Log 221
Einsatz
Autor: Karl Theodor Randon
Schwach schimmerte blaues Mondlich durch die halb geöffnete Tür des kleinen Gästebadezimmers auf den grau-melierten Marmorfußboden. Der gut zwanzig Meter lange Hauptkorridor der Ferengi-Villa machte mit seinen üppigen Verzierungen, den in Latinum-abgesetzten Kanten und der weiß spiegelnden Decke sofort jedem Besucher eindrucksvoll die Größe des Gebäudes und den Reichtum des Besitzers klar. Zweifellos genau die Art Einschüchterung, mit der ein 1,56 kleiner Ferengi seine Geschäftspartner anstelle seiner eigenen Erscheinung zu beeindrucken versuchte.
Im Moment allerdings gab die pure Dunkelheit nur wenige Details des langen Gangs preis und betonte mehr die gespenstische Weite und Unübersichtlichkeit des Anwesens.
Alex Back hatte ihre Aufgabe im Wohnzimmer beendet und trat mit gezogenem Phaser und aktivierter Nachtsicht durch die Tür auf der Stirnseite vorsichtig zurück in den Korridor. Der Plan sah vor, dass sich jedes Mitglied des Teams nach erledigter Arbeit an der jeweiligen Tür zum Korridor in Warteposition begab.
Binnen der nächsten zehn Sekunden erschienen an vier anderen Türen schwarze Gestalten und blieben in Schrittstellung stehn - bereit sofort auf jede Gefahr zu reagieren.
Jeder Soldat hielt nun einen aktivierten Phaser in der Hand, der als Sicherung des Rückzugsweges dienen sollte. Black konnte die Flugbahnen und Phaser in ihrem Nachtsicht-Display sehen.
Da noch ein Mitglied des Teams fehlte, nutzte die Leiteren die Zeit, um sich ein reelles Bild der Umgebungsbedingungen zu machen, und schaltete die Nachtsicht aus. Dieser kurze Blick in die Dunkelheit machte ihr die Sicht des Ferengis bewusst und konnte entscheidende Informationen über ihre eigene Sichtbarkeit liefern.
Die Zeit drängte mittler Weile. Der Zeitplan sah den geschlossenen Rückzug in zwanzig Sekunden vor. In 65 Sekunden sollten Sie wieder am Shuttle sein.
Gerade als Black die Nachtsicht wieder einschalten wollte, hörte sie das vertraute Zischen eines Sternenflottenhandphasers. Ein oranger Lichtschein erhellte den Türschlitz direkt rechts vor ihr.
Als sie instinktiv sofort die Nachtsicht wieder einschaltete, sah sie gerade noch die anderen Teammitglieder in ihren Räumen verschwinden. Sie alle wussten, dass sie zu weit entfernt waren, um den betreffenden Raum noch zu erreichen, bevor der dicke kleine Ferengi aus dem Bad kam.
Dieser war nun scheinbar aus seinem Schlaf erwacht und dabei fast ersoffen. Er musste durch den Schreck abgerutscht und mit dem Gesicht unter Wasser geraten sein. Alex Black vernahm Geräusche aus dem Badezimmer, die sie zu dieser Folgerung brachten.
Die Leiterin musste sich nun schnell entscheiden. Während Sie zwischen der Badezimmertür und dem betreffenden Zugung zu ihrem Kollegen hin und hersah, rief Sie über Funk: "Fünf, Bericht!"
Keine Antwort.
"Fünf, Zeit ist Null! Bericht!"
Wieder nichts.
Dann erhellte das eingeschaltete Deckenlicht des Badezimmers das Flur und blendete Black einen Augenblick. Verwundert schoß ihr die Frage durch den Kopf, wie dieser kleine übergewichtige Prolet es so schnell aus der Wanne geschafft hatte. Dann konzentrierte Sie sich wieder. Sie musste herausfinden, was da passiert war.
"Fünf, Der Dicke ist wach! Abmarsch! Sofort!"
Keine Meldung.
Dann vernahm sie abermals die nackten kleinen Füße des Ferengis, die sich der Tür des Badezimmers näherten.
Black hatte jetzt keine Zeit mehr. Sie musste handeln. Noch drei Schritte, noch zwei . . .
Alex Black machte zwei schnelle Schritte auf die angelehnte Tür rechts neben ihr zu und öffnete sie beherzt aber nahezu Geräuschlos. Sie schlüpfte mit dem Phaser voran ins Innere und sah sich grob um, während Sie mit der linken Hand die Tür wieder zuschob und anlehnte. Ob der Ferengi sie gesehen hatte, wusste Sie nicht. Sie hatte keine Zeit mehr gehabt, sich umzusehen. Die Situation war nun alles andere als unter Kontrolle.
