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Brückentage

From PathfinderWiki

Brückentage
Autor: Zhabia Velain
Anfangssternzeit: 57403,12
Endsternzeit: 57403,12
Anfangsdatum: 20.05.2380
Enddatum: 27.05.2380


Fast zehn Tage sollte der Aufenthalt der Katana im Sol-System betragen. Genügend Zeit für die irdischen Crewmitglieder ihrem Heimatplaneten einen kurzen Besuch abzustatten und hier lebende Freunde und Verwandte zu besuchen.

Der einzige der in diesen Tagen die Erde nicht ausschließlich zur Erholung besuchte, war Kadett Tomm Lucas. Er hatte hier noch einige Zwischenprüfungen abzulegen. Den technischen Teil hatte er inzwischen mit Bravour hinter sich gebracht, aber es war auch der Teil gewesen, der ihm kein Kopfzerbrechen beschert hatte. Der Biologie-Teil war es, der ihm noch den letzten Nerv rauben würde. So viel Zeit hatte er in den vergangenen Wochen mit seiner Nase über PADDs verbracht, dass ihm nur noch irgendwelche biologischen Bezeichnungen durch den Kopf schwirrten. All diese Begriffe musste er kürzlich gelesen haben und im Augenblick konnte er keinen davon mit einer Definition in Verbindung bringen. Es war einfach zu viel Information in zu kurzer Zeit gewesen und nun hoffte er, dass ihm im entscheidenden Moment einfiel, was die Prüfer wissen wollten.

Noch eine Stunde… dann würde er wissen, ob die endlosen Stunden des Lernens etwas gebracht hatten.

Er hatte sich bereits frühzeitig vor dem Prüfungsraum im Hauptgebäude der Akademie eingefunden und stand nur hier wartend am Fenster. Tomm hatte geglaubt, wenn er erst hier wäre, würde die ihm typische Nervosität, die er vor jeder Art von Prüfung verspürte, verfliegen. Doch offensichtlich hatte er sich getäuscht. Seit er hier saß – und wieder aufstand, sich wieder setzte… und wieder aufstand – dachte er über die Themen nach, die er wohl abgefragt werden würde. Primär waren ihm gerade die Themen eingefallen, welche ihm beim Lernen am schwersten gefallen waren. Zunächst hatte er festgestellt, dass er den Stoff schon fast im Schlaf beherrschte – aber der Rest? Alles was ihm zunächst so einfach erschienen war, dass er ihm nur einen kleinen Teil an Aufmerksamkeit geschenkt hatte, war wie weg gefegt. Oder er vermutete Fallen.

Tomm seufzte leise und legte die Stirn an die kühle Scheibe. Die Zeit wollte und wollte nicht vergehen. Wenn das nur endlich vorbei wäre… Urlaub. Er seufzte erneut und ließ seinen Blick durch den heute ungewöhnlich hellen und freundlichen Park schweifen. Seine Augen verengten sich, als er glaubte eine vertraute Person zu sehen. Und tatsächlich – sie grinste breit und winkte zu ihm herüber. Dann hielt sie beide Daumen hoch, um ihm viel Glück zu wünschen und vertiefte sich wieder in ihrer Lektüre.

„Hauptsache, ich bin die erste, die Dir gratulieren darf.“, erinnerte Tomm sich an die verschmitzten Worte Marina DeSotos. Sie war felsenfest davon überzeugt, dass er diese Prüfung schaffte. Wenigstens eine, die sich da ganz sicher ist.


Wenn die Katana auch aus einer sehr bunten Crew bestand, so waren doch die meisten Crewmitglieder Menschen. Und da alle irdischen Besatzungsmitglieder derzeit Landurlaub bekommen hatten – und auch viele der anderen, die einen Zeitvertreib auf der Erde oder im Sol-System hatten – war das Schiff zur Zeit recht einsam. Nur wenige waren an Bord geblieben und die Wartungscrew ließ sich nur in den Sektionen blicken, in denen sie arbeitete.

