Katana:Log 254
Moraknit-I
Autor: Seeta Yadeel
Autor: Lew Sulik
Anfangssternzeit: 2214.64
Endsternzeit: 2215.59
Anfangsdatum: 20.03.2325 (08:15 Uhr)
Enddatum: 20.03.2325 (16:37 Uhr)
Von einer Sekunde auf die andere schwappte eine Unzahl an Geräuschen unkontrolliert über Rahja herein. Hatte im andorianischen Raumhafen aus dem Jahr 2386 noch eine unheimliche Grabesstille geherrscht, so erfüllte eine voluminöse Kakophonie die nun betriebsame Station im Jahr 2258. Von dem für sie ungewöhnlich langen Zeitsprung benommen gelang es Rahja Preja erst nach einiger Zeit die Geräusche zu filtern und zu sortieren. Als El-Aurianerin hatte auch Rahja einen gewissen unterbewussten Sinn für die Zeitlinie und Veränderungen im Zeit-Kontinuum. Selbst wenn sie es nicht richtig deuten und begründen konnte, die Zeit in der sie sich nun befand fühlte sich irgendwie richtig an. Oder eher fast richtig. In etwa so, als würde sie auf ihrem Klavier ein Stück in D-Dur spielen, obwohl es in D-Moll aufnotiert war. Hier und da würde statt des vom Ohr erwarteten B ein H kommen. Aber der Unterschied war nicht so gross, dass man das gesamte Stück über den Kopf zwischen die Schultern zog. Auch hier war schon etwas falsch. Aber noch nicht so falsch, dass es gobale Auswirkungen gehabt hatte.
Als sie sich endlich wieder gefangen hatte öffnete sie die Türe ihrer Kabine um einen winzigen Spalt und spähte durch den Schlitz. Offenbar hatte sie sich nicht geirrt und die Damentoilette gefunden, denn eine junge Andorianerin verließ soeben die Waschbecken. Auf der Katana hatte die El-Aurianerin die vorhandenen Stationspläne in der Datenbank ausgiebig studiert, um sich möglichst sicher in diesem Umfeld bewegen zu können. Auch eine intensive Auseinandersetzung mit der Kultur und den Umgangsformen innerhalb dieser Föderation hatte zur Vorbereitung gehört. Sie sollte sich als menschliche Bildungsreisende von der Universität Honk Kong ausgeben die als Studentin der Psychologie die vulkanischen Meditationsrituale für ihre Abschlussarbeit studieren wollte.
Preja vergewisserte sich noch mal, dass ihre Freizeitkleidung entsprechend der aktuellen Mode richtig saß und prüfte noch einmal den Inhalt ihrer kleinen Reisetasche. Preja holte noch einmal tief Luft, schloss für einige Sekunden die Augen und konzentrierte sich dann wieder auf ihre Tarnidentität und ihre Mission. Sie trat aus der Kabine und verließ die Toilette, hinaus in das geschäftige Treiben des Raumhafens Moraknit-I.
Fast sofort war sie von einem bunten Treiben umgeben. Viele hasteten in die eine oder andere Richtung. Geschäftsreisende mit wenig Gepäck bei sich eilten auf dem Weg zu ihrem Flug an ihr vorbei. Mehrköpfige Familien mit Stapeln von Gepäck auf Gepäckwagen zogen meist eher gemächlich an ihr vorbei. Sie befanden sich offensichtlich auf dem Weg in ihren Urlaub. „Entschuldigung!“ schrie ein menschliches Pärchen, als es sie fast über den Haufen rannte. Offensichtlich waren sie spät dran.
Langsam und gemächlich schlenderte Counselour Preha durch die geschäftige Menge der Station. Weniger um möglichst unauffällig zu bleiben, viel mehr um diesen Ort und seine Atmosphäre auf sich wirken zu lassen. Sie versuchte ein Gespür für diese Epoche und Gesellschaft zu entwickeln und dazu beobachtete sie ihre Umgebung aufmerksam. Interessiert schaute sie den andorianischen Händlern beim Feilschen mit den Kunden von aller Herren Planeten zu und verfolgte wie die pflichtbewussten Sternenflottenoffiziere eilig ihren Weg bahnten.
Auch wenn sie viele Details an die Gemini-Station oder Deep Space 9 erinnerten, so gab es auch viele Unterschiede und Eigenheiten die ihr auffielen. So hatte Moraknit-I in Bezug auf Architektur, Organisation und Gestalt einen deutlich andorianischen Charakter, der gegenüber den Sternenflotten-Elementen deutlich hervortrat. Ganz abgesehen von der Andersartigkeit der Technik und Kultur dieses Zeitabschnitts, der ihr nun immer deutlicher wurde.
