Log 133
Finale
Autor: Mark de Boer
Erde, Militärhauptquartier
Admiral Ebbersmann stand in dem kleinen Einsatzraum und tippte immer wieder nervös mit dem Fuß auf den Boden. Er wartete bereits seit einer halben Stunde auf die übrigen drei Mitglieder des verbliebenen Militärrates. Ursprünglich waren sie zu zwölft gewesen, aber bei einem Terroranschlag hatten die Übrigen den Tod gefunden. Auch seine langjährige Assistentin Rebecca Rodgers war bei dem Anschlag gestorben. Infolge dieses Anschlags und der andauernden Verluste hatte der Präsident mehr und mehr an Macht und Ansehen verloren. Schließlich hatte der Militärrat die politische und militärische Führung übernommen. Es gab zwar offiziell noch einen Präsidenten, der aber de facto keine Macht mehr besaß und kaum mehr als eine Marionette darstellte. Ebbersmann sah sich im Raum um, in dem er momentan viel zu viel Zeit verbringen musste. Der Raum war relativ dunkel und wurde vor allem durch die Monitore an den Wänden beleuchtet. Dominiert wurde er von einem riesigen Tisch, in dem ein holographischer Monitor eingelassen war. Derzeit zeigte das Gerät die kläglichen Überreste der ehemals so stolzen Föderation. Kleine farbige Symbole zeigten die eigenen, verbliebenen Kampfschiffe und Stationen sowie die Stationen und Einheiten der Gegner – ein deprimierender Anblick.
Die Tür glitt zischend auf. Ebbersmann drehte sich um und sah, dass Vice Admiral Sanders und Commodore von Steuben den Raum betraten. „Dorian. Wilhelm.“ Er nickte den beiden kurz zu. „Wo ist Petrov?“ Die beiden Neuankömmlinge zuckten mit den Schultern. „Er wollte sich doch um den gefangenen Romulaner kümmern. Wahrscheinlich hat er gerade viel Spaß dabei…“, brummte von Steuben. „Es freut mich, dass Sie mich vermissen.“, ertönte eine Stimme aus dem Hintergrund. Commodore Petrov stand im Raum und grinste kalt. Sanders setzte zu einer Antwort an. Ebbersmann verdrehte die Augen und fuhr im scharfen Ton dazwischen: „Lasst uns endlich beginnen!“ Er konnte Sergeij Petrov nicht ausstehen. Er mochte seine Art nicht, seine Methoden nicht, und er verabscheute die Organisation, für die er arbeitete. Er hatte geglaubt, dass Sektion 31 nach den Vorfällen im Dominionkrieg ein für alle Mal erledigt gewesen wäre. Aber wie Unkraut war sie in den Wirren dieses Krieges wieder aufgetaucht. Und unter der harten Führung von Petrov war die Organisation stärker denn je geworden, bis sie schließlich ein nicht zu übergehender Machtfaktor in der Sternenflotte geworden war. Und eines musste Ebbersmann ihm lassen: Er war verdammt gut darin, was er tat. Mit fast beängstigender Effizienz hatte er es geschafft, eine Gleichschaltung aller Organisationen durchzusetzen, und hatte dabei auch nicht davor zurückgeschreckt, ihm unliebsame Gegner aus dem Weg zu räumen. Dabei hatte er sich immer mehr Einfluss und Zuständigkeiten gesichert. Kein Wunder, dass ihm die beiden anderen misstrauten, Ebbersmann ging es ja nicht anders.