Zhabia war überrascht über die auf dem Schiff herrschende Ruhe, die sie von der Katana nicht gewöhnt war. Die meisten Gänge lagen im Dunklen, da sie momentan nicht genutzt waren und die meisten Orte, die sonst Treffpunkte für Offiziere wie Zivilisten an Bord waren, lagen in einsamer Stille.

Das noch junge Arboretum hatte in den letzten Wochen sehr an Beliebtheit gewonnen, doch war gerade jetzt sehr wenig besucht. Die Delvianerin hatte einige Zeit hier verbracht, denn hier zwischen den Pflanzen fühlte sie sich äußerst wohl. Es war ein freundlicher Ort, der für ihren Geschmack nicht so einsam war, wie die dunklen Gänge; ein Ort der sie stets mit offenen Armen empfing, wie sie fand.

Dennoch wollte sie nicht zu viel Zeit hier verbringen, denn wie auch Humanoiden, genossen die Pflanzen hier ihre ‚Auszeiten’. So schlenderte die Counselor durch die endlosen Gänge der Katana. Die Stille, die sie umgab, war ihr gar nicht so unangenehm. Sie hatte in ihrer Zeit als Priester-Schülerin sehr viel Gelegenheit gehabt, sich an Ruhe und Zurückgezogenheit zu gewöhnen. Das Kloster, in dem sie gelernt hatte, war von seiner Fläche her, doppelt so groß gewesen, wie die Katana, doch die Schüler und Priester dort, erreichten nur einen Bruchteil der Leute, die das Föderationsschiff bewohnten. Auf Te’ku war es stets still gewesen und nur selten hatte man auf den Gängen mehr als ein oder zwei andere Delvianer getroffen.


Toreen Akida schulterte eine olivfarbene Umhängetasche und verließ sein Quartier. Wie üblich sah er sich zunächst in alle Richtungen um, bevor er los marschierte. Eigentlich sah er sich immer nach allen Seiten um und hielt Augen und Ohren offen, ob ihm jemand folgte. Es war eine Eigenart, die er sich angeeignet hatte, aber zunächst auf der Katana vernachlässigt hatte – bis er auf unliebsame Art mit Tannier zusammen gestoßen war. Eine gesunde Portion Paranoia war scheinbar nicht verkehrt.

Er umklammerte den Gurt der Tasche etwas fester und ging dann entschieden los. Sein erstes Ziel war das Wissenschaftslabor, in dem er zu Recht Dr. Lazarus vermutete. Über eine Testreihe gebeugt, bemerkte der Tev’Mekianer nicht einmal das Eintreten des Bajoraners. Dieser rührte sich nicht hinter dem Wissenschaftler sondern beobachtete nur für einen Augenblick. Dann brach er schließlich doch die Stille: „Sind Sie hier noch länger beschäftigt, Doktor?“

Dalen blickte irritiert auf. Er war überzeugt gewesen, alleine im Labor zu sein. Als er jedoch die Stimme Toreens erkannte, wunderte es ihn nicht, dass er nicht bemerkt hatte, wie der Bajoraner herein gekommen war. Er blickte den anderen von der Seite an und meinte: „Noch eine Weile. Das ist eine wichtige Testreihe.“ Mitten in seiner Bewegung sich wieder den Proben zuzuwenden, hielt er inne und blickte Toreen noch einmal an, um ein mürrisches „Warum?“ hinzuzufügen.

„Oh, nichts Wichtiges – ich war mir nicht sicher, ob ich ihren letzten Bericht vollständig erhalten hatte und wollte mich vergewissern.“, antwortete Akida gleichmütig und wandte sich bereits wieder der Tür zu.

Dalen beschoss ihn mit einem scharfen Blick. Diese gleichgültige Art des Verbindungsoffiziers war alarmierend. „Und warum tun Sie’s dann nicht?“

Akida stoppte. „Nun ich… ich wollte Sie nicht weiter stören. Ich werde später wieder kommen.“

„Seien Sie nicht albern. Da drüben ist ein Terminal, an dem Sie meinen Bericht vollständig abrufen können. Das sollten Sie ja alleine schaffen.“, knurrte Dalen und widmete den Großteil seiner Aufmerksamkeit wieder seiner Arbeit. Einen weiteren kleinen Teil jedoch, ließ er auf dem Störenfried ruhen. Toreen hatte etwas vor und das hier schien Teil seines Planes zu sein. Die Neugier des Wissenschaftlers beschränkte sich eben nicht nur auf seine Testreihe.

