse in den Normalraum zu ziehen, und die Kommandantin wäre für jeden neuen Vorschlag, der einen Erfolg versprechen mochte, dankbar gewesen. Garrick zögerte ein wenig, bevor er einräumen musste: „Leider eigentlich gar nichts, Captain. Es befand sich kein Computersystem mehr an Bord.“ - „Oh, das ist sehr bedauerlich. Und was hat Miss Yadeel über die Technik der Erbauer herausfinden können?“ Garricks Unbehagen wuchs ein wenig, als er zugeben musste: „Leider auch nicht sehr viel. Sämtliche Antriebssysteme wurden entfernt. Offenbar hat man das Schiff gründlich ausgeschlachtet, bevor man es im All zurückließ.“ Natall lehnte sich zurück und seufzte: „Also haben Sie uns nur einen wertlosen Haufen Schrott an Bord geholt, Commander.“ Der Däne überlegte, wie er seine Kommandantin von seinem Plan überzeugen konnte. „Captain, mit Ihrer Erlaubnis würde ich das Shuttle trotzdem gerne an Bord behalten.“ Die Trill sah ihn überrascht an: „Warum?“ - „Ich würde es gerne wieder herrichten. In meiner Freizeit, selbstverständlich.“ Die Überraschung der Captain nahm weiter zu. „Sie wollen das Shuttle restaurieren?“ - „Ja, Captain. Ich sehe darin eine willkommene Gelegenheit, mein technisches Wissen auch einmal wieder praktisch anzuwenden. Ohne, dass ich Commander Yadeel auf die Nerven fallen muss...“ Dieser letzte Hinweis gab den Ausschlag. Möglicherweise würde sich das Verhältnis zwischen diesen beiden Offizieren entspannen, wenn der XO seinen technischen Enthusiasmus an diesem Shuttle auslassen konnte. „Na, meinetwegen, XO. Solange Ihr Dienst nicht unter Ihrem neuen Hobby leidet!“


Mehr als nur ein wenig amüsiert sah Winnie Maddigan Garrick Andersson nach, der gerade aus dem Maschinenraum gestürmt war. „Renitenter Dampfkessel“, hatte er den Dänen schnauben hören, bevor er um die nächste Ecke gebogen war. Sein Ärger galt zweifellos Chefingenieurin Yadeel, zu der er nach wie vor über ein gespanntes Verhältnis verfügte.

Die Schwierigkeiten, die die beiden Führungsoffiziere miteinander hatten, waren schiffsweit bekannt. Auch wenn die beiden zu einer produktiven Arbeitsbeziehung gefunden hatten, waren sie nach wie vor bei so ziemlich allem geteilter Meinung.

Winnie bog nun seinerseits durch die noch immer geöffneten Türen in den Maschinenraum ein und ließ seinen Blick durch den Raum schweifen. Er suchte nach seiner widerspenstigen Patientin und fand sie schließlich hinter den Scheiben des Büros der Chefingenieurin. Die Wangenknochen der Zanderianerin mahlten und dieses Mahlen ließ nichts Gutes verheißen. Wahrscheinlich stand sie kurz vor einer Explosion.

Der Mediziner ließ sich von dem Gesichtsausdruck nicht abhalten, hatte er doch in den letzten Monaten herausgefunden, dass die Gemütsausbrüche der Frau lange nicht so schlimm waren, wie es gelegentlich den Eindruck erweckte. Und selbst, wenn er dies nicht gewusst hätte, hätte er sich davon nicht abhalten lassen, seine Pflichten als Arzt zu erfüllen.

„Hallo, Seeta“, meinte er, als sich die Tür ihres Büros hinter ihm geschlossen hatte. „Hallo, Winnie“, knurrte sie, mehr denn dass sie sprach. Er verkniff sich den amüsierten Gesichtsausdruck nicht und meinte: „Ich nehme an, Du hattest wieder eine Auseinandersetzung mit Mr. Andersson?“

Ihr Gesichtsausdruck wurde mürrisch. „Mr. Andersson ist der Meinung, dass eine Rekalibrierung der Schildharmonik um 3,215 einen Leistungsanstieg bringen würde, der die Katana für die Anomalie zu einem verlockenderen Ziel machen würde“, äffte sie den Tonfall nach, den Garrick an den Tag zu legen pflegte, wenn er versuchte, ihr zu erklären, wie sie ihren Job zu machen hatte.