Er rief sich innerlich zur Ordnung. Es gab jetzt wichtigere Dinge zu regeln. Er betätigte eine Schaltfläche und der holografische Monitor im Tisch zoomte näher an das letzte Restchen Föderationsgebiet heran. Die drei übrigen Personen versammelten sich um den Tisch. „Was haben die Scouts herausgefunden?“, fragte Ebbersmann den Leiter des militärischen Geheimdiensts, Commodore von Steuben. „Die Angriffsflotte der Klingonen und Romulaner fliegen mittlerweile getarnt, so dass die Entdeckung der Flotte sehr schwer ist. Auch der Kontakt zu acht eingeschleusten Agenten ist abgebrochen. Wir gehen davon aus, dass sie entdeckt wurden. Mit Sicherheit können wir sagen, dass die Flotte hier in den Tarnmodus gegangen ist…“ Der Commodore betätigte ein paar Tasten, und die Holographik zoomte wieder ein wenig heraus, bis ein roter Punkt zu sehen war. „… zusammen mit den uns bekannten Sichtungen würde Vieles für folgende Flugbahn sprechen.“ Wieder betätigte er eine Taste und es erschien eine rote Linie, die im geschwungenen Bogen direkt in das Sol-System führte. „Die Berechnung wird durch unsere Massedetektoren und Sensoren gestützt, die wir in den Sektoren einsetzen.“ „Und unser romulanischer Gefangener bestätigt dies.“, ergänzte Petrov, nicht ohne eine gewisse Prise Stolz in seiner Stimme. Ebbersmann hob erstaunt die Augenbrauen: „Oh, Sie konnten ihn zum Reden bringen?“ Petrov nickte. „Egal welche Ausbildung sie auch hatten, irgendwann kann man jeden Geist brechen. Es geht nur darum, sie nicht zu früh in den Wahnsinn verfallen zu lassen. Aber dieser Bursche war schon recht zäh, das muss ich zugeben.“ Ebbersmann verzog angeekelt den Mund. Er konnte sich lebhaft vorstellen, was er dem Romulaner alles angetan hatte, bevor dieser endlich redete. Aber es war eben Krieg. Und diese Informationen waren überlebenswichtig, so dass sie auf Ethik keine Rücksicht nehmen konnten. Der Admiral wandte sich an Dorian Sanders. „Wie ist der Stand an unserer Heimatfront?“ Der Leiter der Homeland Security räusperte sich. „Hier haben wir alles im Griff. Die religiösen Fanatiker, die den Weltuntergang und die Apokalypse predigen, konnten wir aus dem Verkehr ziehen. Ebenfalls konnten wir die Dissidenten festsetzen, die unsere Kapitulation fordern. Unter ihnen befanden sich auch die gesuchten Terroristen.“ „Sehr schön.“, lobte Ebbersmann. „Und die Verteidigungsvorbereitungen?“ „Hier haben wir ein paar nette Überraschungen vorbereitet. Sie werden einen hohen Blutzoll zahlen, wenn sie in unser System eindringen. Wir haben extrem leistungsstarke Phaser im gesamten System verteilt. Wir konnten dabei die Technologie des ‚Planetenfresser’ adaptieren. Schade, dass wir diese Waffe nicht gegen Romulus oder Qo’noS einsetzen konnten.“ Er seufzte leise und fuhr fort: „Außerdem konnten wir spezielle Minen entwickeln, die mikroskopisch kleine Löcher in die Schiffsschilde sprengen und dann zylonische Viren einschleusen. Wir hoffen, dadurch die feindlichen Schiffe so weit zu schwächen, dass wir sie besser ausschalten können. Wobei wir beim Thema Raumschiffe sind. In Zusammenarbeit mit der Flotte konnten wir eine starke zweite Verteidigungslinie aufstellen. Derzeit finden letzte Manöver statt, um optimal vorbereitet zu sein. Die Bevölkerung wurde durch uns gedrillt, im Verteidigungsfall die Schutzbunker aufzusuchen. Es haben sich unzählige Freiwillige gemeldet, die im Fall des Einmarsches die Romulaner auf der Erde, dem Mars und dem Mond bekämpfen wollen. Wir haben Partisaneneinheiten gebildet. Die Erde wird sich nicht einnehmen lassen!“ Ebbersmann nickte. „Gut. Die Mission ‚Final Recall’ der Katana ist wie geplant in die heiße Phase gegangen. Wir haben jetzt bis auf Weiteres keinen Kontakt mehr zum Schiff. Wollen wir hoffen, dass sie erfolgreich sind.“ Er schaltete den holografischen Monitor aus. „Wir treffen uns dann wie geplant morgen wieder.“ Die drei Männer verließen den Einsatzraum und ließen den Admiral allein zurück. Dieser blickte sich um und seufzte. „Oberste Heerführer. Vorsitzender des Militärrates. Schöne Titel.“, dachte er. „Aber so wie es aussieht, wird das bald ein Ende haben. Und dann bin ich wohl der Erste, der gehängt wird.“ Ebbersmann blieb einen Moment stehen, zögernd. Dann ging er zu einem der Terminals und gab einen Code ein. Eine Computerstimme meldete sich: „Bitte nennen Sie das zu aktivierende Programm.“ „Computer, aktiviere das Omega-Protokoll. Der Aktivierungscode soll ‚Ragnarök’ lauten.“ „Omega-Protokoll geladen.“ Admiral Ebbersmann grinste grimmig. Lebend würden die Romulaner ihn nicht bekommen.