Rahja machte vor der großen elektronischen Anschlagtafel in der Mitte der Halle halt. Zunächst verglich sie die Sternzeit und die lokale Uhrzeit mit ihrem Chronometer sowie mit dem Chronoschlüssel. Ein weiteres Mal wurde sie darin bestätigt, genau auf den richtigen Zeitpunkt gesprungen zu sein. Das Studium der Tafel machte klar, dass ein regelmäßiger Transporter zwischen Andoria und Vulkan verkehrte. Alle 5 Stunden hob einer ab. Ihr Blick wanderte zu der Fluglinie, die die Route betrieb. „Andorian Galactic Lines“ prangte in für sie gut lesbarem Föderationsstandard am Ende der Zeile. Es musste doch mit dem sprichwörtlichen irdischen Teufel zugehen, wenn sie mit ihrem von Commander Yadeel erstellten Creditchip dort keine Passage auf dem nächsten Transporter erwerben konnte.
Sie öffnete ihre Reisetasche und kramte nach ihrem Ausweis sowie dem zeitgemäßen PADD mit dem der digitale Datenverkehr in dieser Zeit abgewickelt wurde. Selbstsicher ging sie damit auf den Check-In-Schalter zu und lächelte die Frau hinter dem Computer-Terminal freundlich an: "Den nächsten Flug nach Vulkan mit der AGL bitte."
"Sie interessieren sich für vulkanische Globalpolitik?", war die erstaunte aber auch deutlich hörbar amüsierte Feststellung die Preja Rahja aus ihrer Lektüre riss. Sie senkte das PADD und erblickte einen andorianischen Mitreisenden der sich zu ihrer Sitzkombination im Aufenthaltsraumes des Passagiertransporters Mokranog gesellt hatte.
"Nun, zumindest oberflächlich..", erläuterte Preja und deutete auf den Bildschirm ihres PADDs auf dem sie die aktuellste Ausgabe der Vulcan Times geladen hatte, eine der wenigen vulkanischen Medien dieser Zeit die auch in Föderationsstandard verfügbar waren. Der Flug von Andoria nach Vulkan dauerte bei der in dieser Epoche technisch möglichen Reisegeschwindigkeit immerhin ein paar Tage, welche die El-Aurianerin nicht ungenutzt verstreichen lassen wollte. Auch wenn ihre Recherche noch keinen Hinweis auf die bevorstehende Zerstörung Vulkans ergeben hatte, so beinhalteten die Zeitungsberichte immerhin einige aufschlussreiche Informationen über die zeitgenössische Kultur in der Föderation dieser Zeit. Bei dieser Quasi verdeckten Mission konnte das nur hilfreich sein.
"Darf ich mich zu ihnen setzen?", fragte der Andorianer und Preja bestätigte und zeigte auf den nächstliegenden Sessel. Nachdem er Platz genommen hatte, stellte er sich vor: "Mein name ist Shram."
"Angenehm, Preja", entgegnete sie und lächelte höfflich, wobei sie das PADD auf den kleinen Tisch legte. Der blauhäutige Humanoide musterte die Frau mit seinen Augen und offensichtlich auch mit seinen Kopffühlern, dann bemerkte er: "Einen Menschen trifft man höchst selten auf dieser Linie. Was führt sie denn nach Vulkan?".
"Ich studiere Spezienübergreifende Psychologie an der Universität Hong Kong auf der Erde.", begann Rahja mit der Hintergrundgeschichte für ihre Deckidentität. Insgeheim war sie auch erleichtert von dem Andorianer fälschlicherweise als Mensch angesehen zu werden, denn die El-Aurianer waren in diesem Teil der Galaxis in dieser Epoche noch nicht bekannt. Da war es wesentlich einfacher wenn man sie für einen Menschen hielt. Sie erläuterte näher: "Ich will nach Shi'Kahr zur doritgen Universität um über die vulkanischen Meditationsrituale für meine Abschlussarbeit zu forschen."
"Meditationsrituale der Vulkanier? Das klingt ja noch langweiliger als vulkanische Politik...", meinte Shram mit einer abwertenden Mimik, offensichtlich waren im Jahre 2258 noch nicht alle Voruteile zwischen beiden Völkern abgebaut. Etwas hastig warf er hinterher: "Verstehen sie mich nicht falsch. Nichts gegen die Vulkanier und auch nichts gegen Sie und ihre Studien...", mit einem verlegenen Lächeln hoffte er sich wohl zu entschuldigen: "Aber ich kann mir wahrlich einen interessanteren Zeitvertreib auf Vulkan vorstellen als logische Meditation..."
"Das mag wohl von den persönlichen Interessen abhängen...", kommentierte Preja diplomatisch und versuchte nicht näher auf die nicht ganz politisch korrekte Einstellung des Andorianers einzugehen. Aber das brachte sie immerhin zu ihrer Gegenfrage: "Und was haben sie denn auf Vulkan vor? Was gibt es denn Interessantes für sie dorft?"
"Ich gehöre zur andorianischen Wissenschaftsvertretung an der vulkanischen Akdademie der Wissenschaften in Shi'Kahr.", anwortete Shram und führte aus: "Die Zusammenarbeit mit diesen Vulkaniern ist meist recht langweilig und öde. Vielleicht auch gerade wegen ihrer sprichwörtlichen Logik.. Aber dafür ist die Natur auf Vulkani höchst spektakulär und viele Ausflüge wert. Auch wenn es auf diesem Planeten für meinen Geschmack deutlich zu heiß ist..."