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Katana:Sonderlogbuch 5164828

From PathfinderWiki

Eisige Hölle
Sternzeit: 51648.28
Datum: 25.08.2374
Autor: Lew Sulik


Das Shuttle trat in das Liat-System ein und die Maschinen summten fast übergangslos in einem gleichmäßigen Ton als der Warpantrieb abgeschaltet und die Impulstriebwerke aktiviert wurden. Lew Sulik lehnte sich in im Sessel des Copiloten zurück, studierte das PADD in seiner Hand und über lies dem jungen Ensign von der USS Sienkiewicz die Steuerung des Gefährts.

Als frischgebackener Lieutenant hatte er nun drei Wochen Urlaub vor sich, die er in L’wiw bei Freunden und Familien verbringen wollte. Er freute sich darauf, wieder auf seinem alten Segelflugplatz nahe seiner Heimatstadt vorbei zu schauen und mit Freunden aus alten Tagen den einen oder anderen Rundflug zu unternehmen. Für den Rückweg hatte er auch einen kleinen Abstecher auf der Rerat-Kolonie eingeplant, wo nun seine Schwester lebte.

Auf dem PADD ging er die Personalakten mehrere Testpiloten von Arktis-3 durch, denn bald sollte er das Kommando über eine neue Staffel erhalten. Eines der Entwicklungsprojekte im TTRC-3 über neuartigen Attack Fighter war in eine neue Phase getreten und die Neuentwicklung sollte nun ausgiebig getestet werden. Daher konnte er sich nun die Piloten seines zukünftigen Squadrons selbst aussuchen und er bevorzugte gute Freunde und Bekannte für sein Team, denn er vertraute mehr auf sein eigenes Urteilsvermögen als auf die Personalakten.

Nun war er mit drei Begleitern auf dem nach Liat IV, einem Planeten mit einer Forschungsstation. Da die USS Sienkiewicz, die sie zur Erde hätte bringen sollen, unerwartet auf der Hälfte der Strecke zu einer dringenden Mission abberufen worden war, hatten sie nun einen größeren Umweg in Kauf zu nehmen. Auf dem kleinen Außenposten „Jack London“ auf Liat IV sollten sie zwei weitere Tage auf einen Frachter warten mit dem sie zur Erde reißen konnten.

„Wir treten in die Umlaufbahn um Liat IV ein“, verkündete Ensign Gomez, gab einige weitere Befehle in den Computer ein und wollte den Passagieren gerade weitere Informationen geben, als eine Explosion die Stille im Shuttle durchbrach und das kleine Weltraumgefährt durchschüttelte. Automatisch schalteten sich die die roten Alarmleuchten im Shuttle an und ein lautes Alarmsignal wies auf die neue Gefahr hin.

Lew warf das PADD achtlos auf den Boden und wandte sich den Instrumenten vor sich zu. Schnell überflog er die Informationen und erkannte, dass mehrere Plasmaleitungen im Antriebssystem geborsten waren und das Shuttle dadurch an Energie verlor und vom Kurs abkam. Sofort befahl er Gomez: „Schalten sie die Plasmazufuhr zu den Triebwerken ab.“

Der Ensign befolgte dem Befehl unverzüglich und Lew übernahm die Steuerung des Shuttles und es gelang ihm nur mit Mühe die Flugbahn des Shuttles zu stabilisieren, bevor der Impulsantrieb völlig versagte. Doch ein kurzer Blick auf die Instrumente genügte, um ihm zu bestätigen, was er befürchtete. Von der Gravitation des Planeten angezogen, steuerte das Shuttle nun auf die Planetenoberfläche zu und drohte abzustürzen.

„Schalte die Steuerdüsen online und führe alle verfügbare Energie in die Bugschilde.“, befahl er dem Ensign und verkündete dann allen anderen im Shuttle: „Jetzt wird’s brenzlig. Wir müssen auf dem Planeten Notlanden. “

Kaum hatte er die anderen Passagiere gewarnt, trat das Shuttle in die äußere Atmosphäre von Liat IV ein und durch die Reibung mit den Luftmolekülen entstand ein riesiges Flammenmeer vor dem Bug. Nur die die Bugschilde schützten das Shuttle vor der Hitze, als es auf die Planetenoberfläche zu raste.

Als sie die kritische Phase des Eintritts in die Atmosphäre überstanden hatten und das Feuer abgeklungen war, aktivierte Lew in regelmäßigen Abständen die Steuertriebwerke am Bug um den Fall des Shuttles abzubremsen. Durch die Explosion waren offensichtlich auch die Steuerdüsen beschädigt worden und so reagierte das Shuttle nur träge und höchst ungenau auf die eingegebenen Kursänderungen. Ohne von seinen Instrumenten aufzusehen wies er Gomez an: „Such uns einen geeigneten Landeplatz möglichst nahe am Äquator und schalte die Schilde wieder ab und leite dann alle verfügbare Energie die verdammten Trägheitsdämpfer um.“

Der Ensign bestätigte den Befehl nur knapp und tat wie ihm geheißen wurde. Lew steuerte auf die Koordinaten zu, die er erhalten hatte und bei der hohen Geschwindigkeit dauerte es nicht lange bis sie nur noch wenige hundert Meter über der Planetenoberfläche dahin schossen. Unter dem Shuttle sah er die weiße Landschaft mit einem breiten Flussbett, dass an den Ufern eine lange baumlose Ebene aufwies, die für eine Bruchlandung geeignet zu sein schien. Mit allem was die Steuerdüsen noch hergaben, stabilisierte Lew den Flug so gut es ging und bremste die Geschwindigkeit ab.

„Jetzt wird’s holprig, wir setzten gleich auf!“, rief Lew durch das Shuttle und versuchte den Anflugwinkel so flach wie möglich zu halten und die Geschwindigkeit zu drosseln. Er konsultierte noch einmal die Instrumente und schrie dann laut durch die kleine Kabine: „Scheisse! Wir sind immer noch viel zu schnell! Fest halten!“

Alles auf eine Karte setzend, zog er den Bug des Shuttles mit der manuellen Steuerung nach oben, bevor es auf dem Boden aufschlug. Ein lauter Schlag gefolgt von metallischem Kratzen und Ächzten und das Shuttle schlitterte über den schneebedeckten Boden. Das letzte was Lew noch bewusst mitbekam war, dass er und die anderen Besatzungsmitglieder samt den Gepäckstücken trotz der Trägheitsdämpfer durch die kleine Kabine geschleudert wurden. Dann wurde es schwarz und still um ihn.


Als Lew Sulik langsam wieder zu Bewusstsein kam, konnte er kein Geräusch um sich herum wahrnehmen und als er die Augen öffnete, lag die Kabine im Halbdunkel. Die Scheibe des Cockpits war zum Teil mit Schnee bedeckt und die Lampen im Shuttle offensichtlich ausgefallen. Langsam kämpfte er sich unter den Gepäckstücken hervor und richtete seinen Oberkörper auf um sich gegen die Wand zu lehnen. Dann schaute er sich weiter um und erkannte, dass seine Gefährten noch alle am Leben waren, denn er konnte sehen wie sie atmeten. Gerade als er sich zu Lieutenant Lorkan herüber beugen wollte um zu sehen ob dieser verletzt war, hörte er die Stimme des Ensigns: „Lebe ich noch?“

„Scheinbar ja“, entgegnete Lew und schaute zu Gomez hinüber. Dieser lag auf dem Rücken und sprach, ohne die Augen zu öffnen: „Mir tut alles weh. Bestimmt habe ich irgendeinen Körperteil verloren. Ich trau mich gar nicht nach zu schauen.“

„Nein Gomez, alles noch dran, soweit ich das beurteilen kann.“, gab Lew daraufhin leise lachend von sich. Auch er verspürte Schmerzen von Prellungen und Schürfungen am ganzen Körper und von seiner Stirn tropfte etwas Blut Aber allem im allen schien er noch recht glimpflich davon gekommen zu sein. Ensign Gomez öffnete langsam die Augen und schaute vorsichtig an sich hinab und tastete mit den Händen seinen Körper ab, als ob er sich selbst versichern wollte, dass Lew nicht gelogen hatte. Es war Lieutenant Lorkan, der als nächstes das Bewusstsein wieder erlangte sich aufrichtete. Der Bolianer schien unverletzt zu sein. Als letztes öffnete Lieutenant Smith die Augen, er musste sich zwischen einigen Kisten hervor kämpfen, bevor er sich aufsetzen konnte. Verwundert schaute er sich um und fragte: „Ist irgendjemand schwer verletzt?“

„Ja.“, antwortete Lew mit skeptischen Tonfall und deutete mit einer Kopfbewegung auf Smiths Arm: „Nicht erschrecken…aber… ihr Arm!“

Augenblicklich schaute der Mediziner zu seinem rechten Arm hinab und machte große Augen. Blut sickerte durch den Ärmel und der Unterarm stand kurz vor dem Ellenbogen in einem leichten, aber unnatürlichen Winkel ab. Vor Schock hatte Smith offenbar den Schmerz zu erst nicht gefühlt, wurde nun aber im Anblick seiner Verletzung kreidebleich und stammelte: „Das… ist nicht…gut.“

„Können sie das wieder hinbekommen?“, wollte Lorkan wissen, und der Mediziner meinte, mit schmerzverzerrtem Gesicht: „Schwer. Mit dem was ein Medikit hergibt, kann ich nicht viel machen und sie müssen mir helfen.“

Lew, der Smith am nächsten war, stand langsam auf um aus einem Wandschrank ein Medikit herauszunehmen und setzte sich dann neben den verletzten Arzt. Er öffnete das kleine Kistchen und fragte: „Also, was soll ich mit dem ganzen Zeug machen?“

„Als erstes, geben sie mir ein Hypospray.“, wies Smith ihn an. „Da, von dieser Ampulle mit dem Schmerzmittel.“

Wie es ihm gesagt worden war, verabreichte der Pilot dem Arzt das Hypospray, danach nahm dieser ohne ein weiteres Wort zu sagen mit seiner unverletzten Hand den medizinischen Tricorder um seine Verletzung genauer zu untersuchen. Sein Gesichtausdruck verriet, dass er nicht gerade begeistert war, was er der Anzeige entnahm. Dann wies er Lew an, mit einem Messer vorsichtig den Ärmel aufzuschneiden und die Wunde frei zu legen. Als nächstes musste er die Blutung stillen und dem Arzt ein weiteres Schmerzmittel verabreichen, damit er vorsichtig den abgewinkelten Unterarm wieder in eine halbwegs natürliche Stellung bringen konnte. Anschließend wurde der Arm noch mit improvisierten Bandagen um die Bruchstelle dick eingepackt.

