Log 143
Wenn zwei sich streiten...
Autor: Alexandra Black
„Hm“, seufzte Natalie Bardal bedauernd und sah dem Hangartor zu, wie es sich langsam schloss. „Ich werd sie vermissen... irgendwie.“ Lew Sulik, der noch immer neben ihr an der Konsole stand zog eine geringschätzige Grimasse. „Ich würd's nicht tun.“ Schon wollte er sich dem Gruppen-Bereitschaftsraum zuwenden, als die Technikerin verwundert fragen: „Den Fighter vermissen?“ Lew schnaubte. 'Den Fighter aufgeben.', korrigierte er sie in Gedanken. Doch auch wenn er sich derlei Kommentare gewöhnlich nicht verkniff, hielt er es für klüger das lieber nicht laut auszusprechen. Natalie schien trotzdem zu verstehen und starrte ihn entsetzt an. „Du glaubst doch nicht dass er... dass er...“, stockte sie. Sie wusste dass der Fighter nicht nur eine Ansammlung technischer Bauteile für Mark war. Außerdem war es der Prototyp. Eine besondere Maschine also, in mehr als einer Hinsicht. Aber bedeutete die Maschine ihm mehr, als sein eigenes Leben? „Unsinn!“, entschied sie kategorisch.
Etwa zur gleichen Zeit folgte der Azrael-Fighter den Shuttles der Katana in einiger Entfernung, um schließlich bei den vereinbarten Koordinaten zu stoppen. Während die Shuttles noch ein Stück weiterflogen, um dem Plan zufolge das Forschungsteam einzusammeln, hatte de Boer bereits das Stargate erfasst. Sonst konnte er jetzt nichts weiter tun, als abzuwarten. Abzuwarten und die beiden Knöpfe zu betrachten, zwischen denen er sich noch immer nicht entschieden hatte. Der erste davon, würde das vorbereitete Transporter-Protokoll aktivieren, in dessen Folge sowohl das gepufferte Stargate, als auch ihn selbst in Sekundenbruchteilen zur Katana beamen würde. Der zweite… ja der zweite würde das Protokoll modifiziert starten und dafür sorgen, dass nur das Stargate seinen Bestimmungsort erreichte.
Mark war gewiss nicht lebensmüde, aber seinen Fighter aufzugeben – sein Baby – das war einfach…
Er wagte gar nicht mehr weiter darüber nachzudenken. So lange es auch nur die geringste Aussicht darauf gab, MIT dem Fighter zu entkommen, würde er sie wahrnehmen. Auch wenn er sich damit Ärger einhandelte. Das einzige was ihm dazu bisher eingefallen war, war es, nach dem Weitertransport des Gates selbst auf Warp zu gehen. Allerdings war sowohl das cardassianische Schiff als auch der Ferengi-Marauder dem Azrael-Fighter überlegen, was die Geschwindigkeit betraf. Ihn zu verfolgen würde nicht allzu schwierig sein und das Überraschungsmoment würde nicht ausreichen, um ihm genug Vorsprung zu geben. Davon einmal abgesehen, wenn die Cardassianer auf Zack waren, wäre der Fighter bereits manövrierunfähig, wenn nicht gar zerstört, ehe er überhaupt beschleunigen konnte. Schließlich mussten die Schilde für den Transport gesenkt sein.
Fieberhaft versuchte Mark nachzudenken. Irgendeine Möglichkeit musste es doch geben! Ein Ablenkungsmanöver? Immer wieder fiel sein Blick auf die Positionsanzeige der Shuttles und dann auf die Uhr. Die Zeit rannte nur so davon und noch immer wollte ihm nichts Brauchbares einfallen. Schon befanden sich die Shuttles auf dem Rückweg und dem Plan gemäß wendete er den Fighter, um den Anschein zu erwecken, dass auch er nun zur Katana zurückkehren würde. „Irgendwas, verdammt!“, zischte Mark vor sich hin.
„Status?“, verlangte Captain Ebbersmann auf der Brücke.
„Der Fighter ist in Ausgangsposition und die Shuttles im Landeanflug.“, berichtete Marina DeSoto ohne von ihrer Konsole aufzusehen. Bisher lief alles nach Plan. Allerdings hatte sie das ungute Gefühl beobachtet zu werden. Nicht von den Führungsoffizieren auf der Brücke, sondern von den Cardassianern und den Ferengi. Als warteten beide Schiffe auf einen folgenschweren Fehler, um sich auf sie stürzen zu können. Bis wenige Minuten vor dem Missions-Start hatten die beiden anderen Schiffe eine Subraum-Verbindung aufrecht erhalten. Sie waren sich nicht einig wer Anrecht auf diesen Planeten und somit auf die unbekannte Technologie hatte und keiner schien bereit eine Handbreit nachzugeben. Verständlich, aber den Ferengi musste klar sein, dass sie gegen die Cardassianer keine Chance hatten. Schon gar nicht, wenn die Katana erst abgezogen war. Wenn sie also etwas versuchen wollten, dann vermutlich noch bevor das Sternenflottenschiff seinen ‚Rückzug’ antrat.
