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From PathfinderWiki

Alte Helden
Autor: Mark de Boer
Autor: Lew Sulik

Stille. Lähmende, alles erdrückende Stille. Dazu ein endloses Weiß, das sich wie eine bleierne Decke über die Landschaft, über alles Leben gelegt hatte. Gekommen war der Schnee kurz zuvor, mit dem Sturm. Mit tosender Gewalt und höllischem Lärm war dieser über das Land gezogen. Geblieben war der Schnee. Und mit ihm die Stille.

Es war als kannte diese Welt nur diese zwei Extreme. Lärm oder Stille. Dazwischen schien kein Platz zu sein für irgendetwas etwas anderes. Es war der erste Sturm des Jahres gewesen und mit ihm der erste Schnee. Und beides waren nur die Vorboten noch stärker Stürme und von noch viel mehr Schnee. Und bald sollte zwischen den Stürmen noch mehr erdrückende Stille folgen. Das war der Rhythmus dieser Welt im Winter, der hier fast das ganze Jahr dauerte. Und nun war es wieder soweit. Unerbittlich hatte sich der Winter über das Land gelegt und alles mit Schnee und tödlicher Kälte bedeckt.

In einem kleinen Seitental, in einer nur spärlich vom Wind geschützten Stelle stand eine leidlich renovierte Hütte. Die Jahre sah man der Holzkonstruktion an, trotz des Schnees von dem sie bedeckt war. Langsam und knarrend öffnete sich die Türe. In der Stille wirkte das Geräusch wie ein ohrenbetäubender Lärm, gleich einer höllischen Explosion, welche eine Gott gebotene Ruhe störte.

Zunächst öffnete sich die Türe nur einen Spalt weit, denn Schnee versperrte jede weitere Bewegung. Dann folgte ein Ruck und die Türe sprang mit noch lauterem Knarren auf und schlug mit einem Knall gegen die Wand. Ein weiterer gotteslästerlicher Lärm, der die Stille zerriss.

Ein Mann trat durch die Türe. Dick eingepackt in einfacher Kleidung. Er hatte eine schäbige Mütze auf dem Kopf, den Nacken geschützt durch eine Pelzbesetzte Kapuze. Abrupt blieb er stehen und schaute sich um. Er kniff die Augen zusammen, so sehr blendete das alles beherrschende Weiß. So blieb er eine ganze Weile stehen, wie gelähmt durch die überwältigende Leere. Dann entfuhr ihm ein verächtliches Raunen, und er schloss hinter sich die Tür, sorgfältig und leise, als ob er nicht noch ein weiteres Mal die allgegenwärtige Stille stören wolle.

Dann ging er langsam durch den Knöchel tiefen Schnee hinüber zu einer Reihe kleinerer Hütten. Nicht mehr als schlicht zusammengesetzte Kisten. Er ging zur Öffnung jeder Hütte und warf einen kontrollierenden Blick hinein. In den Hütten lagen Hunde. Jeden bedachte er mit lobendem Klopfen, dabei raunte und murmelte er den Tieren etwas zu. Nicht dass seine Laute irgendetwas bedeutet hätten. Aber der Ton verriet Anerkennung und Zuneigung.

Der Mann war noch nicht bei der letzten Hütte angekommen, da zerriss ein weiteres Mal ein ohrenbetäubender Lärm die Stille. Er schaute sich um. Wieder ein Sturm? Doch das Geräusch war völlig anders. Es war nicht natürlichen Ursprungs und ihm doch irgendwie vertraut.

Misstrauisch suchte er nach der Quelle des Lärms und wandte seinen Blick zum Himmel. Er entdeckte im strahlenden Blau einen großen hellen Punkt der immer näher kam. Je näher der gleißende Lichtpunkt rückte, um so lauter wurde der Lärm. Langsam wurde der Punkt größer und nahm Formen und Konturen an. Bald konnte er es erkennen. Es war ein Shuttle, das direkt auf sein Tal zusteuerte. Anscheinend von der Sternenflotte. Ein Typ, den er nicht kannte. Offenbar ein neues Modell, aber eindeutig Sternenflotten-Design.

Er fragte sich, ob es von der über tausend Kilometer süd-östlich gelegenen Forschungsstation stammte. Aber die wären mit einem Hopper oder einem Glider gekommen. Doch das war im Grunde egal. Ob von der Forschungsstation oder von sonst irgendwo her, es passte ihm nicht, dass sich das Pack hier blicken ließ. Unwillkürlich tastete er nach seinem Messer und dem altmodischen Revolver an seinem Gürtel.

Das Shuttle war nun nahe genug, dass nun auch die Sternenflotten-Insignien deutlich erkennbar waren. Längst waren die Hunde hinter ihm aus ihren Hütten gekommen. Sie hatten die Ohren angelegt und fletschten die Zähne. Wütend zerrten sie an ihren Ketten und bellten und knurrten das ihnen unbekannte Flugobjekt an. Beinahe hätte es der Mann seinen Tieren gleich getan. Der Anblick der Sternenflotten-Abzeichen ließ alte Wut in ihm aufsteigen, und am liebsten wäre er mit Messer und Revolver in den Händen auf die ungebetenen Gäste gestürmt. Doch er war zu sehr damit beschäftigt, gegen den aufgewirbelten Wind des landenden Shuttles anzukämpfen. Er wollte nicht weichen. Nicht dem Wind, nicht dem Shuttle, nicht der Sternenflotte. Und sich durch den Wind des Shuttles auf den Boden drücken lassen, das wollte er erst recht nicht. Nicht dass das irgendetwas bewirkt hätte. Es war auf eine merkwürdige Art und Weise sein ganz persönlicher, rein emotional empfundener Widerstand gegen das System.

Nach der Landung dauerte es eine Weile, bis die Aggregate des Shuttles vollständig heruntergefahren waren und sich die Luke öffnete. Ein Sternenflotten-Offizier im Thermoanzug stieg hastig aus und kam im Schnee mit ungelenken Schritten auf ihn zu. Weil er gleichzeitig eine nichtvorhandene militärische Würde auszustrahlen versuchte und sich dabei bemühte, das Gleichgewicht bei seinem Weg durch den Schnee zu halten, wirkte er ungefähr so grotesk wie ein Clown auf einem Opernball. In seinem silbernen Winteranzug sah der Typ dabei noch lächerlicher aus, als er es ohnehin schon getan hätte. Alles in allem machte er so den Eindruck einer frisch aus dem Puff entlaufenen Tunte, der noch der Stock im Hinterteil steckte.

Der Offizier hatte ein PADD in der Hand, und als er zwei Meter vor dem Bewohner des kleinen Tals stand, warf er einen Blick auf dasselbige und fragte: „Mister Sulik? Mister Lew Sulik? Ehemals Kampfpilot der Sternenflotte. Ohne Rang und unehrenhaft entlassen vor 8 Jahren?“

„Kann schon sein.“, antwortete der Angesprochene stoisch und schob hinterher: „Kommt darauf an.“

Der Offizier konnte mit dieser Antwort offenbar nichts anfangen und fragte verwirrt: „Worauf?“

„Wer das wissen will.“, war die wiederholt knappe Antwort. Als ob er nicht verstünde, entgegnete der Offizier wie aufgelöst: „Die Sternenflotte natürlich.“

„Ich fragte WER, nicht WAS, du Arschloch!“, meinte der Befragte und drehte sich um. Er hatte schon viel zuviel gesagt. Er war Lew Sulik, und im Grunde hatte er das mit seinen Antworten schon zugegeben. Glücklicherweise war der Offizier schwer von Begriff. Vielleicht verschwand er wieder, wenn er diesen Idioten einfach ignorierte.

„Lew Sulik. Immer noch derselbe Kerl mit dem Charme eines cardassianischen Schlachtkreuzers.“, erklang plötzlich eine irgendwie vertraute Stimme hinter ihm. Wieder wandte er sich zum Shuttle um und sah einen weiteren Offizier im Thermoanzug auf ihn zu kommen. Lew kam der zweite Offizier vage bekannt vor. Als dieser direkt vor ihm stand, erkannt er ihn, und Lew raunte: „Scheiße, ich hab befürchtet dass mich die Vergangenheit irgendwann einholt. Aber dass es ausgerechnet du sein musst, Mark, das ist verflucht hart.“

„Wie ich sagte, du bist immer noch derselbe. Nur deine Aussprache, die scheint irgendwie noch blumiger geworden zu sein.“, entgegnete Mark mit einem Lächeln die Beleidigung seines ehemaligen Kameraden überspielend. Aufmerksam betrachtete Mark dabei sein Gegenüber. Wenn nicht die Stimme und die fast unverwechselbare Wortwahl wären, so hätte er Lew vermutlich kaum wieder erkannt. Ein dichter, von grauen Haaren durchzogener Vollbart verdeckte das Gesicht aus dem zwei hasserfüllte, aber müde Augen heraus stachen. Das wenige an Haut, das auf dem Gesicht zu sehen war, zeigte kleine Falten und schien vom Wetter gegerbt.

