Log 96
Meer aus Sand
Autor: Garrick Andersson
Autor: Tomm Lucas
Autor: Seeta Yadeel
Auf Dalen Lazarus Gesicht trat Verwirrung. „Aber mein Sohn war gar nicht auf der Akademie eingeschrieben. Und außerdem drang jemand in sein Quartier ein. Ich habe seine Studentenbude ganz eindeutig in seiner Nachricht erkannt“, wandte er ein. Seit einigen Minuten saß er Captain Geodis gegenüber, die ihm erzählte, dass sein Sohn bei einer Verhaftung auf der Akademie der Sternenflotte auf Magrathea getötet worden sei.
Auf Geodis Gesicht trat ein nachdenklicher Ausdruck. Irgendwie reimte sich alles nicht so recht zusammen. Es kam ihr auch komisch vor, dass auf einem Föderationsplaneten ein Aufstand stattgefunden haben sollte.
„Ich wurde von Doktor Silverdale von der Akademie der Sternenflotte kontaktiert. Sie wurde mit der Untersuchung des Vorfalles betraut. Die Leiche ihres Sohnes wird erst freigegeben, wenn sie von einem Familienmitglied identifiziert wurde“, erklärte Geodis weiter.
Lazarus runzelte die Stirn. Es war ihm unklar, wieso jemand von der Akademie mit der Untersuchung des Vorfalls beauftragt worden war, wenn sein Sohn doch an der Universität verhaftet worden war und ums Leben gekommen war.
„Ich breche sofort auf“, meinte er dann. „Lieutenant Bruckner ist vollauf in der Lage, mich zu vertreten bei der kommenden Mission. Es wird sowieso in der ersten Linie um die Auswertung von Logbüchern der Sonde und Telemetrie während des Sprungs geben“, fügte er dann an.
Geodis nickte. Andersson hatte ihr bereits bestätigt, dass Lazarus ihn über die bisher durchgeführten Maßnahmen unterrichtet hatte. Sie stand auf und reichte dem Wissenschaftler die Hand „Viel Glück, Doktor“, sagte sie, dann sah sie zu, wie er ihren Bereitschaftsraum verließ.
Adana Lazarus nahm ihre Tochter liebevoll nochmal in die Arme. Sie stand mit ihr mitten im Wohnraum der Maddigans. Ihre Freundin hatte sich gleich bereiterklärt, die 10-jährige bei sich aufzunehmen, als Adana den Wunsch geäußert hatte, mit ihrem Mann nach Magrathea zu reisen, um den Leichnam ihres Sohnes in Empfang zu nehmen. Es erfüllte die Tev'Mekanierin mit Trauer, dass ihr Erstgeborener nur das Alter von 20 Jahren erreicht hatte. Auch Eleyne empfand es als sehr traurig, wenn ein Elternteil eines seiner Kinder überlebte anstatt umgedreht.
Und so war es sehr schnell beschlossene Sache gewesen, dass Ena Lazarus für die Zeit, die die Reise nach Magrathea in Anspruch nehmen würde bei den Maddigans wohnen würde. Alleine die Reisezeit auf dem Transporter würde jeweils 3 Wochen in Anspruch nehmen. Beide Frauen waren jedoch zuversichtlich, dass die beiden Mädchen, die schon einige Tage nach der Ankunft der Maddigans Freundinnen geworden waren, keine Probleme haben würden, sich solange das geräumige Zimmer Gwennies zu teilen. Schließlich hingen sie sowieso von Morgens bis Abends aneinander.
Eleyne drückte Adana liebevoll an sich. „Mach Dir keine Sorgen um Ena. Es wird ihr an nichts fehlen“, meinte sie und ihre Freundin nickte, denn anderenfalls hätte sie ihre Tochter nicht hier gelassen. „Du kannst mich ja anrufen“, fügte das Mädchen mit den tiefschwarzen Augen hinzu. Adana nickte, dann war sie zur Tür hinaus, bevor sie in Tränen ausbrach und ihrer Tochter so das Abenteuer „wohnen bei den Maddigans“ verdarb.
Tomm Lucas betrat als letzter das Holodeck. Es ging nun die letzte Phase seiner Prüfung. Das Herz klopfte ihm bis zum Hals. Die schriftlichen Prüfungen hatte er alle mit ziemlich guten Ergebnissen gemeistert, auf seinen Spezialgebieten Navigation und Warpfeld sogar mit Auszeichnung bestanden. Trotzdem – jetzt konnte er alles vermasseln! Wie war doch noch die Gleichung für die Warpfeldkrümmung nahe schwarzer Löcher? Sie fiel ihm nicht ein. Wenn schon in seinem Lieblingsfach solche Wissenslücken klafften, wie war das dann wohl in den anderen Fächern? Sicher würde er durchfallen. Dann war auch das Leben an Bord der Katana vorbei. Zwar glaubten so ziemlich alle, daß er auch die mündliche ohne Probleme schaffen würde, aber Tomm selbst war sich da nicht so sicher. Ohne Abschluß würde man ihn auf diesem Schiff nicht nehmen. Auf einem anderen Schiff der Sternenflotte wohl auch nicht. Nein, er mußte es schaffen. Und er mußte jetzt da durch, auch wenn der Zeitpunkt etwas überraschend war und Tomm vom Termin erst vor etwas mehr als zehn Tagen erfahren hatte. Immer hatte er sich darauf verlassen, daß die Prüfungen auf der Erde stattfinden würden und er danach einen kleinen Abstecher nach Australien, in seine Heimatstadt Ayr machen konnte.
Da die Katana derzeit zu weit weg von der Erde war, hatte Captain Geodis eine entsprechende Fernprüfung organisiert. Die Prüfer würden in einer Holosuite auf der Erde sitzen, während er und mit ihm Captain Geodis und Commander Andersson auf der Katana auf einem der Holodecks saßen. Die Datensignale würden laufend über Transferpunkte weitergeleitet und strengstens überprüft werden. Bereits vor seinem Eintreffen hatten die beiden Führungsoffiziere und die drei Prüfer mit den entsprechenden Authorisationscodes die Vorbereitungen abgeschlossen. Schließlich hatten sich die Türen vor ihm geöffnet und er war eingetreten.
Der Kadett befand sich in einem Raum, in dem ein breiter Tisch stand. Auf der Seite, die vom Eingang aus gesehen hinter dem Tisch lag, hatten seine drei Prüfer Platz genommen. Allesamt Dozenten der Akademie. In der Mitte saß der Professor, der den Vorsitz hatte, links von ihr seine Ordinaria und auf dem übrig gebliebenen Platz rechts des Professors sein Dozent in Ingenieurswissenschaften.
„Bitte, nehmen Sie doch Platz, Mr. Lucas“, forderte ihn seine Ordinaria auf. Er war froh, daß die eher junge Dozentin seinen Professor in Disziplinarrecht für die Prüfungen hatte gewinnen können. Zwar hatte sein Unterrichtsstoff nur einen kleinen Teil seiner Ausbildung in Anspruch genommen, jedoch wäre die Alternative eine äußerst unangenehme gewesen: Romulanische und klingonische Geschichte. So wußte er, daß er drei wohlwollende Dozenten als Prüfer vor sich sitzen hatte. Im hinteren Teil des Raumes hatten Captain Geodis und Commander Garrick auf bereitstehenden Stühlen Platz genommen, die als Zeugen für die ordnungsgemäße Absolvierung der Prüfung fungieren würden.
Wie aufgefordert ließ Tomm sich niedersinken. Er atmete kurz durch und stellte sich dann den Fragen, die schon kurz darauf auf ihn einprasselten, ihm kam die kurze Wartezeit wie Minuten vor. Zum Glück waren seine Prüfungen so gelaufen, daß er nicht mehr zwischen zwei Noten stand. Die Fragen trafen glücklicherweise recht genau den Stoff, den er für die Prüfungen wiederholt hatte. Gut, jeder andere außer ihm wußte, daß Tomm nahezu alle Bücher und Aufzeichnungen gewälzt hatte, die an Bord verfügbar waren. Captain Geodis hatte ihn von seinen Pflichten als Navigator für die Zeit der Prüfungsvorbereitung entbunden. Nach nur knapp fünfzehn Minuten, die sich für Tomm wie Stunden angefühlt hatten, erhob sich Professor Augtaler schon und reichte ihm die Hand.
„Herzlichen Glückwunsch, Ensign. Wir werden Ihre Urkunde gleich unterschreiben und der Kurierdienst wird sie Ihnen dann umgehend zustellen. Es ist mir eine Freude, ein weiteres, fähiges Mitglied in der Flotte begrüßen zu dürfen“, sagte der grauhaarige, bereits etwas ältliche Mann.
Eine weitere Reihe an Händen wurde geschüttelt, dann beendete seine Ordinaria die Übertragung von der Erde aus, was dazu führte, daß auch hier die Übertragung abbrach, abgesehen von den Stühlen, auf denen seine beiden kommandierenden Offiziere saßen.
Geodis erhob sich nun und gleich darauf löste sich ihr Stuhl bereits in Luft auf. Sie kam herüber und reichte Tomm Lucas die Hand. Daß sie in ihm einen fähigen Steuermann hatte, hatte sie dank Ariell Needas Erinnerungen zwar bereits bei ihrem Dienstantritt gewußt, doch hatte sie sich in den vergangenen Monaten auch selber ein Bild seiner Fähigkeiten machen können.
Und so konnte sie jetzt ehrlich sagen: „Herzlichen Glückwunsch, Ensign. Es wäre mir eine Ehre, Sie weiter an Bord behalten zu dürfen. Wenn Sie es wünschen, stelle ich einen entsprechenden Antrag beim Oberkommando.“
Tomm drückte die ihm angebotene Hand und sagte: „Es wäre mir eine Ehre und eine Freude weiter hier Dienst tun zu können.“ Tomm mochte sich gar nicht vorstellen, auf ein anderes Schiff zu kommen. Er hatte sich hier gut eingelebt und eine Trennung von Marina mochte er sich erst recht nicht vorstellen.
Natall nickte. „Ich werde das veranlassen“, meinte sie, und ging dann auf den Ausgang zu, was dazu führte, daß die beiden Männer ihr nach draußen folgten.
Garrick blieb draußen kurz stehen und sah Tomm an, der daraufhin ebenfalls wartete. „Wir erwarten Sie heute Abend zu einer kleinen Feier im Diners, Mr. Lucas. Galauniform“, meinte er, dann setzte er seinen Weg in Richtung Turbolift fort.
