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Schatten der Vergangenheit
Autor: Garrick Andersson
Autor: Seeta Yadeel

"Herein!" Captain Benjamin Ebbersmann blickte auf, als der Türsummer seines Bereitschaftsraumes einen Besucher ankündigte. Die Tür glitt auf, und der Kommandant der Katana war nicht überrascht, seinen dänischen Ersten Offizier eintreten zu sehen, hatte der unerwartete Aufbruch den XO doch offensichtlich aus dem Schlaf gerissen. "Garrick, setzen Sie sich!" meinte Ebbersmann freundlich. Der Commander musterte den Captain aufmerksam, als er nun den Raum durchquerte und sich auf einen der beiden Stühle, die vor dem Schreibtisch standen, setzte. Er hoffte, irgendetwas im Gesichtsausdruck des Kommandanten ablesen zu können, das ihm einen Hinweis auf den Grund für den sofortigen Aufbruch gab. Doch Ebbersmann war offensichtlich schon zu lange im Geschäft, denn seine Miene verriet nichts.

Dafür überraschte ihn der Captain nun, als er sich aus seinem Sessel erhob, zum Replikator ging und anbot: "Möchten Sie auch einen Kaffee, XO?" Garrick widerstand dem natürlichen Impuls, dankend abzulehnen. Immerhin war es das erste Mal, dass der Captain ihm bei einer offensichtlich dienstlichen Besprechung etwas anbot. So nickte er: "Ja, den könnte ich jetzt gebrauchen, Sir." Benjamin nickte und orderte das Gewünschte. Sekunden später kehrte er mit einem Tablett, auf dem sich zwei Tassen mit dampfendem Kaffee sowie ein Kännchen Milch und ein Schälchen mit Zuckerwürfeln befanden, zum Schreibtisch zurück. Garrick gab seiner Schwäche für Süßigkeiten nach, nahm sich vom Zucker und trank dann einen Schluck. Mit einem Kopfnicken zum Fenster des Bereitschaftsraumes, hinter dem die Sterne in langen Streifen vorbeizogen, begann er das Gespräch: "Wir haben also neue Befehle, Sir?" Auch Ebbersmann nahm einen Schluck von seinem Kaffee, bevor er bestätigte: "Das ist richtig, XO. Sagt Ihnen die Raumstation Epsilon-Athena etwas?" Garrick ließ sich den Namen durch den Kopf gehen, dann meinte er: "Ich glaube nicht, dass ich davon bisher gehört habe, Sir." Benjamin nickte und tippte daraufhin etwas auf seinem Computer ein, den er anschließend in Garricks Richtung drehte. "Ein kleiner Handelsaußenposten, mit einer Forschungsstation im Orbit", erklärte er. Der Däne musterte das Bild der Raumstation und die angezeigten Daten. Viel mehr als "kleiner Handelsaußenposten" ließ sich offenbar wirklich nicht darüber sagen. Keinesfalls ließ sich die Station mit zum Beispiel der McKinley-Station im Erdorbit oder Deep Space Nine im bajoranischen System, die jeweils tausende Besatzungsmitglieder beherbergten und große Handelszentren für Waren aller Art darstellten, vergleichen. Garrick runzelte die Stirn: "Was wollen wir denn dort?" Ebbersmann lehnte sich zurück: "Der Forschungsstab von Epsilon-Athena hat um Unterstützung durch Doktor Maddigan gebeten." - "Ah", machte der Erste Offizier, "also handelt es sich um einen medizinischen Notfall?!" Doch der Captain schüttelte den Kopf: "Nein, Commander, es geht um Forschung." Garricks Blick wanderte zwischen seinem vorgesetzten Offizier und dem Computerterminal hin und her, bevor er sich die Daten über die Raumstation, auf welcher sich die Forschungseinrichtungen befinden sollten, und dem Handelsaußenposten auf der Planetenoberfläche noch einmal ansah. Hatte er etwa irgendwo etwas übersehen, das eine Reihe hochkarätiger Forschungslabore hätte beherbergen können? "Dort?" hakte er ungläubig nach und hatte Mühe, den Nachsatz "am ADW" zu unterdrücken. "Ganz recht", erwiderte Benjamin, drehte das Terminal wieder zu sich und rief weitere Daten ab, die er dem zweifelnd dreinschauenden XO dann präsentierte.