Winnie zuckte die Schultern. „Dann mach doch eine Rekalibrierung der Schildharmonik um 3,215“, meinte er. Sie schnaubte. „Als ob ich bei den letzten 16 Versuchen, diese vermaledeite Graviton-Ellipse anzulocken, nicht schon alle möglichen Einstellungen probiert hätte. 3,215 macht da keine Ausnahme“, erklärte sie ihm.

Er lächelte jungenhaft. „Davon bin ich ausgegangen“, meinte er nickend. Sie sah ihn an, als hätte sie einen Irren vor sich. „Und was soll das bringen, außer mir Arbeit?“, fragte sie ihn.

„Ihm nachzugeben ist sicherlich weniger anstrengend, als Dich mit ihm rumzustreiten. Vergleiche in Deinem Abschlussbericht die Leistung vor und nach der von ihm gewünschten Änderung. Er wird sicherlich einsehen, dass die von Dir gewählte Einstellung besser ist – es sei denn, die Ellipse taucht wider Erwarten doch noch vor dem Bug der Katana auf“, erklärte er, was dazu führte, dass ihr die Kinnlade runtersackte.

Winnie hatte in den vergangenen Jahren die Erfahrung gemacht, dass es oft einfacher war, sein Ziel auf einem Umweg zu erreichen. Warum sollte man sich mit jemandem, der sowieso am längeren Hebel saß herumstreiten, wenn man auch einfach tun konnte, was er wollte, um ihm zu beweisen, dass man selber im Recht war?

Seeta zuckte mit den Schultern. Ihr blieb sowieso keine andere Wahl, weil der XO unmissverständlich darauf bestanden hatte, dass sie die Modifikation ausprobierte. Sie setzte sich in ihrem Stuhl zurück und schlug die Arme hinter dem Kopf übereinander. „Und wie komme ich zu dem Vergnügen Deines Besuchs?“, wollte sie dann von Winnie wissen, da das andere Thema für sie erstmal abgeschlossen war.

„Du bist vorhin nicht zu Deiner Krankengymnastik erschienen“, stellte er fest, was ihr durchaus bewusst gewesen war. Sie begann sofort mit ihm zu argumentieren. „Winnie, Du weißt so gut wie ich, dass mein Rücken besser nicht mehr werden wird. Ich habe meine Übungen bereits gestern Abend gewissenhaft in meinem Quartier gemacht.“

Er lehnte sich an ihren Schreibtisch, schlug ebenfalls die Arme übereinander, allerdings vor dem Brustkorb und meinte. „Ich bin der Arzt und ich entscheide, ob und wann Du Deine Übungen machst. Willst Du mir in meine Kompetenzen hereinreden, nachdem Du genau das Commander Andersson seit Wochen vorwirfst?“

Sie hatte den Anstand zu erröten, denn sie fühlte sich ertappt. „Wann soll ich auf die Krankenstation kommen?“, fragte sie nach. Er musste nicht überlegen. „Gar nicht. Du hast völlig recht, Du kannst Deine Übungen alleine machen. Behalte sie bei, sonst wirst Du schon bald wieder Schmerzen haben“, stimmte er ihr in der Sache zu.

Sie knirschte mit den Zähnen. „Aber mir vorher noch ein schlechtes Gewissen machen, wie Schätzchen?“, äußerte sie. Er nickte. „Natürlich. Du sollst ja weiter gewissenhaft abends Deine Übungen machen.“

Dann stand er auf und ging auf die Tür zu. „Wir sehen uns heute Abend um die übliche Zeit?“, wollte er dann wissen. Sie nickte. „Um die übliche Zeit“, bestätigte sie ihm, dann sah sie ihm kurz nach, bevor sie aufstand, um nebenan die notwendigen Vorbereitungen für die Anpassung der Schildharmonik vorzunehmen.


Winnie saß nachdenklich auf der Bettkante von Seetas Bett. Er hatte ihr etwas zu sagen, und er fragte sich, wie sie darauf reagieren würde. Die meisten Frauen würden wohl totsicher eine Szene machen, er fragte sich, ob die Frau, die mit ihrer Sexualität so ungezwungen umging, da einen Unterschied machte.