Ihr Rückzugsweg war nicht sicher und das verbleibende Teammitglied Fünf war nirgends zu sehen.
Als sich Alex Black nun in der Küche umsah, erkannte Sie, wo sie sich befand. Sie wusste, dass sich Ihre Lage gerade noch mehr verschlechtert hatte und sie Gefahr entdeckt zu werden, größer den je war.
Schnell lief Sie um den großen hohen Tresen der Küche herum um ihre Nummer Fünf zu finden. Im Display der Nachtsicht traf der Zielstrahl ihres eigenen Phaser zuerst auf den am Boden knieenden vermissten Soldaten. Dieser hatte ebenfalls seinen Phaser gehoben und zielte auf Black, bis er seine Teamleiterin erkannt hatte. Augenblicklich ließ er den Phaser sinken.
"Eins" flüsterte er.
"Fünf, warum antworten Sie nicht?" wollte Commander Black leise wissen.
Nummer Fünf deutete auf eine am boden liegende kleine schwarze Gestalt und antwortete angestrengt und verärgert während er sich mit der linken Hand am Hals abtastete: "Dieses Mistvieh hat mich angegriffen. Das Mikro ist hin. Ich kann nun noch hören."
Für einen Moment sah sich Black die leblose Gestalt am Boden an und versuchte etwas Vertrautes zu entdecken. Dann sah sie Nummer Fünf fragend an und sagte etwas helmisch: "Das is ne Katze, oder?"
"Das ist ein gerfährlicher Abkomme einer Katze. Sehen Sie sich die Krallen an!" erwiderte Nummer Fünf aufgeregt.
"Und sie haben Sie erschossen?"
"Nur betäubt. Obwohl sie es verdient hätte."
Bevor Black noch etwas anfügen konnte, knisterte es in ihrem Funkgerät: "Eins, Achtung. Ferengi in fünf!"
Black hatte es geahnt, die Küche war um diese Zeit der letzt Ort, an dem man sich vor einem Ferengi wie Gaila verstecken sollte.
Nummer Fünf hatte es ebenfalls gehört und hatte bereits eine Keksdose vom Tisch genommen und geöffnet. Er verteilte die Kekse um die Katze herum und legte auch die Dose und den Deckel auf den Boden neben das leblose Tier.
Unterdessen antwortete Black über Funk: "Sorgt für Ablenkung! Sofort!"
Auf dem Korridor ging Gaila direkt auf die angelehnte Kückentür zu. Er hatte nicht so sehr etwas gehört, das ihm verdächtig vorkam. Statt dessen befand er sich nach seiner Schlafwanderung um zwei Uhr frühs in einer Misere - er hatte Hunger. Also begab er sich nichts ahnend auf der Suche nach Nahrung in Richtung Küche.
Drei Schritte vor der Tür zur Küche ließ ihn jedoch die vom Wind zu fliegende Tür des Badezimmers, das er eben verlassen hatte, erschrocken herum fahren. Einen Moment lang sah er der Tür zu, wie diese durch den Stoß wieder ein Stück auf ging und dann noch ein mal krachend in Schloss fiel. Dieses Mal hatte sich die Tür allerdings ganz geschlossen.
Gaila wandte sich wieder um und betrat die Küche.
Kaum war der Ferengi aus dem Flur verschwunden, traten Black und die Nummer Fünf aus dem Schatten der Wohnzimmertür hervor und liefen leise und schnell den Flur entlang Richtun Ausgang. Unterwegs reihten sich die anderen Mitglieder ein und schließlich verließen die sechs Soldaten das Gebäude.
45 Sekunden später saß das gesamte Elite-Force-Team im Shuttler Rhine und aktivierte den Antrieb und die Tarnung.
Die Villa des Ferengis lag im halbdunkel des indirekten Sonnenlichtes des Systems und wirkte so friedlich, wie eh und je. Bis der Bewohner schließlich sein Haustier fand:
"Fungus, du Rindvieh! Wie oft hab ich dich schon von den Keksen weg gescheucht! Das hast du jetzt davon! Scheiße bist du blöd!"
"Klasse Arbeit Männer! Lehnt euch zurück und genießt den Heimflug. Ich schreibe den Bericht für den Captain." verkündete Alex Black an Bord der Rhine, die ihre Ausrüstung abgelegt hatte und zwischen den restlichen Mitligedern und durch die Tür ins Cockpit verschwand.