Garrick las die Überschrift einer offenbar medizinischen Arbeit einmal, zwei Mal und ein drittes Mal, bevor er aufgab und einen Blick auf den Namen des Autors - Gollwyn Maddigan - warf. Das einzige, das er dem Titel ganz eindeutig hatte entnehmen können, war das Wörtchen "romulanisch". Und bei diesem Wörtchen war er innerlich sofort auf gelben Alarm gegangen. Mit leicht gequältem Gesichtsausdruck sah er den Captain an: "Sir, bei allem Respekt, ich bin XO mit einem Ingenieurshintergrund, kein Arzt..." Ebbersmann schmunzelte leicht: "Ging mir genauso, XO. Doc Maddigan war so freundlich, es mir zu erklären. Dies ist seine Doktorarbeit und sie befasst sich mit einem physiologischen Vergleich von Vulkanieren und Romulanern. Die Forschungsarbeit des Teams auf Epsilon-Athena baut auf Maddigans Ergebnissen auf und man ist wohl an einen toten Punkt angelangt, wo man seine Expertise benötigt." Der Captain zögerte kurz, bevor er hinzu setzte: "Jetzt, wo wir uns im Krieg mit den Romulanern befinden, wird natürlich jedes Kiloquad an Information über den Feind, die man zur Verfügung hat, kriegsentscheidend." Garrick warf einen weiteren Blick auf das Terminal, bevor er anhob: "Ich denke kaum, dass dem Oberkommando daran gelegen ist, bessere Behandlungsmethoden für im Gefecht verletzte und gefangen genommene Romulaner zu entwickeln. Wie kann also medizinische Forschung einen... Krieg..." Er brach ab und blickte seinen Kommandanten durchdringend an. "Auf was genau ist Doktor Maddigan gestoßen, Sir?" Benjamin seufzte: "Er hat es mir so erklärt: 'Nehmen Sie alle Ihnen bekannten Seuchen, multiplizieren Sie diese und potenzieren das Ergebnis mit einem mindestens zweistelligen Exponenten.'" Er ließ seinem Ersten Offizier ein wenig Zeit, diese Aussage zu überdenken, bevor er fortfuhr: "Als Winnie klar wurde, was er da entdeckt hatte, brach er seine Forschung ab. Er konnte natürlich die Publikation seiner Doktorarbeit nicht verhindern, aber er nahm nie wieder Bezug darauf und hoffte, sie würde in irgendeiner Datenbank vergessen werden und verstauben. Aber Sie wissen ja, wie das ist, XO: Bei Ausbruch des Krieges ist irgendjemand auf der Suche nach hilfreichen Informationen über den Feind über das Wörtchen romulanisch im Titel der Arbeit gestolpert."

Im Grunde war Garrick Andersson ein pazifistischer Mann. Natürlich akzeptierte auch er Gewalt als letzten Ausweg, wenn alle anderen Mittel zur Verteidigung versagt hatten. Und ganz sicher gab es Dinge, die auch ihn zur Weißglut treiben konnten. Aber er war der Sternenflotte nicht wegen der Aussicht auf Scharmützel im All beigetreten, sondern weil er zur Auffassung gelangt war, dass die Ideale und Werte welche die Flotte und die Föderation vertraten es wert seien, dass man für sie eintrat, sie unterstützte und - wenn nötig - auch verteidigte. Genozid gehörte aber nach Meinung des Dänen ganz entschieden nicht zu diesen Idealen, sondern stand im krassen Gegensatz zu ihnen. Immerhin hatte sich die Föderation doch dem friedlichen Zusammenleben aller Spezies im Universum verschrieben. Der Captain schien den Gedankengang des XO erraten zu haben, denn er fuhr fort: "Offiziell befasst sich die Forschungsgruppe natürlich weiterhin nur mit den Unterschieden in der Physiologie der beiden Spezies. Und ich bin überzeugt, niemand würde etwas anderes zugeben und jedem energisch widersprechen, der etwas anderes zu behaupten wagt." Garrick nickte. Er konnte sich nicht vorstellen, dass sich Winnie Maddigan als Arzt bewusst an der Entwicklung einer Massenvernichtungswaffe beteiligen würde. Mehr, als seine Zusammenarbeit zu verweigern, würde dem Doktor wohl nicht bleiben. "Warum fliegen wir dann trotzdem dort hin, Sir?" erkundigte er sich dann mit Blick auf die vorbeiziehenden Sterne. Benjamin antwortete: "Es gibt einen Grund, aus dem Doktor Maddigan bereit ist, sich zumindest anzuhören, was die Forscherkollegen dort zu sagen haben." Mit diesen Worten drehte der Captain das Terminal wieder ein wenig in seine Richtung, aber so, dass der Erste Offizier verfolgen konnte, welche Daten der Kommandant abrief. Garrick hatte das Gefühl, dass Ebbersmann gleich die sprichwörtliche Katze aus dem Sack lassen würde. Der Captain öffnete wieder die Beschreibung der Raumstation, lud das Crewverzeichnis und rief die Daten des kommandierenden Offziers auf. Das Bild einer Frau erschien auf dem Monitor und Garrick brauchte den Namen, der darüber stand, gar nicht zu lesen: Von dem Bild lächelte Captain Natall Geodis.

Erneut brauchte der XO eine Weile, um die neue Information zu verdauen. Er wurde sich bewusst, dass der Captain ihn derweil aufmerksam musterte und räusperte sich schließlich, bevor er den Blick vom Terminal abwandte, sich zurücklehnte und Ebbersmann ansah. "Auf meiner Liste von Personen, die ich mit Genozid in Verbindung bringen würde, stand Captain Geodis bisher ziemlich weit unten", meinte er und ergänzte trocken: "Offenbar kenne ich sie nicht so gut, wie ich dachte. Allerdings habe ich ja auch nur eine relativ kurze Zeit als ihr Erster Offizier gedient." - "Maddigan scheint das ähnlich zu sehen und nur deswegen ist er bereit, dort hin zu fliegen." - "Das klingt, als habe er die Wahl gehabt?" Ebbersmann wog leicht den Kopf. "Man hat immer eine Wahl, XO", meinte er vage.