Tomm nickte Garrick hinterher, als dieser gegangen war, hatte er das Holodeck für sich allein. „Programm Lucas 04, Parameter Sommer, 0200 koordinierter Weltzeit!“, wies er den Computer an. Eine Landschaft tat sich um ihn herum auf. Tomm stand auf einem schmalen Kap nahe seiner Heimatstadt. Es war mittags, etwa die Zeit, die er ausgerechnet hatte, an der er bei einer Prüfung auf der Erde fertig gewesen wäre und hierher gefahren wäre. Die Sonne stand hoch am Himmel und spiegelte sich in den tiefblauen Wassern des pazifischen Ozeans. Die Sicht war so gut, daß er rechts das Old Reef sehen konnte und zur Linken hinter der Bowling Green Bay auch noch Magnetic Island. Tomm aber guckte nach vorne, als sich hinter ihm die Tür zum Holodeck öffnete. Es war Marina. Sie trat zu ihm und gratulierte. „Nun hast du es also geschafft.“ „Ja.“ Marina sah sich um. „Wo sind wir hier?“ Jetzt erst wandte sich Tomm zu ihr um, an die Oberfläche seiner Gedanken getaucht. „Auf der Erde, in Australien.“ Tomm legte einen Arm um Marina und wies mit dem anderen in Richtung der Tür des Holodecks. „Dort siehst du noch Ayr, meine Heimatstadt. Und dort,“ wies Tomm voraus, „hinter dem Great Barrier Reef liegt das Queensland Plateau mit dem Flinders Reef und noch ein Stück weiter dann Chilcott Island. Das ist die Korallensee, ein Teil des Pazifiks und wohl eine der schönsten Meereslandschaften der Galaxis.“ Schelmisch grinste Tomm seine Freundin an. „Eigentlich wollte ich nach meiner Prüfung dort Urlaub machen mit dir. Aber nun muß wohl erstmal das Holodeck herhalten.“ „Der Urlaub muß wohl erstmal noch warten. Aber du solltest dich vielleicht langsam fürs Diners fertigmachen.“ „Ja, da hast du wohl Recht.“ Tomm hatte völlig vergessen, daß die Prüfung auf der Erde zwar morgens stattgefunden hatte, die Bordzeit aber eine ganz andere war. „Zeit zum gehen.“, meinte er. „Einen Moment noch, Ensign Lucas!“, erwiderte Marina und küßte ihn zärtlich. Dann erst schob sie ihn sanft hinaus.
Die S.S. Hermes hatte die Station vor mehr als fünf Stunden verlassen. Für einen Transporter war sie mit der Reisegeschwindigkeit von Warp 8 einer der schnelleren Passagiertransporter. Dalen Lazarus hoffte, dass die Tatsache, dass er nach dem griechischen Schutzgott der Wege, Wanderer, Händler, Kaufleute und Diebe benannt worden war, ihn und seine Frau schnell und sicher ans Ziel brachte. Adana saß am Tisch in der kleinen Kabine der Lazarus und starrte die Tischplatte vor sich an. Sie hatte nichts davon hören wollen, als ihr Mann alleine nach Margrathea hatte reisen wollen. Sie hatte ihn leidenschaftlich angesehen und gemeint: „Er ist auch mein Sohn, Dalen. Ich habe viel mehr Zeit mit ihm verbracht als Du. Ich kann nicht untätig auf der Katana rumsitzen und warten, bis Du mir bestätigst, dass er tot ist.“
Dalen hatte seine Frau gut verstehen können. Auch er konnte, auch er wollte nicht glauben, dass sein einziger Sohn tot war. Er würde erst davon überzeugt sein, wenn er seine Leiche mit eigenen Augen gesehen hatte und ihn beerdigt hatte.
Sein Blick blieb liebevoll auf seiner Frau liegen. Sie hatten sich in den letzten Jahren auseinandergelebt. Er arbeitete zu viel, sie hatte mit ihrem Vorwurf völlig recht. Er verbrachte mehr Zeit mit seinen Kollegen als mit seiner Familie. Gerade im Moment war ihm das schmerzlich bewusst. Er trauerte um die Zeit, die er nicht mit Atrin verbracht hatte. Er nahm sich fest vor, wieder mehr Zeit zu Hause zu verbringen. Er wollte nicht auch noch erleben, wie Ena an ihm vorbei aufwuchs.
Er ging hinüber zum Replikator. „Tev'Mekanische Jurla-Käfer, gebraten“, verlangte er von der Datenbank, in die seine Frau gleich nach ihrer Ankunft einige Rezepte der heimischen Küche einprogrammiert hatte. Er entnahm dem Gerät die Schüssel und ging dann hinüber zum Tisch, an dem er sich seiner Frau gegenüber niederließ.
Er stellte die Schüssel auf den Tisch und schob sie zu ihr hinüber. Sie hob den Kopf, sah ihn mit einem halben Lächeln an und schob die Schüssel von sich. „Ich kann jetzt nicht essen“, meinte sie. Er sah sie tadelnd an, wie er es früher immer mit Atrin gemacht hatte, wenn er sich übers Essen beschwert hatte. Sein Sohn war früher ein schlechter Esser gewesen und hatte an allem etwas auszusetzen gefunden.
Dalen schob ihr die Schüssel wieder hin. „Du musst etwas essen. Es wird Wochen dauern, bis wir dort sind, so lange kannst Du nicht auf Nahrung verzichten“, sagte er sanft, so, als spräche er mit einem seiner Kinder. Sie nickte und nahm mit den Fingern einen der Käfer aus der Schüssel. Es handelte sich eigentlich um ihr Leibgericht, aber sie konnte keinen rechten Hunger entwickeln. Eine Träne rann ihre Wange hinunter. Dalen fragte sich, wann er Adana zuletzt hatte weinen sehen. Sie war immer eine so starke Frau gewesen. Ohne recht nachzudenken legte er seine Hand auf ihre und drückte sie sanft. „Wir schaffen das schon“, meinte er sanft.
„Oh nein...“ entfuhr es Seeta, als sie von dem Datenpadd, in dem sie gerade las, aufblickend den Ersten Offizier in den Maschinenraum kommen sah. Es hatte ihr gerade noch gefehlt, dass der neunmalkluge Lulatsch wieder meinte, die Systeme kontrollieren zu müssen. Bevor er also seine Finger wieder an irgendwelche Schaltflächen legen konnte, eilte die Chefingenieurin aus ihrem Büro und fing – ganz die diensteifrige Offizierin gebend – den Besucher ab: „Kann ich Ihnen behilflich sein, Sir?“ Der Commander musterte sie kurz: „Möglicherweise. Ich habe schon den ganzen Tag so ein Sirren im Ohr.“ Die Zanderianerin glaubte, sich verhört zu haben und begann nun ernsthaft, am Geisteszustand der neuen rechten Hand des Captains zu zweifeln. Behutsam meinte sie: „Wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf, Sir, die Krankenstation ist sieben Decks weiter oben...“ Allerdings gestand sie sich ein, dass der Gedanke, dem Menschen einen eingeschalteten Laserschweißer ins Ohr zu rammen, durchaus etwas Verlockendes hatte. Garrick überhörte den Einwand jedoch großzügig: „Das Sirren wird lauter, je näher man dem Maschinenraum kommt...“ Lauschend den Kopf vorstreckend schlich er nun suchend durch die technische Abteilung. Seeta runzelte die Stirn, zuckte andeutungsweise die Schultern und lauschte ebenfalls. „Bei allem Respekt, Commander, aber ich kann beim besten Willen nichts hören...“ – „Pschschscht...!“ drehte sich Garrick zu ihr um und lauschte weiter, nur um kurz darauf zielstrebig auf den Warpkern zuzumaschieren. Jetzt hatte er eine Vermutung, wodurch jenes Geräusch verursacht wurde, und musste diese nur noch verifizieren. Seeta hob kurz die Hand und ihre Gesichtsmuskeln mahlten, als der Erste Offizier ungefragt an die Hauptkontrollkonsole trat, doch sie schluckte den Einwand herunter. Vielleicht würde er am schnellsten wieder verschwinden, wenn sie ihn einfach machen ließ, was immer er auch tun wollte? Garrick tippte kurz auf die Konsole und schaute dann über die Schulter zu ihr: „Haben Sie den Restrukturierungsalgorithmus neulich ausgeführt?“ Seeta trat zu ihm und warf einen Blick auf die Daten, die jedoch nicht sonderlich besorgniserregend wirkten. „Ja, Sir, das haben wir erledigt.“ – „Hmmm, die Abweichung der Dilithiumkristalle beträgt jetzt aber schon 0,215 Mikron. Daher dieses furchtbare Geräusch...“ Seeta glaubte dem Commander kein Wort, was das Sirren betraf. Ihre Ohren waren um Längen besser als die eines Menschen und sie hörte nicht das geringste. Und jene Abweichung war noch weit unterhalb der Warnschwelle von 0,5 Mikron, die das technische Handbuch der Sternenflotte vorsah. Allerdings hatte sie schon von einigen Chefingenieuren gehört, für die es ein regelrechter Sport war, die Abweichung der Dilithiumkristalle zu minimieren – wohlwissend, dass es kaum möglich war, diese dauerhaft unter die magische Grenze von 0,2 Mikron zu senken. Möglicherweise war Commander Andersson während seiner Zeit auf der Endeavour einer dieser Ingenieure gewesen. „Darf ich fragen, welche Abweichung an Bord der Endeavour üblich gewesen ist, Sir?“ Garrick zog überrascht eine Augenbraue hoch: „Sicher, sehr gerne. Ich habe es zu meiner eigenen Verwunderung tatsächlich einmal geschafft, sie für zwei Stunden auf 0,199999 Mikron zu senken. Das waren die zwei ruhigsten Stunden meines Lebens, wissen Sie.“ Seeta lauschte noch einmal angestrengt, aber als sie weiterhin nur die normalen Geräusche des Maschinenraums vernahm, hielt sie es weiterhin für völlig absurd, dass der Erste Offizier tatsächlich etwas hörte. Trotzdem hatte er ihren Ehrgeiz geweckt. Wenn dieser Lulatsch es schaffte, die Abweichung zu senken, wäre sie ebenfalls dazu in der Lage. Außerdem müsste er sich dann einen neuen Vorwand suchen, um in den Maschinenraum zu kommen, obwohl sich die Ingenieurin irgendwie sicher war, dass er ihn auch finden würde. „Ich werde sehen, was ich tun kann, Sir.“ Garrick nickte: „Tun Sie das, Commander.“ Nachdem sie sicher war, dass er außer Sicht- und Hörweite war, rollte Seeta mit den Augen und grummelte: „Na prima, jetzt darf ich mich mit so einem kindischen Wettstreit beschäftigen...“
„Wie hat sich Ena denn inzwischen bei Euch eingelebt?“, wollte Seeta Yadeel von Winnie Maddigan wissen. Der Arzt lächelte leicht und meinte: „Gut. Gwennie und sie sind noch unzertrennlicher als sonst. Ich hatte etwas Sorge, dass sie sich vielleicht anfangen würden zu streiten, wenn sie Tag und Nacht zusammen hängen, aber ihre Freundschaft scheint wirklich etwas ganz besonderes zu sein.“
Ena Lazarus wohnte jetzt seit drei Tagen bei den Maddigans. Sie sprach jeden Abend mit ihren Eltern, die in der Zwischenzeit eine Passage nach Magrathea genommen hatten. Auch die kleine machte sich Sorgen. Sie hatte Angst, dass ihr Bruder Atrin wirklich tot war. Sie waren zwar mehr als 10 Jahre im Alter auseinander und er hatte sich so manchen dummen Scherz mit ihr erlaubt, aber nichts desto trotz hing sie an ihm, denn inzwischen war er zu ihrem großen Vorbild geworden. Auch sie wollte irgendwann Raumfahrttechnik studieren.