Der Captain schien ähnlich zu denken, denn sein Blick wandte sich ständig der taktischen Konsole zu. Während er sonst der ruhende Pol auf der Brücke war, hielt ihn heute nichts auf seinem Sitz. Mit verschränkten Armen wanderte er von seinem Platz zur Taktik und zurück, nicht ohne dem Punkt, der den Ferengi-Marauder symbolisierte, grimmige Blicke zu zuwerfen.
„Sir, die Kaldera ruft uns.“
Ebbersmann hielt mitten in einem Schritt inne und richtete seine Aufmerksamkeit dem Hauptschirm zu, auf dem das cardassianische Schiff zu sehen war. Es hatte seine Position im Standardorbit verlassen und manövrierte nun näher zur Katana hin.
„Sind die Shuttles schon an Bord?“, wollte er wissen.
„Noch nicht“, antwortete Andersson.
„Sir, der gegenwärtige Kurs der Kaldera bringt sie zwischen uns und den Fighter.“, warf Lucas misstrauisch ein.
„Könnten sie was bemerkt haben?“, überlegte Andersson stirnrunzelnd.
Der Captain schnaufte. „Finden wir es heraus.“ Mitten in dieser Operation widerstrebte es ihm zwar, auf einen Ruf zu reagieren. Es nicht zu tun, schien ihm allerdings zu verdächtig. „Auf den Schirm.“
Während der Kopf Gul Dakors übergroß auf dem Bildschirm erschien, gab Garrick Ebbersmann unauffällig ein Zeichen, dass das erste Shuttle nun an Bord war.
„Captain – ziehen Sie sofort ihren Fighter zurück, oder er wird von uns zerstört.“, donnerte der Cardassianer mit unerbittlicher Miene.
Ebbersmann räusperte sich und entgegnete: „Selbstverständlich. Der Fighter ist schon auf dem Rückweg...“
„Halten Sie mich nicht für einen Narren!“, antwortete Dakor kalt. „Ich weiß nicht, was Sie bezwecken, aber ich lasse mich nicht von Ihnen an der Nase herumführen.“
'Zeit schinden', dachte sich der Captain der Katana und setzte den unschuldig-verwirrtesten Blick auf, zu dem er im Stande war. „Ich verstehe nicht...“
„Oh das tun Sie.“, unterbrach Dakor ihn. „Wagen Sie es ja nicht, mir noch einmal mit diesem Geschwafel von Völkern mit Ehre zu kommen, Ebbersmann. Ich könnte auf die Idee kommen, aus 'reiner Lust an der Zerstörung' Feuerbefehle zu erteilen...“
Es dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde bis Ebbersmann begriff. Genau diese Worte hatte er dem Ferengi-DaiMon gegenüber im Bezug auf die Cardassianer verwendet. Sie mussten das Gespräch abgefangen und die Verschlüsselung geknackt haben.
Garrick gab das Zeichen, dass nun auch das zweite Shuttle sicher an Bord und die Hangartore verschlossen waren.
Der Gul nickte jemandem außerhalb des Video-Sichtfeldes zu. Dann meinte er: „Das wird ein Nachspiel haben!“
de Boer hatte das näher Kommen des cardassianischen Schiffes mit wachsendem Misstrauen bemerkt. Da war irgend etwas im Busch. Als schließlich das erste Shuttle sicher im Hangar der Katana gelandet war, war die Kaldera bereits so nah, dass sie die freie Sicht auf das Sternenflottenschiff zur Hälfte verdeckte.
Er passte den Kurs an und wartete bis auch das zweite Shuttle fast im Hangar verschwunden war. Sanft strich er über die Armaturen des Fighters. „Das wird zu eng“, meinte er leise und bedauernd. „Es tut mir leid, Honey. Es tut mir so leid...“ Mark atmete noch einmal tief durch, dann nahm er Annies Foto in die eine Hand und griff mit der anderen mit geschlossenen Augen zu dem linken Knopf.