Garrick betrat die Bar des Thurston-Handelsaußenpostens. Er wunderte sich ein wenig darüber, dass der Computer seine Freundin dort lokalisiert haben wollte. Suchend blickte er sich vom Eingang aus um und entdeckte die Zanderianerin schließlich an einem der Tische. Dann fiel sein Blick auf den Mann, der ihr dort Gesellschaft leistete. Irgendetwas an ihm war vertraut, er konnte aber nicht genau sagen, was es war. Er trat einige Schritte näher, kniff die Augen zusammen – und erkannte Steven Nias, einen Bekannten aus Akademietagen. Der Däne erstarrte. Dieser Mistkerl! Wie konnte er es wagen...? Alles kam wieder in dem XO hoch, als er nun sah, wie der andere Seeta mit einem Gesichtsausdruck anlächelte, den er stets für unwiderstehlich gehalten hatte. Jetzt griff er auch noch tatsächlich nach der Hand seiner Freundin – seiner Freundin! Garrick sah rot. Niemals würde er zulassen, dass sich die Geschichte wiederholte! Nicht seine Seeta! Nicht mit diesem...!

Quasi mit einem Satz war der XO bei seinem Kontrahenten angelangt. In einer fließenden Bewegung packte er den anderen Mann am Kragen und zerrte den völlig überrumpelten Offizier von seinem Stuhl, der daraufhin polternd umkippte. „Du elender, verfluchter, kleiner Mistkerl! Nimm sofort Deine schmierigen Drecksfinger von meiner Freundin!“ Der andere Offizier stand zunächst wie gelähmt überrascht da, bis sich auch auf seinem Gesicht Wiedererkennen zeigte: „Garrick Andersson?!“ - „Nein, der Föderationspräsident!“, gab der Däne sarkastisch zurück, während Seeta entnervt die Stirn in ihre Hand stützte, langsam den Kopf schüttelte und stöhnte: "Kann ich nicht einmal harmlos mit einem Kollegen einen trinken gehen, ohne dass Du ihm gleich Prügel anbietest?" Er drehte sich zu ihr um: "Dieser Mistkerl hat mir schon eine Frau ausgespannt. Ich will verdammt sein, wenn ihm das noch einmal gelingt!“ Seetas Augen wurden kugelrund und sie sah ihren Freund an, wie ein Shuttle - nur nicht ganz so schnell.

Sein Gegenüber nutzte die kurze Ablenkung, holte aus und traf Garrick mit der Faust genau auf dem linken Auge. In dem Schlag lag aufgrund der räumlichen Nähe nicht sehr viel Kraft, aber er reichte aus, um den XO einen Schritt zurück taumeln zu lassen. Dieser nicht mehr nur sprichwörtliche Schlag ins Gesicht brachte das Fass endgültig zum Überlaufen. Blitzschnell stürzte sich Garrick auf den anderen.

Lew Sulik, Ian Paice und Mark de Boer befanden sich ebenfalls in der Bar und hatten die Szene beobachtet. Jetzt sprangen sie in der Absicht auf, die beiden Kämpfenden voneinander zu trennen. Leider interpretierten einige Kameraden der Gegenseite dies als eindeutige Kampfansage und erhoben sich ebenfalls. Bevor Lew seinen vorgesetzten Offizier noch erreichen konnte, hatte ihm schon einer der anderen die Faust in den Magen gerammt. Ian erging es nicht viel besser und so hatte sich in Null-Komma-Nix eine schöne, gepflegte Kneipenschlägerei entwickelt – mit einer fassungslos erstaunten Seeta, die mitten in deren Zentrum saß. Ein Stuhl flog an ihr vorbei und die Zanderianerin erwachte aus ihrer Erstarrung. Die Katana-Crewmitglieder waren in der Unterzahl und so griff sie tatkräftig zu. Ihre Verwunderung über die Eröffnung Garricks schob sie derweil auf Seite.


Benjamin Ebbersmann ging in seinem Aufenthaltsraum auf und ab. Irgendwo zwischen Couch und seinem Schreibtisch standen vier seiner Crewmitglieder. Er wußte nicht so recht, was er sagen sollte. Der Commander des Handelsaußenpostens hatte ihn informiert, daß er vier seiner Besatzungsmitglieder vorübergehend der Bar verwiesen hatte und einen fünften in eine seiner Arrestzellen gesteckt hatte. Ebbersmann hätte ein derartiges Verhalten Lew Sulik jederzeit zugetraut, bei Ian Paice, Mark de Boer und Seeta Yadeel wäre er da schon vorsichtiger gewesen, aber dass ausgerechnet sein meist so beherrschter XO mal in einer Arrestzelle wegen tätlichen Angriffs auf einen anderen Offizier landen würde, das hätte er sich niemals träumen lassen.

Er seufzte, wodurch Sulik sich aufgefordert sah, seinen Mund aufzumachen. „Sir, wir wollten die beiden Kontrahenten nur trennen, aber irgendwie“, er zuckte mit den Schultern, „ist das wohl so angekommen, als wollten wir Commander Andersson zu Hilfe eilen und dann gings so richtig drunter und drüber“, erklärte er seinem Kommandanten, der stehenblieb und sich mit der Hand über die Stirn strich, wo seine Haare schon lange vor den Sorgen des Kommandos kapituliert und sich in taktischem Vorrücken in den rückwärtigen Raum geübt hatten.