Doch der Bajoraner schien tatsächlich nur Berichte zu vergleichen, bevor er mit einem schnippischem „Wenn Sie mich dann entschuldigen…“ das Labor wieder verließ.

„Berichte vergleichen…“, schnaubte Dalen. „Der ist doch nicht mehr ganz fit.“

So weit ist es also schon, dass ich Berichte vergleiche., grinste Akida kopfschüttelnd und setzte seinen Weg fort. An der nächsten Weggabelung hielt er an und vergewisserte sich erneut, dass er hier alleine war. Dann legte er die linke Handfläche an das Wandpanel, um den Computer hier zu aktivieren. „Computer, wo befindet sich Counselor Velain?“

„Counselor Velain befindet sich auf Deck 5 Sektion 12A.“, gab der Computer bereitwillig Auskunft. Als Akida seine Hand von dem Panel entfernte, verdunkelte sich das Display.

„Sehr gut.“, murmelte der Bajoraner. Er tätschelte kurz seine Umhängetasche und strebte dem Turbolift zu.


Tomm verließ fluchtartig das Hauptgebäude und rannte in den Park zu der Bank, auf der Marina auf ihn wartete. Kaum hatte sie die Hektik bemerkt war sie auch schon aufgesprungen. „Und?“, rief sie ihm entgegen.

Der Kadett hatte alle Mühe rechtzeitig zu stoppen und atmete einmal tief durch. „Also ein paar Mal hab ich gepatzt, aber ich bin durch.“ Er strahlte über das ganze Gesicht. „76%“, schob er nach.

Marina machte große Augen. „Wow!“ Sie umarmte ihn stürmisch. „Das ist doch großartig!! Und Du hast mit weniger als 30 gerechnet… Ich hab Dir doch gesagt Du schaffst es!“

„Ja… jetzt weiß ich, dass sich das Lernen doch noch gelohnt hat. Ich glaube sie waren milde, wegen der Borg.“, grinste er.

Marina begann ihre Sachen zusammen zu räumen. „Und jetzt nach Genf?“

Tomm nickte. „Jepp – muss nur noch meine Sachen holen. Steht alles schon bereit.“

„Gut. Jetzt erzähl – was hast Du gepatzt?“

Der junge Mann kratzte sich verlegen am Ohr. „Sie wollten wissen was man umgangssprachlich unter ‚Treptus Volcania’ versteht.“

„Ein vulkanisches Pantoffeltierchen!“, schoss es sofort aus Marina heraus, die sich noch daran erinnerte, wie sie die entsprechende Lektion mit Tomm zusammen gelernt hatte. „ – Was hast Du gesagt?“

„Mir ist nur vulkanisch eingefallen und bei Vulkaniern muss ich immer an Ohren denken und… naja. Ich hab vulkanische Ohren gesagt.“ Er zuckte entschuldigend mit den Schultern.

Die Ops-Offizierin prustete los. „War ein Vulkanier im Ausschuss?“


Mit einem sanften Ruck hielt der Turbolift am gewünschten Ziel an und entließ die Person, die er transportiert hatte, auf die Brücke. Toreen Akida visierte bereits eines der verwaisten Terminals am Rande der Brücke an, als ihn die erstaunte Stimme Ariell Needas zusammen zucken ließ. „Mister Toreen!?“

Innerlich strafte er sich dafür so offensichtlich zusammengezuckt zu sein, änderte aber sofort seine Richtung, als wolle er nur das hintere Geländer umrunden. „Captain. Ich habe Sie gesucht.“, antwortete er keineswegs der Wahrheit entsprechend.