Lew schnaubte und sagte im stoischen Tonfall: „Zum Teufel, ich hab keine Ahnung was du meinst.“

Die letzte Bemerkung übergehend schaute Mark sich um und sein Blick blieb kurze Zeit auf dem großen Findling liegen, auf dem sich durch eine dünne Schneeschicht die Worte „Sam Samuel McKoon“ abzeichneten. Dann meinte er: „Nette Ecke hast du dir ausgesucht für deinen Lebensabend. Passt irgendwie zu dir. Rauer Kerl in rauer Gegend.“

„Ach rutsch mir doch den Buckel runter, Mark.“, meinte Lew daraufhin und kehrte seinem alten Kollegen den Rücken zu. Ohne sich weiters um Mark oder dem anderen Offizier zu kümmern, ging zu dem kleinen Unterstand neben seiner Hütte und zog einen Schlitten daraus hervor, den er sorgfältig prüfte. Mark folgte ihm und sah dem ehemaligen Kampfpiloten schweigend zu. Nach einer Weile fragte er: „Was treibst du so in letzter Zeit?“

„Ich packe meine Sachen!“, war die gewohnt knappe und abweisende Antwort. Doch Mark ließ sich nicht beirren, mit ironischem Tonfall fragte er wieder: „Du willst also verreisen?“

„Ja!“, presste Lew hervor, ohne von seiner Arbeit aufzuschauen: „In mein Winterquartier, weiter südlich. Damit mir hier nicht der Arsch zusammen friert. Und ihr Penner haltet mich nur auf. Zieht Leine und lasst mich in Frieden!“

„Sag mal, was ist denn dass eigentlich für eine Art, einen alten Freund zu begrüßen?“, blieb Mark hartnäckig beim Thema. Er hatte einen wunden Punkt erwischt, denn nun richtete sich Lew wieder vom Schlitten auf und starrte Mark an: „Mark. Du warst wirklich ein guter Kumpel und ein guter Kamerad. Das weiß ich immer noch zu schätzen. Aber das ist lange her, und ich will von all dem nichts mehr wissen! Warum musstest du her kommen? Ich habe dich nicht darum gebeten!“

„Nein, das hast du nicht. Und ich hätte dich liebend gern in Ruhe gelassen. Aber es sind raue Zeiten. Da kann man sich das nicht aussuchen.“ Mark wandte sich in Richtung der Hütte. „Ich schätze mal, da ist es wärmer als hier. Lass uns drinnen reden.“, sagte er und ging, ohne eine Antwort abzuwarten, zur Hütte. „Was willst du von mir?“, brüllte Lew ihm hinterher. „Sag ich dir drinnen.“, antwortete Mark, ohne sich umzudrehen. „Ich habe dir auch was mitgebracht.“ Dabei hielt er eine Flasche hoch und ging unbeirrt weiter. „Verdammt!“, murmelte Lew und stapfte Mark hinterher. Kurz vor der Hütte hatte er ihn eingeholt. „Was willst du von mir?“, fragte er ihn erneut. Mark lächelte: „Das sage ich dir wirklich erst da drinnen.“ Dann sah er an Lew vorbei. „Ähm, Fähnrich. Das wäre vorerst alles. Ich werde mit Mister Sulik alleine reden. Sie können im Shuttle auf mich warten.“ Der Fähnrich sah aus, wie ein trauriger Welpe, der zurückgelassen wurde, fand Lew, konnte sich aber dennoch eine Spitze nicht verkneifen: „Passen Sie auf dem Rückweg auf die Hunde auf. Die hatten heute noch nichts zu fressen.“ Der Fähnrich, der sich bereits umgedreht hatte, stockte für einen Moment und schien zu überlegen, ob die Worte ernst gemeint waren oder nicht. Mit einem Blick auf die Hunde entschied er sich aber für die sichere Variante und ging im großen Bogen um die Hunde zum Shuttle.

In der Hütte war es deutlich wärmer, was Mark zu einem wohligen Seufzer veranlasste. Er zog seine Jacke aus, nahm die Brille ab und sah sich in der Hütte um. Lews urtümliches Quartier sah genauso aus, wie er sich eine Blockhütte vorgestellt hatte. In der Mitte stand ein grob gezimmerter, massiver Tisch mit ebensolchen Stühlen. An der gegenüberliegenden Wand befand sich ein steinerner Kamin, der auch als Kochstelle diente. Überhaupt war alles recht simpel gehalten und auf das Überleben in der rauen Natur ausgelegt. An der Wand hingen diverse Waffen und Werkzeuge sowie aus Tierfellen produzierte Winterkleidung. Hinzu kam eine warme, aber zum Schneiden stickige Luft, in der sich viele verschiedene Gerüche vermischten. Mark glaubte, ranziges Fett, gegerbtes Leder, Rauch und andere seltsame Duftnoten auszumachen, die ein seltsames Gemenge ergaben, das ihn irgendwie an das Mittelalter erinnerte. Er spürte ein leichtes Ziehen in seinen Schläfen. „Also wie man sich von allen Planeten ausgerechnet diesen Eisblock aussuchen kann, verstehe ich nicht. Er wäre mir viel zu kalt und hell.“, meinte er. „Dafür kommen hier selten Typen von der Flotte vorbei.“, entgegnete Lew bissig. „Also was willst du?“ „Als erstes wären zwei Gläser für den hier ganz nett.“, entgegnete Mark ihm grinsend und hielt die Flasche hoch. „Whiskey von Arbazan. Der letzte Jahrgang, bevor der Planet von den Romulanern in die Steinzeit gebombt wurde.“ Lew zog die Brauen hoch und kramte zwei Gläser aus einer Kiste neben dem Kamin.

Als er sich an den Tisch setzte, an dem Mark bereits Platz genommen hatte, und die Gläser unsanft auf die Tischplatte knallen ließ, fragte er: „Wie zum Teufel hast du mich überhaupt gefunden?“ „Ich kenn dich, Lew. Besser, als du denkst. Du bist trotz allem ein sentimentaler Kerl. Du hast mir mal davon erzählt, wie du hier auf Liat IV beinahe dein Leben verloren hast. Darum wusste ich… na ja, besser gesagt, ich ahnte es, dass du dich hier auf diesen Eisbrocken verziehst.“, erklärte Mark, während er beide Gläser näher zu sich heranzog und die Flasche öffnete. Dann goss er ein, reichte Lew ein Glas, wechselte dann das Thema und fragte beiläufig: „Sind dir in letzter Zeit die Leute aus der Forschungsstation über den Weg gelaufen?“ Lew sah ihn an und überlegte. „Nein, ich versuche, mich möglichst fern von der Föderation zu halten. Aber ich habe sie in letzter Zeit auch nicht mehr bemerkt.“ Mark nickte. „Das liegt daran, dass die Forschungsstation aufgegeben wurde. Wie nahezu jede Forschungsstation, die sich nicht mit Waffen, Energie oder ähnlichen kriegswichtigen Themen beschäftigt.“ „Steht es immer noch so schlecht um die Föderation wie vor 8 Jahren?“, wunderte sich Lew. „Nein, es ist deutlich schlimmer geworden. Wir haben eine Welt nach der anderen verloren, nur noch das Sol-System ist übrig. Die Gefechte sind härter und rücksichtsloser als jemals zuvor. Ein Bündnispartner nach dem anderen springt ab oder wechselt gar zu den Romulanern. Selbst die Borg oder das Dominion sind niemals so erfolgreich gewesen. Der Fähnrich draußen… Was denkst du, wie alt er ist? Er ist sechzehn! SECHZEHN!!! Sie holen jetzt schon Kinder in den Krieg!!!“ Lew sah seinem alten Freund nun zum ersten Mal direkt ins Gesicht und erschrak, als er die harten Züge und den kalten Blick sah. Der Krieg hatte Mark also wirklich zugesetzt und sein freundliches Wesen ausgelöscht und dabei irgendwas Platz gemacht, das Lew nicht so recht einordnen konnte. Dennoch konnte Lew der Föderation nicht so einfach vergeben. „Die Föderation geht mich nichts mehr an. Ich habe mit ihr nach der ‚Götterdämmerung’ abgeschlossen.“ In ihm keimte die Erinnerung wieder auf, und er starrte in sein Whiskeyglas. Er erinnerte sich an das Desaster in der Schlacht, in der so viele seiner Kameraden gestorben waren. Wie er sich als einer der wenigen seines Wings und als einziger seiner Staffel durch die feindlichen Linien schlagen konnte. Sie hatten es gerade noch zur Raumbasis 322 geschafft. Wie in Trance war er damals aus seinem Fighter gestiegen und durch die Shuttlebay geirrt. Alles um ihn herum hatte er nur noch wie durch einen dumpfen Filter wahrgenommen. Die Lichter der brennenden Fighter und Shuttles, die Schreie der Verletzten, die hektisch umher rennenden Techniker und Mediziner. Alles war nur schemenhaft zu seinem Bewusstsein vorgedrungen. So war er durch die ganze Station geirrt und stand irgendwann im Büro von Admiral Horaki, dem Oberbefehlshaber der Offensive ‚Götterdämmerung’. Ab da an wurde Lews Erinnerung wieder so klar, als ob es erst gestern gewesen wäre. Der Admiral hatte erstaunt vor seinem Schreibtisch gestanden, und Lew hatte ihn angestarrt. Er hatte auch da keinen klaren Gedanken fassen können, aber Trauer, Wut und Hass waren in ihm aufgestiegen und hatten sich wie eine zähe, kochende Masse in seinem ganzen Körper ausgebreitet. Fast automatisch hatten sich seine Hände langsam zu Fäusten geballt. Und dann hatte er sich auf den Admiral gestürzt. Immer und immer wieder hatte er auf ihn eingeschlagen. Es war grotesk, aber Lew glaubte, sich an jeden einzelnen Schlag genau zu erinnern. Damals hatte er den Admiral durch sein gesamtes Büro geprügelt und hätte ihn vermutlich auch totgeschlagen, wenn nicht zwei Sicherheitskräfte dazwischen gegangen wären.

Auch Mark dachte an ‚Götterdämmerung’. Die große Offensive der Föderation, die die große Wende in diesem Krieg hätte bringen sollen, war schon im strategischen und taktischen Ansatz falsch gewesen. Letztlich hatte sie die Lage der Föderation nur verschlimmert. Auch in seinem Frontabschnitt hatte die Schlacht einen hohen Blutzoll gefordert. Trauer und Wut hatten sich in ihm genauso ausgebreitet, aber die anhaltenden Kämpfe hatten sie mehr und mehr in den Hintergrund gedrängt. Und die andauernden Niederlagen und Verluste der darauf folgenden Jahre hatten Mark distanziert und zynisch werden lassen.