"Sag mal, und du hast echt ne Katze erschossen?"
Der Soldat mit der Nummer Drei, ein junger Typ Namens Guy aus Irland hatte sich nach vorn gebeugt und den ihm direkt gegenüber sitzenden Andrew nur ein wenig necken wollen.
"Das war keine Katze."
Beteuerte Andrew immernoch verärgert und als sein Gegenüber sich ohne darauf zu reagieren zurück lehnte, sah Andrew auch die anderen fragend an. Seine anderen Kameraden zuckten teils mit den Schulter und schmunzelten, aber niemand antwortete.
"Das WAR keine KATZE! Seht euch meinen Hals an!"
Andrew zeigte seinen verkratzten etwas blutigen Hals. Schließlich bellte Nummer Sechs:
"Die Muschi hat dich ja ordentlich zugerichtet. Du solltest sofort einen Verterinär aufsuchen!"
Ein anderer ergänzte: "Ja, vielleicht verschreibt der dir nen Tampon."
Daraufhin lachten alle herzlich los, während sie ihre Ausrüstung ablegten. Andrew fand as gar nicht lustig. Zumindest nicht sofort.
Schließlich machte er sich bewusst, dass dieses mal er den Schaden hatte, und beim nächsten mal würde er genau die selben Witze über die anderen machen. So war es immer und so würde es immer sein. Es gibt eben nichts schöneres, als zusammen zu lachen. Und so brach auch er bald in Gelächter aus.
Black war inzwischen bei den Piloten angekommen.
"Hey, können wir den Replikator benutzen und n bisschen Musik aufdrehen ohne entdeckt zu werden?" fragte sie die Piloten?
"Den Replikator würde ich nicht unbedingt benutzen. Die Energiespitze könnte auffallen. Aber da Schallwellen nicht nach außen können, drehen Sie ruhig auf!" antwortete der Pilot.
"Also Gitarrenmusik und Notrationen." folgerte Black: "Naja, die Crew hat schon schlimmere Missionen durchgestanden."
"Feiern Sie schön! Wir informieren Sie morgen eine Stunde vor Ankunft bei der Katana!"
Dann verließ Black das Cockpit und kehrte mit den Händen voll Notrationen in den Crewraum zurück.
Ihr Team sah zu ihr auf und unterbrach angesichts der 'leckeren' Aussichten ihre Arbeiten. Alle sahen sie enttäuscht an.
"Na kommt schon Jungs, mit Musik ist das Leben leichten." kommentierte Black und warf ein paar Rationsbeutel in die Menge, die von den Männern aufgefangen wurden.
Dann schlug sie mit der Faust auf die Wandkonsole neben ihr und sofort hallten die ersten Akkorde von Stevie Wonders Superstition durch den kleinen Raum und erhellten die Gesichter des Teams.
"Und weil ihr alle so brav wart, habe ich noch etwas anderes vorbereitet." rief Black laut über die Musik und die Feiernden hinweg.
Sie schlug abermals auf die Konsole und unter dem Display flog eine automatische Luke zur Seite und gab die Sicht auf drei Flaschen irdischen Whisky frei.
Während die Männer jubelnd die Arme hoch rissen nahm Black die ersten beiden Flaschen aus dem Schrank und warf sie den fangbereitet Kollegen zu.
Dann nahm sie sie dritte Flasche raus und machte eine werfende Geste richtung Andrew, ließ die Flasche aber nocht los. Sie stoppte plötzlich ihre Bewegung und sah Andrew an: "Keine betäubten Katzen mehr Andrew!" sagte sie lächelnd aber mit einer Spur Ernst in ihrer Mine.
Dieser seufzte und ließ die Arme sinken. Dann sagte er halb ernst halb hönisch: "Commander - ich verspreche es hoch und heilich!"
Daraufhin warf Black ihm die letzte Flasche hin und sie alle feierten den Erfolg der Mission zusammen.
Alex Black war stolz auf diese Mission und ihr Team.
Eine Einheit kann zwar gut trainiert sein und einen Einsatz planmäßig erledigen. Aber noch stolzen konnte man sein, wenn man auch in Streßlösungssituationen zusammen hielt und die Mission zu Ende bringen konnte. Heute hatte sich ein weiteres mal der Nutzen dieser Einheit bewiesen.
Computerlogbuch: Eintrag ENDE