„Ich sagte Ihnen ich sei auf der Erde.“, stellte Ariell misstrauisch fest. Also hatte ihr Gefühl sie nicht getrogen und der Verbindungsoffizier führte wieder einmal etwas im Schilde. Den Captain’s Chair einem bequemen Sofa als Leseecke vorzuziehen, hatte sich offensichtlich ausgezahlt. Dabei war sie schon drauf und dran gewesen, dieses ‚Gefühl’ als Paranoia abzutun und endlich ihren wohlverdienten Ausflug zur Erde zu machen. Nun allerdings würde sie ihn weiter verschieben.

„Selbstverständlich bin ich stets darüber informiert, wer an Bord ist.“, improvisierte der Bajoraner.

Die Captain nickte. „Mhm.“ Dass sie das ganze für eine Ablenkung hielt, war offensichtlich. „Und warum, Mr. Toreen, suchen Sie mich?“

„Ich…“ Akida strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr um sich wenige Sekunden zu verschaffen, eine passende Ausrede zu finden. „Nun, Sie haben allen Landurlaub gewährt, die ihn wollten – diese Gelegenheit wollte ich nun doch in Anspruch nehmen. Meine Dienste werden momentan hier nicht benötigt.“

„Und warum suchen Sie mich?“, hakte Ariell noch einmal nach. Zufrieden stellte sie fest, dass ihr Gegenüber dadurch verunsichert wurde.

„Wir sind außer Transporterreichweite – ich werde ein Shuttle benötigen.“, presste er dann hervor, sich bewusst, was für ein lächerliches Bild er abgeben musste. Und sich ebenso darüber im Klaren, dass Needa ihm kein Wort glaubte. „Und dafür brauche ich Ihre Erlaubnis.“, fügte er kurz darauf noch an.

„Wann kehren Sie zurück?“, wollte die Captain wissen.

„Das kann ich noch nicht definitiv sagen – aber den Abflug werde ich sicher nicht verpassen.“, zischte Akida.

„Also gut – nehmen Sie ein Shuttle.“, entschied Ariell. So wie die Dinge augenblicklich lagen, würde Toreen es nicht wagen, nur vorzugeben, mit dem Shuttle zur Erde zu reisen. Es war ihm vermutlich klar, dass sie das Logbuch persönlich überprüfen würde. Folglich würde er jetzt tatsächlich zur Erde fliegen. Und wenn sie den Bajoraner auf diese Weise von seinem Vorhaben abbringen konnte, dann war es ihr nur recht. Um so beruhigter würde sie ihren eigenen Ausflug genießen können.

„Danke.“, knurrte ihr Verbindungsoffizier. Er klopfte einmal sanft auf seine Tasche und ging.

Was hat er hier gewollt? Was ist auf der Brücke, was er haben möchte?, überlegte die Trill-Hybride. Doch so lange sie sich auch den Kopf zerbrach, sie kam nicht darauf. Und nach einer weiteren Stunde des Überlegens, in der sie versucht hatte noch ein paar Sätze weiter zu lesen, gab sie die Frage auf. Sie hatte bereits zu ihrer Zufriedenheit festgestellt, dass Toreen in einem Shuttle die Katana mit Kurs auf Erde verlassen hatte. Somit konnte auch sie endlich ihre Sachen zusammen raffen und sich ein paar ruhige Tage gönnen. Lazarus und Velain würden ohnehin an Bord bleiben und alles im Auge behalten.


Zwei Tage waren vergangen, seit Captain Needa kurz nach Toreen Akida das Schiff zum Landurlaub verlassen hatte.

Während in der Maschinensektion fleißig die Werftarbeiter werkelten und unterstützt von den wenigen verbliebenen Crewmitgliedern, die keine Ambitionen hatten die Erde zu besuchen, dem Schiff allerlei Updates und Erneuerungen verpassten, lag der Rest der Katana weiterhin im Schlaf. Statt dem Diners nutzten die Außerirdischen an Bord gebliebenen Besatzungsmitglieder die Werfteigenen Bars, Restaurants und Freizeitmöglichkeiten.