„Weißt du, wie es da war?“, unterbrach Lew mit ruhigem Ton die Stille und schaute wieder von seinem Glas auf. Er sprach weiter, und mit jedem Satz steigerte sich die Wut in seiner Stimme. „Weißt du, wie es war, meine Kameraden sterben zu sehen? Zu sehen, wie sie einer nach dem anderen in einem hirnrissigen und völlig unnützen Gefecht niedergemetzelt wurden?“ Lew sprang auf und redete sich mehr und mehr in Rage. „Ich kann immer noch ihre Schreie hören, als ihre Flieger explodierten. Ich höre immer noch Ians Schreie, als sein Fighter abstürzte und auf dem Planeten zerschellte. Er war mein Freund, mein bester Freund!“ „Er war auch mein Freund. Ich habe an dem Tag auch viele Freunde und Kameraden verloren.“, erwiderte Mark ruhig. Bislang hatte Lew genauso reagiert, wie er es erwartet hatte. „Dieser Angriff war militärischer Wahnsinn. Das wissen wir beide.“ „Sie haben uns sinnlos verheizt!“, schrie Lew wütend und gestikulierte wild mit der Hand und zeigte während seiner Tirade mit dem Finger immer wieder in eine Ecke, als ob dort die gesamte Admiralität auf der Anklagebank säße. Mit hassverzerrtem Gesicht brüllte er weiter: „Der Krieg ist totaler Irrsinn und die Strategie von denen da oben völlig für’n Arsch...“ „Aber Sie machen immer noch weiter, und es sterben weiterhin Menschen. Weiterhin Freunde von uns…“, unterbrach ihn Mark. Leiser fuhr er fort „Charlie ist tot. Kjetil ebenfalls.“ „Wie?“, fragte Lew geschockt nach einer Ewigkeit. „Kjetils Fighter ist direkt beim Hangareinflug von einem Torpedo getroffen worden und dann im Hangar explodiert. Die Explosion hat fünf Piloten und einem ganzen Mechanikerteam das Leben gekostet.“ Stille breitete sich aus.

Dann fuhr Mark fort. „Aber nun geht es um mehr als nur um uns und unsere Freunde. Jetzt geht es um alle Menschen. Die Romulaner sind sehr gründlich, wenn sie eine Welt besetzen. Menschen, Vulkanier, Andorianer und alle anderen Gründungsvölker werden systematisch gejagt und versklavt. Es geht hier nicht mehr um einen Krieg um Planeten oder die Vorherrschaft im Alpha- und Beta-Quadranten. Hier geht es darum, ob die Menschheit als Volk überlebt. Ob die Föderation überlebt. Wir haben eine Welt nach der Auf der Erde und allen Planeten im Sonnensystem bricht Panik aus. Es herrscht überall Ausnahmezustand.“ Lew blickte an Mark vorbei und blieb stur. „Das ist mir egal. Ich schulde der Föderation gar nichts…“ „Aber du schuldest mir etwas.“, erwiderte Mark leise. Eigentlich hatte er diese Karte nicht ausspielen wollen. „Hast du dich nie gefragt, wie du aus dem Gefängnis entkommen konntest? Wieso ein Sträflingsfrachter aufgebracht werden konnte, alle Gefangenen befreit wurden, aber nur dir die Flucht gelungen ist?“ „Du warst daran beteiligt?“, fragte Lew erstaunt. „Ich habe sämtliche Gefallen eingefordert, die man mir schuldete, und stehe jetzt bis zum Hals in der Kreide bei einer Menge dunkler Typen, nur um deinen Arsch in Sicherheit zu bringen. Nun möchte ich, dass du dir anhörst, was ich zu sagen habe. Danach kannst du mich immer noch wegschicken.“ Lew war immer noch überrascht. Er nahm einen tiefen Schluck Whiskey und nickte nur. Mark entspannte sich ein wenig und fuhr fort: „Wie gesagt, steht die Föderation kurz vor der Vernichtung. Also sind die Admiräle ziemlich verzweifelt und setzen alles auf eine Karte. Alles läuft auf eine finale Schlacht hinaus, in der wir aber heillos unterlegen sind. Also planen sie eine Geheimaktion, die das Romulanische Reich in die Knie zwingen soll.“ „Oder den endgültigen Untergang der Föderation besiegelt.“, unterbrach Lew ihn. Mark grinste kalt. „Und um genau das zu verhindern, hat man sich etwas ausgedacht. Und dazu könnte es nötig sein, dass viele … ich nenne es mal Hindernisse… aus dem Weg geräumt werden müssen. Und hinzu kommt noch die Schlacht um die Erde. Da braucht man ganze Geschwader von Kampffliegern. Es wird ein ziemliches Selbstmordkommando. Also will man erfahrene Piloten einsetzen, die mit schwierigen Situationen zu Recht kommen. Piloten wie uns beiden. Also im Klartext: Die Sternenflotte will, dass du zurückkommst.“

Lew sah Mark durchdringend an. Dann fing er lauthals an zu lachen. „Was soll das werden? Eine Art Volkssturm aus Kindern und Rentnern? Und überhaupt: Ich komme ganz bestimmt ohne Probleme zurück, und Admiral Horaki vergisst sicher auch, dass ich ihn halb tot geprügelt habe. Der wirft mich doch in den Knast, bevor ich auch nur in die Nähe eines Raumschiffs komme.“ „Ich glaube, Horaki ist es ziemlich egal, was du tust. Der gute Admiral hat nämlich das Zeitliche gesegnet. Du erinnerst dich noch an Enor Tebas Frau – die impulsive? Sie war ein wenig gründlicher als du und hat den Admiral eiskalt liquidiert.“ Lew blickte überrascht auf. „Es scheint doch noch gute Nachrichten zu geben. Geht es ihr gut?“ „Na ja, sie hat sich selbst erschossen, nachdem sie den Admiral erschossen hatte.“ „Oh…“ Wieder breitete sich Stille aus. Zu viele Tote für einen Nachmittag. Nachdenklich und geschockt setzte sich Lew wieder an den Tisch. Schließlich räusperte sich Lew. „Warum sollte ich bei dieser Selbstmordmission teilnehmen? Warum sollte ich mein Leben aufs Spiel setzen und dann hinterher in den Knast gehen, wenn ich überlebe?“ Er zeigte durch den Raum „Es ist nicht viel, was ich habe, aber ich bin frei und mein eigener Herr.“ Mark schob ihm ein PADD hin. „Die Verurteilung ist wieder aufgehoben. Du erhältst den Rang eines Lieutenant und deine Freiheit zurück. Nur dass ich diesmal dein Leader bin, nicht umgekehrt. Die Aufhebung gilt übrigens ab sofort, wenn du das Angebot annimmst. Du kannst dein selbst gewähltes Eis-Gefängnis also verlassen. Mark sah Lew in die Augen. Dieser zögerte und war sich uneins darüber, was er von Marks Angebot halten soll. Es war also Zeit für einen letzten Trumpf. „Ich habe noch etwas für dich.“ Mark kramte in seiner Jackentasche und legte dann einen Ring vor Lew auf den Tisch. „Den soll ich dir von Natalie geben. Sie sagte, dass du ihn ihr entweder persönlich wiedergeben sollst oder ich ihn in die nächste Sonne werfen soll.“ Lew nahm den Ring in die Hand und betrachtete ihn. Er kannte ihn genau, auch ohne dass er ihn ansah. Zwei Namen und ein Datum waren auf der Innenseite eingraviert. Oft hatte er in den vergangen Jahren an sie denken müssen. Bis heute verstand er es nicht, wie sie ihn dazu gebracht hatte, sie zu heiraten. Vor ihr hatte er nie ernsthaft darüber nachgedacht, sich zu binden, geschweige denn zu heiraten. Er hatte die Ehe als eine überflüssige Tradition betrachtet. Aber das Mädchen hatte mindestens so einen Dickschädel besessen wie er, und so hatten sie schließlich doch noch geheiratet. Es war eine gute Zeit gewesen.

Lew seufzte. „Ist sie sehr sauer, dass ich mich nicht bei ihr gemeldet habe?“ „Sie ist nicht gerade begeistert. Es war für sie auch nicht gerade leicht, als die Frau von einem flüchtigen Verbrecher zu gelten. Aber sie hat sich nicht beklagt. Sie würde sich freuen, wenn du wieder zurückkommen würdest.“ Lew seufzte, schnappte sich die Flasche und nahm mehrere Schlücke daraus. „OK, ich komme zurück und helfe euch bei eurem Wahnsinn.“, sagte er dann. „Gut.“, antwortete Mark und stand auf. „Pack deine Sachen. Wir fliegen sofort los. Ich warte im Shuttle auf dich.“ „Moment! Meine Hunde da draußen, die kommen mit! Ich lass sie nicht zurück!“, warf Lew schnell dazwischen.

Mark dreht sich um. „Das glaube ich gerne. Aber das wird nur schwer möglich sein. Wir werden keinen Platz für Hunde haben. Auch nicht als Maskottchen oder so was.“ Dann seufzte er. „Die Zeiten haben sich wirklich verdammt geändert, Lew.“ Lew schaltete auf stur und verschränkte die Arme. „Entweder die Hunde kommen mit oder ich bleibe hier.“ Marks Gesicht verfinsterte sich. „Dann wirst du mit ihnen sterben. Die Romulaner sind auf den Weg auch in dieses System. Wie ich schon sagte: Sie sind sehr gründlich.“ Lew zögerte. „Ich kann die Hunde nicht hier lassen. Ich lasse sie nicht im Stich.“ „Ja, ich verstehe dich. Aber du kannst sie nicht mitnehmen. Hast du irgendwen, der sich um die Hunde kümmern kann, solange du unterwegs bist?“ „Ich lasse doch die Hunde nicht bei irgendwem!“, polterte Lew los. Marks Blick wurde hart, dann drehte er sich um. „Es wird Natalie freuen, dass dir die Hunde wichtiger sind.“ Mit diesen Worten schnappte er sich seine Jacke und ging zur Tür. „Warte, warte!“, rief Lew. „Ich denke, ich hab jemanden, dem ich die Hunde für eine Weile geben kann. Mit ihm muss ich ohnehin noch was abklären. Dazu müssen wir aber bei Salvation III vorbei.“ Mark nickte. „Das lässt sich einrichten.“ Lew stand auf und schaute seinem alten Kameraden ins Gesicht: „Damit eins klar ist. Ich mache das nicht für die Föderation oder für meine Begnadigung. Vor allem mach ich es wegen Natalie. Und wegen unserer früheren Freundschaft, um der alten Zeiten willen. “ „Nichts anderes habe ich erwartet“, entgegnete Mark, verließ die Hütte und ging gut gelaunt zum Shuttle.