Winnie zog sich die Uniform gerade und ging durch die Tür hinüber ins Wohnzimmer, wo auf der Kommode ein Bild stand, aus dem heraus Andreas Summers den Besucher anlächelte. Ein wenig nachdenklich betrachtete er es und hob es dann hoch. Wie lange war es jetzt her, dass er das Schiff verlassen hatte? Ein Jahr? Winnie runzelte die Stirn und überlegte. Es waren mehr als zwei Jahre inzwischen. „Du solltest langsam weitergehen“, meinte er. Ein fragendes „Hm?“ antwortete ihm, und so drehte er sich mit dem Bild in der Hand zur Tür, so dass Seeta ihn vom Nebenraum aus sehen konnte.
Völlig erbost sprang die Zanderianerin aus dem Bett, und wickelte das weiße Laken fest um sich, während sie auf ihn zustürmte. Mit mehr Kraft als eigentlich erforderlich riss sie ihm das Bild quasi aus der Hand. „Das geht Dich gar nichts an“, schnauzte sie ihn an. Er seufzte. „Es ist mehr als zwei Jahre her, Seeta. Du solltest endlich mit der Beziehung abschließen“, sagte er.
Sie stellte das Bild mit leicht schmerzlichem Gesichtsausdruck auf die Kommode zurück und sagte: „Du schläfst seit mehr als drei Monaten mit mir und verheimlichst es vor allem und jedem, weil Du nicht in der Lage bist eine Entscheidung zu treffen, ob Du Deine Ehe fortführen willst oder nicht. Und da wagst Du es, mir Ratschläge in Sachen Bewältigung von Problemen zu geben?“
Winnie zuckte zusammen. Sie hatte da nicht ganz unrecht. Er war nicht in der Lage gewesen, seine Probleme mit Eleyne auszutragen. Er brachte es aber auch nicht fertig, sich von ihr und der Familie zu trennen. Er schaffte es nicht, eine Lösung für seine Probleme zu finden und da machte er ihr Vorhaltungen, sie solle endlich einen Neuanfang wagen.
„Du weißt genau, dass ich Eleyne nichts von unserer Beziehung erzählen kann“, sagte er schließlich ausweichend. Sie nickte. „Das will ich auch gar nicht. Aber solange ich mich nicht in Deine Gefühle einmische, mischst Du Dich bitte auch nicht in meine ein“, stellte sie fest.
Jetzt nickte er. „Du solltest jetzt langsam aufbrechen“, meinte sie. „Deine Familie wird Dich sonst noch vermissen.“ Eigentlich mochte sie diese Art von Heimlichkeiten nicht wirklich, aber sie war auch nicht bereit, der Auslöser für das Ende seiner Ehe zu sein und das Leid, das das mit sich bringen würde.
„Ja, ich sollte los“, meinte er und sah ihr einen Moment in das Gesicht, aus dem die gelblich schimmernden Augen ihn anblickten. Er beugte sich herunter und gab ihr einen Kuss. Während sie hinüber in ihr Schlafzimmer ging, um sich anzuziehen schlich er sich unbeobachtet aus ihrem Quartier.
Commander Andersson betrat den Maschinenraum. Dieses Mal behielt Seeta jedoch Platz in ihrem Büro und beobachtete stattdessen unauffällig, wie der Erste Offizier lauschte und zur Hauptkonsole ging. Sie konnte sich sehr gut vorstellen, wie er die entsprechenden Daten abrief und bedauerte es insgeheim, dass er ihr dabei den Rücken zuwandte und sie somit nicht seinen Gesichtsausdruck sehen konnte. Auf jeden Fall schien er die Werte mehrfach gegen zu checken und die Chefingenieurin nahm mit Genugtuung zur Kenntnis, dass er offenbar stark dagegen ankämpfen musste, sich am Kopf zu kratzen. Schließlich wandte er sich zum Gehen, was Seeta zum Anlass nahm, schwer beschäftigt in ihr Datenpadd zu gucken und einen völlig unbeteiligten Eindruck zu machen.
Alex Black blickte zur Tür, als das piepsende Geräusch ihr klar machte, dass jemand Einlass begehrte. „Öffnen“, äußerte die Elite-Force-Leaderin und sah die Chefinenieurin Seeta Yadeel vor der Tür stehen. Sie winkte die Frau verwirrt näher, denn sie hatte keine Ahnung, was die Frau wohl von ihr wollen könnte.
„Haben Sie vielleicht einen Moment Zeit für mich, Lieutenant?“, fragte die Zanderianerin, während sie näher kam und sich auf eine entsprechende Einladung hin ihr gegenüber an den Tisch setzte. Das Quartier der Elite-Force-Leaderin wirkte insgesamt behaglich eingerichtet. Zahllose Kissen und Kerzen schmückten den Wohnbereich, die ein oder andere brannte und tauchte den Raum so in ein weiches Licht. Alexandra Black nickte. „Was kann ich für Sie tun, Commander?“, wollte sie dann wissen.
Seeta faltete die Hände ineinander und meinte dann: „Ich habe mit ihren bisherigen Vorgängern Trainingseinheiten auf dem Holodeck absolviert. Ich würde diese Angewohnheit gerne mit Ihnen weiterführen, wenn es ihnen recht ist.“
Alex sah sie fragend an. „Was für Trainingseinheiten wären das denn?“, wollte sie wissen.
Seeta zuckte die Schultern. „Kampftraining. Sie sind vermutlich mit einem Minbari-Kampfstab nicht vertraut“, meinte sie und stand dann auf. Aus ihrer Hosentasche nahm sie einen kleinen, metallischen Gegenstand. Einen Zylinder, der nur etwa eine Handbreit an jeder Seite aus ihrer Faust herausragte. Mit einem Finger ihrer Hand berührte sie einen Knopf und der Stab fuhr zu seiner vollen Länge von etwa 2 Metern aus, zumindest schätzte Alex die Länge der Waffe so ein.
Sie hatte noch nie etwas vergleichbares gesehen, war jedoch sofort schon von Berufs wegen interessiert. Es konnte nicht schaden, sich gegen die Waffe verteidigen zu lernen. „Wie wäre es morgen Abend um 18 Uhr auf dem Holodeck?“, fragte sie dann an.
Natall Geodis studierte nochmal die Ergebnisse der Auswertung der Sonde, die sie in die Vergangenheit geschickt hatten. Es hatte alles wie am Schnürchen geklappt. Vor zwei Stunden hatte sie sämtliche Daten an das Research Center der Flotte geschickt. Die Wissenschaftler dort würden sich nun ebenfalls mit den Daten befassen. Als nächstes würde man vermutlich irgendeine Lebensform, eine Pflanze oder ein Tier in der Zeit zurückschicken, um die Effekte der Methode auf Lebewesen zu überprüfen.
In weniger als einer Stunde würde die Katana Gemini-Station erreichen und damit wäre sie endlich Toreen Akida los. Sie hatte zwar mit ihm gearbeitet, war aber nie besonders begeistert davon gewesen. Sie freute sich einen erfahreneren Ersten Offizier erhalten zu haben.
Bei der Gelegenheit wollte sie sich den Baufortschritt der Station ansehen. Sie wollte den Vorschlag ihres Sohnes zumindest erwogen haben, bevor sie ihn ablehnte. Seeta Yadeel und Garrick Andersson hatten beide unabhängig voneinander Interesse an einer Besichtigung gezeigt. Sie war gespannt, wie dumm die beiden gucken würden, wenn sie feststellten, daß sie in der selben Reisegruppe waren.
Entnervt tippte Garrick Andersson im Shuttlehangar der Katana auf dem Boden herum. Captain Geodis hatte ihn kurz nach der Ankunft noch mit einigen Aufgaben überschüttet, die er noch erledigen sollte und so hatte sie selber bereits vor mehreren Stunden auf den Planeten gebeamt. Er musste jetzt mit dem Shuttle nachkommen, da ein Sandsturm, der gerade auf dem Planeten tobte, das Beamen unmöglich machte. Zu allem Überfluss kam Seeta Yadeel, die er mitnehmen sollte auch noch zu spät. Er war nicht besonders wild drauf, mit der Frau alleine Zeit im Shuttle zu verbringen.
Schließlich konnte er Schritte hören, die hastig näher kamen. Vermutlich handelte es sich dabei um die Zanderianerin. Sie verharrte kurz vor dem Shuttle, kam dann jedoch um das Fluggerät herum, da sich der Eingang auf der dem Zugang zum Shuttlehangar abgewandten Seite befand. Ein leiser Fluch in einer Sprache, die er nicht verstand entrang sich ihren Lippen, als sie ihn sah. Er vermutete, dass es sich um ihre Muttersprache handelte und wohl nicht sonderlich freundlich war.
„Sie sind zu spät, Commander“, meinte er, in so neutralem Tonfall wie es ihm eben möglich war. „Ich weiß“, lautete die Antwort. „Ich hatte noch einiges bezüglich der Ebene 4 Diagnose der lateralen Sensoren zu veranlassen, die Sie befohlen haben, Sir.“ Sie hatte gleich darauf verzichtet, ihm zu sagen, wie überflüssig seine Anforderung war, da sie die Sensoren turnusmäßig alle 2 Monate einer entsprechenden Überprüfung unterzog.
Sie öffnete die Luke des Shuttles, die mit dem üblichen Gezische aufsprang. „Bitte schön, Sir“, meinte sie in einer zuckersüßen Stimmlage, die erahnen ließ, dass sie ihm die Hochachtung, die dem Wort „Sir“ innewohnte nicht wirklich zollte.
