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Den Augenblick festhalten
Autor: Ariell Needa
Anfangssternzeit: 56382,11
Endsternzeit: 56980,19
Anfangsdatum: 20.05.2379 (11.16 Uhr)
Enddatum: 24.12.2379 (18.27 Uhr)

„...sollte sich die Lage weiterhin zu unseren ungunsten Entwickeln. Der Konflikt steht kurz vor der Eskalation und niemand sieht sich gewillt auch nur einen Schritt zur Schlichtung zu unternehmen. Wie lange wollen Sie noch warten und die Hände tatenlos in den Schoß legen?“ Londo Mollari schien auf dem kleinen Bildschirm fast um das doppelte seines Volumens angeschwollen zu sein. Der überdimensionale Haarschopf, der seinen bleichen Kopf krönte wippte aufgeregt auf und ab, während der Imperator mit seiner Tirade fortfuhr. Was die Centauri in den letzten Monaten hatten erleiden müssen glich der totalen Zerfaserung aller Randbereichen, deren sich dieses große Imperium bemächtigt hatte. Bedroht von den Truppen der Narn und den Drazi gelang den Centauri kaum das Luftholen.

“Es kümmert Sie wohl nicht, dass Millionen von Centauri sterben, qualvoll verenden! Ohne das Sie etwas unternehmen! Ich mache Sie dafür verantwortlich!“

Sheridan setzte zu einer Erwiderung an, schloss jedoch sogleich wieder den Mund, als der Bildschirm in völliger Schwärze erlosch.

“Und stets behält er das letzte Wort. Selbst dann, wenn er am Boden liegt.“ Knirschte er statt dessen säuerlich und faltete die Hände vor sich auf dem Schreibtisch. „Sie werden von den Narn und Drazi in die Zange genommen.“ Captain Lochley trat hinter den Stuhl des Präsidenten und betrachtete andächtig den Bildschirm. „Nicht ganz zu unrecht.“ Ergänzte Needa, die teilnahmslos auf dem Sofa saß und eine Tasse Tee in ihren Händen wiegte, während sie die Aussicht auf den Park Babylon 5’s genoss, der sich unter dem Fenster des Büros von Lochley kilometerweit erstreckte.

“Das ganze scheint Sie nicht besonders zu kümmern.“ Bemerkte Elizabeth Lochley mit einem herausfordernden Blick auf den Captain der Katana.

“Ich stamme aus einem Teil der Galaxis, der selbst mit knapper Not der gesamten Zerstörung entkommen ist. Große Gebiete unseres Systems sind unbewohnbar geworden und es ist schwierig genug, das Leid so vieler zu lindern.“ Needa stellte ihre Tasse auf einen der Beistelltische und sah Lochley mit ebenso viel Herausforderung an.

“Ich bin kaum in der Lage die Probleme ‚meines Volkes’ zu lösen, geschweige denn die des ‚Ihren’.“

Sheridan legte die Stirn in Falten und sah die Trill überrascht an. „Was wollen Sie damit sagen?“

“Der Konflikt der vor Ihnen liegt, wird sich nicht mit einem einzelnen Schiff lösen lassen. Und schon gar nicht mit meinem.“ Unvermittelt erhob Ariell sich vom Sofa und löste ihren Blick wieder von Lochley. „Was sich dort zusammenbraut hat weitaus mehr zu sagen, als gewöhnliche Grenzscharmützel. Sie werden Stellung beziehen müsse, oder Sie werden überrannt.“ – „Überrannt? Von wem?“ Elizabeth hegte keine besondere Sympathie für Ariell, und diese tat es ihr gleich. Zu unterschiedlich war ihr Verständnis der Lage und ihr Führungsstil. Elizabeth sah sich als diejenige, die eindeutig das Gewohnheitsrecht besaß, jedoch hatte Sheridan zuerst den Captain der Katana zu Rate gezogen und das passte der neuen Kommandantin von Babylon 5 überhaupt nicht.

“Von dem, der uns da draußen im Nacken gesessen hat! Und das war sicherlich nur der Anfang.“ Ariell wandte sich zum gehen. „Sie sollten lieber anfangen Ihre Truppen zusammen zu ziehen.“


Ariell hatte von Lochleys Büro zu ihrem Schiff den direkten Weg gewählt und diesen eilig eingeschlagen. Die Katana hatte sich von den jüngsten Gefechten erholt und war für ihren neuen Einsatz gerüstet worden, die Order lag bereits auf ihrem Schreibtisch. Nach allem, was ihnen in diesem Sektor passiert war, verließ sie Babylon 5 ohne großen Abschiedsschmerz. Ihr nächster Auftrag würde aus einer mehrmonatigen Mission bestehen und sie würde vorerst nicht auf diese Station zurückkehren müssen.

“Ariell, warten Sie!“ mit einer schwungvollen Bewegung hatte Sheridan ihr seine Hand auf die Schulter gelegt und sie zu sich umgedreht.