Lew blieb in der Hütte zurück und setzte sich an den Tisch. Noch ein letztes Mal wollte er die Stille dieser Welt genießen, die trotz aller Widrigkeiten sein Zuhause geworden war. Er vernahm das Prasseln des Feuers, das leise Knarren der Balken seiner Hütte und den Wind, der über den höchsten Gipfel der Region jagte. All das würde er nun zurücklassen, so wie er ein paar Jahre zuvor schon einmal alles zurück gelassen hatte. Dann durchbrachen die anlaufenden Aggregate des Shuttles die natürliche Geräuschkulisse. Lew griff nach seinem Glas und goss von dem Whiskey nach. Er hielt sich das Glas vor das Gesicht und drehte es langsam in seiner Hand. Das helle Licht von dem gegenüber liegenden Fenster brach sich im Glas und in der Flüssigkeit. Auf solche Details hatte er früher nie geachtet, erst seit er auf diesem Planeten lebte, wusste er die kleinen Dinge des Lebens zu schätzen. Mit einem Kopfschütteln warf er diese Gedanken von sich und leerte den Inhalt des Glases in einem Zug. Er warf das Glas in den Kamin, wo es unter lautem Klirren zerbrach und der Rest der Flüssigkeit darin eine kleine Stichflamme erzeugte. Im Aufstehen murmelte er: „Was soll’s, wir gehen doch eh alle dabei drauf.“


Salvation III war eine Bergbau-Kolonie, wie man sie sich vorstellte: Dreckig, staubig, verkommen. Diese Art Leben wurde nur allzu gerne ausgeblendet, wenn man an die Föderation dachte. „Hier sieht man, was die hehren Worte wert sind. Von wegen ‚Wir arbeiten, um uns selbst zu verbessern.’ – diese Selbsttäuschung war weit verbreitet in der Föderation, besonders in der Sternenflotte.“, dachte Mark. Einen Unterschied gab es allerdings gegenüber anderen Bergbau-Kolonien: Hier gab es keine Sand- oder Geröllwüste, sondern eine Eiswüste. Auf Salvation III hatte man höchst instabile Elemente gefunden, die nur aufgrund der ewigen Kälte überhaupt abgebaut werden konnten. Entsprechend rentabel war diese Einrichtung für die Betreiber. Was man aber nur deren Geldbeutel, aber nicht der Kolonie anmerkte.

„Sein Name ist Andelko Ancic. Er führt die Bar in der Kolonie. Ich war ein paar Mal hier, bevor ich endgültig untergetaucht bin.“, berichtete Lew. „Er ist ein wenig schwierig, wenn man ihn nicht kennt. Und mit der Sternenflotten hat er es auch nicht so, also halt dich besser zurück.“ „Sir, dieser Ancic gilt als ehemaliger Söldner und Marquis. Und die Kolonie soll auch voller Sympathisanten sein. Welche Waffen sollen wir mitnehmen?“, hakte sich der Fähnrich in das Gespräch ein. „Ich denke, es wird keine Kavallerie nötig sein. Fähnrich, Sie werden im Shuttle bleiben und dafür sorgen, dass es uns nicht geklaut wird.“ Mark sah die Enttäuschung im Gesicht des jungen Offiziers. Aber für die ersten Abenteuer dieses Jungen war jetzt keine Zeit. Die würden noch früh genug kommen. Der Fähnrich landete das Shuttle ein wenig ruckelnd auf dem dunklen Landeplatz, den ihm Lew gezeigt hatte. Mark und Lew stiegen aus und wurden von einem eisigen Wind empfangen. Sie gingen auf ein heruntergekommenes, kleines Gebäude zu. So und nicht anders hatte Mark sich die Bar vorgestellt. Mark sah sich um, konnte bei der Dunkelheit und dem Schneetreiben aber nichts entdecken. Es wirkte menschenleer hier. Dennoch fühlte er sich beobachtet und unwohl. Als sie die Bar betraten, schlug ihnen der Gestank vieler Menschen entgegen. Mark roch Schweiß vermengt mit Blut, Alkohol, Zigaretten, billigem Parfüm und noch billigerem Essen. Dieses Gemisch war so intensiv, dass es ihm für einen Moment sämtlicher Sinne beraubte. Und obwohl sie erst wenige Augenblicke hier waren, bekam er langsam Kopfschmerzen. Dafür war es wenigstens nicht so grell. „Da vorne ist Andelko.“, flusterte Lew und zeigte mit dem Daumen auf eine Sitzecke in der Nische. „Ich geh zu ihm und werde mit ihm reden. Bleib du hier und entspann dich.“ Ohne eine Zustimmung abzuwarten, ging Lew zur Nische. Mark beobachtete den Mann, der dort saß. Er war groß, muskulös mit einem eckigen Kopf. Er erinnerte an einen Türsteher oder an einen Bodybuilder, wie sie zu seiner Zeit unterwegs waren. Als Lew den Tisch erreichte, stand der Mann auf. Beide unterhielten sich kurz und gingen dann in ein Hinterzimmer. Die Bewegung des Mannes war geschmeidig und wirkte federleicht. Dieser Mann war alles Mögliche, aber sicher kein Barmann. Sein ganzes Verhalten erinnerte Mark eher an einen Mafiosi mitten in seinem Reich, der wusste, dass ihm nichts passieren konnte. Mark beschloss, wachsam zu sein.

Langsam ging er zur Theke, an der eine Frau arbeitete, die mit mehreren Männern flirtete. Sie war schlank, aber kräftig und lachte viel. Sie war nicht unattraktiv. Mark sah genauer hin und erkannte, dass sie mittleren Alters war. Die Arbeit und das Klima hatten ihre Spuren hinterlassen. Das Dämmerlicht war eindeutig vorteilhaft für sie. „Was darf’s sein, Fremder?“, fragte sie ihn, als er sich an die Theke setzte. „Ein Bier, bitte.“ „Kommt sofort.“ Sie stellte ihm eine Flasche hin. „Wie laufen die Geschäfte?“, fragte er sie, nur um ein wenig Smalltalk zu betreiben. „Geht ganz gut, wie man sieht. Und was treibt dich hierher?“, fragte sie im Gegenzug. „Ich bin mit einem Freund hier, der hier noch einiges erledigen muss, bevor…“ Mark schluckte die Worte soeben noch herunter, die er auf der Zunge hatte. „…bevor wir weiter müssen.“ Mark massierte mit der rechten Hand seine Schläfe. „Dieses verdammte künstliche Adrenalin.“, dachte er. Mittlerweile hieß das Zeug Omega-III-Adrenalin und war in seiner Wirkung um ein Vielfaches stärker als die erste Version. Und im Verlaufe des Krieges, mit jeder neuen Schlacht hatte Mark es immer häufiger nehmen müssen, um die ununterbrochene Anspannung und die andauernden Gefahrensituationen bewältigen zu können. Was nur für den gelegentlichen Gebrauch gedacht war, war mittlerweile für Mark wie ein zweites Frühstück. Und mit der Zeit hatte sich gezeigt, dass Omega-III doch Nebenwirkungen hatte. Während des Kampfes sollte es die Sinne schärfen, aber Mark war extrem licht-, geräusch- und geruchsempfindlich geworden. So war er jetzt häufig gereizt und auch aggressiver als früher. Das Ambiente dieser Bar war die reinste Hölle für ihn. Das Pochen in seinem Schädel wurde allmählich zu einem stechenden Schmerz. „Vielleicht kann ich es ja damit ein wenig dämpfen.“, dachte er und nahm die Bierflasche wieder in die Hand.

Noch während Mark einen weiteren Schluck Bier nahm, bekam er Gesellschaft. Links und rechts von ihm hatten sich zwei Männer hingestellt, ein dritter stand schräg hinter ihm. „Hey, du siehst nicht aus wie jemand, der hier hingehört. Was willst du hier?“, sprach ihn der Linke an. Mark blickte kurz hoch zu den drei Männern. Alle drei groß und breit, gestählt durch ihre Arbeit. Er nahm einen weiteren Schluck aus der Flasche. Dann wandte er sich dem Mann zu, der ihn angesprochen hatte. „Es geht dich zwar nichts an, aber ich warte hier auf jemanden.“ Der Mann schräg hinter ihm legte ihm seine mächtige Pranke auf die Schulter und spie ihm ins Ohr: „Wir mögen die Sternenflotte nicht. Wir wollen sie hier nicht. Ihr lenkt nur die Aufmerksamkeit der Romulaner auf uns. Verschwinde mit deinem Freund! Oder sollen wir nachhelfen?“ Mark spürte, wie die Wut in ihm aufstieg. Diese Ablehnung der Sternenflotte nahm mehr und mehr zu. Die Leute machten es sich einfach: Wenn die Sternenflotte verschwindet, würden die Romulaner sie schon in Ruhe lassen. Und nicht selten entlud sich die ganze Aggression der Leute dann gegen diejenigen, die ihre Existenz schützten: den Sternenflottenangehörigen. Er nahm einen weiteren Schluck und schaute auf die Hand auf seiner Schulter. „Wenn du deine Hand behalten willst, solltest du sie da wegnehmen.“, knurrte er gereizt. Ihm war nicht nach Diplomatie. Außerdem machten ihm die Kopfschmerzen zu schaffen. Die drei Männer lachten. „Oh, Sternenflotte wird mutig. Vielleicht sollten wir Sternenflotte mal abkühlen.“, meinte der Rechte. Mark spürte, wie sich etwas Spitzes in seine Seite bohrte. Eine Klinge, wie er vermutete. Langsam stand er auf und dreht sich um. „Ich warne euch. Das wird eine blutige Geschichte, wenn ihr nicht mit dem Blödsinn aufhört.“ Wieder lachten die Männer. „Sternenflotte sieht plötzlich gar nicht mehr mutig aus.“, rief der Mann, der nun rechts von ihm stand und wollte Mark am Oberarm packen. In diesem Moment übernahmen jahrzehntelanges Training und die angestaute Aggression die Oberhand bei Mark. Noch ehe der Mann ihn berührte, rammte er ihm den Ellbogen ins Gesicht. Blut spritzte, als die Nase brach, und der Mann stürzt mit einem Aufschrei nach hinten. In einer schnellen Bewegung versucht Mark, sich vor dem Mann mit dem Messer in Sicherheit zu bringen. Wie aus dem Nichts traf ihn dabei die Faust eines Mannes, den Mark bislang nicht auf seiner Rechnung hatte. Mark flog nach hinten und stürzte auf einen Tisch, der krachend unter ihm zusammenbrach. Mühsam rappelt er sich auf. Mark fühlte sich wie von einem Dampfhammer getroffen, Sterne tanzten ihm vor Augen. Unsanft wurde er von zwei kräftigen Armen in die Höhe gerissen. Der Mann gehörte nicht zu den Dreien, die ihn angesprochen hatten. Der Mann holte aus und schlug seine Stirn in Marks Gesicht. Mark konnte das Knirschen seiner Nase hören. Ihm wurde schwindelig, fast sogar schwarz vor Augen. Er schmeckte sein Blut im Mund. Seltsamerweise holte ihn das in die Realität zurück. Er zog sein Knie hoch und traf den Riesen zwischen den Beinen. Mit einem Aufschrei ließ der ihn los und krümmte sich vor Schmerzen. Abermals riss Mark das Knie hoch und jagte es in das Gesicht seines Widersachers, der gurgelnd und blutüberströmt zu Boden ging und sich nicht mehr rührte. Mark wandte sich den beiden verbliebenen Gegnern zu.