USS Zerberus
„Nein, nein, nein!“, rief Mark de Boer. „Ihr sollt die Formation auflösen und euch nicht über den Haufen fliegen. Seid ihr sicher, dass ihr schon mal geflogen seid?“ Proteste wurden laut, aber Mark fuhr sofort dazwischen. „Allein in diesem Test hätte ich jeden von euch mit Leichtigkeit zehnmal abschießen können. Seid ihr so lebensmüde? Ihr und euer Wingman – ihr bildet eine Einheit. Wenn ihr ihn verliert, seid ihr ein leichtes Ziel. Und Murdock… Was sollte das eben? Wir sind nicht mehr beim Kunstflug. Oder wollen Sie die Klingonen unterhalten? Die werden das aber gar nicht amüsant finden, sondern Sie gleich in Stücke schießen.“ Gelächter drang über die Kommunikatoren zu ihm. Mark gab ein paar Befehle in seinen Computer ein. „Alle noch einmal zurück zum Schiff und dann noch mal von vorne. Und gebt euch diesmal ein wenig Mühe. Mir gehen langsam die Übungs-Bots aus.“
Sternzeit 74.384,6
Erde, Militärhauptquartier
Ein schriller Ton hallte durch den Raum. Die Alarmbeleuchtung tauchte alles in gespenstiges Rot. „Da ist also die romulanisch-klingonische Flotte.“, dachte Benjamin Ebbersmann. „Admiral. Feindliche Einheiten enttarnen sich in unserem System…“, meldete ein junger Lieutenant. Dann stockte er. „Oh mein Gott! Es müssen tausend Schiffe sein…“ Ebbersmann nickte geistesabwesend. „Wilhelm, deine Agenten sind wirklich gut. Bis auf die Minute genau haben sie die Ankunft vorhergesagt. Respekt!“ von Steuben grinste konzentriert, ohne seinen Blick vom Monitor zu lösen. „Ich werde es Ihnen ausrichten, wenn wir das hier überstanden haben.“ „Okay, dann wollen wir den Mistkerlen mal zeigen, dass wir noch lange nicht untergegangen sind. Lassen Sie uns loslegen. Lieutenant, stellen Sie endlich diesen verdammten Alarm ab!“
USS Zerberus
Mark de Boer saß in seiner Azrael V2 und wartete auf den Einsatzbefehl. Er hatte seine Neural-Implantate aktiviert. Sie erlaubten ihm direkten Zugriff auf Sensordaten und Informationen. Diese Technologie war noch relativ neu, aber er hatte sich sofort ohne Zögern dafür entschieden. Er erhoffte sich davon die Sekunden Vorsprung, die über Leben und Tod entscheiden konnten. Insgesamt erfreuten sich die Implantate insbesondere bei Piloten höchster Beliebtheit. Außerdem hatte er sich wieder einmal eine Extra-Dosis des künstlichen Adrenalins verabreicht. Er spürte, wie es durch seine Adern strömte. Jedes Härchen an seinem Körper war aufgerichtet, seine ganze Haut kribbelte vor Erwartung. Da war er endlich, der Befehl zum Ausrücken. Seine Implantate hatten die Information erhalten und verarbeitet, bevor seine Augen sie überhaupt auf dem Monitor wahrgenommen hatten. Er aktivierte die Kommunikation zu seinen Wings. „Also denkt dran. Zuerst fliegen wir Angriffsmuster Delta, dann Epsilon. Danach aufteilen und eine Angriffswelle fliegen nach eigenem Ermessen. Treffpunkt ist P42. Von dort starten wir einen gebündelten Angriff je nach Situation.“ Mark blickte auf das verknitterte Foto von Annie, das er an der Konsole befestigt hatte. Er startete seinen Fighter und verließ die USS Zerberus.
Erde, Militärhauptquartier
Ebbersmann beobachtete, wie eine Armada von Fightern die schützenden Bäuche der Raumschiffe verließ. Der Anblick erinnerte ihn an wütende Hornissen, die aufbrachen, ihr Nest gegen jeden Angreifer zu verteidigen. „Dorian, lassen Sie die Phaser-Batterien feuern. Sie sollen sich vor allem auf die schweren Kampfkreuzer konzentrieren.“ Commodore Sanders nickte und betätigte ein paar Tasten auf seiner Konsole.
Sonnensystem
Mark atmete tief durch. Die erste Angriffswelle hatten sie gerade beendet und waren sogar erfolgreicher gewesen, als er erhofft hatte. Sie hatten ein Raumschiff zerstört und zwei weitere manövrierunfähig geschossen. „Die Klingonen und Romulaner kochen also auch nur mit Wasser.“, dachte er grimmig. Seine Wings hatten quasi kaum Verluste hinnehmen müssen. Es gab erst zwei Abschüsse. Erstaunlich bei diesem massiven Auftreten von Schiffen und Fightern. Scheinbar hatten die Übungen doch etwas bewirkt.