“Sie werden doch nicht einfach so gehen!?“ – „Und mein Schiff mitnehmen?“ schnaubte sie. „Doch, genau das werde ich tun!“ Missmutig zupfte sie ihren rechten Uniformärmel ein stück weiter runter „Die Informationen von Ihrer Seite sind reichlich dürftig. Wenn ich keinen Minbari an Bord hätte, könnten Sie vermutlich meinen Nachruf verfassen. Das hier ist nicht mein Krieg, und wenn Ihre eigenen Leute nicht bereit sind ihren Hintern zu riskieren, dann bin ich erst recht nicht dazu bereit.“ Sheridan hob überrascht eine Augenbraue. Nicht nur Londo, sondern auch die Sternenflotte schien mit ihm ins Gericht gehen zu wollen. Er hatte sich einen schlechten Tag für diplomatische Verhandlungen ausgesucht und bekam nun die Konsequenzen für ein viel zu lang ignoriertes Pulverfass zu spüren.

“Ich verstehe. Sie werden uns also nicht weiter unterstützen?!“ er gab sich geschlagen.

“Mobilisieren sie Ihre Leute und sichern Sie mehr Informationen.“ Mit einem mechanischen Geräusch öffneten sich die Lifttüren hinter Needa „Im richtigen Moment werden wir zurückkommen.“ Sie zwinkerte Sheridan noch einmal zu bevor sie Kabine endgültig betrat. „Versprochen!“


„Captain, noch zwanzig Minuten bis zum Rendezvous mit der Hook.“ Tomm überprüfte zum wiederholten Male die Anzeige seiner Konsole und vergewisserte sich, dass die Angaben stimmten. Die Hook hatte bereits Kontakt zu ihnen aufgenommen und die vereinbarten Koordinaten bestätigt. Nach den vergangenen Tagen, begann Tomm sich angesichts der zurückgekehrten Routine zu langweilen. Auch wenn er immer noch froh war keine wichtigen Körperteile bei den anhaltenden Gefechten verloren zu haben. Der Nervenkitzel hatte ihm gefallen.

Ihre neue Mission schien sich als langweilige Eskorte herauszustellen. “Senden Sie der Hook Grüße. Wir freuen uns auf das Abendessen.“ Antwortete Needa aus dem Bereitschaftsraum und überließ somit Tomm alles weitere.

“Wir freuen uns auf’s Abendessen?“ Der Kadett warf einen fragenden Blick auf Marina DeSoto die neben ihm stand und lächelte.

“Bei dem Meeting heute Mittag ist kurz darüber gesprochen. Ich glaube du warst in der Astrometrie.“ Sie grinste breit. Marina hatte es sich zu einem Spaß gemacht Tomm mit seiner Leidenschaft für den Maschinenraum aufzuziehen. So ziemlich jeder an Bord wusste, dass Kadett Lucas insgeheim mehr für die technische Abteilung übrig hatte, als für seinen Posten als Navigator, und selbst der Führungsstab akzeptierte, im Bezug auf seine guten Leistungen, dass er jede Verfügbare Zeit nutzte, um sich auf diesem Gebiet weiter zu entwickeln.

So hatte Lucas, wie die anderen Kadetten, die Vorlesung Lieutenant Kintarus in der Astrometrie wahrgenommen und nicht am Meeting teilgenommen. Alle relevanten Daten hatte Summers ihm später per Padd überreicht, damit er trotzdem im Bilde war.

“In meinen Unterlagen stand nichts über ein Abendessen.“ Gab Tomm frech zurück und fixierte Marina mit gerunzelter Stirn. „Das kommt davon, wenn man sich lieber mit Schrauben, anstatt mit der Etikette beschäftigt.“ Grinste Marina und vertiefte sich wieder in ihre Arbeit.

“Erzählst du mir jetzt, was das mit diesem Abendessen zu bedeuten hat?“ Der Navigator wurde ungeduldig, weil er genau wusste, das ihn die junge Frau absichtlich warten ließ. Und Lucas konnte es nicht leiden, wenn er über irgendetwas nicht bescheid wusste, dass für ihn wichtig war.

“Dass du deine Galauniform aus dem Schrank holen solltest.“ Sie sah ihn mit gespieltem Zweifel an. „Du hast doch eine bekommen, oder?“

Lucas schien wie vom Blitz getroffen und begann ernsthaft zu überlegen, ob er tatsächlich in Besitz einer solchen Uniform war, oder ob er sich heute Abend nicht würde angemessen kleiden können. „Galauniform?“ wiederholte er langsam, und musste zugeben, dass er, seit er an Bord des Schiffes war, noch keinen richtigen Blick in seinen Kleiderschrank und die Ausstattung seines Quartiers geworfen hatte. Die Größe der Katana ließ es zu, dass jedem Kadetten ein eigene Unterkunft zugeteilt werden konnte, aber in gerade diesem Augenblick erkannte Tomm diesen Umstand als Fluch. An der Akademie hatte ihm seine Mitbewohnerin stets sagen können, wo seine Sachen lagen. Und jetzt musste er plötzlich für sich selbst sorgen. Klar, er verbrachte zu viel Zeit bei den Maschinen.

Marina, die den zweifelnden Blick des jungen Mannes bemerkte lachte leise. „Natürlich hast du eine. Die wird in deinem Schrank hängen! Standardausrüstung!“ Sie tippte kurz auf seine Konsole und sah ihn dann wieder an.