Im Hinterzimmer ging Andelko Ancic aufgeregt auf und ab wie ein scharfer Hund und steigerte sich langsam in Rage. „Okay, keine Ahnung, was du dir denkst. Es geht hier nicht um Peanuts. Du schuldest mir mehr als nur einen Gefallen. Wir haben einen Deal. Ich bringe dich nach Liat IV, und du baust in aller Ruhe und Gemütlichkeit das Latinum für mich ab. Und jetzt kommst du daher und sagst mir, dass du aussteigst. Willst du mich verarschen?“ Er blieb drohend vor Lew stehen. „Spiel nicht mit mir! Ich warne dich!“ Auch wenn er auf seinem Claim sein eigener Herr war, hatte Lew sich damals in eine Abhängigkeit gegenüber Ancic begeben, aus der er bisher nicht heraus gekommen war. Lew fühlte sich unwohl, wie Andelko sich verhielt. Er war ihm körperlich deutlich überlegen. Außerdem war er ein langjähriger Kämpfer, der wahrscheinlich sehr viele Möglichkeiten kannte, ihn zu töten oder ihm zumindest unendlich weh zu tun. Auf beides hatte er keine Lust, aber da musste er jetzt durch. „Andelko, du weißt, dass ich dich nicht betrüge. Wir haben acht Gallonen in Raten vereinbart. Das habe ich längst übererfüllt!“ „Ja, das war aber noch, bevor die Romulaner Ferenginar besetzt haben und der ganze Markt fast zusammen gebrochen ist!“, brüllte Andelko wütend und fuhr wild mit den Händen fuchtelnd im Raum herum. Lew erinnerte sich. Ancics Leute hatten es ihm damals erzählt, als sie einmal wieder die monatliche Lieferung abgeholt hatten. Wie zu erwarten gewesen war, hatten sich die Ferengis in diesem Krieg neutral verhalten und beide Seiten ausgiebig mit Waffen beliefert. Aber dann waren die Romulaner wohl zu der Einsicht gelangt, dass es besser wäre, einen Waffenlieferanten zu verlieren als dem Feind einen zu überlassen. Krieg war offensichtlich doch nicht immer gut für das Geschäft. „Moment Ancic!“, protestierte Lew, „Die weiteren Lieferungen, das war ein neuer Deal. Und den bin ich nur eingegangen weil du mir etwas angeboten hast. Damals warst du der Bittsteller gewesen.“ „Genau, es war ein neuer Deal. Und nach dem bist du mir nicht nur weitere fünf Gallonen schuldig, sondern hast noch einen Gefallen einzulösen. Du hast mir als Pilot zur Verfügung zu stehen, wenn die ganze Sache steigt!“, entgegnete Ancic, nun wieder direkt vor Lew stehend, „Ich habe hier die einmalige Chance auf das große Ding! Die lasse ich mir von dir nicht nehmen!“ Andelko machte einen bedrohlichen Schritt auf Lew zu. Lew verfluchte den Tag, an dem er Ancic in dieser schmierigen, kleinen Bar kennen gelernt hatte und in seine dreckigen Geschäfte verwickelt worden war. Selbst auf dem Eisplaneten war er nicht völlig frei von Abhängigkeiten und das bekam er nun ganz deutlich zu spüren. Ancic war niemand, mit dem man Scherze treiben sollte, zumindest nicht, ohne einen Trumpf in der Hand zu haben. Und genau einen solchen wollte er nun ausspielen. „Das will ich doch auch gar nicht. Ich stehe zu meinem Versprechen, wenn auch etwas anders als geplant. Vor ein paar Monaten habe ich eine neue Ader entdeckt, eine viel ergiebigere als die alte.“, sagte Lew und hielt Andelko ein Blatt Papier mit den Koordinaten hin, „Wenn du alle deine Leute nach Liat IV auf meinen Claim schickst, dann hast du deine fünf Gallonen in einem knappen Monat zusammen, wenn nicht noch weit mehr.“ Ancic griff nach dem Papier, doch Lew zog es schnell wieder zurück. Er wusste, dass er mit seinem Leben spielte. Doch nach all der Zeit als Kampfpilot und erst recht nach all den Jahren in der Wildnis hatte er sich auf eine seltsame Art und Weise daran gewöhnt. Ancic war gierig, und das war die große Schwäche, die Lew ausnutzen konnte, wenn es auch eine gewisse Gefahr in sich barg. Andelko hielt inne und überlegte kurz. „Wieso sollte ich dir trauen? Nach all den Jahren willst du dich plötzlich aus der Sache rausziehen. Wieso baust du diese neue Ader nicht selbst ab und behältst den Überschuss für dich? Da stimmt doch was nicht. Du willst mich doch ans Messer liefern.“ „Warum sollte ich das tun? Du würdest mich doch sofort finden und mich umbringen. Außerdem hast du mir in einer schwierigen Situation geholfen. Ich habe in nächster Zeit ein paar Angelegenheiten zu regeln und werde den Teufel tun und mich den Behörden stellen, nur um dich anzuzeigen. Ich bin doch nicht bekloppt.“ Das schien Andelko einzusehen. Er wurde ruhiger. „Okay, aber ich will deine gesamte Ausrüstung für den Abbau haben.“ Fast hätte Lew sofort eingewilligt, aber das hätte Ancic sofort wieder misstrauisch gemacht. Er musste den Schein wahren. Stattdessen schüttelte er also den Kopf. „Nichts da. So einfach lass ich mir nicht meine Lebensgrundlage nehmen.“ Andelko lächelte ihn an. Für Frauen mochte es ein sympathisches Lächeln sein, aber Lew kannte ihn nun schon länger. Ihn erinnerte das Lächeln eher an einen Hai, der gleich nach seiner Beute schnappt. „Lew. Ich habe Kosten, wenn ich deine Arbeit nun auch noch erledigen muss. Die müssen nun mal gedeckt werden. Und nun soll ich auch noch Geld für die Ausrüstung ausgeben?“ Lew kniff die Augen zusammen und meinte herausfordernd: „Ich hatte auch Kosten und schon genug Ärger am Hals. Außerdem liefere ich dir eine verdammt gute Ader frei Haus. Irgendeinen ausgebrannten Piloten für dein Geschäft findest du hier allemal. Du kommst also verdammt gut weg dabei.“ Er hielt ihm die Hand hin. „Deal?“ Andelko starrte auf die Hand und überlegte, dann schlug er aber doch ein. „Verarsche mich ja nicht.“

Lew war erleichtert, einigermaßen sauber aus der Sache herauszukommen. Letztendlich war ihm das Geld reichlich egal. „Du weißt, dass ich dich nicht übers Ohr haue.“ „Wenn du mir nicht so verdammt sympathisch wärst, ich hätte dir schon längst die Kehle durchgeschnitten!“, entgegnete Ancic nun jovial lächelnd. Diese Sympathie beruhte jedoch nicht auf Gegenseitigkeit, auch wenn Lew an Andelkos Aufrichtigkeit in dieser Sache ohnehin zweifelte. Für diesen Kleinkriminellen mit großen Ambitionen zählte das Schauspiel zum täglichen Handwerk. Aber wer mit Adelko Geschäfte machte, der musste das Spiel nach dessen Regeln spielen. Darum entgegnete Lew ebenfalls mit einem gespielten Lächeln: „Das weiß ich doch, altes Haus. Sonst wäre ich nicht mit dieser Bitte zu dir gekommen. Ah, eine Sache noch: Ich bin mit einem Freund hier. Wenn wir gleich nach vorne gehen, sag einfach ganz laut, dass du die Hunde nicht nehmen kannst.“ Andelko Ancic sah ihn verständnislos an. „Guck nicht so, mach es einfach. Ich erkläre es dir später mal!“ Andelko nickte gleichgültig. „Wie du meinst.“

Andelko holte gerade eine Flasche eines teuren Cognac hervor, um auf das Geschäft anzustoßen, als aus dem Barraum lautes Geschrei und Gepolter drang. „Was zum Teufel geht da vor?“, fluchte er. Die beiden stürmten in die Bar. „Oh nein. Mark!“, stöhnte Lew, als er sah, was da vor sich ging.