„Da ist vorerst alles, was man machen kann.“, meinte dann der Arzt, dem man ansah, dass er trotz des Schmerzmittels einiges auszuhalten hatte: „Wir haben keinen Knochenregenerator an Bord, und außer kann ich hier die Knochen nicht genau fixieren.“

Als Smith versorgt war, begann sich Lew um die anderen beiden zu kümmern, die aber glücklicherweise keine nennenswerten Verletzungen aufwiesen, die man nicht mit einem einfachen Medikit hätte behandeln können. Daraufhin setzte er sich mit Gomes in das Cockpit an die Kontrollen und begannen mit einem ersten Check. Außer, dass das Shuttle nicht völlig auseinander gefallen war, sah aber alles andere ziemlich schlecht aus.

„Der Antrieb ist nicht mehr zu reparieren, Sir. Die Explosion hat nur die Steuerdüsen übrig gelassen und die sind jetzt durch die Bruchlandung aufgebraucht“, verkündete Gomez niedergeschlagen und Lew fügte hinzu: „Das ist nicht alles. Wir haben kaum noch Energie, die Notreserven sind auf Minimum. Die Kiste bekommen wir nie wieder flott. Wie steht es um die Kommunikation?“ Es dauerte eine Weile, bis der Ensign den defekten Konsolen eine Information entnehmen konnte und erklärte dann: „Offline. Stark beschädigt. Ich weiß nicht ob man das wieder reparieren kann.“

Lieutenant Lorkan trat hinzu und schaute dem Ensign über die Schulter um die Anzeige selbst in Augenschein zu nehmen. Der Techniker verzog skeptisch das Gesicht: „Das sieht sehr schlecht aus. Ich muss mir das aber genauer ansehen. Vielleicht kann ich etwas machen, aber versprechen kann ich nichts.“

„Aber die von der Jack-London-Station werden doch bestimmt schon nach uns suchen und bald finden, auch wenn wir keine Kommunikation aufbauen können, oder?“, fragte der Ensign in einem Tonfall, der Angst und Panik verriet. Lew schnaufte laut aus und meinte dann: „Tut mir leid Junge, aber da sieht es nicht besser aus. Die Bodenstation wusste nicht einmal, dass wir in das Sternensystem eingetreten sind. Wir sind abgestürzt, bevor wir die Station kontaktieren konnten. Also werden sie nicht auf die Idee kommen, uns auf ihrem Planeten zu suchen, wenn sie merken, dass wir vermisst werden.“

„Wie weit sind wir von Jack London entfernt?“, wollte Lorkan wissen und Lew antwortete prompt und ohne zu verschönigen: „Fast sechshundert Kilometer Luftlinie“

„Dann ist die Kommunikation unsere einzige Hoffnung.“, stellte Lieutenant Lorkan fast apathisch fest. Lew wandte sich der Konsole zu, begann einige Einstellungen zu verändern und erklärte: „Gomez und Lorkan, sie versuchen die Kommunikationssysteme wieder zu reparieren. Wir müssen in der zwischen Zeit Energie sparen und den Verbrauch herabsetzten, also auch bei den Lebenserhaltungssystemen sparen. Das heißt, es wird hier drinnen bald um einiges kälter.“

Dann stand Lew von seinem Stuhl auf und ging in die Passagierkabine des Shuttles um dort den Wandschrank mit der Notausrüstung zu öffnen. Gezielt griff er nach einer bestimmten Kiste, öffnete sie und zog vier silbrige Overalls sowie andere Winterausrüstung heraus, die er seinen drei Begleitern reichte: „Hier, die Thermoanzüge halten bis zu minus vierzig Grad aus. Damit dürften wir für das erste versorgt sein.“

Die drei Unverletzten zogen schnell die Overalls an und halfen dann dem verletzten Smith in seinen Anzug, der seinen gebrochenen Arm nur mit Mühe und unter großen Schmerzen durch den Ärmel bekam. Als alle soweit angekleidet waren und sich Lorkan mit Gomez daran machte, sich die Kommunikationssysteme genauer anzuschauen, zog sich Lew die Kapuze des Overalls über den Kopf und nahm sich einen Phaser sowie einen Tricorder zur Hand. Dann erklärte er: „Gut, machen sie weiter mit der Kommunikation und Smith bleibt erstmal sitzen. Ich kläre derweil mal die Lage draußen.“

Er ging auf die Luke des Shuttles zu, betätigte die Schaltfläche zum Öffnen und die Klappe begann sich unter metallischem Kratzen und Knirschen langsam zu öffnen. Die Hülle des Shuttles hatte sich durch den Absturz eindeutig verzogen, ein weiterer Punkt, der dafür sprach, dass das Shuttle nicht mehr zu reparieren war. Kaum hatte sich die Luke einen Spaltbreit geöffnet, da wehte Lew ein eisiger Wind ins Gesicht und ein helles Licht drang von draußen in die kleine Kabine, dass Lew unwillkürlich die Augen zusammen kneifen musste.

Auf halben Weg blieb die Luke stecken, doch die Öffnung reicht aus um hinaus zu klettern. Draußen angekommen, sag Lew die lange Schneise die das Shuttle in dem gut einen Meter tiefen Schnee hinterlassen hatte. Er lies seinen Blick über die Umgebung schweifen und sah sich einer über und über mit Schnee bedeckte Landschaft gegenüber. Unweit von der flachen Ebene auf der sie gelandet waren, befand sich ein zugefrorener Fluss, der sich durch ein breites Tal zwischen hohen Bergen schlängelte. Der Anblick erinnerte ihn an die nördlichen Regionen der Erde, sogar die Bäume waren denen Nadelhölzern der kalten Regionen nicht unähnlich. Ein Blick auf seinen Tricorder verriet ihm, dass minus neunzehn Grad herrschten.

Von allen Klasse M Planeten hatte sie ausgerechnet den ungünstigsten für eine Notlandung erwischt. Liat IV machte eine Eiszeit durch, die selbst die Erde in ihrer jüngeren Geschichte nicht erlebt hatte. Dabei hatten sie noch Glück gehabt noch nahe dem Äquator des Planeten herunter zu kommen. Nur ein relativ schmaler Streifen nördlich und südlich des Äquators bot höherem Leben den Hauch einer Chance, auch wenn dort dreiviertel des planetaren Jahres Winter herrschte. Darüber hinaus war der Planet mit Gletschern und ständig vereisten Gebirgszügen überzogen, wo sich nur noch primitivstes Leben behaupten konnte, wenn überhaupt.

Zu ihrem Pech kam noch hinzu, dass auf diesem Planeten nur eine kleine Bodenstation der Sternenflotte eingerichtet war, die überwiegend mit Wissenschaftler besetzt war. Da sie die Station vor dem Absturz nicht hatten kontaktieren können, war von den Geologen, Klimatologen und Biologen keine Hilfe zu erwarten. Ansonsten war auf diesem trostlosen Planeten keine Seele, von der man hätte gefunden und gerettet werden können. Es sah verdammt schlimm aus.


„So ein beschissener Urlaub. Warum konnten wir nicht wenigstens auf Risa abstürzen?“, meinte Lew in einem trockenen Tonfall, als er wieder in die Kabine trat und erstmal den Schnee von seiner Kleidung und den Schuhen klopfte. Knarrend schloss sich hinter ihm die Luke, doch es blieb kühl im Shuttle, da die Lebenserhaltung nur noch auf geringer Leistung für eine Beheizung sorgte. Der Pilot setzte sich auf eine der Passagiersessel: „Schnee, lauter Schnee da draußen. Ein paar Bäume. Sonst nichts. Nicht einmal irgendwelche Viecher konnte ich da sehen. Eine wunderbare Gegend um seine Schwiegermutter los zu werden.“

„Wir konnten mehrere Bereiche der Kommunikationssysteme reparieren. Aber einige wesentliche Module sind immer noch schwer beschädigt.“, gab Lorkan bekannt, als er unter einer der Konsolen hervor kroch. Lew schaute ausdruckslos zu dem Techniker und dem daneben knienden Ensign, sagte aber, ohne auf die vorherigen Worte einzugehen: „Also ich weiß nicht wie es euch geht, aber ich habe einen Mordshunger.“

Er stand auf und öffnete ein weiteres Mal den Schrank mit der Notausrüstung um die Notrationen herauszuholen, die er an die anderen verteilte. Für sich nahm er etwas Wasser und ein mittelgroßes Päckchen mit Nahrung. Wieder auf dem Sessel zurückgekehrt, packte er den grauen Riegel aus und biss hinein. Angewidert verzog er das Gesicht und sprach, während er noch kaute: „Ich weiß nicht was schlimmer ist: der Hungertod oder dieser Fraß hier. Ich glaub ich entscheide mich fürs Erfrieren.“

„Hören sie auf so zu reden!“, empörte sich Smith, der in seiner Ecke die Notration beiseite legte: „Schwarzer Humor ist das letzte was wir in dieser Situation gebrauchen können. Außerdem, wer hat ihnen hier eigentlich das Kommando gegeben? Sie kommandieren hier herum als wären sie der ranghöchste Offizier hier. Dabei sind sie hier nicht der einigste im Rang eines Lieutenants. Wenn ich mich nicht irre, ist Mister Lorkan der dienstälteste Offizier hier!“