“Das Abendessen heute Abend wird mit dem Captain der Hook statt finden. Needa und er scheinen befreundet zu sein und er scheint großes Interesse an unserem Schiff zu haben. Sie wollen die gemeinsame Zeit heute Abend nutzen und sich ein wenig austauschen, bevor wir morgen unsere Gäste an Bord nehmen.“ Sie lächelte und widerstand nur schwer der Versuchung, ihm durch die Haare zu wuscheln. „Und in deinen Unterlagen wird sicherlich etwas von einem Abendessen stehen. ‚Treffen der Senior-Offiziere mit Captain Adamus’ vielleicht?“ Tomm war in Begriff zu einer Erwiderung anzusetzen, doch Marina unterbrach ihn erneut. „Du solltest anfangen, dich als Senior-Offizier zu betrachten, Kadett Lucas.“


Needa zog eine ihrer Haarspangen aus der Schublade unter ihrem Waschtisch und betrachtete kurz das geschwungene Muster, dass mit viel Mühe in das Zedernholz gearbeitet war.

Als sie noch ein junger Lieutenant und auf DS9 stationiert war, hatte ihr Admiral Chemin diese Spange an einem der Stände auf der Promenade erstanden.

Chemin und sie selbst waren fasziniert von der Schnitzerei, die einem einzigartigen Vorbild in Stockholm nachempfunden war.

„Die würde gut in Ihren Haaren aussehen, Ariell.“ Christine Chemin hatte die Trill bereits kurz nach ihrer Ankunft auf Deep Space Nine unter ihre Fittiche genommen. Auch wenn der Lieutenant eigentlich der Attaché Kirall Medions war, befand Christine Ariell für noch nicht erwachsen genug, um ganz allein auf der Station zu sein und glich neben der jungen Frau eher einem Mutterersatz, denn eines Admirals.

Und gerade in solchen Moment, wo sie beide gedankenverloren über die Promenade gingen, diese bunte Welt in sich einsogen, schätzte Needa diesen gütigen und weisen Blick Admiral Chemins, der auf ihr ruhte. Die Gewissheit in diesem entlegenen Winkel nicht ganz allein zu sein.

Sie lächelte, als Christine mit dem Händler über den Preis feilschte und ihr schließlich die Spange, in weißem Seidenpapier verpackt, in die Hand drückte.

“Eines Tages, wenn Sie wieder in der Sternenflotte und selber Befehlshaber sind, dann wird das schlicht Zedernholz elegant in Ihren Haaren ruhen und einen angemessenen Kontrast zu Ihrer roten Galauniform bilden. Vielleicht komme ich an diesem Tag gerade zum Essen auf Ihr Schiff?!“ Sie lachte und Zog die Trill weiter mit sich fort.

Jetzt stand sie als Captain vor dem Spiegel und hielt genau diese Spange, zu einem ähnlichen Anlass in den Händen. „Wo Sie wohl gerade sein mögen, Chemin?“

Gerade fasste Needa ihre dunklen Locken zusammen, als sich der Türsummer zu ihrem Quartier meldete. Fast im selben Augenblick begann das Licht in ihrer Nasszelle zu flackern und der Captain fluchte leise.

„Das machst du jetzt schon seit wir auf diesem Eisklotz bruchgelandet sind!“ zischte sie. Mit einem grummeligen ‚Herein’ griff sie nach ihrer Uniformjacke und schob eine letzte Haarsträhne an ihren Platz.

„Computer, Licht aus!“ murmelte sie trat in den Wohnbereich ihres Quartier. „Ich mache aus dir einen Kaffeeautomaten.“ Ihr wären noch endlos viele Drohungen eingefallen, und all jene wollte sie der unliebsamen Lampe postwendend geben, doch der große Schatten in der Tür ließ sie stocken.

„Was,“ Ariell schluckte und suchte ihr verlorenes Sprachzentrum. Aus Erstaunen wurde jedoch augenblicklich Zorn. „Was machst du hier?“ grollte sie.

Es war das selbe Gesicht wie vor acht Jahren, dass sie mir blauen, jungenhaften Augen ansah. Ein Lächeln spielte um seine viel zu schmalen Lippen, und doch verliehen sie ihm dieses unvergleichbar smarte Aussehen. Stumm stand er vor ihr. Unbefangen und gelassen wie immer, mit einer Heiterkeit, die Needa heute mehr als alles hasste. In all diesen Jahre hatte er sich kaum verändert und einen Moment lang fühlte sich Needa in einer anderen Zeit.

“Hallo Ariell.“ Und auch der Klang seiner Stimme war der selbe.

Es dauerte scheinbar endlos lang, bis Needa sich aus diesem Déjà Vu befreit hatte und nach ihrem Kommunikator auf dem Schreibtisch griff. Was auch immer er wollte, sie hatte keine Zeit – und auch kein Interesse.

“Du siehst gut aus.“ Stellte er fest und verschränkte die Hände hinter seinem Rücken, so als wolle er sie ihn Ruhe mustern.

