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100110011101 - Schöne Aussichten
Autor: Tomm Lucas
Krankenstation, 12 Uhr mittags Bordzeit, Seeta, Winnie und weitere Verletzte Allein lag Seeta in dem Bett. Ihr rechtes Bein spürte sie nicht, dafür aber die unbequeme Liege in ihrem Rücken, die dazu diente, Wirbelsäule und Rückenmark in einem genesungsfreundlichen Zustand zu halten. Wirklich allein war Seeta hier natürlich nicht, es hatte viele Verletzte gegeben. Monoton piepten die Geräte um sie herum, zischend machten sich einige der Beatmungsgeräte bemerkbar. Abwechslung brachte nur das Wechseln mancher Ampullen, die sich vorher mit einem schrillen Alarmton ankündigten. Vorhin noch hatte sie sich bemüht, alles mit Humor zu nehmen, aber das fiel ihr nun mit den zunehmenden Minuten und Stunden, die sie hier hilflos lag immer schwerer. Ab und an kam Winnie vorbei und sah nach dem rechten, aber es gab hier genug zu tun und so hielt sich der Smalltalk sehr in Grenzen. Eigentlich hatte Seeta gar keine Zeit, hier untätig herumzuliegen. Niemand wußte, wie lange man sie in Ruhe lassen würde, wieviel Zeit es für die Reparaturen gab. Eigentlich wußte man noch nicht einmal, wie schwer die Katana wirklich beschädigt war. Und ob man sie überhaupt wieder hinbekam. Vielleicht war hier ganz in der Nähe das unendlich kalte und weite Grab der Katana. Aber so durfte sie nicht denken. “Reiß dich zusammen!”, befahl sie sich selbst. Seeta schloß die Augen. “Schlafen sie ein wenig.”, hatte Winnie gesagt. Sie versuchte es.
Computerkern, 14:42 Uhr Bordzeit, deSoto und Lucas Stunden saßen sie nun schon hier. Vorangekommen waren sie noch kein nochsokleines Stück. Noch immer versuchte Marina zusammen mit ihm, irgendein intaktes Stück vom Hauptcomputer zu finden. “Es hilft nichts. Wir werden die Hauptplatine komplett auswechseln müssen.” , stellte Marina fest und Tomm konnte ihr nur nickend Recht geben. Er sah sie an und konnte nicht umhin, ihre geschmeidigen Bewegungen zu bewundern hier in dem engen Raum. Sie bemerkte es und gab ihm lachend eine leichte Ohrfeige. “Konzentrier dich lieber auf den Computer als auf mich, sonst ist bald Schluß mit uns!” Tommn wurde rot, starrte aber sofort auf einen verschmorrten Prozessor herab. Sie hatte ja Recht. “Okay, ich mach mich mal auf und hole, was wir brauchen.” Auch sie sahm im aber nach, als er sich kraftvoll aus der engen Luke stemmte. Kaum war Tomm draußen, begann sie, den Kern auseinanderzunehmen.
Bar, 15:11 Uhr Bordzeit, Rhâl und Gäste Für diese Uhrzeit war es ungewöhnlich leer in der Bar. Rhâl hatte so etwas erwartet, aber bisher war die Bar noch keinen Tag geschlossen gewesen und so hatte er auch die letzten Tage immer geöffnet. Allerdings waren seit dieser Mission weniger Getränke gefragt, als vielmehr die Ohren des Bartender. So war es auch heute. Trotz aller Versuche von Captain Geodis brodelte die Gerüchteküche nur vor sich hin. Von den Technikern war niemand hier, was Rhâl sehr bedauerte, denn ihre Auskünfte würden wohl die gefragtesten sein. Am einzig besetzten Tisch wurde hitzig über die Schäden diskutiert. “Hast du schon gehört? Die Yadeel liegt auf der KS, querschnittsgelähmt wohl.” “Meinst du, daß sie auch ohne ihre Hilfe die Katana wieder flottkriegen? “Ich habe gehört, daß Captain Geodis selbst auf dem Maschinendeck die Hydroschlüssel in die Hand nimmt.” “Was? Das ist ja mal eine gute Nachricht. Rhâl, eine Runde Ale auf unsere tolle Captain!” Innerlich den Kopf schüttelnd brachte der Bartender kurz darauf die gewünschte Bestellung. Es würde eh keinen Zweck haben, die drei von ihren Vorstellungen von den derzeitigen Vorgängen auf dem Schiff abzubringen.
Computerkern, 15:29 Uhr Bordzeit, deSoto und Lucas Tomm hatte doch einige Zeit gebraucht, um alle Ersatzteile zusammenzusuchen, aber jetzt war er vollbepackt wieder zurückgekehrt. Der Tausch der Teile dauerte nicht lange, Marina hatte fleißig vorgearbeitet. Dann jedoch folgte die Ernüchterung. “DeSoto an Brücke: Hardwareseitig haben wir den Kern wieder repariert. Aber das Basisprogramm war beschädigt und muß nun komplett neu geschrieben werden. In Binärcode. Wir werden etliche Stunden oder vermutlich sogar ein oder zwei Tage dafür benötigen.”, meldete Marina, bevor ihr einfiel, daß die Kommunikation noch nicht wieder vollständig funktionierte. Seufzend trafen sich ihre Blicke ein letztes Mal, bevor man für die nächsten Stunden nur noch das Piepen der Tastenanschläge auf den Steuerdisplays, nur unterbrochen vom gelegentlich höheren Piepen der Bestätigung einer fertigen Teilsequenz hören konnte.
Krankenstation, 16:02 Uhr Bordzeit, Winnie und Seeta sowie weitere Verletzte Das mit dem Schlaf hatte nicht wirklich geklappt. Ein- oder zweimal war Seeta weggenickt, nur um kurz darauf wieder ganz wach zu sein. Ihre Gedanken waren noch immer mehr in der Jeffreysröhre als hier auf der Krankenstation. Jetzt war es Zeit für die Nachmittagsvisite. “Und, Doc, wann kann ich wieder aufstehen?” “Wenn sie nicht allzusehr an selbstständiger Fortbewegung hängen sicher sofort. Falls doch, sollten sie sich auf mehrere Wochen Krankenstation mitsamt dazugehörigem Luxus einstellen. Drei Mahlzeiten intravenös und tolles Entertainment samt Gymnastik. Ist doch was, oder?” Auch wenn Winnie Maddigan nun doch tatsächlich ihren eigenen Humor anschlug, waren die damit verbundenen Aussichten eher nicht Seetas Geschmack. Trotzdem - “Nun, als Chefingenieur steht mir doch sicher die ein oder andere Sitzung mit Doc Zimmermann zu, oder? “Nun, nach den ersten beiden Sitzungen werden sie nicht mehr so darauf bestehen, denke ich. Aber ja, ich werde sie auch unserem MHN ausliefern.”