Auch Zhabia hätte die Möglichkeit gehabt, die Werft öfter zu besuchen, sie verspürte jedoch nicht den Drang dazu. Sie hatte am Morgen zwei kurze Termine gehabt und den Rest des Tages zur freien Verfügung. Nach einer ausgiebigen Meditation im Arboretum, hatte sie wie jeden Tag, seit die Katana in der Werft lag, ihren Rundgang gestartet. Sie wählte jeden Tag eine neue Route, bog, wie es ihr gerade einfiel, einmal nach links, ein andermal nach rechts ab oder ging einfach geradeaus. An gewissen Stationen führte sie ihr Weg jedoch stets vorbei. So auf der Krankenstation, vorbei an ihrem eigenen Büro, den wissenschaftlichen Labors, wo sie sich kurz mit Dalen über Neuigkeiten austauschte (aber viele gab es in diesen Tagen nicht) und schließlich natürlich auf die Brücke, wo sie ihren Rundgang beendete, um in ihr Quartier oder Büro zurück zu kehren.

Aus irgendeinem Grund war die Delvianerin an diesem Tag unruhiger, auf ihrem Streifzug. Als sie die Krankenstation betrat, empfing sie die schwache Standby-Beleuchtung, die sich mit Betreten eines Crewmitglieds sofort automatisch erhellte.

Schwester Yalles streckte ihren Kopf kurz aus dem Büro und winkte Zhabia zu. „Gibt’s was?“, fragte sie. Sie hatte die Aufsicht übernommen, so lange Doktor Maddigan mit seiner Familie auf der Erde war. Doch bisher hatte es nicht viel zu tun gegeben, außer einem Mittelchen gegen Schlaflosigkeit oder leichte Kopfschmerzen.

„Das gleiche wollte ich gerade fragen. War hier alles ruhig?“, gab Zhabia zurück.

„Hier war nichts los. Sie sind die erste Seele, die heute vorbeischaut.“, berichtete Yalles.

Die Delvianerin ließ ihren Blick über die Biobetten schweifen. Sie konnte sich nicht erklären, was es war, das sie so sehr beunruhigte. Sie hatte gehofft, der Besuch auf der Krankenstation würde sie beruhigen, wenn sie sähe, dass niemand hier war. Denn das bedeutete, dass es niemandem schlecht ging.

„Vielleicht komme ich später noch mal vorbei. Aber erst mache ich die Runde fertig.“, meinte Bia und setzte schließlich grübelnd ihren Weg fort.

Gerade als sie zu den Labors abbiegen wollte, kam ihr ein flüchtiger Gedanke. Was könnte so beunruhigend sein? Toreen ist nicht an Bord, also…

Toreen.

„Computer: Befindet sich Toreen Akida an Bord?“ Aber natürlich war das Unsinn. Sie hatte mit Needa vor deren Abflug gesprochen. Und was auch immer der Verbindungsoffizier im Schilde führte, schien vereitelt. Er konnte schließlich nicht wissen, dass die Captain inzwischen ebenfalls auf der Erde war. Oder doch?

„Positiv. Toreen Akida befindet sich in Turbolift 1.“, röhrte die Stimme des Computers, so dass Zhabia unwillkürlich zusammenfuhr. Sie hatte die Annahme, Toreen könne zurück gekehrt sein, für ein Hirngespinst gehalten. Hatte sich dies lediglich bestätigen lassen wollen. Der Bajoraner war ihr stets suspekt und wenn sie konnte, ging sie ihm aus dem Weg. Sie mochte Leute nicht, die sich in dunklen Nischen verbargen, durch die Gänge schlichen und irgendwelche Geheimnisse ausbrüteten. Doch genau so eine Person war Toreen Akida nun einmal.

Zhabia atmete tief durch und machte sich dann auf den Weg zum Turbolift. Sie erinnerte sich daran, wie Ariell erzählt hatte, sie habe Akida auf der Brücke überrascht. Vermutlich war das auch jetzt sein Ziel.