Er zog sich den Schuh über seinen linken Fuß und stand dann auf. Er lehnte sich in die Tür und betrachtete sie nachdenklich. Sie war eine gutaussehende Frau, zweifelsohne.

Sie erwiderte seinen Blick und sah ihn mit einem Lächeln an. „Du siehst aus wie jemand, der befürchtet gleich gefressen zu werden“, meinte sie dann. Er nickte und ging dann hinüber in den Wohnbereich. Sie wickelte sich einmal mehr provisorisch in ihr Laken und folgte ihm dann.

Er stand wieder mit Andreas Bild in der Hand da, wie bereits vor mehr als zwei Monaten. Sie setzte sich in einen der Sessel und sah ihn dann fragend an. Er stellte das Bild zurück und kam herüber zur Sitzecke, wo er sich in dem Sessel ihr gegenüber niederließ.

„Du hattest völlig recht. Ich habe keinerlei Recht Dir Ratschläge zu geben, wenn es um die Bewältigung von Beziehungsproblemen geht. Ich war bisher nicht in der Lage, meine Probleme mit Eleyne anzugehen. Aber“, er holte tief Luft, „ich muss das jetzt tun. Sie ist die Frau, die ich liebe. Immer noch. Und wenn ich es nicht versuche, unsere Beziehung wieder in Ordnung zu bringen, werde ich mir das nie verzeihen“, schloss er, und wartete auf die Explosion seiner Geliebten, die jedoch ausblieb. Stattdessen sah sie ihn nachdenklich an. „Ich verstehe das“, meinte sie ruhig. Sie hatte sich nie Illusionen über den Status ihrer Beziehung gemacht. Liebe war aus der Verbindung nie entstanden. Natürlich war da ehrliche Sympathie und beide hatten die gemeinsamen Stunden genossen, aber keiner von beiden hatte die Beziehung je festigen wollen. Trotzdem war sie jetzt traurig.

„Du wirst also nicht wieder hierher kommen?“, vergewisserte sie sich, nur der Form halber. Er nickte, dann stand er auf und legte ihr sanft die Hand auf die Schultern. „Man sieht sich“, meinte er, drückte die Schulter sanft, dann drehte er sich herum und verließ ihr Quartier.