„Wie ist es denn nun zu dieser Auseinandersetzung gekommen?“, fragte er nach, denn er musste für eventuelle disziplinarische Maßnahmen den vollen Sachverhalt kennen. Mark de Boer zog seine Schultern unbehaglich hoch. Dabei beantwortete er die Frage seines Kommanten mit: „Wir standen an der Bar und haben uns herumgedreht, als Commander Andersson und der andere Typ...“ An dieser Stelle wurde er kurz von Seeta unterbrochen, die bisher nur mit mahlenden Gesichtsmuskeln daneben gestanden hatte. Sie stand offensichtlich ziemlich kurz vor einer Explosion. „Steven Nias“, warf sie ein, was von Ebbersmann mit einer hochgezogenen Augebraue quittiert wurde. „...als Commander Andersson und Mr. Nias bereits zu Handgreiflichkeiten übergegangen waren“, beendete Mark daraufhin seinen Satz.

Der Captain strich sich erneut entnervt mit den Fingerspitzen über die Stirn. „Mr. Sulik, Mr. De Boer, Mr. Paice, Sie können vorerst wegtreten“, entließ er die drei Männer dann. Ihr Vortrag war schlüssig gewesen und etwas anderes würde sich kaum beweisen lassen. Fluchtartig verließen die Piloten den Bereitschaftsraum, während der Captain seine Chefingenieurin musterte. „Ich nehme an, Sie können mir sagen, was sich zugetragen hat, bevor die Herren sich umgedreht haben?“, fragte er.

Seeta nickte etwas zögerlich. Sie entspannte ihre Gesichtsmuskulatur und erzählte den Hergang ihres späten Nachmittags. „Nun, Captain, ich war im Außenposten unterwegs, um ein Ersatzteil für die Erika zu organisieren. Es sollte ein Geschenk für Commander Andersson werden“, meinte sie, wobei sie im Moment schwer überlegte, das alte und schwer erhältliche Ersatzteil lieber eigenhändig mit ihrem Kampfstab zu zertrümmern. „Mr. Nias hatte mir das fragliche Teil vermittelt und zum Dank hatte ich ihn auf einen Drink eingeladen“, fuhr sie weiter fort. Ebbersmann ging hinüber zu seiner Couch, setzte sich und deutete auf den freien Platz ihm gegenüber. Seeta kam herüber, setzte sich hin und erzählte dann mit unglücklichem Gesichtsausdruck weiter. „Etwa fünf Minuten später stand auf einmal Commander Andersson neben mir und es brach die Hölle los. Zuerst wurden unfreundliche Worte ausgetauscht und wenig später lief das Ganze endgültig aus dem Ruder. Mr. Nias schlug nach Commander Andersson, der schlug zurück, Mr. Paice, Mr. De Boer und Mr. Sulik versuchten zu schlichten, einige andere kamen Mr. Nias zu Hilfe und bald flogen die ersten Stühle.“

Ben seufzte erneut. „Und welchen Grund gab es für die unfreundlichen Worte?“, wollte er wissen. Seeta hob unsicher die Achseln. „Ich glaube, daß Mr. Andersson“, sie schluckte, „eifersüchtig war“, erklärte sie. Ebbersmann verdrehte die Augen. Er fragte sich kurz, ob er im Irrenhaus gelandet war. Zumindest hatte anscheinend keiner der vier Männer den ersten Schlag geführt. „Und wie sind Sie dann in das Handgemenge geraten?“, fragte er nach. Seeta zog die Schultern ein. „Ich konnte die anderen vier doch nicht alleine lassen. Sie waren in der Unterzahl“, erklärte sie schuldbewußt. Benjamin war versucht zu fluchen. „Und wieso haben Sie nicht die Stationssicherheit gerufen?“, wollte er dann wissen, denn genau das wäre das sinnvollste gewesen. Die Frau ihm gegenüber wurde noch kleiner. „Ich habe nicht daran gedacht“, erklärte sie. Zum wiederholten Male seufzte der Captain. Er hatte immer gewusst, dass Beziehungen zwischen den Crewmitgliedern zu Schwierigkeiten führten. Aber gerade solche Schwierigkeiten konnte er im Augenblick keinesfalls brauchen.

Ebbersmann stand auf. „Nun, ich denke, dann werde ich den Commander mal abholen lassen“, meinte er. Seeta sprang quasi aus ihrem Sessel auf. Ben sah sie an. „Sie wollen ihn abholen?“, fragte er, denn genau diesen Eindruck hatte die Zanderianerin gerade vermittelt. Die Frau nickte bestätigend. Ebbersmann seufzte erneut. „Meinetwegen. Er soll sich nach seiner Rückkehr an Bord bei mir melden“, genehmigte er die unausgesprochene Bitte. Die kleine Chefingenieurin würde vermutlich viel leichter herauskriegen, was in seinen XO gefahren war, als er selber.

Seeta drehte sich herum und machte sich daran, den Bereitschaftsraum zu verlassen. „Commander?“, wurde sie dann auf halbem Weg von Benjamin zurückgehalten, der inzwischen bei seinem Schreibtisch angelangt war. Sie drehte sich zu ihrem Kommandanten um und sah ihn fragend an. „So etwas darf sich nicht wiederholen, Commander. Sonst werde ich höchstpersönlich dafür sorgen, dass einer von Ihnen beiden auf ein anderes Schiff versetzt wird“, stellte er zum Abschluss klar. Seeta nickte, drehte sich herum und verließ den Bereitschaftsraum. Während sie im Turbolift zum Transporterraum fuhr, grummelte sie: „Wehe Dir, Garrick, Du hast keine gute Erklärung für Dein Verhalten. Dann mögen die Steine Dir gnädig sein.“