In der Tat umrundete der Bajoraner in eben diesem Moment das hintere Geländer auf der Brücke. Zum zweiten Mal, denn er hatte einen kleinen Rundgang durch die anliegenden Räume gemacht, um sicher zu gehen, dass niemand außer ihm auf der Brücke war. Zwar wusste er, dass Needa nicht hier sein konnte – seine Quellen hatten ihm mitgeteilt, dass der Captain der Katana inzwischen seinen Landurlaub angetreten hatte – doch vielleicht hielt sich ja ein anderer hier auf. Ein Wartungstechniker hätte schon genügt, seine Pläne zu durchkreuzen.

Doch es war tatsächlich niemand hier. Und die beiden Aufpasser, die Needa für den Werftaufenthalt bestimmt hatte, waren beschäftigt. Lazarus in seinem Labor über Mikroskopen und Velain auf der Krankenstation. Freie Bahn für Akida.

Lautlos wie üblich nahm er an einer Konsole Platz und aktivierte sie, bevor er aus seiner mitgebrachten Tasche einen Handcomputer nahm. Er platzierte ihn am Rande der Konsole und ließ seine Finger über die Tastatur huschen. Glich etwas mit seinem Handcomputer ab und tippte wieder auf die Konsole ein.

„Autorisation erforderlich.“, meldete der Computer mit viel zu lauter Stimme, wie Akida fand. Er ignorierte die Aufforderung jedoch und tippte weiter auf die Konsole ein.

„Zugriff verweigert.“, war die nächste Meldung, die über die Brücke schallte.

Akida schnaufte genervt. Einer dieser verdammten Codes würde passen. Das wusste er sicher. Er versuchte den nächsten.

  • Biep*Biep*

„Zugriff verweigert.“

Weitere zwei Male ertönte der unliebsame Satz, ehe Akida schließlich zufrieden gestellt wurde: „Zugriff gewährt. Download der Schiffsdatenbank gestartet.“ Zeitgleich erschien auf einem Display die Restzeit des Vorgangs. Lächelnd lehnte er sich zurück. Aber nur für einen kurzen Augenblick. Dann ließ er seine Hand wieder in die Schultertasche greifen, um ein kleines rundes Plättchen daraus hervor zu ziehen.

Gerade als er es unter der Konsole befestigen wollte, war ihm, als sähe er aus den Augenwinkeln heraus einen Schatten. Ruckartig drehte er sich in die Richtung, in der Counselor Velain stand. Aber unmöglich – er konnte doch nicht überhört haben, wie sich die Türen des Turbolifts geöffnet und wieder geschlossen hatten!?

Offensichtlich war dem jedoch so. Er schob den Gedanken an dieses Missgeschick bei Seite. „Counselor.“, stellte er halbfragend fest und fügte nach genauer Überlegung noch hinzu: „Stehen Sie schon lange da?“

„Lange genug, um zu wissen, was Sie da tun.“, antwortete Zhabia ohne sich von der Stelle zu rühren. „Wenn ich auch nicht viel Sinn darin sehe. Sie haben Zugriff auf die Datenbank. Genügt das etwa nicht?“

Der Bajoraner dachte nach. Velain war das geringste Problem, das er jetzt haben konnte. So stand er auf und ging ein paar Schritte auf sie zu, zur Kenntnis nehmend, dass sie nun wohlweislich ein paar Schritte zurück setzte, bis sie fast mit dem Rücken an der Wand stand. Akida setzte ein breites Lächeln auf. „Nein, das reicht nicht. Captain Needa hält es nicht für notwendig, mir uneingeschränkten Zugriff auf die Datenbank zu gewähren. Aber das ändern wir. Und da ich mich natürlich auf Ihre Diskretion als Counselor verlassen kann, bleibt das hier selbstverständlich unter uns. Nicht wahr?“

Zu seiner Überraschung machte Zhabia jedoch keinen ganz so eingeschüchterten Eindruck mehr, wie er es sich zunächst eingebildet hatte. „So leid es mir tut, aber das kann natürlich nicht unter uns bleiben, Mister Toreen.“

War das zu fassen. Nicht nur, dass sie ihm widersprach, sie lächelte ihn dabei auch noch breit und freundlich an. Sie hatte doch Angst vor ihm. Er wusste es. Er war sich sicher… gewesen.