Mark stand federnd auf den Fußballen und beobachtete seine Gegner. Es waren mittlerweile wieder drei. Er hatte die Zähigkeit des Mannes, den er als erstes zu Boden geschickt hatte, unterschätzt. Er stand wütend mit gebrochener Nase und aufgeplatzter Lippe da und schrie Mark an. Die beiden anderen waren zurückhaltender und wussten scheinbar nicht, wie sie nun vorgehen sollten. Schließlich schienen sie sich einig zu sein und griffen gemeinsam an. Einer der Männer versuchte, ihn mit der Faust zu schlagen, aber Mark tauchte unter dem Schlag hinweg und versetzte dem Mann einen Tritt gegen das Bein. Dieser ächzte, fiel aber nicht. Bergarbeiter sind hart im Nehmen. Währenddessen versuchte der Mann mit der gebrochenen Nase, Mark mit einer Vielzahl von harten Schlägen einzudecken. Aber die Angriffe waren zu plump, um wirklich gefährlich zu sein. Sie verpufften alle in Marks Deckung. Aber die Wucht war so heftig, dass Marks Arme langsam taub wurden. Mark ging in die Offensive und schlug mit der Faust ein paar Mal auf die Nieren seines Gegners, bis diesem die Luft wegblieb und er die Fäuste senkte. Darauf hatte Mark gewartet. In einer drehenden Bewegung schlug er dem Mann die Handkante gegen den Hals. Dieser fasste sich an den Hals und fiel röchelnd zu Boden. Zuckend kämpfte er um Luft. Aber auch diesen Kampf verlor er. Mark achtete aber schon nicht mehr auf ihn. Er war in einer Art Blutrausch. Er hatte jahrelang die Wut und den Zorn unter einer Schicht Gefühlskälte und Zynismus begraben. Das Treffen mit Lew hatte die Barrieren aufgeweicht, und so wurde er nun mit dieser aggressiven Energie versorgt. Außerdem tat es gut, nach den Jahren des Rückzugs und der Niederlagen mal wieder in den Angriff überzugehen. Das hier war besser als jede Holodeck-Simulation. Endlich spürte er wieder, dass er lebte. Er stieg über den Mann hinweg und bewegte sich mit einem wölfischen Grinsen auf die beiden verbliebenen Männer zu. Er musste aufpassen. Einer der beiden hatte ein Messer. Wenn er damit umzugehen verstand, konnte er eine große Gefahr für Mark werden. Aber darüber hinaus war Mark sich unsicher, wie er die übrigen Gäste einschätzen sollte. Sie schienen Gefallen an dem Kampf zu haben, schrieen und feuerten die Kämpfer an. Aber es war nicht ausgeschlossen, dass sie sich gegen ihn wandten. Der Mann mit dem Messer griff plötzlich an und versuchte, Mark mit seitlichen Bewegungen aufzuschlitzen. Er erwischte ihn kurz am Oberarm. Der Schnitt fing an, stark zu bluten. Das Messer war also wirklich scharf. Der Mann wurde durch den Erfolg mutiger und ging wieder zum Angriff über, aber diesmal waren seine Bewegungen lächerlich langsam. Mark packte die Hand mit dem Messer, drehte sie und zog den Arm nach unten. Gleichzeitig winkelte er sein Bein an und zog es nach oben. Der Ellbogen gehorchte den Gesetzen der Physik und brach. Der Mann stürzte heulend zu Boden und hielt sich seinen verletzten Arm.

„MARK!!!“ Dieser Schrei brachte ihn aus dem Konzept. Er sah auf und bemerkte Lew mit diesem Ancic. Beide waren aus dem Hinterzimmer gekommen und standen geschockt in der Bar. „MARK, WAS TUST DU???“, schrie Lew verzweifelt. „Du solltest doch einfach nur ruhig bleiben. Stattdessen veranstaltest du so ein Massaker.“ Mark grinste. Lew erschauderte. Das Grinsen glich der dämonischen Fratze eines Wahnsinnigen. Er erkannte Mark in dem Moment nicht wieder.

Der verbliebene Mann packte Mark in diesem Moment bei den Schultern und wollte ihn umreißen. Aber Mark vollführte in einer Drehbewegung einen Schlag gegen den Solarplexus des Mannes durch, der ihn einige Schritte nach hinten warf. Mark setzte nach und versetzte dem Mann einen Tritt erneut gegen den Solarplexus. Der Mann keuchte vor Schmerzen und wollte sich zurückziehen, aber Mark gab ihm keine Gelegenheit dazu. Er sprang auf den Mann zu. Mit dem Knie stieß er gegen den Brustkorb und schlug gleichzeitig mit der Faust in das Gesicht des Mannes. Das warf den Mann endgültig zu Boden. Dieser kippte zu Boden und krümmte sich vor Schmerz. Mark kniete sich zu dem Mann, griff mit der linken Hand in dessen Haare und zog den Kopf in den Nacken, während er mit der rechten Hand das Messer des anderen Angreifers hielt. Der Mann starrte angsterfüllt abwechselnd auf das Messer und auf ihn. Er wollte etwas sagen, um Gnade betteln, aber seine aufgeplatzten Lippen brachten keine Worte hervor. Mark beugte seinen Kopf zu dem Mann am Boden herunter und flüsterte ihm ins Ohr: „Ich habe dir gesagt, du sollst deine Hand nicht auf meine Schulter legen, wenn du sie behalten willst. Du wolltest ja nicht auf mich hören.“ Mit diesen Worten holte er aus und rammte das Messer in die Hand des Mannes und nagelte sie so an den Boden. Der Bergarbeiter heulte vor Schmerz auf, bevor die Ohnmacht ihn gnädig umfing. Mark stand auf und sah sich nach weiteren Gegnern um. Er grinste mit blutverschmiertem Gesicht die Herumstehenden an. Keiner rührte sich aus Angst, das Ziel dieses scheinbar Verrückten zu werden.

Andelko hatte das ganze Geschehen angesehen, ohne wirklich zu verstehen, wie das alles passieren konnte. Wie konnte ein einzelner Mann diese Männer so zusammenschlagen? Dann sah er das kleine Abzeichen, das der Mann am Kragen trug. Sternenflotte! Ungläubig wandte er sich Lew zu. „Du hast einen von der Sternenflotte hier angeschleppt? Hast du sie noch alle? Verschwinde von hier, bevor ich mich vergesse…“ Lew fing an zu schwitzen. Diese Entwicklung gefiel ihm gar nicht. Noch heute Morgen war er in seiner kleinen heilen Welt und nun?!? „Andelko, ich wusste nicht, dass er so austickt. Eigentlich wollte ich nur schnell die Dinge mit dir abklären, bevor…“ „…bevor du mich ihm auslieferst? Du kleiner Bastard!!!“ Sein Blick fiel auf Mark, der sich den beiden näherte. „Verschwinde und lass dich hier nie wieder blicken! Das nächste Mal, wenn ich dich sehe, werde ich dich töten!“

Lew sah ein, dass es besser war abzuhauen. Er schnappte sich Mark, der dem Disput interessiert zugehört hatte, und zog ihn nach draußen. „Konntest du alles mit ihm klären?“, fragte Mark. Lew schnaubte nur wütend. „Wir müssen ihm noch die Hunde geben.“, fuhr Mark sichtlich fröhlich fort. Endlich ließen seine Kopfschmerzen nach. Lew baute sich vor ihm auf. „Sag mal, was sollte das da drinnen? Ich habe nur ein paar Worte mit ihm gewechselt, und du nimmst gleich seinen ganzen Laden auseinander? Du tötest einen Mann und schlägst drei weitere krankenhausreif. Was war los?“ Mark sah Lew an und meinte nur „Sie haben mich bedroht, also habe ich sie ausgeschaltet. Außerdem wäre es sowieso nicht klug, sich mit diesem Mann einzulassen. Ich habe dir einen Gefallen getan.“ Dann schob er sich am verdutzten Lew vorbei und ging pfeifend zum Shuttle. Lew schüttelte nur den Kopf. Es hatte sich in der Sternenflotte einiges verändert. Wo war die Erst-reden-dann-kämpfen-Einstellung geblieben? „Der Krieg bringt immer nur die schlechtesten Eigenschaften des Menschen hervor…“, dachte er traurig und folgte Mark ins Shuttle.

„Sir, was ist passiert? Sind Sie verletzt?“ Der junge Offizier stürzte herbei, als er sah, dass Mark blutete, aber dieser wehrte ab. „Alles in Ordnung mit mir. Wir haben uns nur amüsiert. Wir können abfliegen.“ „Aber Sir. Was geschieht mit den Hunden? Wir wollten sie hier doch abgeben?!?“, fragte der Fähnrich verwirrt. „Nun ja, ich will es mal so ausdrücken: Der Mann hat eine Hundeallergie…“ Und mit einem Seitenblick auf den schweigsamen Lew fuhr er fort: „Und unsere Fighter haben ab sofort ein paar neue Maskottchen.“


Lieutenant jg. Uleetan von der Sicherheitszentrale staunte nicht schlecht, als sich die Luke des Shuttles öffnete und drei Leute mit zwölf wild aussehenden Hunden an Leinen heraus traten. Der Anblick wirkte hier, in einem der Hangars des Fighterträgers Zerberus, so grotesk, dass sie glaubte, ihren Verstand verloren zu haben. Doch fast noch seltsamer war der dritte Mann, der neben Lieutenant Commander de Boer und Fähnrich Wellton auf sie zuging. Er sah aus, als hätte man ihn gerade eben aus einem Loch der inzwischen zahlreichen heruntergekommenen Handelsaußenposten oder Bergbaukolonien gezogen. Dicht neben ihm ging ein weiterer, noch grimmiger und wilder aussehender Hund. Im Gesicht trug der Fremde einen buschigen, ungepflegten Bart und sein verfilztes Haar reichte bis auf seine Schultern. Auch seine Kleidung machte keinen vertrauenswürdigen, aber dafür einen völlig herunter gekommen Eindruck. Mit der altmodischen Strickmütze, seiner speckigen Lederjacke und der zerschlissene Hose versprühte er den Charme eines alkoholkranken Holzfällers aus einem uralten und schlechten kanadischen Roman. Als dieser Mann direkt vor ihr stand, stellte sie fest, dass auch sein Geruch ziemlich diesem Charme entsprach.

„Lieutenant jg. Uleetan“, begann Mark de Boer und reichte ihr seine Passdisk und die seiner beiden Begleiter: „Das ist Lieutenant Sulik. Er ist zugangsberechtigt und ab sofort Mitglied meines Wings.“ Er warf nach einer kurzen Pause noch nach: „Die Tiere hier übrigens auch…in gewisser Weise“ Die junge Frau konnte ihren staunenden Gesichtsausdruck nicht verbergen und auch die beiden Fähnriche von der Sicherheitsabteilung neben ihr glotzen sprichwörtlich dumm aus der Wäsche. Mark wiederum konnte sich deshalb ein Schmunzeln nicht verkneifen. Uleetan starrte erst recht verdutzt, als ihr Passdisk-Scanner die Angaben de Boers bestätigten. Lew stand daneben, als ob ihn das alles nichts anging. Seit sie von Salvation III aufgebrochen waren, wirkte er in sich gekehrt, fast apathisch. Mark vermochte nicht zusagen, ob dies an der jahrelangen Einsamkeit oder an der plötzlichen Rückkehr zur Sternenflotte lag.