“Das mag sein.“ Antwortete sie, den zweiten von vier Rang Pins an ihrem Kragen befestigend „Hast du einen Grund hier zu sein, oder hat dich meine Schönheit angezogen?“ fragte sie sarkastisch.

Er lächelte „Du bist mir immer noch böse, das kann ich verstehen.“

Ariell riss augenblicklich die Hutschnur. „Böse?“ Sie wirbelte herum und sah ihn aus dunklen, zornigen Augen an. „Böse ist überhaupt kein Ausdruck für das, was ich empfinde. Nicht mal Hass trifft annährend das, was ich für dich übrig habe Daniel!“

Er senkte den Kopf und nickte. „Das glaube ich dir.“

Needa war nahe daran ihn zu Ohrfeigen, mit ihren Händen auf ihn einzuschlagen und ihn aus ihrem Quartier zu befördern, doch aus irgendeinem Grund konnte sie sich beherrschen. „Steh nicht vor mir, wie ein kleiner Junge, LaPlace. Nicht ich habe dir etwas getan! Der einzige, der Recht auf Selbstmitleid hat bin ich!“ schnauzte sie ihn an. „Wenn du also einen Grund hast, der deinen Besuch rechtfertigt, solltest du mir diesen schleunigst nennen, bevor ich mich selbst vergesse und dich aus meinem Quartier schmeiße!“

Nur selten hatte Daniel seine Ex-Frau in einem solchen Aufruhr erlebte, und meist war er der Auslöser für solche Ereignisse gewesen. Er wusste, dass er kein Recht hatte, hier in ihrem Quartier zu stehen, trotzdem, hatte er es so versuchen wollen.

“Ich gehöre zur Delegation der Hook.“ Sagte er leise. „Deshalb bin ich hier. Ich wollte nicht, dass du mich erst bei dem Essen heute Abend siehst und dich dann aufregst. Ich dachte, dass es so – leicht für dich sei.“ Plötzlich kam ihm dieser Besuch als keine ganz so gut Idee vor. Er hätte sich krank melden sollen, doch Adamus hatte auf sein Beisein bestanden. Daniel war der Groll Ariells zu letzt nicht mehr so bewusst gewesen. Er hatte sie zu lange nicht mehr gesehen und das, was zwischen ihnen gewesen war schlicht vergessen. Er hatte es gewollt.

Geräuschvoll holte Needa Luft. „Gut, jetzt weiß ich, was mich erwartet.“ Mit einem letzten Ruck zog sie ihre Uniform glatt und ging Richtung Tür, immer noch um Beherrschung ringend. „Ich muss noch auf die Brücke, wir sehen uns beim Essen.“ Innerlich verwünschte sie Daniel eilte zum nächsten Turbolift.


„Captain?“ Zhabia hatte sich einen langen Weg durch die doch recht zahlreichen Crewmitglieder im Bankettsaal der Katana gebahnt und sich neben die so schweigsame Trill gestellt. Ariell drehte ein volles Sektglas schon seit einer halben Stunde zwischen ihren Fingern und sah geladen zum Fenster hinaus. Während es Essens hatte sie sich angeregt mit Captain Adamus unterhalten, doch nun wo sich eigentlich eine zwanglosere Stimmung unter den Senior-Offizieren breit machte, hüllte sie sich in ausgelassenen Schweigen.

Ariell sah Zhabia aus den Augenwinkeln an und trank dann einen Schluck vom mittlerweile warmen Sekt. „Mhm?“

“Sie wirken niedergeschlagen, wenn ich das sagen darf.“ Bemerkte die Counselor und sah ebenfalls aus dem Fenster.

Beide schwiegen, bis der Captain den Kopf schüttelte. „Nein, ich wirke aufgebracht.“ Sie drehte sich um und deutete auf LaPlace, der sich angeregt mit Maddigan unterhielt. Er schien weniger von dieser Situation betroffen als Ariell, und auch das störte sie gewaltig.

“Das dort drüben ist mein geliebter Ex-Mann.“ Brummte sie ironisch „Und der wird uns auf unserer nächsten Mission begleiten.“ Zhabia wollte etwas sagen, doch Ariell hob eine Hand und bedeutete ihr zu schweigen. „Wir mögen uns nicht mehr besonders.“ Sie sah Velain an. „Unsere nächste Mission wird zwanzig Tage dauern, und ich kann Daniel nur schwer auf meinem Schiff dulden. Um Ihrer Analyse vorzugreifen: meine Laune wird sich vermutlich nicht wesentlich verbessern.“ Sie trank ihr Sektglas in einem Zug leer. „Und auch, wenn es unschicklich ist, werde ich jetzt in mein Bett gehen.“


„Was meinen Sie, wo wir am Besten den Weihnachtsbaum aufstellen sollen?“ Tannier legte seinen Löffel zu Seite und faltete bedächtig die Serviette auf seinem Schoß zusammen. Lincoln sah von seinem Teller auf und blickte den Minbari fragend an. „Weihnachtsbaum?“ wiederholte er und hob dabei eine Braue.