Das nächste was er wahrnahm,... war nicht wie erwartet der Transporterraum der Katana sondern ein Fehlerton des Computers. Für einen Moment glaubte Mark, ihm bliebe das Herz stehen. Einfach so. Doch irgendwie war er auch erleichtert. „Verstehe.“, murmelte er. Das Foto war schon wieder an seinem Platz und die Finger des Piloten flogen über die Bedienelemente.
Den Anzeigen zufolge war die Kaldera so nah an ihn heran gekommen, dass die gerade aktivierten Schilde des Schiffes auch den Fighter umschlossen und damit jeden Transport nach außen blockierten. Er war gefangen.
Zunächst rechnete er damit, man würde versuchen ihn mit einem Traktorstrahl in das Schiff zu ziehen, doch die aktivierten Waffensysteme sprachen eine andere Sprache. So oder so, würde er es ihnen jedenfalls nicht so einfach machen. Er aktivierte die eigenen Schilde und brachte den Fighter mittig unter den Keldon-Klasse-Kreuzer, wo er die Position an jede Bewegung des Schiffes anpasste.
„Senken Sie die Schilde und übergeben Sie die Waffe, die Sie vom Planeten gestohlen haben!“, bellte die Stimme Gul Dakors durch das Kommunikationssystem des Fighters und zauberte ein grimmiges Lächeln auf Marks Gesicht.
„Es befindet sich keine gestohlene Waffe an Bord dieses Fighters.“, antwortete er ehrlich während er ein falsches Sensorbild des Azraels nur wenige Meter von seiner wirklichen Position initiierte. „Warum scannen Sie mich nicht?“
Tatsächlich schien das den Gul zu verwundern. Es dauerte einen Moment, bis er sich wieder meldete: „Was haben Sie damit gemacht?“
de Boer war froh, dass es sich in diesem Fall nur um eine Audioverbindung handelte. So konnte der Cardassianer nicht sehen, wie erleichtert er über diese Reaktion war. Das Stargate hätte ohnehin nicht genügend Platz an Bord des Azraels gehabt, aber das Puffern des Musters verlangte einiges an Speicherkapazität und bei entsprechender Sensor-Modulation nicht zu verstecken.
Noch ehe er antworten konnte, ergänzte der Gul wütend: „Verschwinden Sie aus dem System!“ Für einen Moment wurden die Schilde gesenkt und Mark zögerte nicht, Kurs auf die Katana zu nehmen. Die hatte inzwischen beigedreht und die Kaldera im Visier.
'Seltsam', überlegte Mark. 'Wenn sie Verdacht geschöpft haben, warum lassen die mich trotzdem einfach gehen?' Er hatte den Gedanken noch nicht zu Ende gebracht, als mehrere Torpedo-Salven den Fighter nur knapp verfehlten – um die wenigen Meter, um die er das Sensorecho verschoben hatte, wie er feststellte. Die nächste Salve galt dem wirklichen Fighter, der er nur knapp mit einem Ausweichmanöver entgehen konnte.
Erneut änderte er die Flugbahn.
Die Katana hatte inzwischen begonnen das Feuer zu erwidern. Den Cardassianern musste jedoch klar sein, dass beide Schiffe einander ebenbürtig waren, sie jedoch langfristig im Vorteil waren, wenn die Katana nicht den Fighter ungeschützt zurück lassen wollte. Es galt also, sich schützend vor den Azrael zu bringen. Mit einem weiteren Manöver beabsichtigte Mark diese Prozedur zu beschleunigen, bot den Cardassianern aber für einen Augenblick die perfekte Zielscheibe. Nach ihrem Versagen beim Scannen des Fighters hätte er es nicht für möglich gehalten, aber vielleicht war der Waffenoffizier des Schiffes auch einfach fähiger, als der Mann an den Sensoren. Jedenfalls nutzten sie ihre letzte Chance und landeten mehrere Treffer, die den Azrael erzittern ließen. Mit einem letzten Aufflackern verabschiedeten sich die Schilde bevor ein letzter Schuss den Antrieb lahm legte. Gerade noch rechtzeitig hatte Mark das Manöver abgeschlossen und driftete in den Schatten der Katana.
Benjamin Ebbersmann war alles andere als glücklich mit der Entwicklung der Dinge. Er verfluchte die Neugier der Cardassianer, sagte sich aber, dass er eigentlich damit hätte rechnen müssen, dass sie versuchten die Kommunikation der anderen Schiffe abzuhören. Dass es ihnen gelungen war, ärgerte ihn umso mehr.