„Wie Sie sicher wissen, habe ich als Counselor beratende Funktion für den Captain. Es ist auch meine Aufgabe ihr über die Unzufriedenheit der Crew zu berichten.“, fuhr die Counselor fort.

„Unzufriedenheit?“, herrschte Akida sie an und war mit wenigen Sätzen bei ihr. „Ich gebe Ihnen jetzt mal einen guten Rat, Counselor. Diese Angelegenheit, bleibt Needa und jedem anderen Crewmitglied gegenüber unerwähnt. Oder es gibt ernsthafte Probleme. Sind wir uns da einig?“

„Nein.“, antwortete Zhabia schlicht. „Es war und ist meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass während unserem Werftaufenthalt keine unbefugten Zugriffe erfolgen. – Unter anderem. Vielleicht konnte ich sie nun nicht daran hindern.“ Sie sah an Akida vorbei zu der Konsole, dann wieder zu dem Bajoraner. „Aber das hindert mich nicht daran es zu melden.“

„Dann werde wohl ich Sie daran hindern müssen.“, stellte Toreen fest. Eigentlich sollte es nichts weiter als eine Drohung sein. Aber er wollte sich darauf verlassen, dass er noch immer diese einschüchternde Wirkung auf die Delvianerin hatte.

Er verfehlte seine Wirkung nicht. Doch Zhabia ließ es sich nicht anmerken. Jahrzehnte langes Training des zur Schau Tragens eines freundlichen Gesichtsausdrucks hatten sich nun zum ersten Mal als wirklich nützlich erwiesen. Poker Face.

„Wie wollen Sie mich denn daran hindern?“, fragte die Counselor mit echter Neugier auf die Antwort.

Dem Bajoraner blieb jedoch eine Antwort erspart. Erst wurde er vom Computer unterbrochen, bevor er überhaupt begonnen hatte zu sprechen („Download abgeschlossen.“), dann betrat Dalen die Brücke und wollte gleich wissen: „Was gibt es denn so Dringendes, Counselor?“ Er hatte es eilig, denn zu seinem Leidwesen stand noch eine Abschlussbesprechung der vergangenen Mission an. Wenigstens würde er diese als Videokonferenz hinter sich bringen können. Die Eile verging ihm aber alleine durch die unerwartete Anwesenheit des Verbindungsoffiziers.

Toreen schürzte kurz die Oberlippe. Er machte kehrt, um seine Sachen zusammen zu raffen. Zu seiner Überraschung stand Graupelz an der Konsole. Er hatte den Handcomputer bereits von seinem Platz entfernt. Ebenso wie den Chip, den Akida zur weiteren Überwachung der Datenbank unter der Konsole angebracht hatte.

„Mich persönlich hätte ja viel mehr interessiert, wie Sie mich daran hätten hindern wollen, weiterzugeben, was ich gesehen habe. Inklusive der Drohungen an Miss Velain.“, meinte Graupelz und wog den Handcomputer in seiner Linken.

Zum ersten Mal, seit sie die Brücke betreten wurde, verwandelte sich das Lächeln in Zhabias Gesicht in ein ehrliches. Toreen hatte tatsächlich nicht bemerkt, dass sie nicht alleine gewesen war. Er war so schnell bei ihr am Turbolift gewesen, dass er nicht gesehen hatte, dass Graupelz auf der Gegenüberliegenden Seite vom Transporter materialisiert worden war.

„Ich würde sagen, Sie verlassen Ihr Quartier nicht, ehe Captain Needa zurück kehrt und die Sache mit Ihnen geklärt hat.“, sagte Graupelz dann. „Ist aber nur ein guter Rat.“ Er verstaute die konfiszierten Geräte sowie die ominöse Schultertasche. „Ich begleite Sie auch dort hin.“


Eleyne Maddigan stellte ihre Tasche gleich hinter der Tür ab. Die Kinder waren bereits vorgerannt und in ihren Zimmern verschwunden.