„Nach Ihnen, Commander“, meinte er. Seine Mutter hatte ihn irgendwann mal gut erzogen und auch wenn die fragliche „Dame“ ihn regelmäßig zum Kochen brachte, war er nicht bereit, von seinen Gewohnheiten abzuweichen.
Sie zuckte mit den Schultern und trat durch die Luke. „Ich fliege!“, ließ sie ihren eingeschlagenen Weg zum Pilotensitz abbrechen und stattdessen schwenkte sie auf den Weg zum Copilotensitz ein. „Aye, Sir“, bemerkte sie, während sie sich niederließ.
„Es gibt einen Sandsturm auf dem Planeten, da verlasse ich mich am liebsten auf meine eigenen Fähigkeiten“, grummelte er, was ihr ein weiteres Achselzucken entlockte. Bald darauf hob das Shuttle von der Deckplatte ab und verließ den Bauch der Katana. Schnell kam der goldgelb schimmernde Planet näher. So weit das Auge reichte wurde der Planet von Wüsten überzogen, nur hier und da schimmerte eine Oase herauf.
„Commander, ich brauche jeweils die genauen Kursdaten von Ihnen, wenn wir jetzt gleich in den Sturm einfliegen. Er erreicht gigantische Windstärken, ich werde den Kurs laufend korrigieren müssen“, wies Garrick Seeta an, die sich daraufhin über die entsprechenden Sensoren beugte.
„Commander! Die Düne...!“ Weiter kam Seeta nicht, denn das abstürzende Shuttle bohrte sich mit dem Bug in den heißen Wüstensand. Doch die Geschwindigkeit des kleinen Sternenflottenschiffes war so hoch, dass sich sein Heck anhob und sich das Shuttle überschlug. Wie ein Ball sprang und rollte es daraufhin durch die Wüste, tänzelte für einen Augenblick aufgerichtet auf dem Bug, bis es schließlich nach einer weiteren Vierteldrehung schaukelnd auf dem Dach liegen blieb. Der Sandsturm war zumindest für den Moment abgeflacht. „Autsch...!“ ließ sich Garrick vernehmen, der selbst überrascht war, nach diesem Crash nicht das Bewusstsein verloren zu haben. Jetzt hörte er unheilvolles metallisches Knirschen. Drehte sich das Schiff etwa um ihn oder wackelte der Pilotensessel über ihm tatsächlich bedrohlich? Aus einem reinen Reflex heraus rollte er sich zur Seite – wie sich herausstellte, nicht eine Sekunde zu früh, denn mit infernalischem Kreischen riss sich der Sessel aus seiner Verankerung und stürzte dorthin, wo eben noch der Erste Offizier gelegen hatte. „Heiliger Strohsack...“ murmelte der Däne, der sich nun aber zumindest sicher war, außer einigen Prellungen und Zerrungen unverletzt geblieben zu sein. Mühsam rappelte er sich hoch und kam schwankend auf die Beine. „Commander Yadeel? Sind Sie noch bei mir?“ Von irgendwoher kam eine gegrummelte Antwort, dann bemerkte Garrick, wie sich die Chefingenieurin unter einigen Deckplatten hervorschälte. Der XO räumte einige der Platten beiseite und schließlich stand die Zanderianerin neben ihm. „Sind Sie unverletzt?“ erkundigte er sich. „Ja, nur ein paar Kratzer...“ Garrick nickte. Ein Bruch oder etwas ähnliches mochte hier fatal enden. Jetzt blickte er sich seufzend in dem Shuttle um: „Verdammt, wo kam diese Düne her...?“ Seeta antwortete bissig: „Wenn man die durchschnittliche Geschwindigkeit von Wanderdünen zugrunde legt, wird sie wohl ganz plötzlich aufgetaucht sein...!“ Der Däne warf ihr einen funkelnden Blick zu, der jedoch wirkungslos an der Zanderianerin abprallte. Sie hatte ja Recht; vor lauter Sand hatte er diesen mistigen kleinen Haufen tatsächlich übersehen. „Also schön“, wechselte er das Thema, „sehen wir mal, was noch funktioniert...“ Die beiden Offiziere blickten hoch und begannen damit, kopfüber die diversen Konsolen des Shuttles zu überprüfen. Doch schon kurze Zeit später schüttelte Seeta den Kopf: „Entweder sind die Konsolen tot oder sie zeigen wertlosen Datenmüll an...“ Der Erste Offizier nickte zustimmend. „Dann also auf die harte Tour...“ Er kletterte suchend durch das Shuttle, bis er einen Tricorder fand. Er klappte das kleine, leicht lädierte Gerät auf und schlug dann ein paar Mal mit der Hand dagegen, bis es schließlich das typische Summen und Zirpen hören ließ. Langsam wanderte Garrick mit dem Tricorder durch das Shuttle: „Zähes kleines Schiff... Die Außenhülle ist zwar verbeult, aber wenn wir die Triebwerke wieder hin bekommen, sollte einem Atmosphärenflug zur Station nichts im Wege stehen.“ – „Sir... Das Schiff liegt auf dem Kopf...“ erinnerte Seeta. „Na und? Wenn der Antrieb funktioniert, ist das nichts, was man nicht mit etwas fliegerischem Können hinbekommt!“ Die Chefingenieurin verkniff sich die Frage, ob der XO das gleiche fliegerische Können meinte, mit dem er das Shuttle in die Düne gesetzt hatte.
Statt dem Gedanken Ausdruck zu verleihen hielt sie ihm ihre ausgestreckte Hand hin, was ihr einen fragenden Blick einbrachte. „Den Tricorder, bitte“, verlieh sie ihrem Wunsch nach dem kleinen Gerät Ausdruck. „Ich werde ihn benötigen, um mir den Antrieb näher anzusehen“, fügte sie hinzu.
Garrick sah sie verdutzt an, machte aber keine Anstalten, ihr das Gerät auszuhändigen. „Ich bin durchaus in der Lage zu analysieren, ob und wie wir den Antrieb wieder flottkriegen“, meinte der Erste Offizier. Sie nickte und meinte: „Das habe ich auch nicht in Abrede gestellt, Sir. Allerdings fällt die Reparatur des Antriebs in meine Zuständigkeiten“, wies sie darauf hin, dass sie die Ingenieurin war. Garrick seufzte und händigte ihr das kleine Gerät aus. Viel lieber hätte er selber am Antrieb herumgeschraubt.
Die Zanderianerin nahm das Gerät entgegen und klappte es zu, was ihr einen erneuten irritierten Blick einbrachte. Ungerührt betätigte sie den Türöffner, in der Hoffnung, dass die Hydraulik noch ihren Dienst versah, wurde jedoch enttäuscht. Garrick kämpfte sich in den hinteren Teil des Gefährts, wo sich ein entsprechender Haftgriff befand. Einige Zentimeter über dem Boden öffnete er einen Schrank, der sich sonst im oberen Teil der Kabine befand, um ihm das entsprechende Hilfsgerät zu entnehmen, während Seeta Yadeel vorne die Verriegelung der Tür von Hand entriegelte. Abgesehen von einem Zischen tat sich jedoch nicht viel.
Garrick presste das kleine Gerät an die Tür und aktivierte es, was dazu führte, dass es an der Tür haften blieb. „Ich nehme an, das fällt nicht in ihre Kompetenzen?“, fragte er fast ein wenig spöttisch. Die Chefingenieurin zuckte die Schultern und meinte: „Viel Spaß“, und sah dann zu, wie der Lulatsch seine gesamte Kraft aufwendete, um die Tür aufzustemmen.
Anschließend warf sie einen Blick nach draußen. Der Sturm war inzwischen abgeflacht nur hier und da gab es böige Stöße. Sie ging über die Tür, die sich sonst nach oben öffnete, sich nun aber auf dem Boden befand hinaus. Die Sonne brannte bereits wieder unbarmherzig vom Himmel. Sie verkniff sich die Bemerkung, dass der hellhäutige Erste Offizier besser im schützenden Inneren des Shuttles geblieben wäre, da er vermutlich sowieso nicht auf sie gehört hätte.
Neugierig sah ihr der Lulatsch über die Schulter, als sie den Tricorder aktivierte, nachdem sie die Hülle rundum zunächst einem visuellen Check unterzogen hatte. So weit sah alles noch heil aus. Die Tricorderdaten bestätigten dies. Er ärgerte sich darüber, dass sie seine Daten offensichtlich gegencheckte.
Als nächstes wandte sie sich dem Antriebsmodul zu. Sie verzog ihr Gesicht schmerzlich. „Commander, der Antigrav-Generator ist beschädigt“, meinte sie. Er nahm ihr den Tricorder aus der Hand, was mit einem ärgerlichen Blick quittiert wurde. Der Mensch störte sich nicht weiter daran. Er war gerade dabei, sich ein dickes Fell gegen ihre ärgerlichen Blicke wachsen zu lassen. „Stimmt“, meinte er, während er bereits auf dem Gerät rumtippte. „Einige der Chips sind gebrochen. Wenn wir die austauschen, dann kriegen wir ihn aber wieder in Gang“, fügte er hinzu.
Sie nahm ihm das Gerät wieder aus der Hand. „Ich nehme an, Sie tragen ständig einen vollständigen Satz isolinearer Chips in ihrer Hosentasche herum?“, fragte sie mit ironischem Tonfall nach. Er hob eine Augenbraue, deutete mit dem Zeigefinger auf sie und meinte theatralisch: „Das fällt in Ihrem Zuständigkeitsbereich, Commander“, was ihm ein Schnauben einbrachte. Genervt stapfte die Zanderianerin zum Eingang des Shuttles zurück, in der Hoffnung, dort etwas zu finden, das sie in Hinsicht auf isolineare Chips kannibalisieren konnte.
„Was nützt uns der Antrieb, wenn wir das Shuttle nicht mehr steuern können?“, fragte Seeta entnervt. Garrick schenkte ihr ein strahlendes Lächeln. Aus irgendeinem Grund schien seine Laune sich zu bessern, je mieser ihre wurde.
„Mit etwas fliegerischem Geschick kann man das Shuttle auch ohne die Stabilisatoren steuern“, meinte Garrick zuversichtlich. Dieses Mal behielt sie den Kommentar, den sie sich vor einer guten Stunde verkniffen hatte, nicht für sich. „Das selbe fliegerische Geschick, mit dem Sie das Shuttle überhaupt erst in der Düne versenkt haben?“, wollte sie dementsprechend leicht bissig von ihm wissen.