Garrick hockte erneut im Kommandosessel der Katana. Ihm wurde bewusst, dass er diesen Platz in den letzten Tagen häufiger als gewöhnlich eingenommen hatte. Vor knapp zwei Wochen hatten sie sich endgültig von Captain Future und seiner Mannschaft verabschiedet. Gemeinsam mit Professor Wright war man zu dem Schluss gekommen, dass sich die Ellipse schneller fortbewegen müsse, als zunächst angenommen. Damit war es ausgeschlossen, immer wieder zu jenem Planeten zurückzukehren, in dessen Orbit sich die Comet noch immer aufhielt. Sie befanden sich nun auf dem Weg zu den 19. berechneten Koordinaten, an denen sich die Graviton-Ellipse aufhalten sollte. Nahezu drei Wochen einem offensichtlich nicht aufzuspürenden Ziel in einem fremden Universum nachzujagen, nagte zweifellos an der Moral der Besatzung. Der Erste Offizier ließ den Blick durch das Kommandozentrum des Sternenflottenschiffes schweifen. Alle Anwesenden waren mit gewohnter Effizienz an der Arbeit, aber es war klar ersichtlich, dass die 18 Rückschläge, die sie zuvor erlebt hatten, nicht spurlos an den Frauen und Männern vorüber gegangen waren. Anspannung, gepaart mit gewisser Resignation, zeigte sich in ihren Gesichtern. Der Däne bemühte sich, stets einen zuversichtlichen Eindruck zu erwecken, doch so langsam erschöpften sich auch seine diesbezüglichen Reserven. Die Arbeit an dem kleinen Shuttle lenkte ihn zumindest ein wenig ab. Jetzt meldete Tomm Lucas von der Steuerkonsole: „Commander, wir erreichen die berechneten Koordinaten.“ - „Sehr gut, Ensign, gehen Sie unter Warp. Miss Bruckner, Sie kennen die weitere Vorgehensweise“, wandte sich der XO dann an die Offizierin, die Dalen Lazarus an der Wissenschaftsstation vertrat. Anschließend drückte er die Taste des Interkoms am Kommandosessel: „Andersson an Captain Geodis: Wir haben die nächsten Koordinaten erreicht, Captain.“ - „Verstanden, XO, ich bin unterwegs...“ erklang unmittelbar darauf die Antwort der Trill aus dem Komsystem. Nur wenige Sekunden später trat die Kommandantin aus ihrem Bereitschaftsraum auf die Brücke. Garrick erhob sich sogleich, doch sie winkte nur ab und schaute auf den großen Hauptbildschirm. So fuhr der Däne fort: „Beginnen Sie, Miss Bruckner! Energie!“ Wie schon 18 Male zuvor begann der Hauptdeflektor der Katana hell zu leuchten und sandte einen gleißenden Strahl aus. Wie ebenfalls schon 18 Male zuvor behielten alle Brückenoffiziere abwechselnd ihre jeweilige Konsole und den Hauptbildschirm im Auge. Und wie gewohnt informierte Regine ihre Kollegen: „Die Strahlung erreicht nun das erforderliche Niveau.“ Garrick hielt unwillkürlich die Luft an und musste sich schließlich zusammenreißen, sie nicht mit einem lauten Seufzen auszustoßen, als sich wie bei den vorherigen Versuchen auch dieses Mal keine Spur der Ellipse zeigte. Wortlos kehrte die Captain in ihren Bereitschaftsraum zurück und der Däne schaute ihr besorgt hinterher. „Brechen Sie ab, Regine“, meinte er schließlich und fuhr dann nach einer kleine Pause etwas enthusiastischer fort: „Starten Sie den Berechnungsalgorithmus neu, nachdem Sie die heute gewonnenen Daten korreliert haben. Sieht so aus, als sollte die 20 unsere Glückszahl werden! Mr. Lucas, setzen Sie einen entsprechenden Kurs, sobald die Daten von Miss Bruckner vorliegen!“