Lew, der sich ebenfalls zum Mittagessen im Diners eingefunden hatte grinste schief. „Ja Frank, die Halleluja-Staude zum Fest der Nächstenliebe.“

Frank Lincoln, der von seiner Mutter Erz-Katholisch erzogen worden war, hob seine Braue noch ein Stück höher und musterte nun auch Sulik, der genüsslich in ein Stück Apfelkuchen biss. Dann sah er wieder Tannier an, der geduldig auf eine Antwort wartete.

“Warum fragen Sie das mich?“ er lehnte sich zurück. „Erst mal ist’s bis zum Fest noch ein bisschen Zeit und außerdem denke ich, dass sich die Frauen um diese Angelegenheit genügend Gedanken machen werden.“ Tannier lächelte auf seine üblich Art und nickte mit dem Kopf. „Sicherlich, allerdings habe ich Captain Needa darum gebeten, in diesem Jahr das Weihnachtsfest organisieren zu dürfen. Und da es ein Fest der Erde ist, wollte ich es auch auf diese traditionelle Weise begehen, zu der, meines Wissens nach, ein Weihnachtsbaum gehört.“

Der Sicherheitschef nickte und auch Lew war vom Eifer des Minbari überrascht.

“Das ist sehr lobenswert, mein Freund.“ Befand Sulik und klopfte Tannier auf die Schulter. „Dann sollten wir ihn vielleicht dort in die Ecke...“ er deutete rechts neben die Fensterfront des Diners, als Lincoln mit dem Kopf schüttelte. „Traditionell! Richtig traditionell!“ er machte ein verschwörerisches Gesicht. „Da passt ein Sternenhintergrund mit zwei Sonnen nicht wirklich.“ – „Was schlagen Sie also vor?“ wollte Tannier nun wissen.

“ Scrooge. Ebenezer Scrooge.“ Sagte Frank leise und sah sich dabei im Diners um.

“Also so ein Weihnachtsfest, ja?“ Sulik nickte zustimmend. „A Christmas Carol also?“

Verwirrt sah Tannier von einem zum anderen. „Ich verstehe Sie nicht ganz.“

“Ganz traditionelle Weihnachten.“ Flüsterte Lew. „Ganz traditionell!“

Und Lincoln lächelte „Auf dem Holodeck!“


Entgegen aller Voraussagen, besserte sich die Laune Needas schneller als sie eigentlich für sich selbst angenommen hatte.

Daniel ging ihr möglichst aus dem Weg, hielt sich in seinem Quartier auf, oder in einem der Laboratorien der Krankenstation. In Gollwyn hatte er einen interessierten Fachkollegen gefunden, der sich bereitwillig in das Forschungsprojekt Dr. LaPlaces einbeziehen ließ.

So lange sie sich nicht ernsthaft mit dem Thema ihrer gescheiterten Ehe auseinander setzten musste, funktionierte der Verdrängungsmechanismus des Captains wie gewohnt, und Needa ging in der üblichen Routine ihrer Arbeit nach.

“Was gibt es auf Onda eigentlich so besonderes?“ Tomm Lucas hatte sich in seinem Stuhl umgedreht und sah die Vorgesetzte in seinem Rücken an.

“Wir eskortieren eine Delegation der dortigen Regierung zurück zu ihrem Heimatplaneten.“ Fast im gleichen Augenblick, als sie es aussprach, wunderte sie sich selbst über den Umstand, dass sie ihre Passagiere von der Hook übernommen hatten, und diese nicht selbst die Eskorte abschloss. Vielleicht, so überlegte sie, besitzen wir einfach eine moderne Ausstattung?! Sind besser gerüstet.

“Und die Hook?“ In gewissen Situationen entwickelte Lucas denn Wissensdrang eines Sechsjährigen und konnte einem ohne Probleme ein Loch in den Bauch fragen.

“Ist auf dem Weg zu einer Forschungsmission in den Sektor 42.3.“ beantwortete Needa die Frage, dem Kadetten ansehend, dass er sich mit der Aufgabennennung ihrer Mission nicht zufrieden geben würde.

“Im eigentlichen Sinne handelt es sich um eine reine Eskorte. Auf Onda herrscht jedoch Katastrophenalarm.“ Mit einer gewissen Genugtuung öffnete die Trill den Desktop neben ihrem Stuhl und rief die Daten ihrer derzeitigen Mission auf, um diese dann auf den Hauptschirm zu legen.

“Zwei Drittel der ondanesischen Bevölkerung tragend eine Immunschwäche in ihrem Blut, die sie nicht älter als 40 Jahre werden lässt.“ Auf dem Schirm erschien ein Planet mit farblich abgesetzten Flächen. „Deshalb wird in jeder zweiten Folgegeneration ein Nachfolger des obersten Primar bestimmt, der nach dem Ableben des Vorgängers die Herrschaft über den Senat übernimmt.“ – „Die Ondanesen besitzen einen König?“

Ariell grinste leise. „Sie nennen ihn nicht so, aber er ist ein absolutistischer Herrscher.“ Das Bild auf dem Wandschirm wechselte und zeigte einen Stammbaum. „Wir begleiten das derzeitige Herrscherpaar zurück nach Onda. Und unterstützen Dr. LaPlace,“ sie knirschte mit den Zähnen „bei seiner Forschungsarbeit.“

Das hatte sie allerdings nicht Daniel selbst erfahren, sondern von Captain Adamus. LaPlace suchte nach einer Möglichkeit das Gen der Immunschwäche zu entschlüsseln und damit unschädlich zu machen. Die Biologie der Ondanesen war allerdings wesentlich komplexer als die der meisten in der Föderation. Nicht einmal die Vulkanische Biologie war so hoch entwickelt wie die der Bevölkerung auf Onda. Und so war guter Rat teuer.