„Nun…gut.“, begann die junge Lieutenant jg. und zog nun ihren Tricorder aus der Halterung, um die drei Ankömmlinge zu untersuchen, ganz besonders natürlich den Fremden mit der heruntergekommenen Erscheinung. „Sag mal, was soll das eigentlich?“ wollte Lew wissen, der nun offenbar aus seiner Lethargie erwacht war. Mark winkte ab und meinte ruhig: „Inzwischen Standardprozedur. Jeder Ankömmling wird sorgfältig gescannt und ohne Passdisk geht gar nichts mehr.“ Die Frau von der Sicherheitszentrale scannte gründlich und ausgiebig, hielt zum Hund neben Sulik jedoch mit Bedacht Abstand. Das Tier hatte sie fest fixiert und beobachtete sie aufmerksam. Mark fand, dass es schwer zu sagen, wer von beiden in diesem Moment misstrauischer war. „Sie haben Alkohol in ihrem Gepäck. Das muss ich konfiszieren!“, verkündete Uleetan, als sie mit ihrem Tricorder vor Suliks Seesack angekommen war. Hastig warf sie noch ein nicht gerade überzeugendes „Sir“ hinterher. „WAS?“, entfuhr es Lew Sulik nun wütend, und alle Lethargie war endgültig von ihm gefallen: „Meinen Whiskey willst du mir wegnehmen? Meine letzte Flasche? Kommt gar nicht in die Tüte, junge Göre.“ Uleetan machte einen hastigen Satz rückwärts, und die beiden Fähnriche neben ihr zogen nervös ihre Phaser und richteten sie auf Lieutenant Sulik. Dieser gebärdete sich dadurch noch ausfallender: „Sagt mal, spinnt ihr? Wollt ihr mich über den Haufen schießen, ihr habt sie doch nicht mehr alle?!“

„Ganz ruhig Leute!“, versuchte Mark die Situation wieder unter Kontrolle zu bekommen: „Sie nehmen wieder ihre Waffen runter, und du Lew, du beruhigst dich sofort wieder. Verdammt noch mal!“ Zögerlich ließen die Fähnriche ihre Waffen senken, und langsam beruhigte sich auch Lew wieder. Selbst Uleetan bekam wieder Farbe im Gesicht. Die Lage entspannte sich langsam wieder. Mark seufzte und maulte Lew an: „Verflucht! Wegen so einem Mist gleich ausrasten! Alkohol ist inzwischen an Bord von Sternenflotteneinrichtungen strengstens verboten.“ „Achso…hätte man einem auch vorher sagen können. Das mit dem Alkohol mein ich.“, brummelte der Pilot immer noch verärgert und hielt der Lieutenant jg. seinen Seesack hin: „Dann nehmen sie das Zeug meinetwegen… Scheiße Mann. Mark, die letzte Flasche…“ Dieser zuckte mit den Schultern: „Der wird nur für dich verwahrt. Bei Landurlaub bekommst du die Flasche zurück. Ich hab dir doch gesagt, dass sich vieles geändert hat Lew. Ach ja, und unsicher und nervös sind die meisten von den jungen Offizieren auch.“


„Hast es also zum Lieutenant Commander und Wing Commander geschafft.“, kommentierte Lew das Offensichtliche, als er in Marks kleinem Quartier am Tisch saß. Mark stellte zwei Flaschen mit Synthehol-Bier auf die Tischplatte und setzte sich dazu: „Nun… im Krieg gehen viele drauf… so kann man schnell Karriere machen… du bist halt zu früh ‚ausgetreten’… sonst wärst du schon längst Commander.“ Die beiden prosteten sich zu und nahmen einen kräftigen Schluck. Nach dem Absetzen beschwerte sich Lew lauthals: „Dieses Zeug habe ich am allerwenigsten vermisst. So eine Plörre… apropos Alkohol. Wenn das jetzt verboten ist, wie bist du dann an die Flasche gekommen, die du mir mitgebracht hast.“ Mark grinste verschmitzt: „Tja… gewusst wie. Es gibt einen kleinen, aber feinen Schwarzmarkt, und man muss erfinderisch sein um die Technik auszutricksen…“ Es herrschte kurz Stille zwischen den beiden, dann bemerkte Lew: „Verstehe, die Moral der Truppe ist also im Eimer. Keiner darf saufen aber alle tun’s…“ „Jepp.“, antwortete Mark mit einem lakonischen Tonfall. Dann fiel ihm wieder ein, worum ihn sein Kamerad aus alten Tagen gebeten hatte: „Und du willst wirklich einen kurzen Abriss über die letzten Jahre?“ „Ja, man. Ich muss doch wissen, wie beschissen es um uns steht.“, war die Antwort, die Lew mit einem falschen Lächeln unterstrich. Der frischgebackene Lieutenant fluchte innerlich. ‚Kaum haben sie einen wieder in ihren Fängen, schon fängt man wieder an vom UNS zu sprechen’, dachte Lew wütend, der sich nicht mehr mit der Sternenflotte identifizieren wollte. Mark zuckte mit den Schultern und zog sein Computerterminal näher heran: „Für jemanden, dem die Sternenflotte scheißegal ist, hast du ein ausgeprägtes militär-historisches Interesse.“ Die patzige Antwort folgte umgehend: „Du hast mich da mit rein gezogen. Jetzt will ich auch wissen, was los war und wie es jetzt aussieht.“

Mit einem Tastendruck erschien eine Sternenkarte auf welcher das Gebiet der Föderation, das der Romulaner und der Klingonen abgebildet war. Die blaue Umrandung zeigte die Föderation und die gestrichelte Linie markierte den ungefähren Frontverlauf kurz vor der Großoffensive „Götterdämmerung“. Mark erläuterte: „Das kennst du ja, die Lage kurz vor der letzten Großoffensive der Föderation. Na ja, die Sache hätte sogar funktionieren können, wenn sie die Truppen der Hauptstoßrichtung besser zusammengesetzt hätten.“ Lew, der bisher hauptsächlich einzelne Entscheidungen kritisiert hatte, vor allem wenn Sie den Einsatz von Attack Fightern und insbesondere seines Squadrons betroffen hatten, überblickte zum ersten Mal die gesamte Lage der damaligen Offensive: „Verflucht, ich hab doch gleich gesagt, dass es Schwachsinn ist, die Attack Fighter an die Spitze des Hauptangriffstrupps zu setzen. An den Flanken wären wir viel effektiver gewesen. Wir wären dann bestimmt durchgekommen. Stattdessen haben sie uns im Stich gelassen und uns völlig verheizt.“ „Sehe ich auch so.“, bestätigte Mark: „Deswegen und wegen anderer Versäumnisse konnte die Hauptangriffsspitze sofort und ohne Mühen von den Romulanern abgewehrt werden. Damit geriet die ganze Offensive ins Stocken, der Gegner konnte schnell reagieren, und die gesamte Front brach ein. Die Sternenflotte hat seither nie wieder die Initiative in diesem Krieg zurück gewonnen. Im Grunde ist es inzwischen eine Niederlage auf Raten, ein reines Rückzugsgefecht.“ Mark betätigte wieder die Taste seines Computers, und die Karte veränderte sich. Das blau markierte Föderationsterritorium war zu einem schmalen, nach unten hin gebogenen Band eingeschrumpft. Mark erläuterte: „So sah es vor zwei Jahren aus. Ein kläglicher Rest.“, Er deutete auf das Ende des unteren Bogens, dort wo sich die Erde befand, „Das Oberkommando glaubte, dass nun ein Angriff direkt auf die Erde bevorstand. Sie glaubten, der Gegner würde nun die schnelle Entscheidung suchen.“ „Das würde den Klingonen liegen, aber nicht den Romulanern, sie denken da strategischer.“, kommentierte Lew: „Lass mich raten, sie haben ihren Angriff ungefähr hier in der Mitte angesetzt, um einen Keil in das Föderationsgebiet zu treiben und zwei voneinander getrennte Gebiete zu schaffen?“ „Richtig. Wie kamst du darauf?“, wollte Mark wissen. Lew winkte ab: „Simpelste Militärtaktik. Kam in der Geschichte oft vor. Ich sehe schon, wir haben immer noch die gleichen strategischen Genies da oben sitzen…“ „Tja, und jetzt sieht es so aus“, Mark veränderte die abgebildete Karte, und nun waren nur noch klägliche Sektoren um die Erde herum blau umrandet. Ein rot markierter Bereich drum herum zeigte das Niemandsland an, das immer noch umkämpft war. „Und in diesem Bereich gibt es nun immer wieder Scharmützel?“, fragte Lew und deute auf den rot markierten Bereich. „Du sprichst eine große Sache gelassen aus. Diese Scharmützel, wie du sie nennst, kosten uns jeden Tag viele Leben und noch mehr Ressourcen. Ein Angriff der Romulaner und Klingonen steht kurz bevor. Das Oberkommando rechnet mit einem Angriff innerhalb des kommenden Monats.“, erklärte Mark ernst und hob wieder seine Flasche um seinem Gegenüber zuzuprosten. „Und mit welchem großen Geniestreich will die Sternenflotte das Blatt nun noch wenden? Es sieht doch ziemlich beschissen aus, viel kann man da doch nicht mehr erwarten.“, wollte Lew wissen, prostete Mark nun zu und nahm einen kräftigen Schluck von dem verhassten Getränk. „Die letzten Reserven werden aktiviert. Also wirklich alles, was noch fliegen kann. Selbst Transportschiffe und Shuttles werden mit weiteren Waffen für die Schlacht aufgerüstet. Damit und mit den regulären Einheiten soll der Feind solange aufgehalten werden bis…“, erklärte der Lieutenant Comander der Zereberus seinem alten Freund und unterbrach sich dann selbst. Nach einer Pause fuhr er fort: „…bis das passiert, was den Feind vernichten soll. Es wird von Geheimmissionen gemunkelt, auch unsere alte Katana ist dabei im Gerede. Auch von neuen Geheimwaffen ist die Rede.“ Der rehabilitierte Lew Sulik fing an zu lachen, als er noch von seinem Bier trank. Er prustete sein Bier heraus, verschluckte sich und gab ein seltsames Geräusch aus Lachen und Husten von sich. Dann meinte lachend und unter Tränen: „Geheimwaffen? So Art Wunderwaffen? Lass mich raten, die Denknamen sind V1 und V2?“ Der Niederländer, der diese Anspielung verstand, rügte Lew: „Hör auf damit Lew. Es ist verdammt ernst. Die Sternenflotte hat da was ganz großes im Ärmel. Ich kann dir nicht sagen, was es ist, denn ich weiß auch nichts Genaues. Aber ich bin mir sicher, dass da was in Planung ist und die USS Katana damit zu tun hat.“ „Na dann kann ja nichts mehr schief gehen.“, kommentierte Lew diese Erklärung sarkastisch. Er leerte den Rest des Bieres mit Todesverachtung hinunter und stand auf: „Wenn wir immer noch die selben Genies im Oberkommando haben, kann das richtig spaßig werden. Wie auch immer, ich verzieh mich mal in mein Quartier. Ich werde Natalie morgen treffen. Da möchte ich nicht total verpennt auftauchen. „Gute Idee. Rasier dich aber vorher und lass dir die Haare schneiden. So solltest du deiner Ehefrau nach acht Jahren nicht unter die Augen kommen.“, gab Mark zu bedenken. „Schon klar“, bemerkte Lew und meinte zu seinem Hund, der bisher ruhig neben ihm gesessen war: „Auf geht’s Soleks. Feierabend für heute.“


Als sie sich gegenüberstanden, nachdem sich die Tür zu ihrem Quartier geöffnet hatte, herrschte für einige lange Sekunden nur Schweigen. Keiner wagte, das Wort zu ergreifen, unsicher ob des Wiedersehens nach all den Jahren. Aufmerksam musterte Lew ihr Gesicht. Er fand, dass sie zu alt aus sah für ihre 40 Jahre. Der Krieg machte alt, und acht Jahre im Krieg waren fast wie sechzehn in Friedenszeiten. Aber in dieser Hinsicht war auch er nicht verschont worden. Der Krieg war auch an ihm nicht spurlos vorübergegangen, und die Zeit als Eremit auf Liat IV hatte ihm zusätzlich zugesetzt.