„Commander, nehmen Sie sich ein wenig zusammen. Sie reden immer noch mit einem vorgesetzten Offizier“, ließ er sich vernehmen, was in Anbetracht des Grades ihres stetig wachsenden Unmuts keine gute Idee war. Sie war auf dem Planeten mitten in der Wüste mit jemandem gestrandet, mit dem sie am liebsten nicht mal auf dem selben Planeten gewesen wäre. Die Versuche, die Katana zu kontaktieren, waren genauso ergebnislos verlaufen, wie der Versuch, das Shuttle zu reparieren. Vermutlich lag es an dem Magnetfeld, das wahrscheinlich die gesamte Gegend überzog. Sie war ziemlich sicher, dass die Katana auch nicht gleich in der Lage sein würde, das Shuttle zu finden. Sie würde vermutlich Stunden, wenn nicht gar Tage mit dem Lulatsch verbringen müssen.
Und so platzte die Erwiderung einfach aus ihr heraus. „Wenn Sie sich wie ein vorgesetzter Offizier benehmen würden, hätte ich keinerlei Probleme damit, Ihre Autorität anzuerkennen, Sir“ Erneut mochte Garrick den Beigeschmack nicht, den das Wort angesichts ihrer Betonung hatte.
„Was wollen Sie damit sagen, Commander?“, fragte er, bereits selber etwas erbost nach.
Sie blieb ihm die Antwort nicht schuldig. „Es ist reichlich kindisch, vorzugeben, der Antrieb der Katana verursache Geräusche, wenn man gar nichts hört, um einem untergeordneten Offizier eine unangenehme Arbeit zu verpassen“, spie sie ihm quasi ins Gesicht.
Er hatte den Anstand leicht zu erröten. „Sie hatten es sich redlich verdient“, meinte er dann im Gegenzug. „Und womit, bitte? Soll ich unautorisiertes Personal an die Maschinen heranlassen? Das meinen Sie nicht ernst“, gab sie zurück.
Er sah es nicht ein, nachzugeben. „Das ist kein Grund sich wie eine Furie aufzuführen und gleich anschließend zu Captain Geodis zu laufen“, wehrte er ab. Sie sah ihn an, als wäre sie gerade von einem Shuttle gerammt worden. „Sie glauben, ich wäre beim Captain gewesen, um Sie in irgendeiner Weise anzuschwärzen?“, fragte sie konsterniert nach. So einen Unfug hatte ihr noch nie jemand unterstellt.
Als er nicht antwortete, drehte sie sich wortlos um und begann die Isochips, die sie gerade aus dem Nottransceiver ausgebaut hatte, wieder einzubauen. Das Gerät genügte zwar nicht, um eine Nachricht vom Planeten weg zu schicken, aber es würde tadellos eine Nachricht für den Suchtrupp, der irgendwann hier auftauchte übermitteln.
„Ihnen macht diese Hitze wohl gar nichts aus, was?“ Erschöpft wischte sich Garrick den Schweiß von der Stirn. Seit vier Stunden waren die beiden Offiziere nun unterwegs – auf dem viele Hundert Kilometer langen Marsch durch die lebensfeindliche Wüste nach Gemini Station. Seeta schien sich in dieser Umgebung in der Tat fast wohl zu fühlen: „Zander Prime ist eine Wüstenwelt, Sir. Meine Spezies ist an die extremen Temperaturen dieser Klimazone gewöhnt.“ Der XO grummelte etwas unverständliches und stapfte dann weiter durch den Sand. Der Chefingenieurin fiel auf, dass die Gesichtsfarbe des Dänen ein ungesundes Dunkelrot angenommen hatte – trotz der Kopfbedeckung, die er aus einigen Tüchern improvisiert hatte. Er hatte sich einen schönen Sonnenbrand eingefangen, soviel stand fest. Sie grinste ein wenig vor sich hin. Außerdem war ihr aufgefallen, dass der Wasserbedarf des Menschen den ihrigen wohl um mehr als das Doppelte überschritt. „Ihr Menschen seid für diese Umgebung nicht wirklich geschaffen“, stellte sie nun fest. „Wenn ich nicht irre, lebt doch Ihre Familie auf der Erde. Dann werden Sie wissen, wo Dänemark liegt. Die Angehörigen der irdischen Wüstenvölker hätten hier wohl ähnlich wenige Probleme wie Sie“, entgegenete Garrick.
Eine Stunde später taumelte Garrick nur noch vorwärts. Seeta erkannte eindeutige Anzeichen eines drohenden Hitzschlages. Sie blickte sich um und entdeckte in einiger Entfernung tatsächlich ein paar verdorrte Büsche. Diese würden zumindest ein gewisses Maß an Schatten spenden, den der XO offenbar dringend nötig hatte. „Hier lang!“ sagte sie mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete. Kurz darauf ließ sich der Mensch dankbar in den spärlichen Schatten sinken. Die Zanderianerin begann damit, eine längliche Kuhle in den Sand zu graben. Irritiert musterte Garrick diese Aktivität. „Wollen Sie etwa nach Öl bohren?“ fragte er. „Nein, ich versuche, Ihnen das Leben zu retten!“ kam die leicht verärgerte Antwort einer Frau, die sich fragte, warum sie das überhaupt tat und den unverschämten Lulatsch nicht einfach hier krepieren ließ. „Los, rein da!“ befahl sie wenig später, „oder wollen Sie einem Hitzschlag zum Opfer fallen?“ Der XO wirkte immer noch irritiert, kam der Aufforderung aber nach und legte sich in die Kuhle. Umgehend schob Seeta den Sand wieder zurück – und der Däne spürte eine angenehme Kühle, die seinen Körper umgab. Nachdem sie ihn gut vergraben hatte, sodass nur noch sein Kopf aus dem Sand hervorlugte, nahm Seeta eine ihrer Wasserrationen und flößte dem XO etwas von dem wohltuenden Nass ein. „Hey, nehmen Sie gefälligst was von meinen Rationen!“ – „Ich brauche hier nicht halb soviel Wasser, wie Sie!“ entgegnete die Zanderianerin. Dann träufelte sie etwas Wasser auf die Kopfbedeckung des XOs. „Ich empfehle, wir setzen unseren Marsch besser nachts fort, Sir“, meinte sie lakonisch. Garrick nickte matt: „Klingt nach einem vernünftigen Vorschlag, Commander.“
Den meisten Teil des Weges hatten sie bisher schweigend zurückgelegt. Kilometerweit waren sie jetzt schon durch die Dünen gestapft, die der Wind überall auftürmte. Garrick vertrug die kalte Nachluft offensichtlich besser, denn sein Tempo war um einiges strammer als noch tagsüber. Sie folgte ihm wortlos, denn er hatte den Tricorder in der Hand und gab damit die Richtung an. Wäre sein Gesicht nicht immer noch krebsrot, hätte er an einen altmodischen Führer erinnert. Vermutlich würde sich seine Haut bald anfangen zu pellen.
„Ich habe mich nicht bei Captain Geodis über Sie beschwert, Sir“, meinte sie schließlich. Garrick, der das unerfreuliche Gespräch bereits verdrängt hatte, brauchte einen Moment um ihr folgen zu können. Hatte sie etwa den Rest des Tages auf dem Wortwechsel rumgebrütet?
„Warum waren Sie denn dann dort?“, fragte er nach, ohne sich umzudrehen. Er schritt einfach weiter unbeirrt in die Richtung, die der Tricorder ihm vor einigen Minuten als die richtige angezeigt hatte.
„Es ging um einige kleinere Veränderungen, die sie gerne vorgenommen haben wollte. Wir hatten sowieso einen Gesprächstermin“, erklärte sie dann schlicht. Aus ihrer Stimmlage ließ sich nicht heraushören, was sie dabei dachte.
„Und wieso hat sie mich dann gleich gerügt, dass ich nicht zuerst bei ihr war? Sie wusste offensichtlich, dass ich schon länger an Bord war“, fragte er nach.
Sie zuckte für ihn nicht wahrnehmbar mit den Achseln. „Vermutlich vom Transporteroffizier. Sie war ja selber gerade erst wieder an Bord gebeamt worden. Sie erwähnte, schon gehört zu haben, dass Sie angekommen wären. Ich habe ihr dann erzählt, dass ich Sie bereits getroffen hatte.“, gab sie an.
Er meinte irritiert: „Sie wusste aber, dass wir eine Auseinandersetzung im Maschinenraum hatten“, wandte er ein.
Zum ersten Mal an diesem Tag stahl sich ein Lächeln auf ihr Gesicht. „Das wusste in etwa das gesamte Schiff ungefähr 10 Minuten nachdem Sie weg waren, Sir. Sie werden bald feststellen, dass ein großes Schiff doch so etwas wie ein Dorf sein kann, wenn die Besatzung so eng miteinander arbeiten muss, wie es bei der unsrigen der Fall ist“, erklärte sie.
Sie liefen eine Weile schweigend weiter. Garrick fragte sich, ob er ihr möglicherweise unrecht getan hatte mit seinem Verdacht, sie habe sich über ihn beschweren wollen.
„Dann tut es mir leid, dass ich Ihnen Arbeit gemacht habe, Commander“, brachte er schließlich hervor. Es hatte keinen Sinn, die Tatsache zu leugnen, wo sie ihm so genau auf den Kopf zugesagt hatte, dass er nur vorgegeben hatte, etwas zu hören.
Erneut herrschte eine Weile schweigen. „Es ist nicht weiter schlimm, Sir“, meinte sie, und zum ersten Mal hatte er den Eindruck, dass sie dem Wort die Bedeutung beimaß, die ihm zukam.