Lew schwieg zu erst und kaute nachdenklich auf seiner Notration herum. Dann erhob er sich und ging zu Lorkan hinüber, stellte sich ihm gegenüber und fragte: „Wollen sie das Kommando?“

Der Bolianer schaute verdutzt zwischen Lew und Smith hin und her und stammelte dann: „Also… ich… lieber nicht.“

Daraufhin trat Lew dem verletzten Arzt gegenüber und forderte ihn in einem ironischen Tonfall auf: „Sir, möchten sie das Kommando haben?“

„Was für eine Frage? Ich bin verletzt und habe keine Kommandoausbildung.“, gab der Mediziner verärgert zurück. Lew zuckte mit den Schultern, setzte sich seelenruhig in den Sessel und stellte dann fest: „Also damit wäre die Sache ja geklärt. Damit fällt der Humor in meinen Zuständigkeitsbereich.“

Schweigen breitete sich unter den Havarierten aus, als sie den Rest ihrer ersten Notration verspeisten. Als Lew den letzten Schluck aus der Wasserration heraus gepresst hatte, warf er den Müll achtlos auf den Boden, lehnte sich in seinen Sessel zurück und starrte nachdenklich an die Decke. Nach einiger Zeit meinte er: „Wenn wir die Kommunikation nicht hinbekommen…bleibt uns vielleicht nichts anderes übrig als uns zur Forschungsstation durch zu kämpfen.“

„Sind sie wahnsinnig?“, wollte Smith wissen, der sich in seiner Ecke auf Lews Worte aufgerichtet hatte: „Bei diesem Schnee, bei dieser Kälte wollen sie einen Marsch von über 800 oder noch mehr Kilometer aufnehmen? Wir würden es doch niemals schaffen!“

„Ja, die Chancen sind verdammt schlecht.“, gab Lew völlig ruhig zurück, ohne den Mediziner anzuschauen: „Aber wenn wir hier herum sitzen, sehen unsere Chancen auch nicht besser aus. Die Frage ist ganz einfach, ob die nach uns suchen werden oder nicht?“

„Früher oder später werden sie sicher nach uns hier suchen, oder?“, warf der Ensign in die Runde. Lorkan schaute skeptisch in die Runde und meinte: „Ich stimme mit Mister Sulik überein, dass diese Leute von der Station nicht nach uns suchen werden, da sie nicht wissen, dass wir überhaupt in ihren Orbit eingetreten sind. Wir werden am besten weiter versuchen die Kommunikationssysteme zu reparieren. Sollte uns das nicht gelingen, könnte ich aus einigen Modulen und Elementen einen mobilen Sender zu bauen. Mit dem müssten wir dann näher zur Forschungsstation heran, um sie kontaktieren zu können.“

„Gut, Lorkan. Ich nehme ihren Vorschlag an. Wenn wir die Kommunikationssysteme nicht reparieren können, versuchen wir unser Glück mit diesem mobilen Sender…“, entgegnete Lew und befahl: „Smith, sie packen mal alle medizinische Ausrüstung zusammen, die wir für einen solchen Marsch brauchen könnten. Nachher packe ich mal für uns alle eine Ausrüstung zusammen. Aber vorher gehe ich nach draußen. Vielleicht läuft mir doch noch ein Vieh vor den Phaser. Ich brauch was Anständiges zu essen, sonst verrecke ich noch an diesen Notrationen.“


Genervt saß Lew in einem der Passagiersessel und starrte die Notration an. Er musste ja zu geben, dass er bei den Überlebenstrainings nie besonders gute Fähigkeiten als Jäger gezeigt hatte. Aber in dieser verfluchten Wildnis war ihm gestern kein einziges Tier vor den Phaser gelaufen. So musste sie ein weiteres Mal mit der Notration vorlieb nehmen.

Vor ihnen lagen die vier Rücksäcke mit Medikits, dem kompletten Vorrat an Notrationen, Kleidung, Waffen und sonstigen Gegenständen, die sie für ihren Marsch sicher brauchen würden. Während alle anderen lustlos an ihren Notrationen knabberten, packte Lorkan den mobilen Sender in einigen Stofffetzen ein um ihn vor der Kälte zu schützen und ihn anschließend in einer Tasche zu verstauen. Als er damit fertig war, setzte er sich zu den anderen und nahm sich einen Notration und fragte: „Wann brechen wir dann auf?“

„Am besten morgen.“, meinte Lew daraufhin: „Wir haben heute noch maximal fünf Stunden Tageslicht und ich schätze, wir kommen bei diesem Schnee nur langsam voran. Wir stärken uns heute erst noch etwas und marschieren dann morgen ausgeruht los.“

Gerade als der Ensign etwas sagen wollte, hob Lew die Hand um allen anzudeuten, leise zu sein. Er hatte etwas gehört und horchte nun aufmerksam auf Geräusche von Draußen. Es hörte sich so an, als ob etwas oder jemand um das Shuttle herum ging und er hörte Tierlaute. Doch er glaubte seinen Ohren nicht zu trauen, denn die Tierlaute hörten sich an wie das Gebell von Hunden der Erde.

Lew zog den Phaser aus der Halterung seines Overalls und stand auf. Seine Begleiter taten es ihm gleich und mit dem Schussbereiten Phaser in der einen Hand, öffnete er die Luke, die sich wieder langsam und geräuschvoll öffnete. Als sich die Luke einen ganzen Spaltbreit geöffnete hatte und er hinaus sehen konnte, wollte Lew seinen Augen nicht trauen. Vor dem Shuttle stand ein älterer Mann in einen dicken Pelzmantel gekleidet. Er stand vor einem Schlitten vor dem sechs Hunde gespannt waren und nahm seine Fellmütze vom Kopf und sagte lachend: „Ja Teufel noch eins. Da lebt ja noch wer. Gestatten, mein Name ist Sam und ich habe gestern euern Absturz beobachtet und dachte ich schaue mal vorbei.“

Erleichtert und froh, doch noch eine Menschenseele getroffen zu haben, ließen die vier Sternenflottenoffiziere wieder ihre Phaser sinken. Der Fremde, der sich ihnen als Sam vorgestellt hatte, ging auf sie zu und stieg durch die Luke in die Kabine. Interessiert schaute er sich um. Lew reichte ihm die Hand, doch Sam schien die Geste zu verwirren und ergriff nicht die Hand des Piloten.

„Ich Lieutenant Sulik. Das sind Lieutenant Lorkan, Lieutenant Smith und Ensign Gomez. Wir waren auf dem Weg zur Jack-London-Station als wir hier abgestürzt sind.“, erklärte Lew dem sich neugierig umher schauenden Sonderling. Der meinte dann: „Da habt ihr ja verdammtes Glück. Bin gerade selber auf dem Weg zur Forschungsstation. Mir ist vor zwei Wochen meine Hütte abgefackelt und bin seither auf dem Weg zur Station um den restlichen Winter zu überstehen. Sonst wäre ich erst gar nicht in der Gegend gewesen.“

„Wir können also mit ihnen reisen?“, fragte Smith mit einem Tonfall, der verriet, dass der Arzt neue Hoffnung geschöpft hatte. Der Fremde zuckte mit den Schultern und meinte dann: „Ah. Ich kann euch hier doch nicht verrecken lassen. Denn alleine habt ihr Grünschnäbel auf diesem verdammten Planeten doch nicht die geringste Chance.“

Dann bemerkte Sam offensichtlich den gebrochenen Arm von Smith und ging näher auf ihn zu: „Ja was ist denn das? Das muss man aber sofort geschient werden!“


Sam verstaute den mobilen Sender auf seinem Schlitten, nachdem Lorkan ihm erklärt hatte, womit es damit auf sich hatte. Lew trug die Rucksäcke und die für sie von Sam improvisierten Schneeschuhe nach draußen und legte sie in den Schnee. Noch einmal ging er zurück in das Shuttle und öffnete den Schrank mit der Notausrüstung. Er fand tatsächlich etwas, was mit etwas gutem Willen als Sonnenbrille zum Schutz der Augen vor dem hellen weißen Licht, dass der Schnee zurückstrahlte, dienen konnte.

Zurück im Freien, verteilte er die Augengläser unter den anderen drei Offizieren, die dann begannen, die Schneeschuhe anzuziehen, die verhindern sollten, dass sie zu tief in den Schnee einsanken. Sam schaute alle und meinte dann: „Kann’s endlich los gehen?“

„Könnte ich nicht auf ihrem Schlitten mit fahren?“, bat Smith um Nachsicht, doch Sam entgegnete aufbrausend: „So lange keines deiner Beine gebrochen ist, kannst du auch gehen, fauler Hund!“

Dann gab Sam einen Laut von sich und die sechs Hunde standen vom Boden auf zogen den Schlitten an. Als sich der kleine Tross so in Bewegung setzte, meinte er:„Tut immer was ich euch sage, denn die Wildnis hier verzeiht keine Fehler! “


Sie waren seit ihrem Aufbruch vor drei Stunden nur wenige Kilometer im tiefen Schnee vorangekommen und dennoch waren es mühsame und Kräfte zehrende Stunden gewesen. Die vier Sternenflottenoffiziere hatten ihre Mühe gehabt, richtig mit den Schneeschuhen um zu gehen ohne hinzufallen. Im tiefen Schnee war das Vorankommen mit viel Arbeit und Anstrengung verbunden gewesen. Mindestens einer musste den Hunden immer voraus gehen, um eine Spur für den Schlitten zu ziehen und um lockeren Schnee zu umgehen, in dem die Hunde und der Schlitten hätten versinken können.