Gollwyn betrachtete seine Frau von der Seite. „Stimmt etwas nicht?“

Sie seufzte. „Doch… es ist nur…“

„Es ist nur was?“, hakte er nach.

„Die Katana ist mir zu einer echten Heimat geworden. Das merke ich erst jetzt. Und es überrascht mich.“ Sie sah Winnie lächelnd an. „Es ist nur ein enges Quartier – im Vergleich zu unserem Haus. Es ist nur ein Quartier, in den metallenen Hüllen eines Schiffes – wenige Meter entfernt von einem wirklich unfreundlichen, luftleeren Raum. Aber ich fühle mich hier zu Hause.“ Verrückt!, schoss es ihr durch den Kopf. Als sie erfahren hatte, dass Winnie den Job auf der Katana bekommen hatte, hätte sie nie geglaubt, dass sie sich hier jemals so wohl fühlen würde. Und doch war ihr nach einem Urlaub auf der Erde, als kehre sie wieder dahin zurück, wo sie hin gehörte. An den Ort, der ihr inzwischen zur Heimat geworden war.

„Das klingt nach einem ‚Aber’.“, stellte Winnie jedoch fest.

Eleyne hob ihre Tasche wieder an und brachte sie ins Schlafzimmer. Winnie folgte ihr. „Ist Dir eigentlich klar, dass ich in der vergangenen Woche, fast viermal so viel geschrieben habe, als ich es in einer Woche hier tue?“, fragte sie.

„Worauf willst Du hinaus?“ Gollwyn begann, ebenso wie Eleyne, auszupacken.

„Darauf, dass ich dieses Quartier unmöglich als Arbeitsplatz verwenden kann. Ich werde es vielleicht auf dem Holodeck versuchen. Oder im Arboretum… Irgendwo, wo ich nicht diese ‚normale’ Wand anstarre.“ Sie grinste. Vermutlich hatte sie Winnie für einen Moment erschreckt. „Nun guck nicht so.“ Sie legte ihm ihre Arme um die Taille und küsste ihn sanft. „Ich brauche eine kreative Ecke, sonst löst Leah das Rätsel nie…“


„Mister Lucas – Kurs auf Io. Voller Impuls.“, orderte Captain Needa, ehe sie sich an die Counselor wandte. „Velain, Lazarus – in meinen Bereitschaftsraum.“ Sie ging den beiden voraus und nahm in ihrem bequemen Stuhl Platz. Nach dem eingehenden Bericht der beiden, zu dem schließlich auch Graupelz hinzu gerufen worden war, lehnte sie sich kopfschüttelnd zurück.

„Ich habe bereits nach ihrem Ruf mit dem Hauptquartier gesprochen. Leider bestehen sie darauf, dass wir Toreen weiterhin an Bord behalten. Sein Arrest wird ebenfalls aufgehoben. Ich werde allerdings ein ernstes Wort mit ihm reden. Counselor, mir wäre auch eine genauere – umfassendere – Meinung von Ihnen bezüglich Mister Toreen ganz lieb.“, sagte Ariell. Sie wurde einfach nicht ganz schlau aus dem Mann. Es war ihr schon klar, wozu er den Zugriff auf die Datenbank gewollt hatte. Er hatte sich bereits mehrfach bei ihr beschwert, sie hielte Details vor ihm und dem Hauptquartier zurück. Das war natürlich völliger Schwachsinn, aber er hatte ihr nie geglaubt. Dass sie seinen Zugriff auf die Datenbank einschränkte, beweise das Gegenteil hatte er stets behauptet. Auf der anderen Seite war er oft über Dinge informiert, die für Missionen von Wichtigkeit waren und er sah keinerlei Veranlassung sie darüber in Kenntnis zu setzen.

In gewisser Weise kam Ariell sich vor, als würde sie durch Toreen bespitzelt und vielfach auch geblockt. Viele Missionen wären wesentlich einfacher zu erledigen gewesen, hätte er nur von Anfang an mit offenen Karten gespielt. Sie würde wirklich ein längeres Gespräch mit ihm führen müssen.