Anstelle in seiner Freizeit über technischen Journalen zu brüten, schlüpfte Garrick also nun in fast jeder freien Minute in seinen alten Arbeitsoverall und werkelte an seinem neuesten Projekt. Er holte sich Unterstützung bei Charlie Brooker, dem Cheftechniker des Spitfire-Geschwaders, da Commander Yadeel ja offensichtlich nicht daran interessiert war, mit an dem alten Schiffchen zu basteln. Es gelang ihm ferner, das eine oder andere benötigte Ersatzteil gegen Holodeckzeit, die im Moment aufgrund der eher bedrückenden Umstände sehr beliebt war, bei der Technikercrew einzutauschen. Der XO war sich ziemlich sicher, dass der Dampfkessel davon Wind bekommen würde, aber es war ihm egal. Wäre halt nur ein weiterer Punkt auf ihrer Liste, die sie ihm wahrscheinlich vorlesen würde, bevor sie ihn irgendwann tatsächlich in eine Luftschleuse stopfte. Die Zanderianerin schaute jedoch in unregelmäßigen Abständen immer mal wieder im Shuttlehangar vorbei. Sie war schon neugierig, ob es dem Lulatsch gelingen würde, aus diesem Trümmerhaufen wieder etwas zu bauen, dem man zutraute, weiter als ein halbes Lichtjahr fliegen zu können. Sie hatte jedoch immer irgendeine Ausrede parat, wenn sie in den Hangar trat, denn neben ihren theoretischen Streitgesprächen auch noch praktisch mit dem XO zusammenzuarbeiten, war das Letzte, was sie wollte. Garrick entdeckte sie, wie sie mal wieder – natürlich vorgebend, völlig desinteressiert zu sein – um das Schiffchen herumschlich. Sie musste sich eingestehen, dass ihr gefiel, was der Lulatsch aus dem alten Kahn machte. Nachdem er die Patina von Jahrzehnten von der Außenhülle des Schiffchens gekratzt, Löcher und Beulen ausgebessert und es in dezenten Farben neu lackiert hatte, stand es glänzend im Licht des Hangars. Die Zanderianerin war überrascht. Das Shuttle war nun zumindest äußerlich wirklich wieder eine Schönheit, und der Däne hatte offenbar die ganze Zeit um das Potential des kleinen Schiffchens gewusst. Seeta wusste bei diesem Anblick plötzlich wieder, warum sie Ingenieurin geworden war. Sie wollte etwas schaffen, so wie es der XO gerade tat. Insgeheim verfluchte sie sich, dass sie so ablehnend auf seine Idee reagiert hatte. Jetzt trat er mit strahlendem Gesichtsausdruck zu ihr und wischte sich die Hände an seinem Overall ab. „Nun, wie finden Sie es jetzt, Commander?“ erkundigte er sich. Seeta räusperte sich: „Es sieht sehr schön aus, Sir.“ - „Wollen Sie vielleicht jetzt mal einen Blick hinein riskieren?“ Die Ingenieurin war unschlüssig, doch schließlich überwog ihre Neugier. „Gerne, Sir!“ Garrick ließ ihr galant den Vortritt. „Vorsicht, dort mit den losen ODN-Leitungen, die habe ich noch nicht verlegt“, warnte er, als sie hinein kletterte. „Keine Sorge, Sir, ich passe schon auf“, erwiderte sie schmunzelnd. Offenbar war der Lulatsch einigermaßen eigen mit diesem Shuttle. „Wie Sie sehen, ist der Impulsantrieb fast schon wieder einsatzbereit. Der Hauptcomputer benötigt noch einen Speicherkern, aber das größte Problem wird der Warpantrieb darstellen. Da, wo Sie gerade stehen, wollte ich einen kleinen Wohnbereich einrichten. Meinen Sie, dass eine Minibar an Bord übertrieben wäre?“ Seeta musterte den Dänen überrascht, dann schmunzelte sie: „Eine Minibar, Commander? Ein handelsüblicher Replikator sollte wohl genügen.“ Sie überlegte kurz und meinte: „Dann soll es also wohl nicht für dienstliche Zwecke eingesetzt werden?!“ Garrick schüttelte den Kopf: „Nein, das wird nicht gehen. Es ist wirklich schon ein altes Schiff. Die Belastungen, die unseren normalen Shuttles zugemutet werden, wären für die alte Struktur wohl zu viel, auch wenn ich das Strukturelle Integritätsfeld extra verstärkt habe. Nein, es wird ein reines Freizeitshuttle werden.“ Seeta nickte und warf dann einen Blick auf den Impulsantrieb. „Sie sind gerade dabei, die Verteiler anzuschließen?“ Es war mehr eine Feststellung, denn eine Frage. „Ja, das ist richtig“, antwortete Garrick langsam. „Kann ich Ihnen dabei behilflich sein, Sir?“ Der Däne war ein wenig überrascht, doch dann nickte er: „Sicher. Nehmen Sie den Backbord-Verteiler, dann kümmere ich mich um den auf der Steuerbordseite.“ Es zeigte sich jedoch, dass die beiden Offiziere nicht nur in theoretischen Belangen oft unterschiedlicher Meinung waren. Auch ihre praktische Arbeitsweise unterschied sich signifikant und so dauerte es auch nur einige Minuten, bis die beiden hingebungsvoll über die beste Möglichkeit stritten, einen Impulsverteiler korrekt zu installieren. Schließlich erhob sich Seeta entnervt: „Sir, vielleicht war die Idee, Ihnen zu helfen, doch nicht so gut. Ich denke, es wäre wohl besser, wenn ich Sie hier alleine weiterarbeiten lasse, dann wird es wenigstens so, wie Sie es sich vorstellen!“ Garrick stimmte verärgert zu und schaute der Frau dann nach, als sie aus dem kleinen Schiff kletterte. Anschließend pfefferte er den Laserschweißer, mit dem er eben noch gearbeitet hatte, sauer in die nächste Ecke. Eigentlich hatte er sich gefreut, als sie ihm ihre Hilfe angeboten hatte, aber irgendwie war wieder einmal alles völlig aus dem Ruder gelaufen. Warum nur musste sie auch alles besser wissen und konnte nicht einmal widerspruchslos das tun, was er für richtig hielt?