Das Feuer brannte bereits und Lew hatte mit seinen Kameraden wie von Sam angewiesen die Schlafstelle mit Reisig von den umliegenden Bäumen ausgelegt, als dieser zu ihnen zurückkam. Er hatte zuerst die Hunde ausgeschirrt und ihnen zu fressen gegeben und begann nun auf dem Feuer ein Essen zu zubereiten. Sam war allgemein sehr Wortkarg, sprach nie mehr als nötig und war meist sehr kurz angebunden in seinen Antworten. So verlor er auch dieses Mal kein Wort, als er in einem Topf über der Feuerstelle eine einfache Suppe aus Bohnen und Speck zubereitete die er mit etwas altem Brot verdickte. Die Menge die er jedem in kleinen schwarzen Schüsseln austeilte war nicht gerade üppig und Gomez erstaunte Frage über das wenige was es zu essen gab, beantwortete er mit einem knappen: „Mehr gibt’s nicht!“

Wie sie so da saßen und still ihre heiße Suppe löffelten, betrachte Lew diesen fremden und seltsamen Menschen genauer. Er schien älter zu sein, näher an die Fünfzig, als an die Vierzig und sein weißbärtiges Gesicht schien verwittert ob der Strapazen das es durch gemacht hatte. Doch durch dieses zerfurchte und alte Gesicht schauten stets zwei helle und wache Augen, die aufmerksam alles registrierten was um sie geschah. Lew versuchte eine Unterhaltung mit ihm aufzunehmen, um mehr zu erfahren: „Sag mal Sam, was machst du eigentlich hier auf diesem Planeten?“

Sam schaute von seinem Teller auf dann: „Ich bin Latinumschürfer. Habe hier einen kleinen Claim den ich seit dreißig Jahren ausbeute.“

„Wird man denn davon reich?“, wollte Gomez neugierig wissen. Sam machte eine abfällige Geste und meinte: „Ah! Es reicht zu Leben. Reich ist hier glaub ich noch keiner geworden.“

„Und warum diese ganze urtümliche und altmodische Ausrüstung?“, fragte Lorkan. Der Angesprochene deutete auf die vier Offiziere: „Dieser ganze moderne Kram, genau das was ihr da anhabt und mit euch rumschleppt, taugt nicht viel. Am Anfang ist es gut und Recht, aber es geht viel zu schnell kaputt und man kann es nicht so einfach wieder selber richten.“

Er nahm sein Gewehr in seine Hand, eine ebenfalls altertümlich aussehende Projektilwaffe, die sichtbar schon oft benutzt worden war und meinte: „Je einfacher, umso robuster! Man muss seiner Waffe vertrauen können, seinen Hunden und selbst der einfachste Gegenstand darf dich nicht im Stich lassen. Denn die Wildnis kennt keine Gnade.“

Damit war das Gespräch für das erste wieder beendet und jeder aß schweigend, mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt, weiter. Erst als sie alle fertig waren, holte Sam ein altes, vergilbtes Stückpapier aus einer der Innentasche seiner Jacke, breitete sie auf dem Boden aus und deutete den anderen an, einen Blick darauf zu werfen. Lew erkannte, dass es sich um die Region handeln musste, in der sie sich gerade befanden.

„Das hier im Süden ist die Station.“, erklärte der alte Mann und deute mit einem Finger auf einen roten Punkt und fuhr dann mit dem Zeigefinger einer roten Linie entlang: „Diese rote Linie ist die Route zur Station. Sie folgt diesem Tal und macht einen großen Bogen Richtung Norden und wendet sich dann erst hier Richtung Süden zur Station. Hier müssen wir erst ein Hochplateau überqueren um unser Ziel zu erreichen. “

„Können wir auf keinen direkteren Weg die Forschungsstation erreichen?“, wollte Smith wissen, der erkannte, dass es sich um einen Umweg von über dreihundert Kilometer handeln musste. Sam schüttelte den Kopf und zeigte auf eine lange Kette eines Bergmassivs: „Diese Berge sind unpassierbar. Kein Pass führt über die viertausend Meter hohen Gipfel.“

„Wie lange werden wir brauchen, bis wir auf dieser Route wenigstens dreihundert Kilometer Luftlinie an die Forschungsstation herankommen?“, fragte Lorkan wegen seines mobilen Senders. Sam machte eine vage Geste und zeigte anhand der Karte: „Wir sind hier. Der Ort den du meinst, ist ungefähr hier. Bei der Geschwindigkeit wie heute: wenigstens zwei Wochen.“


Wie jeden Abend in den letzten vier Tagen ihrer Reise, ging beim Einrichten des Nachtlagers ging jeder Schweigend seiner Beschäftigung nach. Die Todesstille dieser eisigen Wildnis erdrückte einen förmlich und übertrug sich auf irgendeine bizarre Weise auf jeden einzelnen. Als ob die Stille der Wildnis über einen Besitz ergriffen hätte, verrichtete jeder still seine Arbeit und sprach nie mehr als notwendig. Die Gespräche die geführt wurden, drehten sich meist um die Dinge, die zu tun waren um das tägliche Überleben sicher zustellen. Ansonsten vermied man jedes unnötige Wort.

Sam hatte ihnen erklärt, dass es ein eisernes Gesetz sei, dass sich ein Musher immer zu erst um seine Hunde kümmere, bevor er für sich selbst sorge. So war es sehr schnell zu einer unausgesprochenen Arbeitsteilung innerhalb der fünfköpfigen Gruppe geworden. Während Sam die Hunde versorgte und sich um die Ausrüstung kümmerte, richteten die vier Sternenflottenoffiziere das Lager ein, machten Feuer und bereiteten die Essensrationen zu.

Mit ausdrucksloser Miene stand Lorkan am Topf und rührte in der Suppe aus Bohnen und Speck, die er mit einwenig von ihrer Notration in Sachen Nährwert aufgewertet hatte. Lew setzte sich auf einen umgefallenen Baumstamm gegenüber dem Feuer und schaute Sam zu, wie er sich um die Huskies kümmerte. Es war bemerkenswert, wie dieser Abenteurer Gewissenhaft und Hingebungsvoll diese Tiere versorgte. Natürlich war es nur verständlich, denn schließlich waren die Hunde seine Lebensversicherung in diesem vom Schnee und Eis beherrschten Land. Tatsächlich war Lew von Sam überrascht, den dieser gehörte zu einem Menschenschlag, den er längst für ausgestorben gehalten hatte. Ein Abenteurer der es mit einfachsten Mitteln mit einer unbarmherzigen Natur aufnahm und ihr mühsam jeden Tag abtrotzte. Kaum zu glauben, dass es in diesen von Technik beherrschten Zeiten noch so einen einsamen Wolf wie Sam es war, geben konnte.

Nach einiger Zeit kam Sam zu ihnen herüber und setzte sich vor das Lagerfeuer. Er war schweigsam wie immer, doch er schien tief in Gedanken versunken zu sein und machte den Eindruck, als ob ihn etwas besonders schwer belastet. Ohne ein Wort zu sprechen, nahmen sie ihre Ration zu sich und Lew beobachtete gespannt den Abenteurer, denn er fragte sich, was diesen zu einer so offensichtlichen Besorgnis erregte.

Als er seinen Teller ausgelöffelt hatte, starrte Sam sehr lange ins Feuer und schien völlig seiner Umwelt entrückt zu sein. Dann stand er langsam auf, seufzte und murmelte leise: „Es hat keinen Zweck…“

Verblüfft und nun selber besorgt, sahen sie zu, wie Sam sein Gewehr packte und zu den Hunden hinüberging. Keiner von ihnen traute sich, zu fragen, was er vor hatte und alle starrten nur gespannt diesem seltsamen Menschen hinterher. Er ging zu einem der Hunde, band ihn vom Pfosten los und ging mit ihm los, die anderen Tiere begannen daraufhin mit einem lauten, peinerfülltem Geheul. Das Tier war Lew schon bei ihrem Aufbruch vor fünf Tagen aufgefallen. Es hatte schon da besonders erschöpft und abgemagert ausgesehen. Vor drei Tagen hatte er das Tier ausgespannt und nebenher laufen lassen, doch es war dann immer mehr zurück gefallen. Die letzten zwei Tage war das Tier wegen seiner Schwäche im Schlitten mit gefahren. Kurz nachdem Sam mit dem Tier im nahen Wald hinter einigen kahlen Sträuchern und Hecken verschwunden war, hallte ein einzelner, lauter Schuss durch das Tal.


Alle saßen sie erschöpft am Lagerfeuer und wärmten ihre Körper am Lagerfeuer. In der Nacht zuvor hatte es stark gestürmt und so hatten sie sich am Tag darauf durch vierzig Zentimeter tiefen Neuschnee kämpfen müssen. So waren sie an diesem Tag nur zehn Kilometer weit gekommen und alle reichlich enttäuscht von ihrer Tagesleistung.