„Ich schätze, es wird bald hell“, mutmaßte Garrick. Seit einigen Stunden waren die beiden Offiziere nun durch die dunkle Wüste marschiert. „Wir sollten uns einen Unterschlupf für den Tag suchen.“ Seeta nickte zustimmend. Sie hatte schon geraume Zeit nach etwas Günstigem Ausschau gehalten und deutete nun in eine Richtung schräg rechts vor ihnen. „Dort! Möglicherweise wieder ein paar Büsche oder sogar Bäume.“ Der Erste Offizier blickte in die bezeichnete Richtung dann musterte er die Zanderianerin skeptisch: „Ich kann nichts erkennen.“ Sie seufzte. Hatte sich der Lulatsch ihre Dienstakte überhaupt angesehen? „Gute Augen und gute Ohren, Sir. Zanderianer waren früher nachtaktiv“, erklärte sie. Und ihre Sinne hatten Seeta nicht getäuscht! Die beiden Offiziere erreichten kurz darauf eine kleine Oase, in der es sogar frisches Wasser gab! Garrick überlegte: „Möglicherweise sollten wir hier bleiben. Immerhin haben wir hier genug Wasser.“ Seeta wiegte den Kopf: „Wasser ja, aber diese Früchte an den Bäumen sehen noch nicht reif aus und unsere Notrationen werden nicht ewig reichen.“ Garrick nickte. Damit hatte die Chefingenieurin einen nicht unwichtigen Punkt angesprochen. Die Frage war: Wie lange würde es dauern, bis die Suchtrupps, die zweifellos unterwegs waren, die Gestrandeten finden würden? Das Shuttle war weit vom Kurs abgekommen und selbst in dieser Einöde wäre ein solch kleines Objekt nicht einfach zu entdecken. „Lassen Sie uns das morgen diskutieren“, meinte der Erste Offizier und legte sich in den Sand. Er bemerkte, dass Seeta sich ebenfalls hinlegte, aber ihren Kopf merkwürdig auf ihrer Schulter abstützte. „Wollen Sie nicht auch schlafen?“ fragte er. „Sicher“, erwiderte sie knapp. „So?“ hakte er nach. „Ist das nicht etwas unbequem?“ – „Möglicherweise. Aber in diesem Sand leben sicherlich viele Arten von Käfern, Würmern und Insekten, gerade, wo wir uns so nahe am Wasser befinden. Die zögern nicht, einen Abstecher in die Körperöffnungen von Humanoiden zu machen.“ Selbst in der Dunkelheit konnte Seeta erkennen, wie das sonnenverbrannte Gesicht des Dänen erbleichte. „Sie scherzen, Commander“, brachte er heraus. Die Ingenieurin zuckte mit den Schultern. „Wie Sie meinen, Sir. Ich habe mich schon auf der Akademie darüber beschwert, dass diese Information den Kadetten während der Überlebenstrainings nicht gegeben wurde.“ Garrick musterte die Frau. Sie schien es wirklich ernst zu meinen. So zog er eine Augenbraue hoch und versuchte, die gleiche Haltung wie Seeta einzunehmen. Das konnte ja ein wirklich erholsamer Schlaf werden...
Seeta blinzelte nur kurz. Irgendetwas hatte sie geweckt. Der Lulatsch lag auf dem Rücken neben ihr. Vermutlich war er im Schlaf aus der unbequemen Haltung umgekippt. Und wenn schon. Die Vorstellung, dass sich haufenweise Würmer, Käfer und anderes Getier aus seinen Augen, Mund, Nase und Ohren schälten, war nicht zu verachten. Andererseits war er ein intelligentes, fühlendes Wesen... nein, ein Mitglied einer intelligenten, fühlenden Spezies. Sie stupste ihn etwas härter als nötig mit der Fußspitze an. „Commander!“ Garrick blinzelte und nachdem er sich orientiert hatte, verstand er und nahm wieder die unbequeme Schlafposition ein.
Während der Däne offensichtlich wieder wegdämmerte, war sie dafür wach. Die wenigen Augenblicke, in denen sie dem hellen Sonnenlicht ausgesetzt gewesen waren, hatten genügt, um ihre Augen in einen Zustand zu versetzen, der nicht schlimmer sein konnte, wenn sie wirklich brannten.
Einige Minuten blieb sie mit zusammengekniffenen Augen liegen, in der Hoffnung, wieder einzuschlafen, gab diese Hoffnung jedoch schließlich auf. Und so setzte sie sich auf und öffnete ihre Augen vorsichtig einen Spalt weit. Sie saß im Schatten und dennoch empfand sie das helle Licht bereits als Belästigung.
Die Zanderianerin griff nach ihrer Kopfbedeckung, die bald darauf erfreulicherweise ihre Augen beschattete. Jetzt konnte sie sie vollends öffnen. Sie verfluchte sich selber, dass sie keinen Vorrat ihrer Augentropfen mitgenommen hatte, als sie aufgebrochen war. Aber es hatte ja auch nur ein kurzer Abstecher zum Planeten sein sollen. Eigentlich wäre sie längst zurück an Bord gewesen, bevor die Wirkung nachließ.
Seeta stellte sich auf die Füße und klopfte sich den Sand von der Kleidung. Vorsichtig und leise. Sie wollte Garrick nicht wecken, denn er brauchte die Ruhe und Erholung dringend, wenn er den Rest des bedrohlichen Fußmarschs überstehen wollte. Sie ging um ihn herum und nahm den Tricorder auf, der neben ihm im Sand lag. Dann machte sie sich auf den Weg an den Rand der Oase. Sie überschattete ihre Augen zusätzlich mit ihrer Hand und warf dann einen Blick in die Wüste. So weit sie sehen konnte, war nichts als Sand zu erkennen. Vorsichtig hob sie den Kopf in den Himmel, in der Hoffnung vielleicht einen der Attack Fighter auf der Suche nach ihnen im Himmel zu sehen, aber so weit das Auge reichte gab es nur wolkenloses Blau zu sehen.
Sie seufzte und machte sich auf dem Weg um die Oase herum. Sie wollte die Gegend erkunden. Es wäre vernünftig gewesen, das gleich gestern abend getan zu haben, aber da waren die beiden Offiziere viel zu müde gewesen, um auch nur an so etwas gedacht zu haben.
Seeta bemerkte die Bewegung und hörte das Stapfen der Schritte im Sand. Da es sich nur um den Lulatsch handeln konnte – denn andere höhere Lebensformen in unmittelbarer Nähe hätte ihr der Tricorder angezeigt – drehte sie sich nicht um. Der Däne blieb neben ihr stehen und spähte in das Sandmeer hinaus. „Irgendetwas, das unsere Aufmerksamkeit verdient, Commander?“ erkundigte er sich bei der Ingenieurin. Diese klappte nun das kleine Gerät zu und wollte es dem XO zurückgeben, doch Garrick winkte ab. „Nein, Sir, nur Sand, Sonne, Wüste und noch mehr Sand...“ Der Mensch nickte: „Verstehe. Ich dachte, irgendetwas habe womöglich Ihre Aufmerksamkeit erregt.“ Die Zanderianerin schüttelte den Kopf: „Ich konnte nicht wieder einschlafen. Das Licht ist ziemlich hell, wissen Sie. Da habe ich mir gedacht, ich könnte die Gelegenheit auch nutzen, und die Gegend erkunden. Allerdings scheint dies der einzige einigermaßen anheimelnde Ort innerhalb von hunderten Quadratkilometern zu sein.“ – „Wie weit ist es noch bis Gemini?“ – „Dem Tricorder zufolge noch mindestens 380 Kilometer.“ Garrick seufzte: „Wir werden die Lebensmittel weiter rationieren müssen. Wir sind nicht so gut voran gekommen, wie ich zunächst gehofft hatte.“ Seeta nickte langsam: „Ich schätze, wir können die Rationen auf 10 Tage strecken. Genügend Wasser können wir von dieser Oase mitnehmen. Oder wir warten auf eine Mitfahrgelegenheit...“ sprach die Ingenieurin die Alternative an. „Die Katana wird bestimmt schon nach uns suchen.“ Garrick nickte: „Daran zweifele ich nicht. Allerdings sind wir bei dem Absturz verdammt weit vom eigentlichen Kurs abgekommen. Ich vermute, das Shuttle ist einer leichten Kreisbahn gefolgt, als der Backbordantrieb aussetzte, und in dem Sandsturm haben wir das nicht bemerken können. Wenn Captain Geodis ein Standardsuchmuster befiehlt, schätze ich, dass es zwischen 10 und 15 Tagen dauern kann, bis uns soweit draußen in dieser Oase jemand findet.“ – „Was werden wir also tun, Sir?“ erkundigte sich Seeta daraufhin. „Das werde ich heute abend entscheiden. Bis dahin sollten wir versuchen, uns so gut es geht zu schonen“, erwiderte der Erste Offizier. Die Chefingenieurin nickte kurz. „Noch etwas, Commander“, setzte Garrick noch hinzu, „Das nächste Mal geben Sie mir Bescheid, wenn Sie sich aus der Ruf- und Sichtweite begeben, verstanden?“ Die Zanderianerin atmete tief durch. Da hatte sie den Lulatsch nicht wecken wollen, und wie dankte er es ihr? Sie zischte: „Sie wirkten sehr erschöpft, Sir, und ich wollte Sie nicht unnötig wecken!“ Sie verkniff sich den Hinweis, daß er sie überhaupt erst wach gemacht hatte. Der Mensch musterte sie: „Ich weiß Ihre Besorgnis um mein Wohlergehen durchaus zu schätzen, Miss Yadeel, aber hier draußen lauern vermutlich haufenweise unbekannter Gefahren. Wenn einer von uns sich vom Lager entfernt, ohne dem anderen Bescheid zu geben und dann auf eine solche Gefahr trifft, geht möglicherweise wertvolle Zeit mit einer völlig überflüssigen Suche verloren.“ Seeta musste eingestehen, dass der XO in diesem Punkt nicht ganz falsch lag. So nickte sie schließlich, drehte sich um und stapfte dann die Düne hinunter zurück zur Oase. Offenbar konnte sie dem Lulatsch also gar nichts recht machen. Garrick ließ unterdessen den Blick noch einmal über die unendlich erscheinende Wüste schweifen. Beide Alternative bargen Risiken. Es war nicht auszuschließen, dass die Suchtrupps sie hier erst nach Wochen finden mochten. Aber auf diese Oase zu treffen, war unwahrscheinliches Glück gewesen. Immerhin mussten sie keinesfalls Durst leiden. Und ein Marsch durch die Wüste, der zehn Tage oder länger dauern konnte, noch dazu ohne ausreichend Nahrung...