Wie aus dem Nichts schoss plötzlich ein riesiger Phaserstrahl durchs Weltall. Ein romulanischer Fighter, der in die Flugbahn des Strahls geraten war, verdampfte noch in derselben Sekunde. „Die Energie muss immens sein“, dachte Mark. Der Strahl raste weiter und traf auf ein kleines Raumschiff. Wie ein Messer durch warme Butter schnitt er das Schiff auf, bevor es explodierte. Unbeirrt setzte der Strahl seine Reise fort und traf auf einen mächtigen klingonischen Kreuzer. Zwei weitere Phaserstrahlen trafen auf das Schiff. Der Schutzschild des Schiffes leuchtete grün auf, bevor er nach einigen Sekunden anfing zu flackern und schließlich versagte. Die Strahlen trafen nun direkt auf die Schiffshülle und stanzten drei Löcher hinein. Sekunden später gab es erste Explosionen auf dem Schiff, bevor es sich in einen Feuerball verwandelte. Die Strahlen erstarben. Mark konnte nicht erkennen, woher sie gekommen waren. „Warum hat man diese Waffen nicht schon früher eingesetzt? Damit hätten wir die Romulaner und Klingonen so richtig in Verlegenheit bringen können.“, dachte er. Zu einem ähnlichen Ergebnis schienen die feindlichen Heerführer auch gekommen zu sein, denn sofort drehten einige Raumschiffe ab und flogen in die Richtungen, aus der die Phaser abgefeuert worden sein mussten.
Murdock hatte die gigantische Phaserattacke ebenfalls gebannt verfolgt und sah nun, wie die romulisch-klingonischen Kampfschiffe Ziel auf die Geschütze nahmen. „Wir müssen sie aufhalten! Diese Waffen könnten unser Sieg sein!“, rief er und drehte seinen Fighter, um den Schiffen zu folgen. Sofort drehte auch Lew Sulik bei, um seinem Wingman beizustehen. „Kommt sofort wieder zurück in die Formation! Andere Schiffe werden sie aufhalten…“, befahl Mark, aber die beiden reagierten nicht. Stattdessen nahmen sie das letzte Raumschiff unter Beschuss. Der klingonische Bird-of-Prey erwiderte das Feuer mit wütenden Phaser- und Torpedobeschuss. Lew hatte trotz der langen Pause noch nichts von seinen Flugkünsten verlernt und tauchte geschickt unter den Phaserstrahlen durch, ohne sein Ziel aus den Augen zu verlieren. In einer fließenden Bewegung hatte er die Verfolgung wieder aufgenommen und nahm das Schiff erneut unter Feuer. Das klingonische Schiff drehte nun bei, um sich ganz den lästigen Verfolgern zu widmen. Sofort schossen Quantentorpedos auf die beiden Fighter zu. Lew Sulik reagierte wie eine Maschine und konnte durch geschickte Manöver den Torpedos ausweichen. Timothy Murdock vollführte eine Rolle und entging so den ersten Torpedos. Er zog den Fighter tief runter, um ihn anschließend hart hochzuziehen. In dieser Situation blieb ihm nichts anderes übrig, als die Maschine in einer Art Looping wieder auf Kurs zu bringen. Er hatte die Salve überstanden und war jetzt wieder in perfekter Schussposition. Leider war ihm durch dieses Manöver der romulanische Fighter entgangen, der ihn jetzt mit einer harten Schussfolge attackierte. Murdocks Schilde versagten, sein Heck explodierte und schleuderte seine Maschine gegen Suliks Fighter, der keine Chance hatte, auszuweichen. Sekunden später explodierte Murdocks Fighter.
Entsetzt sah Mark, wie der Kampf seiner beiden Piloten eine schreckliche Wendung nahm. Wie schon im Training hatte Murdock versucht, gegnerischen Attacken durch kunstvolle Manöver auszuweichen. „Ich habe es dir gesagt, dass dies im Kampf nicht hilfreich ist.“, dachte Mark. Er musste zusehen, wie sein Fighter gegen Lew prallte und ihn mit ins Verderben stürzte. Der Fighter seines Freundes zog Rauchschwaden hinter sich her, als er durch das Schlachtfeld trudelte. Mark versuchte, die Flugbahn seines alten Freundes zu verfolgen, verlor sie aber aus den Augen, kurz bevor Lew in den Asteroidengürtel geriet. Ein riesiger Schlachtkreuzer schob sich zwischen die beiden Freunde. Wieder einmal hatte der Krieg die beiden Freunde getrennt…