Lorkan, der schon den ganzen Nachmittag über Schmerzen in seinem rechten Fuß geklagt hatte, zog mit schmerzverzerrtem Gesicht den Stiefel aus und hielt den Fuß nahe ans Feuer. Als der Fuß des Bolianers im Licht der Flammen zu sehen war, erregte das Sams Aufmerksamkeit. Er kniete sich neben den Techniker und betrachtete genau den Fuß. Dann meinte er wütend: „Erfierungen…dein großer Zeh ist abgefroren! Ich hab euch doch gesagt, dass ihr nach jedem Marsch die Stiefel und Socken wechseln sollt und die getragenen Sachen am Feuer trocknen müsst!“

„Eine Erfierung?“, fragte der Arzt erstaunt, stand auf und kniete sich ebenfalls zum Fuß des Bolianers hin. Er untersuchte den Fuß sogleich mit seinem medizinischen Tricorder, der die Diagnose des Mushers bestätigte. In dem Rucksack mit der medizinischen Ausrüstung suchend, sprach er: „Ich weiß nicht genau, aber vielleicht könnte ich da etwas machen. Mit etwas Glück…“

Doch Sam achtete nicht auf die Smiths Worte, stand auf und holte einige Gegenstände von seinem Schlitten. Er legte ein langes Stück Eisen tief in die Glut des Feuers und trat dann mit einer Flasche Hochprozentigem in der einen und einem Beil in der andern Hand vor Lorkan und den immer noch im Rucksack wühlenden Mediziner: „Der Zeh muss ab!“

„WAS? Nein, nein… bitten nur das nicht, es geht doch auch anders, oder?“, flehte der Bolianer verzweifelt, abwechselnd Sam und Smith anschauend. Erschrocken schaute der Mediziner zu Sam auf und meinte: „Was sind denn das für mittelalterliche Methoden? Sind sie denn verrückt?“

„Der Zeh muss ab! Oder das ganze Bein stirbt nach und nach ab!“, unterbrach gab der Abenteuer zurück. Lew ging dazwischen und fragte Sam: „Gibt es keine wirklich keine andere Möglichkeit?“

„Nein.“, war die knappe Antwort. Der Mediziner schaute entschuldigend zu Lorkan und meinte dann mit einem enttäuschten Tonfall: „Ich sag es nicht gerne… aber ich glaube Sam hat Recht. Die medizinische Ausrüstung reicht nicht aus, dass ich…“

„Hier, trink die Flasche wenigstens bis zur Hälfte aus, am besten ganz.“, unterbrach Sam den Arzt, als er Lorkan die Flasche mit dem Schnaps hinhielt. Der Arzt schaute entsetzt auf die Flasche, zog dann ein Hypospray aus dem Medikit und meinte dann leicht empört: „Besser ein Hypospray und nicht dieser Fusel…“

„Wie ihr wollt…“, meinte Sam achselzuckend, legte das Beil beiseite und nahm selbst einen Schluck aus der Schnapsflasche. Er setzte sich neben das Feuer und kontrollierte in gewissen Abständen immer wieder das Eisen. Lew und Smith nahmen einen der größeren Taschen, damit sich Lorkan zurück lehnen konnte, dem Angst und Schrecken ins Gesicht geschrieben standen. Als das im Feuer liegende Ende des Eisens gelblich glühte, nahm Sam es heraus und legte alles griffbereit neben Lorkan. Dann kniete er vor den Bolianer hin und Smith verabreichte dem Patienten das Hypospray, der daraufhin auf die große Tasche zurück sank.

„Ihr müsst ihn festhalten, egal was das für ein Mittel ist, er wird sich krümmen vor Schmerzen.“, meinte Sam zu Lew und Smith und beide knieten daraufhin zur Linken und zur Rechten von Lorkan. Der Pilot hielt ihn mit festem Griff fest und der Arzt drückte ihn mit seinem gesunden Arm zurück auf die improvisierte Rückenlehne. Sam kniete mit einem Bein auf den gesunden Fuß des Bolianers und winkelte das Bein mit dem kranken Fuß an. Er stellte den Fuß auf ein flaches Stück Holz als Unterlage und hielt das Bein mit festem Griff. Dann hob er das Beil und schaute die beiden anderen fragend an: „Bereit?“

Nach der knappen Antwort schlug Sam das Beil auf den großen Zeh hinunter. Als das Beil den großen Zeh vom Fuß trennte, fing Lorkan an wild zu zucken, so dass Lew und Smith ihn mit aller Kraft auf die Rücklage zurück pressen mussten. Von der ganzen Operation war nur ein dumpfes knacken zu hören gewesen und der große Zeh war daraufhin in den Schnee gerollt. Schnell griff Sam das Eisen und presste das glühende Ende in die blutende Wunde. Die unglaublichen Schmerzen führten bei Lorkan trotz des Schmerzmittels dazu, dass er die Augen aufriss und die beiden anderen Offiziere ihn wieder mit aller Gewalt fest halten mussten. Die Muskeln des Bolianers zuckten und wenn die beiden anderen Offiziere gewesen wären, hätte er mit Armen und Beinen wild um sich geschlagen.

Als die Wunde durch das glühende Eisen verschlossen war, leerte Sam noch etwas Schnaps darauf, verband den Fuß mit weißem Verbandszeug und stülpte eine dicke Socke darüber. Mit dem Messer schnitt er einen von Lorkans trockenen Stiefel etwas auf, damit er über den verbundenen Fuß passte und klebte das ganz mit Klebeband wasserdicht ab.

Als er mit der Operation fertig war, stand Sam wieder auf und nahm einen weiteren kräftigen Schluck aus der Schnapsflasche. Er schaute auf den bewusstlos da liegenden Bolianer, schüttelte den Kopf und grummelte verärgert: „Verdammtes Greenhorn. Ich hab doch gesagt, dass ihr auf mich hören müsst, wenn ihr durchkommen wollt.“

Gomez, der bisher das ganzen schweigend und ungläubig beobachtet hatte, wurde nun kreidebleich, wandte sich von dem Bild ab und ging in die Knie. In dieser kauernden Stellung würgte er eine Weile vor sich hin und übergab sich dann lange in den Schnee. Während Smith und Lew sich weiter um den bewusstlosen Lorkan kümmerten, fing Sam an die Sachen zusammen zuräumen und bemerkte dabei: „Die nächsten zwei Tage kann er auf dem Schlitten mit fahren, ihr müsst aber den Schlitten mit ziehen. Alleine packen das die Hunde nicht mehr.“


Die Stille war kaum zu ertragen, als sie sich mühsam durch den Neuschnee kämpften. Unterbrochen wurde diese unheimliche Stille nur von dem knirschen des Schnees unter den Schneeschuhen und dem hecheln der Hunde die angestrengt den Schlitten zogen.

Drei Tage waren nun vergangen seit Lorkan seinen Zeh verloren hatte und auf Anweisung von Sam musste er inzwischen wieder zu Fuß gehen. Er ging dem kleinen Tross voraus und zog die Spur für den Schlitten, während Lew und Gomez mit den Hunden den Schlitten zogen. Smith ging wie immer neben Sam nebenher, der den Schlitten schob.

Es war fast Mittag, als die Huskies plötzlich stehen blieben und alle auf den Wald zu ihrer Linken gerichtet laut knurrten und bellten. Die Hunde legten die Ohren an und fletschten unter aggressivem Knurren die Zähn. Sam rief den Tieren einige Befehle zu, doch diese reagierten nicht darauf und bellten Sprungbereit weiterhin den Wald an. Daraufhin steckte Sam den Schneeanker des Schlittens in den Schnee und ging, das Gewehr schussbereit in die Hüfte gestemmt einige Meter vom Schlitten weg auf den Wald zu. Er versuchte durch die Baumwipfel etwas zu erkennen, grummelte etwas und legte kurz das Gewehr an. Aber bald legte er wieder ab und schimpfe vor sich hin, als ob er etwas gesehen hatte.

„Was ist los Sam?“, wollte Lew wissen, als der Musher wieder das Gewehr schulterte und zum Schlitten zurückging. Dieser antwortete: „Wir werden von einem Grelnak verfolgt!“ „Ein Grelnak?“, fragte Gomez halb staunend, halb ängstlich. Sam deutete mit dem Kopf in Richtung Wald und erklärte: „Ein Grelnak ist ein Raubtier. Größer als jedes Pferd und breiter und stärker als jeder Grizzly Bär. Ein Monster von einem Tier.“

„Und was bedeutet das jetzt für uns?“, wollte Lorkan wissen. Sam machte ein besorgtes Gesicht und erklärte: „Für die Jahreszeit ist es viel zu nördlich. Wahrscheinlich ein altes oder krankes Tier, das den Felnik-Herden nicht mehr in den Süden folgen konnte. Wir sind im Umkreis von hundert oder mehr Kilometern sicher die einzige Beute für das Vieh.“

„Es wird uns also angreifen?“, fragte Lew daraufhin besorgt und die anderen drei Sternenflottenoffiziere schauten sich ängstlich an. Mit einem abschätzigen Gesicht, meinte der Gefragte: „Früher oder später, ja. Diese Tiere sind eigentlich sehr scheu Menschen gegenüber eher scheu. Aber sobald sein Hunger größer wird als seine Furcht, wird er uns angreifen.“

„Und was sollen wir jetzt tun?“, fragte Smith verzweifelt in den Wald starrend. Sam nahm sein Gewehr von der Schulter und legte es in den Schaft am Schlitten. Dann schaute er seine vier Begleiter an und meinte: „Aufmerksam sein und die Waffen bereit halten. Ab sofort werden wir nicht mehr so nah am Wald kampieren und um unser Lager in einem Abstand von hundert oder zwei hundert Metern einen Ring aus kleineren Feuern errichten. Irgendwann wird er zu schlagen und dann heißt es: Er oder wir…“


Lew hatte gerade seine Runde um die kleineren Lagerfeuer beendet und legte nun auch am Lagerfeuer Holz nach. Die anderen schienen tief und fest zu schlafen, erschöpft von den Strapazen des Tages. Auch er war müde und abgekämpft gewesen und als Sam ihn für seine Wache geweckt hatte, war der Schleier des Schlafes nur schwer von ihm abgefallen.

Der kleine Ring aus Lagerfeuer um sie herum erhellte die tiefschwarze Nacht einwenig und vermittelte zumindest ein gewisses Gefühl von Sicherheit. Zumindest konnte man erkennen, sobald sich etwas ihrem Lager nähern sollte.

Die Stille dieser Wildnis war nachts noch unheimlicher und bedrohlicher. Mit dem Wissen über den Grelnak irgendwo da draußen verband sich die Stille mit der Dunkelheit zu einer unbestimmten aber allgegenwärtigen Gefahr. Jeder kleine Laut der diese stille Dunkelheit durchbrach lies einen Aufhorchen und den Puls höher schlagen ob der Befürchtung eines Angriffs durch das Raubtier.