Ein schriller Schmerzensschrei, gefolgt von einem „Verfluchtes Mistvieh!“ unterbrach die Gedankengänge des XOs. Er wirbelte herum und erkannte Seeta, die am Fuß der Düne auf halber Strecke zurück zur Oase im Sand kauerte. So schnell es ging, eilte der Däne nun den Sandberg hinab und erreicht schließlich die Zanderianerin. „Was ist passiert?“ erkundigte er sich besorgt. „Eine Schlange“, brachte die Ingenieurin zwischen zusammengepressten Zähnen hervor. „Dort! Hat mir ins Bein gebissen...“ Der Däne schaute in die Richtung, in welche Seeta deutete und erkannte ein Reptil, das sich eilig aus dem Staub machte. Ohne zu zögern zog der Commander seinen Phaser, justierte ihn passend und trennte dem Tier mit einem gezielten Schwenk des Energiestrahls den Kopf ab. Seeta musterte ihn fragend: „Oh, danke, jetzt geht’s mir gleich viel besser...“ Garrick zog eine Augenbraue hoch und steckte die Waffe wieder an den Gürtel: „Das war kein Racheakt. Das Tier streckt nur unsere Nahrungsvorräte um ein, vielleicht zwei Tage.“ Nun kniete er sich zu der Verletzten: „Wo hat die Schlange Sie erwischt?“ – „Im rechten Unterschenkel... Es brennt höllisch!“ So etwas war ja zu befürchten gewesen! Hatte er nicht eben noch vor den Gefahren gewarnt? Von wegen, Würmer und Käfer, die einem in den Kopf kriechen! Nein, Seeta Wüstenfuchs Yadeel musste natürlich zielsicher in irgendeine Natter treten! Der Erste Offizier seufzte: „Ich muss Ihnen den Stiefel ausziehen...“ Behutsam zog er am Schuhwerk der Frau, bis er den Stiefel schließlich in der Hand hatte. Dann nahm er wieder seinen Phaser und justierte ihn auf die schwächste Stufe bei gebündeltem Strahl. „Was tun Sie da...?“ weiteten sich die gelben Augen der Zanderianerin leicht. „Wenns Ihnen nichts ausmacht, schneide ich das Hosenbein auf, damit ich mir die Sache ansehen kann“, knurrte Garrick zurück, woraufhin die Frau ihn gewähren ließ. Als der XO den Stoff zur Seite und den Unterschenkel frei legte, meinte irgendeine Gehirnwindung, ihn darauf hinweisen zu müssen, dass es sich durchaus um ein attraktives Exemplar handelte – wenn man von der Bisswunde, die bereits von einer starken Schwellung umgeben war, absah. Schnell rief sich Garrick zur Ordnung. Ausgerechnet dieser respektlos-renitente Dampfkessel – das würde ihm noch fehlen! Ohne zu zögern riss er einen Ärmel von seiner Uniform und bandagierte das Bein ein Stück oberhalb des Bisses, damit so wenig Gift wie möglich in den Rest des Körpers der Frau gelangen konnte. „Ist der Druck erträglich?“ erkundigte sich Garrick, woraufhin Seeta matt nickte. Auf ihrer Stirn zeigten sich bereits erste Schweißtropfen, die Garrick völlig zu Recht als ernstes Alarmzeichen registrierte. „Gut. Halten Sie das Bein still, ich hole das Medikit!“ erhob er sich. „Keine Sorge, ich laufe bestimmt nicht weg“, erwiderte die Ingenieurin. Mit dem Kit zurückgekehrt untersuchte der XO die Ingenieurin und verabreichte ihr dann ein Breitbandantiserum, das gegen die häufigsten in der Natur vorkommenden tierischen Gifte wirken sollte. Das Gift schien sich noch immer hauptsächlich in der Nähe der Wunde zu konzentrieren; offenbar hatte die Schlange größere Blutgefäße verfehlt. „Gut, als nächstes müssen Sie in den Schatten. Glauben Sie, dass Sie aufstehen können?“ Die gelben Augen funkelten als Antwort. Nie im Leben würde sie sich von dem Lulatsch tragen lassen! Doch als Seeta sich halb aufgerichtet hatte, begann sie zu taumeln. Der Erste Offizier hatte so etwas erwartet und stützte die Zanderianerin. Ohne ihrem schwachen Protest Gehör zu schenken, hob er die kleine Frau hoch und trug sie zurück in den Schatten unter den Bäumen, wo er sie vorsichtig, mit dem Oberkörper an einen der Stämme gelehnt, absetzte. „Ich fürchte, damit hab ich Ihnen die Entscheidung wohl abgenommen, Sir?!“ meinte Seeta schließlich. „Die Entscheidung...? Achso... Naja, ich fing eh schon an, mich hier heimisch zu fühlen...“ Anschließend sammelte der XO die Ausrüstung wieder zusammen und überlegte, ob ihm wohl irgendein Rezept für Schlange a lá Andersson einfallen würde. Immerhin waren seine Kochkünste bestenfalls als dürftig zu bezeichnen. Wenigstens gab es hier Holz für ein Feuerchen und hatte nicht mal jemand behauptet, dass Schlange sowieso fast wie Hühnchen schmeckte? Allerdings hoffte er nach einem besorgten Blick auf Seeta, für die er nicht viel mehr tun konnte, sehr, dass er das nicht alleine würde herausfinden müssen.
So machte sich der Erste Offizier daran, einige Steine zu suchen, mit denen man das Lagerfeuer ein wenig abgrenzen konnte. Immerhin deutete nun alles auf einen längeren Aufenthalt in dieser Oase hin. Damit ihm jedoch ein ähnliches Schicksal wie der Zanderianerin erspart blieb, scannte er jeden Stein nach darunter befindlichen Lebensformen, bevor er ihn anhob. Er dachte dabei zwar weniger an Schlangen, sondern eher an Skorpione oder Spinnen, aber letztlich hielt er es für besser, wenn nicht sie beide an Biss- oder Stichwunden laborierten. Doch unter den Steinen herrschte erstaunlich wenig Leben und der Däne fragte sich langsam, wie es Seeta gelungen war, auf die wahrscheinlich einzige Schlange im Umkreis von Quadratkilometern zu treten. Während Garrick so die Steine zusammensuchte, machte er immer mal wieder bei Seeta Halt und untersuchte sie kurz mit dem Tricorder. Ihr Zustand schien nun stabil, wenn auch besorgniserregend zu sein. Glücklicherweise erweckte das Breitbandantiserum den Anschein, das Schlangengift zumindest teilweise zu neutralisieren, doch die Chefingenieurin litt trotzdem an Fieber. „Was schleichen Sie andauernd um mich herum?“ fuhr Seeta nun den XO an, der den Tricorder gerade wieder zusammen klappte. Garrick holte tief Luft: „Ich überprüfe nur Ihre Vitalwerte, damit...“ – „Ha! Können Sie das etwa genauso gut, wie ein Shuttle fliegen?! Dann bin ich ja in sehr fähigen Händen!“ Die Zanderianerin hatte sich von der Palme, an der sie gelehnt hatte, aufgerichtet und funkelte ihn nun wütend an. „Mir wird schwindlig...“ murmelte sie dann und ihr Oberkörper taumelte zurück an den Baum. „Sie leiden offenbar noch unter der Wirkung des Giftes. Ich gebe Ihnen wohl besser eine weitere Einheit des Antiserums.“ Garrick überprüfte ferner kurz die Hirnaktivität der Frau. Er war zwar kein Arzt, aber der Tricorder wies einige Bereiche mit gesteigerter Aktivität aus. Möglicherweise hatte das Schlangengift eine psychotrope Wirkung und die Zanderianerin hatte ihn deswegen so angefahren. Der XO klappte den Tricorder seufzend erneut zu und bereitete ein Hypospray vor. „Was ist da drin? Wollen Sie mich umbringen?“ – „Nur eine weitere Dosis Antiserum, Commander“, entgegnete Garrick sanft, schob vorsichtig ihre abwehrenden Hände nach unten und drückte den Injektor an ihren Hals. „Sie wissen doch gar nicht, was Sie da tun! Sie geben mir sicher genau das Falsche!“ stellte sie fest und murmelte dann weiter: „Kommen in meinen Maschinenraum, fummeln an meinen Babies rum und dann, dann wagen Sie es auch noch, mich zurechtzuweisen! Sie sind ein elendiger und gemeiner Mistkerl! Ein Bastard, der...“ – „Commander“, unterbrach Garrick die Tirade, „ich werde weiter das Lagerfeuer vorbereiten. Wenn Sie etwas benötigen, rufen Sie!“
Es erwies sich, dass die Schlange tatsächlich irgendwie ein wenig wie Hühnchen schmeckte. Garrick musste Seeta befehlen, etwas Nahrung und Wasser zu sich zu nehmen, doch schließlich fügte sich die Ingenieurin und aß ein wenig. In der Nacht machte sich der fehlende Ärmel seiner Uniform besonders bemerkbar, denn der linke Arm begann stark abzukühlen. Zum Glück boten die Bäume der Oase genug Feuerholz, sodass der XO sich immer mal wieder aufwärmen konnte. Zunächst hatte er sich stündlich vom Tricorder wecken lassen, um Seetas Zustand zu überprüfen, doch als dieser sich immer weiter besserte, hatte er das Intervall auf zwei Stunden verdoppelt. „Wie fühlen Sie sich?“ erkundigte sich Garrick, als er am nächsten Morgen mit etwas frischem Wasser, ein wenig kaltem Schlangenfleisch und Notrationen zu Seeta trat. „Schon besser, Commander. Es ist nur schon wieder viel zu hell für meine Augen.“ Der XO reichte ihr die Nahrungsmittel und registrierte zufrieden, wie sie sich darüber hermachte, während er sie ein weiteres Mal mit dem Tricorder untersuchte. „Ich schätze, ich kann die Bandage abnehmen. Es zeigen sich kaum noch Restspuren vom Gift in Ihrem Körper. Trotzdem schlage ich vor, Sie schonen sich heute noch.“ Seeta nickte und musterte den Dänen. Auch er wirkte ziemlich mitgenommen. „Wollen Sie den Marsch fortsetzen?“ fragte sie. Er hielt mit dem Auffalten seines Uniformärmels, mit dem er das Bein der Zanderianerin bandagiert hatte, inne. Dann sah er sie an: „Wir sind beide ziemlich angeschlagen. In diesem Zustand raus in die Wüste zu laufen, halte ich für Selbstmord. Wir kämen niemals schnell genug voran um Gemini zu erreichen, bevor uns die Rationen ausgehen. Ich fürchte, wir müssen hier auf unsere Rettung warten.“
Marina DeSoto blickte von der Ops-Konsole auf, nachdem sie die veränderten Anzeigen nochmals überprüft hatte. Jetzt meldete sie: „Captain, es gab eine temporäre Abschwächung im Magnetfeld. Ich habe eine metallische Masse geortet, bei der es sich um das Shuttle handeln könnte. Position 138 zu 262.“ Natall trat zu der Ops-Offizierin und blickte auf die Anzeigen. „Das ist ein ganz Stück vom geplanten Kurs des Shuttles weg, aber trotzdem noch nahe dran... Weisen Sie Mr. Sulik an, dass er einige seiner Leute dort nachschauen lässt! Wir suchen jetzt schon so lange in dem Gebiet, wo wir sie vermuten, und finden nichts... Vielleicht sind sie weiter vom Kurs abgekommen, als wir denken.“
„Verstanden!“ bestätigte Lew Sulik den Befehl und wandte sich dann an seine Staffel: „Ok, Jungs, Ian und ich machen mal eben nen kleinen Abstecher; die Katana hat vielleicht was entdeckt. Ihr sucht hier weiter!“ Sekunden später rasten zwei der Spitfires mit Höchstgeschwindigkeit durch die heiße Atmosphäre in Richtung der von Marina ermittelten Koordinaten. „Das ist aber verdammt weit weg, Lew“, meinte Ian zu seinem Wingman. Dieser entgegnete: „Der Sturm war auch sehr heftig. Vielleicht haben sie versucht, ihn zu umfliegen. Jedenfalls gibt’s dort wohl die erste Besonderheit seit Tagen.“ Wenig später verringerten die beiden Piloten die Geschwindigkeit ihrer Maschinen und gingen in Suchformation über. „Hey, Ian, hast du das auch auf den Sensoren? Ein metallisches Objekt, Richtung 356“, erkundigte sich der Squadron Leader, nachdem er eine entsprechende Anzeige erhalten hatte. „Positiv. Sehen wir uns das an?“ – „Ja, ist möglicherweise das Shuttle.“ Die beiden Spitfires drehten ein wenig ab und entdeckten kurz darauf das abgestürzte und auf dem Dach liegende Shuttle. „Lieber Himmel...“ entfuhr es Lew, „da muss aber noch einer Landeübungen machen... Kannst du Lebenszeichen entdecken, Ian?“ – „Nein, nichts auf den Sensoren.“ Lew öffnete einen Kanal zur Katana: „Sulik an Katana, wir haben das Shuttle gefunden. Bisher keine Spur von den Überlebenden. Ich empfehle die Entsendung eines Rettungsteams.“ – „Verstanden! Gute Arbeit, Lieutenant!“ erklang die Stimme der Captain.