Der XO der Katana hockte nun seit ungefähr vier Stunden in einer der kleinen Arrestzellen der Thurston-Station. Der Wirt der Bar hatte übergangslos den Sicherheitsdienst der Station alarmiert und den Dänen als einen der Rädelsführer der Schlägerei identifiziert. War Garrick gegenüber seinem Gegner auch größenmäßig im Vorteil gewesen, hatte sich dieser Vorteil jedoch angesichts einiger Sicherheitsoffiziere, die eher in die Kategorie Kleiderschrank gehörten, schnell in Nichts aufgelöst. So schnell der Spuk begonnen hatte, war er auch schon wieder vorbei gewesen. Seinen Kontrahenten, der immerhin als Erster zugeschlagen hatte, hatte dessen Sicherheitschef bereits auf sein eigenes Schiff eskortiert. Der Däne fragte sich langsam, ob Captain Ebbersmann möglicherweise gleich sein Kündigungsschreiben angefertigt hatte, dass es so lange dauerte, bis er ihm die wohl fällige Standpauke halten wollte.

Da sein Kopf noch immer leicht dröhnte, hatte er sich irgendwann auf die Liege geschmissen und döste nun vor sich hin. Was immer auch passieren mochte, er war jetzt sowieso außen vor. Er hörte, wie sich jemand näherte, aber er war einfach noch immer zu verärgert, als dass er sich bequemte, aufzustehen. „Es könnte der Captain sein!“ schoss es ihm durch den Sinn, doch auch das war ihm auf eine merkwürdige Art völlig egal. Wahrscheinlich würde ihn Seeta nach diesem neuerlichen Ausbruch von Eifersucht wohl endgültig zum Teufel jagen. „Ich habe den Auftrag, Sie zum Captain zu bringen, Commander!“ hörte er ihre Stimme. Jetzt sah er schon Gespenster! Warum sollte Ebbersmann ausgerechnet die Chefingenieurin schicken, um einen Gefangenen abzuholen? Immerhin war so etwas doch wohl Sache des Sicherheitschefs. Er öffnete die Augen und schaute zum Eingang der Zelle. Dort stand sie tatsächlich! Wie von der Tarantel gestochen sprang er auf: „Seeta! Was machst Du denn hier?“ entfuhr es ihm. „Wie ich schon sagte, ich soll Sie zu Captain Ebbersmann bringen, Sir!“ erwiderte sie kühl.

Sie war unverkennbar sauer. „Aha...“ meinte Garrick lahm. Daraufhin brach ihre zur Schau gestellte Selbstbeherrschung zusammen. Sie ballte die Hände zu Fäusten und erweckte den Eindruck, irgendetwas in irgendjemanden schön tief hinein rammen zu wollen. „Bei den Steinen, Garrick, was ist eigentlich los mit Dir?! Was fällt Dir ein, Dich wie ein unreifer Bengel zu prügeln?!“ In diesem Moment war der Däne irgendwie erleichtert, dass ihn immer noch das Kraftfeld von der Zanderianerin trennte. Er seufzte: „Es tut mir ja Leid, Schatz. Ich weiß auch nicht, was da mit mir los war. Es kommt nicht wieder vor!“ Treuherzig blickte er sie an: „Und jetzt lass mich endlich raus hier, ja?“ Doch er musste erkennen, dass sein Blick dieses Mal offenbar wirkungslos an seiner Freundin abprallte. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihn wütend an. Er seufzte, als ihm klar wurde, dass er dieses Mal wohl nicht so einfach aus der Nummer herauskommen würde.