Doch bisher hatte sich jeder Laut, den Lew vernommen hatte, als Fehlalarm entpuppt. Oft war er mit Schussbereitem Phaser da gestanden, hatte mit der Taschenlampe in die Nacht geleuchtet und aufmerksam weiter gehorcht. Aber nie war etwas geschehen und er hatte nur vermuten können, dass wieder Schnee von einem der Bäume gefallen war oder eine andere harmlose Geräuschquelle ihn erschreckt hatte.

Lew schaute auf seine Uhr und weckte dann Gomez, der nun die nächste Wache zu übernehmen hatte. Schweigsam richtete sich der junge Mann auf und rieb sich die Augen. Dann schaute er mit verwirrtem Gesichtsausdruck um sich um dann eine Miene anzunehmen, als ob er erschreckt feststellte, dass die letzten Tage kein Traum gewesen war.

Als Gomez einen einigermaßen gefassten Eindruck machte, sagte Lew: „Du bist dran Junge. Ich habe Holz nachgelegt. Vielleicht solltest du in einer halben Stunde oder so, wieder Holz auf die Feuer legen. Aber erstmal brennen sie recht ordentlich. Erschreck nicht gleich bei jedem Geräusch, aber pass auf und sei Wachsam. Im Zweifelsfall weckst du uns aber besser.“

Der Ensign nickte nur, zog seinen Phaser und begab sich auf seinen einsamen Rundgang um das Lager herum. Lew schaute dem Jungen noch einmal hinter her, zog dann aber den Kragen seines Pullovers hoch, die Mütze tief ins Gesicht und darüber die Kapuze seines Overalls. So eingemummt lehnte er sich auf seinen Rucksack zurück und schlief sofort erschöpft ein.


In seinem Quartier auf Arktis-3 herrschte große Unordnung und Chaos. Die Schreibtischlampe leuchtete in einer eigentümlichen Farbe mitten in den Raum und hinter dem Fenster breitete sich eine tiefe Schwärze aus, ohne dass die sonst so funkelnden Sterne zu sehen wären. Lew ging zur Tür, die sich nur langsam öffnete und als er durch sie hindurch gegangen war, stand er im Flur seines Elternhauses. Von unten hörte er die Stimmen seines Vaters und seiner Mutter aufgeregt diskutieren. Er sah sich die Treppe zur Wohnzimmertür hinunter gehen, beobachtete sich dabei, wie er die Tür öffnete und hindurch trat und dahinter Meter tief im Schnee versank.

Lautes Hundegebell und Schüsse waren es, die ihn wieder aus dem Schlaf rissen. Es dauerte einige Sekunden bis er nach der ersten Verwirrung nach dem Aufwachen wieder wusste, wo er sich befand. Dann griff er instinktiv zu seinem Phaser und stand auf. Im flackernden Licht des Lagerfeuers erkannte er, dass auch die anderen drei Offiziere mit gezückten Phasern aufgestanden waren und nun gespannt in die Dunkelheit starrten. Wieder waren Schüsse zu hören und sie sahen in einiger Entfernung die Mündungsfeuer von Sams Projektilwaffe. Sie rannten in die Richtung in der sie Sam wähnten und leuchteten mit ihren Taschenlampen suchend umher. Sie sahen wie der alte Abenteurer wahllos in die Dunkelheit schoss und brüllte: „Du dreckiger Bastard. Das wirst du mir büßen! Ich bringe dich um du scheiß Vieh!“

„Was zum Teufel ist los Sam?“, schrie Lew gegen den Lärm der Schüsse an. Wie aus seinem Wahn gerissen, hielt Sam inne und meinte dann wütend, als er sein Gewehr wieder schulterte und sich zu ihnen um drehte: „Der Grelnak hat einen meiner Hunde gerissen.“

Sam stapfte zu Gomez und brüllte ihn an: „Du bist auf deiner Wache eingeschlafen und zwei der kleinen Lagerfeuer sind abgebrannt. Da hat sich dieses Mistvieh näher an unser Lager getraut und sich einen der Hunde geschnappt! Ausgerechnet einen der kräftigsten den wir noch hatten! Am liebsten würde ich dich ungespitzt in den Boden rammen!“

Schimpfend und wüste Flüche in die Dunkelheit brüllend, ging Sam voran zurück zum Lager, die anderen hinten drein. Lew ging zu Gomez hinüber, der niedergeschlagen hinterher trottete. Er klopfte dem jungen Ensign tröstend auf die Schulter: „Mach dir keinen Kopf Junge. Ist Scheisse gelaufen, aber Scheisse passiert nun Mal. Dieses Mal ist es halt dir passiert.“

Eigentlich war es ein unverzeihlicher Fehler gewesen, dem Gomez unterlaufen war. Aber was sollte Lew tun? Ihn in einer Standpauke zusammen zu stauchen würde nichts bringen und ihnen allen nicht weiter helfen. Selbstvorwürfe würde sich der Ensign ohnehin machen.


Den toten Kadaver hinter sich herschleifend ging Sam auf das Gerüst zu, das ungefähr in der Mitte des kleinen Steinbruchs stand. Er hatte das kleine Tier aus einer kleinen Höhle unter einem Baum hervorgeholt, wo es seinen Winterschlaf gehalten hatte. Mit einem Schlag mit dem Beil auf dessen Kopf war das Tier getötet und dann mit aufgeschnittenen Magen über den Boden das ganze kleine Tal hinauf geschleift worden. Hier in diesem natürlichen Steinbruch hatten sie ihre Falle für den Grelnak eingerichtet, den Sam nun endgültig los zu werden wollte.

Sam kletterte auf die Konstruktion, die sie zuvor aus kleinen Baumstämmen gebaut hatten, und band den Kadaver oben fest. Als er herunter kletterte erklärte er den drei Sternenflottenoffizieren: „Also, wir werden uns hinter diesen Steinen und Baumstämmen verstecken. Wenn der Grelnak hier auftaucht wird er sich auf seinen Hinterbeinen aufrichten um an den Alnik zu kommen. Auf mein Zeichen feuert ihr alle auf seine Brust.“

Während er noch zu der tiefen Mulde hinüber ging, wo die Hunde und der Schlitten versteckt waren, meinte er: „Denkt daran. Im Bereich seiner Brust ist er am verwundbarsten. Ansonsten noch der Kopf. Beim Rest werden selbst eure Phaser zu lange brauchen um ihn fertig zu machen.“

Er fing an, den Hunden mit Lederriemen das Maul zu verbinden, damit sie keinen Laut von sich geben konnten. Während er das gegen das Sträuben der Hunde tat, wies er Gomez und Smith an: „Ihr haltet die Hunde fest. Sie dürfen auf keinen Fall los kommen und auf den Grelnak los stürmen.“

„Alles klar.“, entgegnete Smith und begann zusammen mit Gomez den Schlitten mit Reisig ab zu decken. Als Sam allen Hunden einen improvisierten Maulkorb angelegt hatte, legten sich Smith und Gomez in die Mulde und hielten die Hunde an ihren Leinen fest. Sam packte sein Gewehr, ging auf Lew und Lorkan zu, dann meinte er zu beiden: „Der Wind steht gut. Der Grelnak wird uns nicht riechen können wenn er das Tal rauf kommt. Jetzt müssen wir warten.“


Sie warteten nun schon über drei Stunden darauf, dass der Grelnak in ihre Falle lief. In der Zeit war es merklich kälter geworden und ein eisiger, schneidender Wind hatte eingesetzt, der direkt in das kleine Tal blies, in dem sie ihre Falle eingerichtet hatten. Lew lugte von seinem Versteck aus hinüber zu Gomez und Smith, die in der Senke lagen und die Hunde festhielten. Die Tiere waren bisher seelenruhig dagelegen, hüpften nun aber aufgeregt auf der Stelle und die beiden Sternenflottenoffiziere hatten ihre Mühe zu verhindern, dass sich die Hunde los rissen und davon stürmten.

Ein lautes Grummeln war hinter Biegung des Tales zu hören und als Lew vorsichtig hinter dem Steinbrocken vorschaute, sah er wie der Grelnak hinter einigen Büschen langsam hervor kam. Zum ersten Mal konnte er das Tier richtig sehen. Sam hatte nicht untertrieben, das Tier war tatsächlich größer als ein Pferd und massiger wie ein Grizzly. Es hatte einen unheimlich großen Schädel und aus dem riesigen Oberkiefer traten zu beiden Seiten massive Schneidezähne hervor. Es war ein furcht einflößendes Urtier, das man sich nicht schlimmer hätte ausdenken können.

Das Tier folgte der Blutspur, lies dann aber davon ab und schien sich nicht um den Köder an dem Gestänge zu kümmern. Stattdessen zögerte es, ging nervös unter brüllenden Lauten immer wieder um die Stelle herum, also ob es sich instinktiv der Gefahr bewusst war. Sams Plan schien nicht aufzugehen. Auf einmal sah Lew aus dem Augenwinkel, wie Sam sich hinter seinem Versteck auf richtete und mit dem Gewehr auf die Bestie zielte. Er begann auf das Tier zu feuern und schrie dabei: „Schießt verdammt noch mal, schießt was ihr könnt.“

Die Schüsse des Mushers verfehlten jedoch den Schädel des Grelnak und bohrten sich stattdessen in sein Fleisch zu beiden Seiten. Durch Sams Schüsse kaum beeinträchtigt aber in eine rasende Wut hinein provoziert rannte das Tier unter lautem Gebrüll auf den Schützen zu. Lew und Lorkan sprangen nun ihrerseits auf und begannen mit ihren Phasern auf den Rücken des Tieres zu feuern, doch auch von den Treffern der Energiewaffen schien das Tier nicht weiters beeinträchtigt zu werden, denn immer noch rannte es auf den verzweifelt schießenden Sam zu. Als das Tier direkt vor Sam angekommen war, hob es seine riesige Pratze und schlug nach Sam, der hart auf den Boden aufschlug.