Auf der Brücke wuchs nun die Anspannung. Endlich gab es Fortschritte, auch wenn Garrick und Seeta noch nicht gefunden waren! „Captain Geodis an Doktor Maddigan: Stellen Sie ein Rettungsteam zusammen, wir haben das Shuttle lokalisiert. Bislang aber keine Spur von den Vermissten. Treffen Sie sich mit Mr. Ramirez und Mr. Lucas im Shuttlehangar und starten Sie umgehend!“ Die Captain nickte den beiden Brückenoffizieren zu, die daraufhin zum Turbolift eilten, dann warf sie einen weiteren Blick auf Marinas Ops-Konsole. „Wo liegt das Shuttle, Miss DeSoto?“ erkundigte sie sich und die junge Frau markierte die entsprechende Position. Natall kniff die Augen zusammen. „Wenn die beiden sich in Richtung Gemini Station aufgemacht hätten... Zeigen Sie mir die Route.“ Sie deutete auf einen Punkt, der auf der Karte, die Marina aufrief besonders gekennzeichnet war. „Was ist das, Ensign?“ Marina gab eine entsprechende Anfrage an. „Eine Oase, sie liegt annähernd auf dem Weg.“ Die Kommandantin fragte nach: „Könnten ide beiden sie erreicht haben?“, wollte sie dann wissen. Marina prüfte die Entfernung von der Absturzstelle bis zur Oase. „Ja, in weniger als zwei Tagen“, erklärte sie dann. Natall erlaubte einem kurzen Lächeln, über ihr Gesicht zu huschen. „Weisen Sie Mr. Sulik und Mr. Paice an, dort nachzusehen“, wies sie an.
„Ian, wir gehen auf Bioscan, immerhin suchen wir jetzt nach Personen!“ wies Lew seinen Wingman an, nachdem die beiden Spitfires den Kurs auf die Oase aufgenommen hatten. Die beiden Attack Fighter legten die Strecke, für die Garrick und Seeta viele Stunden benötigt hatten, innerhalb weniger Minuten zurück. Laut donnerten sie durch den Himmel über der Oase. Garrick sprang auf, lief aus dem Schatten unter den Bäumen hervor und schwenkte seinen abgerissenen Uniformärmel, als er die Spitfires erkannte, die in einem weiten Bogen nun umkehrten. „Yeah! Hier unten sind wir!“ rief der XO so laut er konnte. Als die erste Spitfire erneut über die Oase geflogen war, winkte der Pilot kurz mit den Flügeln zum Zeichen, dass er den Ersten Offizier gesehen habe. Dann ertönte der Kommunikator an der Brust des Dänen: „Lieutenant Sulik an Commander Andersson! Schön, Sie zu sehen, Sir! Wie ist Ihr Status?“ Garrick klopfte schnell auf das kleine Gerät: „Lieutenant, Ihr Motorengeräusch ist Musik in meinen Ohren. Gut, dass Sie da sind! Uns geht es soweit recht gut, allerdings ist Commander Yadeel gestern von einer Schlange gebissen worden.“ Die beiden Jäger flogen nun Kreise rund um die Oase. „Verstanden, Sir, ein Rettungsteam ist bereits unterwegs zu Ihrer Position. Wir halten hier noch die Stellung, bis sie eintreffen.“ – „Vielen Dank, Lieutenant Sulik.“ Schnell eilte Garrick zurück zu Seeta, um die Ingenieurin über die bevorstehende Rettung zu informieren. Auf ihrem Gesicht machte sich Erleichterung breit. Eine knappe Viertelstunde später landete das Shuttle mit Maddigans Team an Bord. Garrick führte den Arzt direkt zur Zanderianerin, doch die Besorgnis, die sich angesichts der Meldung „Schlangenbiss“ zunächst auf dem Gesicht des Arztes gezeigt hatte, verflog rasch und wich Erleichterung. „Das Schlimmste hast du offenbar schon überstanden, Seeta“, meinte Winnie nach einer kurzen Untersuchung. Er wies seine Leute an, die Chefingenieurin auf eine Trage zu legen und zum Shuttle zu bringen, bevor er sich um den XO kümmerte. „Schwerer Sonnenbrand im Gesicht und am linken Arm, Anzeichen von Austrocknung, leichte Unterernährung. Sie werden mir ebenfalls mindestens 24 Stunden Gesellschaft leisten, Commander.“ Garrick nickte. Nichts konnte schlimmer sein, als die letzten Tage in der Wüste es gewesen waren. Ramirez und seine Leute hatten bereits das kleine Lagerfeuer gelöscht und die Ausrüstung der beiden Offiziere eingesammelt. Der Däne ließ einen letzten Blick durch die Oase schweifen. Dann drehte er sich um und stapfte durch den Sand zum Shuttle. Angenehm spürte er die kühle Luft an Bord auf der Haut. „Willkommen an Bord, Sir!“ wurde er von Tomm Lucas begrüßt, der auf dem Pilotensitz hockte. „Vielen Dank, Ensign!“ erwiderte der XO und fügte hinzu: „Ich schätze, dann kann Miss Yadeel den Flug ja ganz entspannt genießen, wenn unser bester Pilot am Steuer sitzt!“ Die Medotechniker hatten die Trage, auf der Seeta lag, im hinteren Teil des Shuttles positioniert und Garrick nahm auf einem der Sessel an der gegenüberliegenden Wand Platz. Nur halb bekam er mit, wie Manoel den Start befahl und die Katana über die erfolgreiche Rettung der beiden Vermissten informierte.
Als Garrick auf der Krankenstation aus der Schalldusche trat, trug er nur eines der bekannten blauen Patientenhemden. Seeta blickte kurz von ihrem Teller mit Suppe auf und beeilte sich dann, diese schnell weiterzulöffeln. Sie musste sich beherrschen, bei dem Anblick, den der Däne in diesem Aufzug bot, nicht laut los zu lachen. Immerhin reichte diesem das Hemdchen bis ungefähr zur Mitte der Oberschenkel und nun patschte er mit bloßen Füßen zurück zu seinem Bett. Außerdem wetteiferte das Rot seines Gesichts mit dem des Arms, dessen Uniformärmel er benutzt hatte, ihr Bein abzubinden. Doch dem XO war das Mienenspiel und die ihn nun wieder wach verfolgenden Augen der Zanderianerin nicht entgangen. „Grinsen Sie bloß nicht so! Sie sehen nämlich genauso aus wie ich!“ stellte er fest, stellte jedoch verwundert fest, daß das Grinsen nur unterdrückt war und nicht verschwandt. Grummelnd schlüpfte Garrick auf sein Biobett und begann ebenfalls damit, die Suppe zu essen. Endlich etwas Warmes im Bauch, dass nicht nach Hühnchenschlange schmeckte!
Das Licht auf der Krankenstation war gerade für die Nacht gedimmt worden, als Garrick ein leises „Commander?“ von rechts vernahm. Den ganzen Tag seit der Rückkehr auf das Schiff hatte sie ihn kaum eines Blickes gewürdigt – es sei denn, um sich über sein Outfit zu amüsieren – oder mehr als „Ja“ und „Nein“ zu ihm gesagt, und nun stand ihr der Sinn nach Konversation?! Der Däne überlegte, ob er sich einfach schon schlafend stellen sollte. „Sir, schlafen Sie schon?“ Garrick öffnete die Augen, dann rollte er sich energisch in seine Decke und antwortete grob: „Ja!“ – „Oh...“ kam es zurück. Der Däne holte tief Luft, entspannte sich und drehte sich zurück auf den Rücken. Dann sah er zu der Zanderianerin hinüber: „Nachtaktiv, hä?“ Sie hatte den Anstand, einen ertappten Eindruck zu erwecken und entschuldigend mit den Schultern zu zucken. Garrick seufzte: „Also schön, raus damit!“ Jetzt wand sich die Zanderianerin ein wenig unbehaglich in ihrem Bett und mied den Blick des XOs. Dieser meinte schließlich: „Ok, gut, Sie hatten Ihre Chance. Also, wenn Sie mich jetzt nicht schlafen lassen, gibt’s Ärger, klar?“ Er drehte sich wieder auf den Rücken und schloss die Augen. „Ich wollte mich entschuldigen...“ kam es leise von nebenan. Erneut öffnete Garrick die Lider und starrte nun an die Decke der Krankenstation. Er fragte sich, was er verpasst habe. „Wofür?“ erkundigte er sich schließlich, als er sich keinen Reim auf die Sache machen konnte. „Für... weil... Ich hab ein paar üble Dinge zu Ihnen gesagt... gestern...“ Jetzt richtete Garrick sich überrascht auf: „Daran erinnern Sie sich? Ich dachte, Sie wären vollkommen im Delirium gewesen!“ Sie nickte langsam: „Ist alles da...“ – „Aha...“, meinte der XO dann, „eine Entschuldigung ist nicht nötig. Zum einen hat man mich schon schlimmer beleidigt, zum anderen waren Sie nicht Herr Ihrer Sinne. Sie wussten nicht, was Sie sagten. Sofern es mich betrifft, hatte ich das schon vergessen, wenn Sie es nicht erneut zur Sprache gebracht hätten.“ „Okay, Ihr Beiden, jetzt ist aber mal Ruhe hier, verstanden?“ Doktor Maddigan war aus seinem Büro getreten. „Ansonsten helfe ich nach!“