„Also schön...“ Matt ließ er sich wieder auf die Liege sinken. „Es ist schon eine Ewigkeit her, und ich weiß, dass ich eigentlich nicht mehr so empfindlich darauf reagieren sollte...“ begann er. „Steven und ich haben uns an der Akademie kennen gelernt. Wir hatten uns beide für Antriebstechnik als Vertiefungsgebiet entschieden und auch sonst verstanden wir uns auf Anhieb, so dass es nur logisch war, dass wir eine kleine Zwei-Mann-Lerngruppe aufmachten. Natürlich verbrachten wir auch die meiste Freizeit zusammen und wurden schnell zu richtig guten und engen Freunden.“ Ein etwas wehmütiger Ausdruck legte sich auf das Gesicht des Dänen, als er an jene schönen Tage zurück dachte. „Er war mein bester Freund, Seeta“, setzte er hinzu. „Das wirkte vorhin aber ganz anders... Ich dachte schon, Du bringst ihn gleich um!“ entgegnete sie ihm. Garrick schüttelte den Kopf: „Ich war... ich bin sauer auf ihn. Ich glaube, ich hasse ihn sogar... Aber ich bin kein Mörder, Seeta.“ Sie nickte. Auch, wenn ihr sein Ausraster einige Angst eingejagt hatte, konnte sie sich nicht vorstellen, dass er tatsächlich jemanden mit eigenen Händen einfach so umbrachte. Sie setzte das Kraftfeld außer Kraft und setzte sich neben ihn. Er fuhr jetzt fort: „Kurz vor Ende des ersten Semesters lernten wir Both und Nikki kennen. Er war Bolianer, sie stammte aus Australien. Wir machten zusammen das Praktikum in Warpplasmaaufbereitung und stellten fest, dass wir uns hervorragend ergänzten. Somit wurde aus unserer Zwei-Mann eine Vier-Personen-Lerngruppe. Wir hingen fast Tag und Nacht zusammen und hatten eine wirklich gute Zeit.“ Der Däne seufzte erneut, während Seeta in abwartend musterte. „Eines Nachmittags, wir wollten zusammen lernen, so wie üblich, ergab es sich, dass Both und Steven keine Zeit hatten. Ich weiß nicht mehr, was den beiden dazwischen gekommen war, nur, dass Nikki und ich uns eben alleine über die Phasenspulen unterhalten haben – zumindest anfangs. Dann wurde uns beiden auf einmal klar, dass es erheblich spannendere Dinge als Phasenspulen gibt, die wir miteinander diskutieren könnten... Naja, kurzum, am Ende dieses Nachmittags waren wir beide ein Paar.“ Er zögerte kurz und musterte Seeta nun seinerseits, bevor er etwas leiser fortfuhr: „Ich habe sie geliebt, Seeta, von ganzem Herzen. Ich schätze, meine Gefühle für sie waren kaum geringer, als sie es für Dich sind.“ Er machte erneut eine kurze Pause, bevor er fortfuhr: „Anfang des letzten Jahres machte ich mir bereits Gedanken über unsere gemeinsame Zukunft. Ich war bereit, mit ihr den Rest meines Lebens zu verbringen.“ Eine weitere Pause machte der Zanderianerin klar, dass nun wohl der entscheidende Punkt kommen würde. „Gegen Ende des vorletzten Semesters besuchte ich eine Vorlesung in Föderationsgeschichte. Die anderen drei hatten daran kein Interesse, so ging ich dort regelmäßig alleine hin. An jenem Nachmittag fiel die Vorlesung unangekündigt aus, da Admiral Horner kurzfristig erkrankt war und keinen Ersatzdozenten organisieren konnte. Ich freute mich also schon auf einen freien Nachmittag mit Nikki und eilte zu ihrem Quartier. Schon als ich eintrat, hörte ich sie. Ich dachte zuerst an einen dummen Scherz, doch dann ging ich zum Schlafzimmer – und dort sah ich sie – mit Steven. Sie gab ihm alles das, wovon ich dachte, dass sie es nur mir geben würde und er war ganz offensichtlich nicht abgeneigt. Die Art und Weise, wie sie miteinander umgingen, machte mehr als deutlich, dass es sich nicht um ihr erstes Mal handelte. Als sie mich schließlich bemerkten, lachten sie nur und hielten es noch nicht einmal für nötig, ihr Treiben zu unterbrechen. Ich ging wortlos und kehrte nur noch einmal zurück, um ein paar persönliche Gegenstände aus ihrem Quartier zu holen.“

Während seiner Ausführungen war ihr Gesicht weicher geworden. Als er geendet hatte, war ihre Wut völlig verraucht und in ihren Augen war Schmerz zu lesen. Schmerz darüber, dass es Wesen gab, die in der Lage waren, einem anderen, den sie als Freund oder Geliebten bezeichneten so etwas anzutun. Sie streckte ihre Hand nach ihm aus und streichelte vorsichtig und zärtlich über seine Wange. Er schmiegte sein Gesicht in ihre Hand. „Garrick, es tut mir wirklich Leid, dass Du eine solche Erfahrung machen musstest und ich kann Deine Wut auf die beiden gut nachvollziehen“, sagte sie und schüttelte mit dem Kopf, als er sie unterbrechen wollte, „aber Du musst wirklich lernen, mir zu vertrauen. Ich liebe Dich, und ich werde nicht mit dem nächstbesten Kerl, der um die Ecke kommt davonlaufen. Ich werde Dich nicht betrügen oder hintergehen.“ Erneut schüttelte sie mit dem Kopf, zum Zeichen, dass sie noch nicht geendet hatte. „Wenn diese Beziehung auf Dauer funktionieren soll, dann musst Du Vertrauen in die Aufrichtigkeit meiner Gefühle für Dich haben. Denn ohne dieses Vertrauen wird sie irgendwann an einer Situation wie dieser zerbrechen“, beendete sie nun ihre Ausführungen.

Garrick schluckte. Das letzte, was er wollte, war die Beziehung zu ruinieren. Aber es war auch nicht so einfach, das eigene, tiefverwurzelte Misstrauen zu überwinden. Sie war Nikki in vielen Dingen so ähnlich. Das selbe Interesse für Technik, das selbe Temperament, die helle Haut, die dunklen Haare, die geringe Körpergröße. „Ihr seid Euch so ähnlich“, flüsterte er. „Wer ist sich ähnlich?“, fragte sie nach, denn sie war nicht ganz sicher, ob sie richtig verstanden hatte. „Du und Nikki“, erklärte er ihr, was sie bereits vermutet hatte. Sie nahm seine Hand in ihre. „Dann solltest Du Dich vielleicht eher auf die Unterschiede konzentrieren“, meinte sie. Er sah sie an. Er ließ seinen Blick über ihr Gesicht gleiten und versank dann in ihren einzigartigen Augen. Seine Hand legte sich unter ihr Kinn und hob es an. „Du hast recht“, flüsterte er, dann senkte er seine Lippen auf ihre. Einige Minuten herrschte Schweigen in der Zelle. Dann legte er den Arm um seine Freundin, stand gemeinam mit ihr von der Liege auf und zog sie gen Ausgang. Als sie um die Ecke bogen meinte sie: „Du sollst dich übrigens gleich nach Deiner Rückkehr bei Captain Ebbersmann melden.“ Er stöhnte leise. Auf das Gespräch war er in keiner Weise wild.