Immerhin, Gate und DHD waren vom Planeten entmaterialisiert worden und dass der Fighter zunächst gescannt worden war, ließ darauf schließen, dass es nicht die Cardassianer gewesen waren, die beides herauf gebeamt hatten.
Beides musste sich noch im Musterpuffer des Azrael-Fighters befinden. Nun da dieser sich im Rücken der Katana befand, schien Dakor jedoch unschlüssig zu sein, ob er es wagen sollte, auch das Mutterschiff offen anzugreifen.
„Ein weiteres Schiff erreicht das System.“, meldete Marina. „Ferengi.“, fügte sie hinzu.
Ebbersmann runzelte die Stirn und Ramirez an seiner Station tat es ihm gleich, ehe er berichtete: „Sir, es sieht so aus, als... naja... sie wollen uns wohl unterstützen.“ Er kratzte sich an der Stirn.
„Was tun sie?“, verlangte Ebbersmann genau zu wissen.
„Sie haben die Cardassianer gerufen.“, meinte DeSoto. Mehr konnte sie noch nicht sagen. Dann – ganz unerwartet – drehte die Kaldera ab und setzte einen Kurs aus dem System.
„Wir werden gerufen.“, ergänzte DeSoto und legte den eingehenden Ruf auf den Schirm.
Es war Gul Dakor. „Das wird ein Nachspiel haben, Sternenflotte.“, knurrte er. „Viel Spaß mit Ihren neuen... ehrenvollen Freunden!“ Er ließ Ebbersmann keine Zeit zu antworten.
Nicht einer der Brückenoffiziere vermochte seine Überraschung zu verbergen. „Die Cardassianer ziehen ab, weil ein zweiter Ferengi-Marauder ins System geflogen ist?“, äußerte Commander Andersson ungläubig. „Wir werden wieder gerufen. Diesmal die Ferengi.“, gab Marina fast zur Antwort. „Da bin ich aber gespannt.“, kommentierte Ebbersmann und richtete seinen Blick abermals auf den Bildschirm. Die hässliche Fratze des ihnen bereits bekannten DaiMon erschien feixend. „Diese Cardasssssssssssssssianer!“, empörte er sich. „Aber die Ferengi-Allianz ist eben näher, nicht wahr?“ Er lachte und spuckte dabei wild um sich. „Darf ich fragen wieso...“, setzte Ebbersmann an. „Sie hatten ja sssssssso Recht, Määänsch. Man kann diesen Barbaren nicht trauen!“, frotzelte der Ferengi weiter. „Und deshalb... haben Sie Verstärkung angefordert?“, vermutete Ebbersmann. Wieder lachte der DaiMon stolz über sein kluges Vorgehen. „Sie brauchen mir nicht zu danken. Als Bezahlung für diesen kleinen Freundschaftsdienst, nehmen wir gerne ihr beschädigtes Kampfschiff.“ Um seine Worte zu untermalen, aktivierte der Marauder bereits einen Traktorstrahl. „Die Entsorgung der defekten Teile stellen wir allerdings in Rechnung.“ „Ehm...“ Ebbersmann war schlicht sprachlos ob dieser neuen Wendung. „Sie müssen verstehen, dass ich das nicht... nun ja... erlauben kann. Es ist unser Fighter.“ „Aber er ist defekt. Was wollen Sie noch damit?“, winkte der DaiMon entschieden ab. „Und wir haben ihn gefunden...“ „Geben Sie sofort den Fighter frei. Unser Pilot sitzt noch darin!“, forderte der Captain, was den DaiMon zum Stutzen brachte. „Achso. Den können Sie natürlich behalten. Wir haben keine Verwendung für ihn.“ Ebbersmann schüttelte energisch den Kopf und wollte weitere Einwände erheben, als der Ferengi hinzufügte: „Sehen Sie, Sie befinden sich hier in direkter Nachbarschaft zur Ferengi-Allianz. Es ist unser Recht uns hier zerstörte Schiffe anzueignen.“ „Das wage ich aber zu bezweifeln“, grollte der Captain.
Commander Andersson räusperte sich leicht und lehnte sich zu seinem Vorgesetzten herüber. „Sir“, raunte er ihm zu. „Vielleicht sollten wir versuchen zu verhandeln und den Fighter... naja... kaufen!?“ Grundsätzlich war er davon zwar nicht begeistert, doch auch wenn sie es souverän mit einem Marauder aufnehmen konnten. Inzwischen waren schon zwei hier und die Verstärkung der Ferengi wäre auf jeden Fall schneller hier, als eigene. Zumal die Cardassianer auch noch nicht außer Reichweite waren.