'Wie viele Wochen sind wir schon hier?', glaubte Rueben zu hören. Irritiert ruckte sein Kopf herum. Die Erfahrung war seltsam, denn er wusste genau, dass kein Reiz über seine Ohren zu seinem Gehirn gelangt war. Es war, als hätte er nur gedacht, aber der Gedanke war nicht seiner gewesen.

Er sah sich in der kargen Zelle um und bemerkt, dass die Gefangene mit den blonden Haaren ihn unverwandt ansah. 'Meine Assistentin ist verschwunden. Ist sie auch hier?', nahm er dann einen weiteren Gedanken von der Frau wahr. Er drehte den Kopf unbehaglich hin- und her. Er ging um den Tisch herum, der in der Mitte der Zelle stand. Jetzt auf der anderen Seite stehend hatte er einen genauen Blick auf Caressia. Die Elirianerin spürte, wie er mit sich selber kämpfte und dann entschied, ihr die gewünschten Auskünfte zu erteilen.

Kurz hob er vier Finger seiner rechten Hand und nickte dann. Caressia hatte verstanden. Seit vier Wochen war sie hier nun gemeinsam mit den Lazarus gefangen und auch Lidia musste hier irgendwo sein. Sie musste unbedingt Sorge tragen, dass die junge Frau mit ihnen kam.

'Helfen Sie uns hier heraus?', nahm er ihren nächsten Gedanken war. Einen Moment hielt er in seiner Bewegung inne, dann nickte er zögerlich.


„Wir erreichen die Zielkoordinaten“, meldete Tomm Lucas. Garrick nickte matt. Nach fast vier Wochen war auch seine Zuversicht dem absoluten Nullpunkt ziemlich nahe. Auch er musste sich eingestehen, dass die weitere Suche nach der Graviton-Ellipse reine Zeitverschwendung wäre. Leider hatte Lieutenant Bruckner keine weiteren Fortschritte dabei gemacht, den Ankunftsort, den die Katana erreichen würde, sollte sie durch die künstlich geschaffene Anomalie fliegen, auf ein befriedigendes Maß einzuschränken. Immerhin war es gelungen, sich der Heimatgalaxie auf einige 100000 Lichtjahre zu nähern, aber auch das stellte noch keine akzeptable Lösung dar. So blieb ihnen zunächst kaum eine andere Wahl, als weiter nach der Ellipse zu suchen, wenn sie nicht die Hoffnung aufgeben wollten, jemals nach Hause zurückzukehren. „Sie wissen, was Sie zu tun haben...“ meinte der Däne seufzend und rief Captain Geodis auf die Brücke. Es dauerte eine Weile, bis die Kommandantin eintraf, denn sie hatte sich in den letzten Tagen in ihr Quartier zurückgezogen. Garrick hatte versucht, sie mit ihrer Verantwortung für die Moral der Crew zu ködern, doch sie hatte diese „in seine fähigen Hände gelegt“, wie sie sich ausgedrückt hatte. Immerhin ließ sie sich noch im Kontrollraum sehen und dieses Mal erhob sich der XO demonstrativ trotzdem aus dem Kommandosessel, obwohl sie ihm erneut bedeutet hatte, doch einfach Platz zu behalten. Die Blicke der beiden ranghöchsten Offiziere trafen sich, und sie verstand die stumme Botschaft, die er ihr sandte. Die Trill atmete tief durch und befahl dann: „Miss Bruckner, Energie!“ Der helle Energiestrahl schoss in die rabenschwarze Leere des Alls hinaus. Das kleine bisschen Hoffnung, dass sich in Garrick bei diesem Anblick tatsächlich geregt hatte, schien schon wieder zu schmelzen, wie Schnee an einem Sommertag, als mal wieder nichts weiter zu erkennen war. Doch dann war etwas anders. Nicht nur der Däne sah es, wie er feststellte, als der den Blick kurz vom Hauptschirm abwandte. Alle starrten gebannt auf das erste zaghafte gelbe Schimmern, dass sich langsam unmittelbar voraus manifestierte. Regine Bruckners Stimme zitterte leicht, als sie das Offensichtliche verkündete: „Die Strahlung erreicht nun das erforderliche Niveau...“