Benjamin rieb sich seufzend über die Stirn. Erst hätte sein XO am liebsten auf seine Chefingenieurin eingeprügelt wie es schien, und nun prügelte er wegen selbiger Chefingenieurin auf andere Offiziere ein. Garrick Andersson stand ein wenig angespannt vor dem Schreibtisch des Captains im Bereitschaftsraum. Er wusste, dass er sich nicht so hätte gehen lassen dürfen, doch er würde alles, was auch kommen würde, mit stoischer Gelassenheit hinnehmen. Denn irgendwie hatte es ihm gut getan, Steven das blasierte Grinsen aus dem Gesicht zu wischen. Captain Ebbersmann erkannte schnell, dass eine laute Verbalattacke seinen XO nicht sonderlich beeindrucken würde. Er wusste, dass er Leute, die herumschrieen, nicht wirklich ernst nahm. Umso mehr erstaunte ihn sein Ausbruch in der Stationsbar. So wandte er denn auch seine eigenen Waffen gegen ihn an: Er musterte ihn völlig ruhig und abschätzend und begann: „Commander, ich bin sehr enttäuscht von Ihnen. Von niemandem in meiner Besatzung hätte ich ein solch ungebührliches Verhalten erwartet, aber Sie wären in der Tat der Letzte gewesen, von dem ich gedacht hätte, dass er einmal eine Kneipenschlägerei anzetteln würde. Ich verlange umgehend eine schlüssige Erklärung für diese unverzeihliche Entgleisung!“

Garrick schluckte. Hätte er herumgeschimpft und gemeckert, hätte er diese Standpauke leichter ertragen können. „Ich habe für einen Moment die Kontrolle über mich verloren, Captain. Es wird nicht wieder vorkommen.“ - „Oh, da haben Sie verdammt Recht, Commander, denn wenn es etwas gibt, dass ich auf keinen Fall an Bord meines Schiffes haben will, dann sind das sich herumprügelnde Offiziere. Ich warte allerdings immer noch auf die Erklärung!“ Das Unbehagen des Dänen wuchs stetig, während er sich dem bohrenden Blick des Captains ausgesetzt sah. „Es handelte sich um eine rein persönliche Angelegenheit zwischen mir und...“ Er zögerte kurz, denn ihm fiel auf, dass er tatsächlich nicht einmal bemerkt hatte, welchen Rang Steven mittlerweile bekleidete. „...und Mr. Nias, Captain“, ergänzte er dann. Benjamin lehnte sich auf eine Weise zurück, die sehr deutlich machte, dass ihm diese Erklärung nicht wirklich ausreichte. Andererseits war er es nicht gewohnt, sich in die Privatangelegenheiten seiner Besatzungsmitglieder einzumischen. „Schön. Nur der Umstand, dass Sie dabei Ihre Uniform trugen, macht es auch zu meiner Angelegenheit, Commander!“ - „Sollte ich jemals wieder das Bedürfnis haben, mich mit jemandem zu schlagen, werde ich zuvor Zivilkleidung anlegen, Captain“, platzte es aus Garrick heraus. Der Captain konnte über diesen Versuch, die Situation mit Humor aufzulockern, nicht wirklich lachen. „Ich finde das Ganze nicht komisch, Commander! Sie etwa?“ - „Nein, Captain!“ beeilte sich der XO, zu versichern. Ben wartete noch ein paar Augenblicke, um seinem Stellvertreter die Gelegenheit zu geben, seine Handlungen doch noch zu rechtfertigen, doch Garrick schwieg. „Nun gut, Commander“, seufzte er schließlich. Da er durch die Aussagen der anderen Crewmitglieder eine ungefähre Vorstellung hatte, was vorgefallen war, fiel es ihm nicht weiter schwer, angemessene Sanktionen für den XO zu finden. „Ich werde einen Tadel wegen ungebührlichen und eines Offiziers unwürdigen Benehmens in der Öffentlichkeit in Ihre Dienstakte eintragen.“ Garrick schluckte erneut. Bislang war seine Akte weiß – sah man einmal von jenem Verweis ab, den ihm die Rettung von Hamir, Hatira und deren kleiner Tochter eingebracht hatte und mit dem er sehr gut leben konnte. Ebbersmann hatte ihn richtig eingeschätzt, dass ihn das wurmen würde. „Der Tadel ist befristet, bis Sie sich bei Commander Nias offiziell und aufrichtig entschuldigt haben.“ Jetzt klappte Garricks Kinnlade herunter: „Das... das können Sie nicht machen... Captain! Nie im Leben werde ich mich bei diesem Mistkerl entschuldigen!“ Die Augen des Captains wurden zu schmalen Schlitzen: „Das, Commander, überhöre ich in Ihrem Interesse lieber. Immerhin kann ich es mir nicht leisten, Sie auch noch wegen Insubordination in den Arrest zu werfen! Und jetzt wegtreten!“ Der XO nahm Haltung an, sagte „Aye, Captain!“, drehte sich zackig um und schritt hocherhobenen Hauptes aus seinem Raum. Benjamin rieb sich seufzend über die Stirn – und dachte an eine Zeit zurück, in der dort noch Haare wuchsen und er sich selbst wegen einer Frau mit anderen Männern geprügelt hatte. Doch dies würde er seinem XO natürlich niemals sagen.