Needa hatte immer gewusst, dass Daniel im Bereich der Exobiologie einer der führenden Ärzte und viel in den Randgebieten unterwegs war, dass er sich aber mit dem Problem der Ondanesen befasste überraschte sie dann doch. Der Kampf schien beim derzeitigen Wissensstand der Föderation noch aussichtslos, und ihr Ex-Mann, das wusste Ariell nur zu gut, engagierte sich niemals für erfolglose Dinge.

“Das bedeutet, dass die Sterblichkeit auf diesem Planeten sehr hoch sein muss.“ Folgerte Tomm in einem melancholischen Tonfall. „Wie traurig. Schade, dass wir ihnen nicht helfen können.“

Der Captain der Katana sah dem jungen Kadett ins Gesicht. Sie konnte seine Empfindungen verstehe, und bisher hatte sie sich mit solchen Gedanken nicht beschäftigt.

“Wir werden sehen. Vielleicht besteht ja doch eine Möglichkeit. Wir werden jedenfalls nicht aufgeben und versuchen zu helfen.“


„Fünf Christmas-Carol-Singer, ist das eine ausreichende Zahl“ Lew wiegte den Kopf hin und her. „Oder doch sechs?“

Frank Lincoln zog seinen Kopf aus einer der Computerkonsolen, die in die Wand des Holodecks drei eingelassen war und machte ein bedächtiges Mhm. „Ich kann mich nicht erinnern, wie viele im Buch erwähnt werden. Ist das denn wichtig?“

“Wie stimmgewaltig sollte so eine Gruppe sein?“ Tannier hatte sich eingehend mit der Lektüre Dickens befasst und trug das große in Leder eingebundene Buch neuerdings stets bei sich.

Eines Nachmittags war er damit auf dem Holodeck aufgetaucht und hatte den beiden anderen Männern stolz das Werk präsentiert. „eine freundliche Leihgabe Captain Needas.“ Hatte er ihnen strahlend mitgeteilt. Und seither war dies die geradezu biblische Vorlage für das diesjährige Weihnachtsfest.

Lew und Lincoln sahen den Minbari an „In dem Buch steht nichts über eine genaue Anzahl des Chores. Wir sollten uns also vielleicht darauf einigen, was genau diese Herrschaften singen sollen, und wie laut oder leise sie jeweils vortragen.“

Lincoln zuckte mit den Schultern „Ich kenne mich mit Musik nicht besonders aus. Ich singe höchstens in der Kirche, und da waren wir immer fast Fünfzig Leute. Ist schwer zu bestimmen, wie viele Stimmen man also braucht, um Tochter Zion würdevoll vortragen zu können.“

Lew setzte eine ebenso ratlose Mine wie der Sicherheitschef auf „Ich könnte jetzt was zu Sting sagen. Weihnachtslieder sind nicht ganz meine Baustelle.“

Tannier überlegte einen kurzen Moment. „Ich denke sechs sollten ausreichen.“

Alle drei nickten sich zufrieden zu und Lew übertrug dieses Detail in seine Liste, direkt unter den Christbaumschmuck, wie Äpfel, Nüsse und Lebkuchen. Sechs Christmas-Carol-Singer!


„Wir können einige der größeren Energieversorger und Rohstoffproduzenten neu konzipieren und den Ertrag in beiden Bereichen, bei geringerem personellem Aufwand, steigern. Wir haben von den Minbari außerdem eine Energiesparendere Technologie mitgebracht, die wir in Ihre Systeme integrieren werden.“ Bereits früh am Morgen hatte sich Seeta zusammen mit Lazarus zu einem gemeinsamen Treffen mit den beiden Vertretern Ondas auf gemacht. Bei einem ausgedehnten Frühstück erläuterte die Chefingenieurin das neue Konzept, das sie mit dem Leiter der Wissenschaftsabteilung erarbeitet hatte. Da die Bevölkerung der Ondanesen eine so verfrühte Sterblichkeitsrate besaß, brach das Wirtschaftssystem allmählich zusammen. Die Immunschwäche, die zu Beginn nur einen geringen Teil Ondas betroffen hatte, breitete sich nach und nach über den ganzen Planeten aus. Niemand hatte damit gerechnet, dass dieses eine besondere Gen für den Untergang der gesamten Bevölkerung und somit zum Wirtschaftlichen Ruin der Industrie führen würde. Nachdem über die Hälfte der Bevölkerung verfrüht arbeitsunfähig wurde, hatte die Regierung damit begonnen Gegenmaßnahmen zu ergreifen, musste zu diesem Zeitpunkt aber schon erhebliche Ausfälle in der Schwerindustrie in Kauf nehmen. Für den Planeten kam dies fast einem Todesurteil gleich, da achtzig Prozent des wirtschaftlichen Gewinns durch Exporte erreicht wurden.