Lew erkannte, dass er nur auf eine Weise Sams Leben retten konnte und rannte los. Mitten auf dem freien Feld feuerte einen weiteren Schuss auf den Grelnak ab und fuchtelte mit seinen Händen während er laut schrie: „Hier bin ich, du Mistvieh. Los, hier bin ich.“

„Was machst du da Lew?“, rief Lorkan entsetzt: „Komm zurück, das Ding wird dich in Stücke fetzen!“

Doch Lew lies nicht ab, hüpfte auf der Stelle auf und ab, gestikulierte wild mit den Armen und versuchte die Aufmerksamkeit des Tieres auf sich zu richten. Mit markerschütternden Gebrüll drehte sich das Tier zu ihm um, aber nun rannten die Hunde mit gefletschten Zähnen und angelegten Ohren unter lautem Gebell auf die Bestie zu. Sie hatten sich offenbar losgerissen und sich ihrer Maulbinden entledigen können. Der voran stürmende Hund sprang in einem hohen Bogen auf das wilde Tier zu, wurde aber noch im Sprung von der riesigen Pratze des Grelnaks getroffen und zur Seite geschleudert. Winselnd blieb das Tier blutüberströmt auf dem Boden liegen. Der zweite Husky kam erst gar nicht dazu, sein Opfer anzuspringen, denn mit einem weiteren Prankenhieb hatte die Bestie seinen Angreifer noch auf dem Boden tödlich verletzt. Vom Tod ihrer Artgenossen gewarnt, begaben sich die beiden verbliebenen Hunde auf Abstand und gingen langsam, in drohender und abwartender Haltung um das Tier herum.

Wieder fing Lew an mit Lauten und Bewegungen die Aufmerksamkeit des Grelnaks auf sich zu richten. Von weiteren Schüssen in noch schlimmere Raserei gebracht, stürmte das Tier auf den Piloten zu. Lew zielte auf den Kopf des Tieres, verfehlte ihn aber mehre Male. Wie das massige Tier auf ihn zu gerannt kam, überkam Lew ein in diesem Ausmaß ungekanntes Gefühl der Angst und der Panik. Noch nie hatte er sich so gefürchtet, wie in diesem Moment als dieses riesige Monster auf ihn zu gerannt kam.

Lew machte vor Angst einige Schritte nach hinten, stolperte, fiel auf den Rücken und verlor seinen Phaser aus der Hand. Er sah wie der Grelnak vor ihm mit seiner großen Pratze ausholte und diese auf ihn nieder fahren lies. So schnell er konnte drehte er sich zur Seite, doch die Pranke streifte noch knapp seinen Rücken und die Krallen rissen blutende Wunden in seine Haut. Das Tier richtete sich auf seine Hinterbeine auf und hob seine Pranken, diesen Moment nutzend sprangen nun die beiden verbliebene Huskies auf das Tier. Einer der Hunde sprang auf den Rücken der Bestie, der andere verbiss sich in dessen Kehle. Der Grelnak schüttelte seinen massigen Köper und so gelang es ihm den Hund an seiner Kehle abzuwerfen, den er anschließend mit einem einzigen Schlag tödlich getroffen von sich schleuderte. Nun wandte sich das Tier wieder Lew zu, immer noch auf den Hinterläufen stehend lies er seine Pranken auf den auf dem Boden liegenden Piloten niederfahren. Gerade als Lew davon überzeugt war, dass dies sein Ende sei, bohrten sich drei Phaserstrahlen in die Brust des Grelnaks und tief in dessen Fleisch. Als die die Phaserstrahlen nach einigen Minuten abbrachen, sank die Bestie leblos in sich zusammen und fiel mit seinem schweren Leib auf Lew hinab. Dieser konnte sich in allem letzten Moment ein weiteres Mal zur Seite rollen, wurde aber dennoch unter einem der Vorderläufe des Tieres begraben.

Allein die Pranke des Tieres war so schwer, dass er nicht mit eigener Kraft aufstehen konnte. So auf dem kalten Boden liegend, sah er wie Gomez und Smith auf ihn zu gerannt kamen, der hinkende Lorkan hinter ihnen her. Sie wuchteten den Arm des toten Grelnaks beiseite und halfen dem verletzten Lew auf, der unter dem Schock schwer atmend nur eineinziges Wort hervorbringen konnte: „Scheisse“


„Sam, du kannst nicht drauf gehen!“, schimpfte Lew dem verletzten Musher entgegen, der röchelnd auf dem Boden lag. Der Arzt hatte ihn so gut es gegangen war mit dem Medikit versorgt, doch er hatte wenig Hoffnung für dessen Überleben bekundet. Sam lächelte schief und schaute nach links, wo sein letzter verbliebener Hund saß. Dann meinte er: „Ihr werdet es schon schaffen. Mein Leithund ist euch immer noch geblieben. Er ist ein zäher und schlauer Bursche. Er wird euch schon durch bringen.“

„Verdammt. Wie sollen wir in dieser Hölle überleben ohne dich?“, schrie Lew verzweifelt. Der Latinumschürfer deutete auf seinen Schlitten und sprach unter schwerem Atem: „Vorne in der Tasche ist die Landkarte. Versucht mit euerm Ding so nah wie möglich an die Station zu kommen und dann könnt ihr einen Notruf absetzten.“

Lew stand auf und ging gefolgt von Gomez und Lorkan hinüber zur Mulde, wo immer noch der Schlitten stand. Schnell entfernte sie das Reisig das den Schlitten bedeckte und Lew zog die Landkarte aus der Tasche. Daneben legte er den Tricorder und begann die Daten mit einander abzugleichen. Der Ensign und der Techniker standen daneben und schauten stumm zu wie Lew die Karte studierte.

„Wir müssten hier sein.“, sagte Lew nach einiger Zeit und deutete auf die Linie die die Route markierte: „Ohne Hunde für den Schlitten, so verletzt und erschöpft wie wir sind, schaffen wir die Strecke nie…“

„Was sollen wir dann tun?“, fragte Lorkan, während der junge Ensign die beiden angsterfüllt anstarrte. Lew deutete auf der Karte auf die Abbildung des Bergmassivs: „Hier, von dieser kleineren, etwas vor gelagerten Bergkette aus sind es bis zu Station ungefähr dreihundert Kilometer bis zu Station. Von dort aus müsste es mit dem mobilen Sender klappen?“

„Wir müssen auf die Berge steigen?“, meldete sich der Ensign erschrocken zu Wort. Lew schüttelte den Kopf und meinte: „Nein. Nur zwei mit etwas Ausrüstung und dem Sender. Für die anderen bauen wir eine provisorische Unterkunft wo sie auf die Rettung warten können.“

„Wer sollen denn die zwei sein?“, fragte der Bolianer skeptisch. Lew schaute zu Smith mit seinem gebrochenen Arm hinüber, der immer noch den verletzten Sam behandelte. Smith musste unbedingt hier bleiben, um Sam noch so lange am Leben zu halten bis Rettung kam. Dann betrachtete er Ensign Gomez. Der junge Kerl, obwohl bisher unverletzt, machte von allen am meisten den Eindruck, abgekämpft und völlig erschöpft zu sein. Als er wieder zu Lorkan schaute, sagte Lew: „Wir zwei. Du bist der Techniker der mit dem Gerät am besten umgehen kann und wir sind beide noch einigermaßen bei Kräften. Wir bauen für die drei eine kleine Hütte und brechen dann anschließend sofort mit dem Hund auf.“


Ein peitschender Wind wehte ihnen kalt entgegen und sie mussten sich anstrengen um gegen die Böen anzukommen. Längst hatten sie die Baumgrenze hinter sich gelassen und wanderten auf kahlem Steinboden wo sie ihre Schneeschuhe nicht mehr gebrauchen konnten. Vor zwei Tagen hatten sie das Lager verlassen und wussten nicht, wie es den Zurückgebliebenen ging, denn ohne intaktes Hauptsystem funktionierten auch die Komunikatoren nicht. Der Hund hatte sie gut durch die Wälder, vorbei an gefährlichen Stellen gelotst und nun kämpften sie sich gemeinsam mit dem Tier vorwärts auf einem Schnee umwehten Boden.

Beide hatten sie ihr Gesicht so eingemummt, dass nur ein kleiner Schlitz für ihre Augen übrig geblieben war. Immer wieder wischten sie sich Schneekörnchen von der Brille um überhaupt etwas sehen zu können. Lew griff nach seinem Tricorder und versuchte ihre Position zu bestimmen. Dann zeigte er über einen Geröllhaufen hinüber zu einer Bergkuppe, die direkt vor dem großen Gebirgsmassiv lag. Gegen den Wind anschreiend, erklärte er Lorkan: „Noch sind wir nicht nah genug. Wir müssen auf diesen Berg da drüben.“

Lorkan nickte nur und begann als erstes über einige kleinere Felsen auf das Geröllfeld zu klettern. Ihm folgend kämpfte sich auf Lew über das Geröll und als er oben angekommen war, überblickte er zum ersten Mal das gesamte Geröllfeld. Es zog sich mehrere hundert Meter weit bis zum nächsten Anstieg. Wenn sie den Berg erreichen wollten, um ihren Notruf abzusetzen, mussten sie das Hindernis in seiner gesamten Breite überqueren.

Langsam und vorsichtig kämpften sie sich in dem schwierigen Terrain vorwärts. Immer wieder mussten sie halt suchen und gefährliche Stellen auf allen Vieren überqueren. Der Hund ging ihnen voran und Lorkan folgte ihm mit dem mobilen Sender auf dem Rücken, dahinter Lew mit dem Rucksack voll mit Notrationen und anderer Ausrüstung.