Es war spät geworden. Seeta hatte Garrick in sein Quartier begleitet und lange mit ihm diskutiert. Über seine Erfahrungen, seine Gefühle, ihre Gefühle. Das, was der Captain von ihm verlangt hatte. Längst lagen sie nebeneinander auf seinem Bett, weil ihr Rücken irgendwann darauf bestanden hatte, dass sie vom Sofa aufstand.

Er lag auf den Rücken gedreht neben ihr und sah an die Decke, einen seiner Arme hinter dem Nacken verschränkt, der andere lag auf seinem Oberkörper, wo er ihre Hand hielt. Sie hatte sich ihm zugewandt. Sie lag auf der Seite und die andere Hand stützte ihren Kopf. Sie sah nachdenklich auf ihn hinunter. Sie liebte ihn, trotz seiner Kanten. Oder sogar gerade wegen seiner Kanten. Und zum ersten Mal verstand sie sein Verhalten, wenn sie sich in Gesellschaft von anderen Männern befand. Sie hatte erkannt, wie schlimm die Situation für ihn gewesen sein musste in der Bar.

Sie wusste nicht, wie sie ihm begreiflich machen sollte, dass sie an niemandem sonst mehr ein Interesse entwickelt hatte, seitdem sie angefangen hatten, sich aneinander zu reiben. Ihre Liebe zueinander war langsam gewachsen und noch immer erschien sie ihr zart und zerbrechlich wie eine Blume, die gerade erst aus dem Boden gesprossen die Blütenblätter öffnete. Es war wichtig, dass er begriff, wie sie für ihn fühlte, nicht nur mit dem Verstand sondern mit seinem ganzen Wesen.

Sie rutschte näher an ihn heran und sagte seinen Namen, kaum hörbar. Er löste seinen Blick von der Decke, die sowieso uninteressant gewesen war und sah sie an. Sie beugte sich zu ihm herab und streifte seine Lippen mit ihren, ganz zart, kaum wahrnehmbar. Sofort spürte sie das vertraute Kribbeln in ihrem Bauch, beherrschte es jedoch und zog ihren Kopf wieder von ihm zurück. Ihre Hand löste sich aus seiner und unendlich sanft berührte sie sein Gesicht, streichelte über seine Wangen, sein Kinn, seine Stirn. Sie mochte die Art, wie seine blauen Augen sich dabei ein wenig veränderten, so, als habe die Leidenschaft Einzug darin genommen.


Er erwachte. Es war dunkel im Quartier, das Licht der fernen Sterne sorgte kaum für nennenswerte Helligkeit. Garrick spürte Seetas Körper noch immer halb auf dem seinen liegen. Ihre Haut fühlte sich wundervoll warm und weich auf der seinen an. Vorsichtig drehte er seinen Kopf etwas, um den Duft ihres Haares tief inhalieren zu können. Dabei schloss er die Augen und lauschte auf ihren ruhigen, gleichmäßigen Atem. Er konnte ihren Herzschlag spüren und in diesem Moment fühlte er sich absolut sicher und geborgen. Seine tiefe Liebe zu dieser wundervollen Frau überwältigte ihn beinahe. Er wünschte sich, dieser Augenblick möge nie enden.

Er wollte sie nicht wecken und so begnügte er sich damit, seine Hand, die auf ihrem Rücken ruhte, dort einfach still liegen zu lassen, anstatt ihre zarte Haut sanft zu streicheln. Auch so konnte er ihre Wärme und das Leben in ihr spüren. Manchmal glaubte er, sie wirke wie eine süße Droge auf ihn, nach der er längst hoffnungslos süchtig war. Er lächelte, als er daran dachte, wie berauschend die Art und Weise gewesen war, auf die sie ihn nur wenige Stunden zuvor geliebt hatte.

Er dachte über das lange Gespräch nach, dass sie zuvor geführt hatten. Er war ein wenig überrascht gewesen, wie einfach es ihm schließlich gefallen war, mit ihr offen über jene Ereignisse und ihre eigene Beziehung zu reden. Er hatte den Schmerz in ihren Augen gesehen, über das, was ihm widerfahren war, aber auch darüber, dass sein Vertrauen ihr gegenüber nicht stärker, nicht vollkommen war. Er stellte nun fest, dass ihm die jüngsten Ereignisse gut getan hatten. Natürlich war es ein Fehler gewesen, sich mit Steven zu prügeln, aber andererseits hatte dieser Ausbruch endlich dafür gesorgt, dass er sich mit der Vergangenheit auseinander setzte. Seeta hatte ihm zugehört, ihn reden lassen, war einfach da gewesen. Sie hatte ihn verstanden, ihm keine Vorwürfe gemacht, denn sie wusste ganz genau, dass es ihm selbst längst klar war, einen Fehler gemacht zu haben. Und das Reden hatte ihm geholfen. Er war sich über vieles nun klarer geworden. Und eine Erkenntnis war in ihm gereift. Er würde endlich, nach all dieser Zeit, einen Schlussstrich unter diese Sache ziehen müssen, wenn sie nicht auf ewig die Verbindung zwischen Seeta und ihm belasten sollte – obwohl sie völlig unabhängig davon war. Er würde das Gespräch mit Steven suchen. Möglicherweise stand an dessen Ende dann auch eine Entschuldigung – aber nicht, um diesen Tadel aus der Akte zu tilgen, sondern um sich endlich von den Schatten der Vergangenheit ein für alle Mal zu befreien.