Die Föderation hatte mit einer Umstrukturierung des planetaren Systems begonnen und Onda vor einem total Zusammenbruch bewahrt, jetzt ging es aber darum, die Bevölkerung so weit zu entlasten, dass ein Großteil der Versorgenden Wirtschaft, wie Nahrungsmittelproduktion und das soziale Netzwerk, selbstständig arbeiteten. Auch Energieverbrauch und Herstellung mussten überwiegend umgestellt werden, um den gesunden Teil der Ondanesen nicht zusätzlich zu belasten.

“Wir haben die Effizienz des Gesundheitswesens verbessert, um auch den gesunden Teil Ondas angemessen versorgen zu können.“ Gerade an diesem Teil des Konzepts hatte Dalen gearbeitet. Schon auf dem Rendezvouskurs mit der Hook hatte er sich Gedanken über ihre bevorstehende Mission gemacht und sämtliche Daten des Schiffscomputers verschlungen. Die Ondanesen war hoch entwickelt und genossen die Technologie ihres Zeitalters, dennoch war es ihm gelungen, mehr aus dem zu machen, was bereits vorhanden war.

Seeta hatte ihm seinen Stolz bereits am Gesicht ablesen können. Was er jetzt vortrug, war nicht nur vom ökonomischen, sondern auch vom qualitativen Standpunkt her eine wirkliche Bereicherung für das Herrscherpaar Ondas.

Bateean und Mondeeon verfolgten dementsprechend interessiert die Ausführungen des Doktors. Obwohl sie in Yadeels Augen noch sehr jung wirkten, hatten sie nach der ondanesischen Zeitrechnung ihr Höchstalter fast erreicht. Und in den traurigen Gesichtern der Beiden, erkannte die Zanderianerin die Gewissheit ihres Schicksals.

“Natürlich werden wir Ihnen auf Ihrem Planeten helfen, diese ganzen Reformen umzusetzen. Sowohl Dr. Lazarus, als auch ich mit meinem technischen Stab, werden Ihnen zur Seite stehen.“ Es lag nicht im Naturell der Chefingenieurin, dass sie sich einer solchen Sache hilflos gegenüber stellen musste, doch in diesem Fall hatte sie keine andere Wahl, und alles, was sie für Onda tun konnte lag in der Verbesserung der Infrastruktur.

Bateean lächelte seicht „Wir sind Ihnen für da, was Sie für uns tun, sehr dankbar.“ Sagte sie in einem leisen Tonfall der schon fast an ein Flüstern grenzte. Mondeeon dagegen hüllte sich in Schweigen. Überhaupt hatte Seeta das Gefühl, dass er sich von allem nicht so sehr betroffen fühlte, wie seine Frau. Ihn schienen andere Dinge zu beschäftigen. Weit weg und unerreichbar für die übrigen Anwesenden.

“Wenn wir mehr für Sie tun könnten…“ die Zanderianerin brach ab. Die Hoffnung des Herrscherpaares hatte die Föderation bisher nicht erfüllen können, wie konnte sie da annehmen, dass es etwas geben könnte, um den Ondanesen ihr Lachen wiedergeben zu können.

Doch Bateean schüttelte den Kopf. „Sie tun schon mehr, als wir erwartet haben.“


„Das ist doch Quatsch, der Baum steht total schief!“ – „Mumpitz, der Baum steht gerade!“

Lincoln hatte die Hände in die Hüften gestemmt und musterte mit schief gelegtem Kopf die Drei Meter aufragende Tanne vor sich. „Der Baum steht nicht schief!“ beharrte er und machte Anstallten die Nordmanntanne zu umrunden. „Der Baum steht so schief, dass man vom Anblick alleine besoffen wird.“

“Das kommt von dem schlechten Fusel, den du in dich reinschüttest!“ erklärte der Sicherheitschef und rüttelte nachhaltig an dem großen Baum. „Der ist grade!“

“Das müsst ihr Iren gerade sagen. Ihr sauft doch trockenes Getreide!“

“Immer noch besser als gebrannte Kartoffeln.“ Gab Frank Lincoln brummig zurück. „Unser Whiskey hat wenigstens Geschmack und besteht nicht nur aus Wasser!“

Noch einmal rüttelte Lincoln kräftig an der Tanne, so dass diese zum Protest etliche Nadeln regnen ließ. „Is überhaupt ein Wundern, dass du nen Ahorn von ner Tanne unterscheiden kannst.“

Lew grinste schief und lehnte sich von der anderen Seite gegen den Christbaum, um Lincoln beim begradigen des Standes zu helfen. „Hab nicht son großes Maul, sonst beschmeiße ich dich mit Rentierscheiße!“ er lachte „Der bekackte Sicherheitschef!“ Fast schon traten dem Ukrainer die Tränen in die Augen, so sehr amüsierte ihn die Vorstellung.