Lew hielt sich an der Kante eines großen Felsbrockens fest und machte einen weiteren Schritt vorwärts. Doch der Stein unter ihm gab nach und er rutschte augenblicklich weg. Durch Ruck verlor er den Halt am Felsen und fiel. Er rollte einige Meter den Abhang hinunter, sich immer wieder überschlagend, bis er von einem größeren Brocken gebremst wurde. Schwer atmend und im ersten Moment gelähmt von den Schmerzen blieb Lew auf dem eiskalten Untergrund liegen und starrte hinunter ins Tal. Dann sah er Lorkan über sich auftauchen und daneben der Husky. Der Bolianer beugte sich zu ihm hinunter: „Alles in Ordnung?“

„Der Ausblick ist wunderbar, aber ansonsten geht’s mir beschissen.“, entgegnete Lew in einem kurzen Anflug von Galgenhumor, bis er sich darüber bewusst wurde, was der Sturz für ihn bedeuten konnte. Lorkan tastete Lew ab und als seine Hand Lews linkes Bein berührte, schrie er vor unglaublichen Schmerzen auf.

„Gebrochen.“, war die knappe Erklärung des Technikers. Lew schaute auf und sah wie sein linkes Bein stark verdreht abstand. Beim Anblick wurde es ihm schlecht und er musste sofort wegschauen, um sich beherrschen zu können. Auch am restlichen Körper spürte er unglaubliche Schmerzen von blutenden Wunden. Lorkan gab ihm ein Hypospray aus dem Medikit, versorgte die Wunden und verband die aufgerissenen Stellen von Lews Kleidung mit Stofffetzen zum Schutz vor der Kälte. Dann fragte er: „Was sollen wir jetzt machen?“

„Nimm den Hund und geh weiter.“, meinte der Pilot und reichte Lorkan seinen Tricorder und einige Ausrüstungsgegenstände aus seinem Rucksack: „Jetzt hängt alles an dir. Du musst durchkommen, sonst gehen wir alle drauf.“

Der Bolianer schaute besorgt, und wollte zum Widerspruch ansetzten, sah dann aber offensichtlich ein, dass Lew recht hatte. Schweigend packte er die von Lew erhaltenen Sachen ein und meinte: „Halt durch. Schlaf ja nicht ein und nimm nicht zu viel von den Schmerzmitteln, denn der Schmerz hält dich wach. Gib nicht auf. Ich sorg dafür, dass sie gleich jemanden zu dir schicken.“

Mit diesen Worten wandte er sich um und ging mit dem Hund los. Lew sah die beiden noch zwischen einigen Felsen verschwinden, dann war er allein. Nur der Wind blies unablässig in einem lauten Pfeifen und das sich wie das Wehklagen toter Seelen anhörte. Es war als ob die unerbärmliche Natur dieses Planeten zu Lews Todengesang abgeklungen hätte.


Vor Kälte zitternd starrte Lew ins Leere. Seine Uhr war stehen geblieben und er selbst hatte jedes Zeitgefühl verloren. Als er das letzte Mal die Uhrzeit hatte ablesen können, war Lorkan bereits über vier Stunden fort gewesen. Wie viel Zeit inzwischen nun vergangen war, konnte er nicht einmal grob einschätzen. Es konnten zehn Stunden sein, vielleicht aber auch nur fünf Minuten. Die Stille und Leere der Wildnis um ihn herum hatten ihn ganz erfasst und er war in eine Lethargie verfallen, die mehr und mehr von ihm Besitz ergriff.

Durch seine Verletzung hatte er nicht umher laufen können, um in Bewegung zu bleiben und so war er gezwungen gewesen, vor dem Felsen sitzend auszuharren. Als ein kurzer, aber schwerer Schneesturm aufgezogen war, hatte er sich gerade noch in den Windschatten des Felsens schleppen können. Seither saß er nun an dem kalten Stein gelehnt und starrte ins Nichts. Es fehlte ihm der Antrieb zu jeder noch so kleinen Bewegung. Der Schneesturm war längst abgeklungen und es wehte nicht einmal ein lauer Wind, doch Lew kam nicht aus seiner Lethargie heraus. So leer die Wildnis um ihn herum war, so leer fühlte er sich in seinem Inneren. Langsam und träge schritten seine Gedanken voran, genauso zäh wie die Sekunden zu verstreichen schienen. Als ob jemand den Ablauf der Zeit verlangsamt hatte, gingen ihm die wenigen Gedanken, zu denen er noch fähig, war schleppend und zäh durch seinen Kopf.

Gerade zu mühsam kämpfte er sich zu einem Entschluss hindurch. Es war wie ein letzter kleiner Funke einer bewussten Entscheidung im Dunkel seiner Lethargie. Zitternd und in Zeitlumpentempo wanderte seine rechte Hand zu seiner linken Hüfte, wo sein Phaser im Halfter steckte. Mit schwachem Handgriff umfasste er die Waffe und zog sie genauso langsam zu sich herauf. Er hielt sich die Anzeige direkt vor die Augen und überprüfte die Einstellung. Die Energiezellen waren aufgrund der Kälte fast leer, doch für einen letzten tödlichen Schuss würde es noch reichen und den wollte er nicht vergeuden.

Lew hielt den Lauf des Phasers unter sein Kinn. Mit zittrigem Daumen suchte er den Auslöseknopf und schloss die Augen. Dann spürte er einen Schlag auf seine Hand und sein Phaser fiel ihm aus der Hand. Er öffnete die Augen und schaute langsam auf und sah zwei Männer in Sternenflottenuniform vor sich stehen. Zu erst glaubte er zu halluzinieren, es musste ein Streich sein dem ihn sein Verstand spielte. Aber war es möglich, dass eine Halluzination einem die Waffe aus der Hand schlagen konnte? Dann sah er wie der Husky auf ihn zu lief, ihn beschnupperte und er spürte wie das Tier mit der Pfote auf seiner Brust kratzte. Es war Real und er war noch am Leben.


Sechs Monate später

Ein für diesen Planeten geradezu warmer Sommerwind wehte durch die Baumwipfel bei der abgebrannten Blockhütte in den Bergen. Der kurze Sommer hatte das Tal für zwei Monate von Schnee und Eis befreit. Das Grün der Pflanzen und die Geräusche der verschiedensten Tierarten ließen für einen Moment vergessen, dass an diesem Ort sonst eisiger Frost regierte und alles Leben bedrohte.

Ein letztes Mal waren sie alle vereint, die vier Offiziere des Shuttleabsturzes vor sechs Monaten. Sie hatten so eben einem Freund die letzte Ehre erwiesen und ihn auf seinem letzten Weg begleitet. Vor ihnen lag der frische Grabhügel mit dem großen Findling, der nun als Grabstein diente. Die Inschrift ‚“Sam“ Samuel McKoon’ stand in großen Buchstaben eingraviert und darunter etwas kleiner das Geburtsdatum und Todestag des alten Latinumschürfers von Liat IV.

Sam hatte seinen Todeskampf nicht überstanden und war in der kleinen Hütte der Zurückgebliebenen noch vor der Ankunft des Rettungsteams gestorben. Lorkans mühevoller Kampf bis zur Kuppel des Berges hatte ihn und die anderen drei Sternenflottenmitglieder vor dem Tod bewahrt, für Sam war es aber zu spät gewesen.

Nach den Tagen der Strapazen und in der Obhut des Personals der Jack London Station hatte sie mehr über diesen Mann erfahren. Samuel McKoon war ein Glücksritter gewesen, ein junger Draufgänger der sich als Schmuggler und Dieb durchs Leben geschlagen hatte und dann, nach der Entdeckung der Latinumvorkommen auf Liat IV, als Abenteurer in der Wildnis sein Glück versucht hatte. Reich war er dabei nie geworden, doch er hatte in der rauen und abweisenden Natur eine Heimat gefunden und war zum Einsiedler geworden, der jeden unnötigen Kontakt mit anderen Personen gemieden hatte.

Ensign Gomez, Lieutenant Lorkan, Lieutenant Smith und Lieutenant Lew hatten ihm ihr Leben zu verdanken, denn ohne ihn wäre sie sicher schon in den ersten Tagen nach ihrem Absturz jämmerlich gestorben. Nur durch ihn hatten sie gelernt, in dieser eisigen Hölle zu überleben. Sie hatten es als ihre moralische Pflicht gesehen, diesem Mann seinen letzten Wunsch zu erfüllen und ihn auf seinem Claim zu bestatten. Aber erst jetzt, in der kurzen Zeit des Sommers auf Liat IV hatten sie diese Pflicht einlösen können. Ohne große Worte, genauso wie es Sam wohl gewollt hätte, hatten sie seinen Leichnam im Boden seiner Wahlheimat bestatten.

Immer noch stand Lew still und in Gedanken versunken vor dem Grab, sich an die Ereignisse in jenen Tagen erinnernd. Er hatte gar nicht gemerkt, dass seine drei Begleiter bereits zum Transportglider zurückgekehrt waren. Ihr rufen riss ihn aus seinen Gedanken.

„Los Lew. Wir müssen los, in einer halben Stunde fliegt der Frachter ab.“, hörte er Lorkan rufen. In jenen Tagen waren die sich vorher fremden Offiziere schnell zum persönlichen Du gewechselt, denn der Überlebenskampf hatte sie zusammen geschweißt. Lew drehte sich um und der Husky, der einzige überlebende von Sams Hunden, saß immer noch still neben ihm. Als Lew auf den Transportglider zuging, rief er dem Hund zu: „Auf Attila. Es geht wieder nachhause.“

Augenblicklich stand der Husky auf und folgte seinem neuen Herrn. Zurück blieb ein einsames Grab, eine abgebrannte Blockhütte und die Natur, die von nun an Sams Claim zurückerobern sollte. Die Wildnis kannte keine Gnade und keine Erinnerung, nur den ewigen Kampf ums Überleben.