„Wie geht es dir?“, durchbrach Natalie nun endlich das Schweigen, als sie ein Stück von der Türschwelle zur Seite ging, um ihm Einlass zu gewähren. Warum stets diese Floskel her halten musste, um ein Gespräch zu beginnen, das war Lew unbegreiflich. Im Grunde erwartete doch niemand eine ehrliche Antwort auf diese Frage, und doch fiel keinem ein besserer Beginn für eine Unterhaltung ein. Wäre er in diesem Moment ehrlich gewesen, so hätte er sagen müssen, dass es ihm sehr beschissen ging und ihn die Situation fast überforderte. Doch stattdessen entgegnete er, als er ihr Quartier trat mit einem ebenso floskelhaften und nichts sagenden „Geht so.“

Sie ging auf die kleine Wohnzimmereinrichtung zu und setzte sich auf das Sofa. Lew nahm ihr gegenüber Platz. Wieder herrschte Stille zwischen ihnen. Auch wenn er sonst eine große Klappe hatte, so war Lew mit dieser Situation überfordert. Seit seinem Abtransport zur Strafkolonie hatten sie sich nicht mehr gesehen, seither auch nie wieder Kontakt miteinander gehabt. Keine besonders guten Voraussetzungen für ein Beziehungsgespräch nach über acht Jahren. Wahrscheinlich machte sie ihm Vorwürfe, dass er mit seiner Affekthandlung ihre Ehe und ihr gesamtes gemeinsames Leben zerstört hatte. Er befürchtete, dass sie ihn nun nur noch hasste für seinen Fehler. Diese Angst und die Ungewissheit über ihre Gefühle machte ihm nun am meisten zu schaffen. Er bereute nicht, dass er Horaki zusammengeschlagen hatte. Es war ihm egal, dass er seinen Rang, seine Position und seine Bürgerrechte verloren hatte. Das konnte ihm alles gestohlen bleiben, aber dass er dadurch ihre Ehe auf die denkbar schlechteste Weise zerstört hatte, das würde er sich nie verzeihen. Lew zog den Ehering aus der Brusttasche und legte ihn auf den Tisch. Natalie starrte den Ring lange an, dann griff sie nach ihm, drehte ihn zwischen den Fingern und fragte: „Hast du mich überhaupt vermisst?“ „Sehr sogar.“, antwortete Lew und schaute ihr dabei in die Augen.


„Verdammt, genau das was ich für die Katana immer haben wollte.“, schimpfte Lieutenant Sulik als er mit seinem Wing-Commander und Kumpel die Hangars der Zerberus besichtigt hatte. Die USS Zerberus war eines der Schiffe der Souvereign Klasse, welche mit speziellen zusätzlichen Hangars für Attack Fighter ausgestatten worden war. Dazu hatte man lediglich einige Frachträume am unteren Rumpf umbauen und mit einem längst entwickelten Hangarsystem ausstatten müssen. Die auf diese Weise umgebauten Schiffe boten ganze vier Wings platz ohne die normalen Shuttles in den Standardhangars zu beeinträchtigen. Nun gingen Mark deBoer und Lew Sulik zum Besprechungsraum ihres Wings. Als sie eintraten hatte sich die anderen Piloten bereits versammelt und warteten nur noch auf ihre Vorgesetzten. Die beiden Kameraden aus alten Zeiten setzten sich in eine der vordersten Reihen und warteten ebenfalls. Lew schaute sich um. Fast alle waren älteren Semesters wie er, offenbar alles alte Veteranen. Dann blieb sein Blick auf den Mann direkt neben ihm stehen. Irgendwoher kannte er ihn. Angestrengt dachte er nach bis er ihn erkannte. Es war Timothy Murdock, einer der ehemaligen Piloten der Black Arrows. Die Black Arrows war die Kunststaffel der Attack Fighter gewesen, wer es zu ihnen geschafft hatte, war einer der Toppiloten der Sternenflotte. Zu beginn des Krieges hatte man die Staffel jedoch aufgelöst und ihre Piloten in den Kampfeinsatz geschickt. Auch Murdock war vor mehreren Jahren in Ungnade gefallen und in eine Strafkolonie versetzt worden. Offiziell weil er angeblich Sternenflotteneigentum entwendet und veruntreut hatte. Gerüchten zufolge soll er aber etwas mit der Frau eines Captain gehabt haben, der ihn dafür abserviert hatte. Im Krieg war es offenbar sehr einfach am Stuhl eines anderen zu sägen. „Timothy Murdock?“, sprach Lew den Mann nun an. Dieser schaute unbeeindruckt und gelangweilt zurück: „Ja. Und?“ „Ach, wollte nur sicher gehen. Wollte mich vergewissern ob ich in guter Gesellschaft bin.“, gab Lew ebenso unbeeindruckt zurück. „Und, bist du in guter Gesellschaft?“, lies Timothy von sich, ohne seine Miene zu verziehen, worauf Lew knapp antwortete: „Eindeutig.“ „Und mit wem hab ich die Ehre?“, wollte der ehemalige Kunstpilot wissen. „Lew Sulik.“ „Ah ja… dieser Typ der damals den Admiral halb totgeschlagen hat? Endlich mal ein vernünftiger Mensch hier.“, raunte Timothy nun etwas weniger phlegmatisch. „Tja, scheint so als ob sie uns wieder brauchen.“, kommentierte Lew um das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken. „Das interessiert mich nicht. Ich hab nur zugesagt wegen dem Essen. Habe den Fraß in der Strafkolonie nicht mehr ausgehalten.“ Beide fingen an zu lachen und dann meinte Lew mit sarkastischem Tonfall: „Ich hab nur zu gesagt, weil ich endlich mal eine Chance zum desertieren haben will. Scheint ja gerade ein guter Zeitpunkt für so was zu sein.“ Darauf hin stieß Mark seinen Elenbogen in Lews Seite und flüsterte zu beiden: „Haltet bloß euer loses Mundwerk in der Öffentlichkeit. Der Geheimdienst ist inzwischen ziemlich nervös. Jede kleine Bemerkung kann von denen als Kampfkraft zersetzender Defätismus angesehen werden. Es sind schon Leute für schlechtere Witze eingesperrt worden.“ „Das glaub ich kaum.“, entgegnete Lew gelassen. Mark schaute etwas verdutzt: „Was? Dass du für so was wieder einsitzen könntest?“ „Nein, das Leute schon für schlechtere Witze drangekommen sind. So gut war meiner nun auch wieder nicht.“, gab Lew nun von sich und lächelte verschmitzt. Mark wollte daraufhin etwas entgegnen, doch nun tragt Comander Kolajew, der erste Offizier der Zerberus ein: „Herzlich willkommen Männer im neuen Wing 66 bestehend aus den ebenfalls neuen Staffeln 303, 308, 306 und 312. Die Staffeln 303 und 308 bestehen aus jeweils zwölf Fightern der Spitfire Klasse der D12-Reihe. Die beiden anderen Staffeln aus jeweils zwölf Fighter der Azrael Klasse.“ Nachdem der Comander die offizielle Erklärung über den Aufbau des neuen Wings abgeschlossen hatte hob er nun seine Stimme zu einer Art feierlichen Ansprache: „Meine Herren. Wie sie hier alle zusammensitzen weiß ich, dass sie bereits auf den Kampf brennen. Ich bin überzeugt davon, dass sie uns nicht enttäuschen können. Als alt gediente und erfahrene Piloten zählen sie zum Besten was die Sternenflotte bietet.“ Lew konnte ein verächtliches Raunen nicht verkneifen. Wenn begnadigte Defätisten und heruntergekommene Wracks die besten Piloten der Sternenflotte sein sollen, dann wollte er den Rest lieber nicht sehen. Kolajew sprach jedoch unbeirrt weiter: „Die Zerberus wird mit ihnen an vorderster Front im Abschnitt B-40 kämpfen. Es ist also zu erwarten, dass wir am Punkt der Hauptangriffsrichtung des feindlichen Vorstoßes eingesetzt werden. Damit kommt uns, vor allem ihnen, eine Schlüsselrolle in der Verteidigung der Erde zu. Wir werden es in unserem Abschnitt vermutlich vor allem mit klingonischen Einheiten zu tun bekommen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass ihre Fighter im Kampf gegen klingonische Bird-of-Prey äußerst effektiv sind. Darum bin ich von unserem Erfolg überzeugt und ihnen bringe ich mein vollstes Vertrauen entgegen.“ Wieder machte Kolajew eine Pause, dann ging er zum nächsten Thema über: „Darf ich ihnen ihren Wing-Comander vorstellen? Lieutenant-Comander deBoer, ein erfahrener Pilot der insbesondere im kombinierten Einsatz der beide verschiedenen Fightertypen hervorragende Grundlagenarbeit geleistet hat.“ Mark stand von seinem Platz auf und ging nach vorne zum Comander um sich seinem neuen Wing vorzustellen und die wesentlichen Punkte ihres Einsatzes zu besprechen.