“Ein bekackter irischer Sicherheitschef im Weltraum.“ – „Und du bist ein ukrainischer Scheißetransporteur im Weltraum.“ Grunzte Lincoln „Zu mehr taugen deine Blechvögel im Moment eh nicht.“

Unter anderen Umständen hätte Lew ihm für diese Bemerkung den Schädel eingeschlagen, aber er musste viel zu sehr lachen, um auch nur im entferntesten an so etwas zu denken. Außerdem wusste er, dass es Frank ebenso ging. Sie bereiteten Weihnachten vor, also konnten sie Fünfe gerade sein lassen.

“Also, zugleich. Ich ziehe, und du schiebst!“ Lew legte sein ganzes Gewicht gegen den Baum und kam damit Lincolns Aufforderung nach. Zunächst tat sich nichts, doch schließlich, unter einem lauten Knacken und dem erneuten Abwurf etlicher Nadeln, bewegte sich die große Tanne in ihrem Ständer nach links.

“Ich finde nicht, dass er jetzt unbedingt gerader als zuvor steht.“ Tannier hatte einen Finger an sein Kinn gelegt und betrachtete Kritisch das Werk seiner Kollegen. „Eigentlich ist er jetzt richtig schief.“ – „Was verstehst du schon davon?“ Empörte sich Lew. „Bei euch gibt’s nicht mal Tannenbäume!“

“Wenn er doch aber recht hat?“ Lincoln nahm etwas Abstand zu dem grünen Ungetüm ein.

“N’ Bisschen schief ist er schon irgendwie.“

“Natürlich, ich brech’ mir fast die Arme an diesem Ding ab, und jetzt is er auch noch schief! Das war er vorher schon. Wahrscheinlich ist der so gewachsen.“

“So langsam frage ich mich, ob wir’s nicht lassen sollten, das hat doch eh keinen Zweck.“ – „Ja ja, kneif nur den Schwanz ein, nur weil du zu blöd bist ne Tanne richtig hinzustellen!“

„Ich geb dir gleich blöd, du...“ Zischend öffnete sich die Tür zum Holodeck und eine schlanke, zierliche Gestalt betrat vorsichtig den Raum.

“Entschuldigung, ich glaube, ich habe mich verlaufen.“ Bateean sah neugierig an dem großen Christbaum empor, der auf einem ansonsten leeren Holodeck stand.

“Das kommt ganz darauf an, wo Sie hin wollen, Miss.“ Lew grinste auf seine unverkennbare Art, ein mögliches Abenteuer witternd „Vielleicht sind Sie ja doch richtig hier?!“ Doch Lincoln zupfte sich bereits die einzelnen Tannennadeln von seiner Uniform. „Halt die Klappe.“ Brummte er „Das ist Primar Bateean.“

Entschlossen ging er auf die junge Frau zu. „Kommen Sie Bateean, ich werde Sie zu Ihrem Quartier bringen.“ Dankbar lächelte die Ondanesin den Sicherheitschef an und folgte diesem durch die Tür zurück auf den Korridor. Zurück blieben Lew und Tannier, die abwechselnd vom Baum zu der mittlerweile geschlossenen Tür sahen.

„Tja.“ Lew klatschte in die Hände und schob sich die Ärmel der Uniform hoch. „Müssen wir beide eben die Karre aus dem Dreck ziehen. Tannier, legt deinen Schmöker weg und hilf mir.“


Schweigend lief Bateean neben dem großgewachsenen Iren her. Und nur selten hob sie den Kopf um die vorbeieilenden Crewmitglieder der Katana zu betrachten. Als sie um eine der zahlreichen Biegungen des Korridors traten und vor einer der Turbolifttüren standen begann sie jedoch plötzlich zu sprechen.

“Macht es Ihnen etwas aus, vielleicht noch einen Augenblick lang weiter zu gehen?“ Sie sah verlegen auf ihre Hände. „Ich möchte ungern schon zurück in mein Quartier.“

Lincoln versuchte einen Augenblick lang zu ergründen, was die junge Frau wollte. Eigentlich hatte er keine Zeit für die Eskorte einer jungen Regentin. Irgendetwas veranlasste ihn aber trotzdem dem Wunsch nachzugeben.

“Sie haben sich mit Absicht verlaufen.“ Schlussfolgerte er, nachdem er ein ganzes Stück mit ihr weiter gegangen war.

Sie nickte. „Ich hoffe, Sie sind mir nicht böse.“

“Nein. Vermutlich würde mir auf einer so langen Reise auch die Decke auf den Kopf fallen.“ Er sah sie freundlich an. „Aber vielleicht sollten wir uns zu Ihrer Aufmunterung ein Ziel aussuchen zu dem wir laufen. Die Korridore der Katana sind zwar lang, aber auf die Dauer recht langweilig.“ Er verschränkte die Arme hinter dem Rücken, währen er neben ihr her lief. „Diese Schiff hat schon ein bisschen mehr zu bieten.“

In den Augen Bateeans leuchtete es auf. „Würden Sie mir diese Orte zeigen.“ In ihrer Stimme begann so etwas wie Euphorie mitzuschwingen. Und Lincoln kam nicht umhin, sich von dieser Begeisterung anstecken zu lassen. „Fangen wir klein an und beginnen mit dem Diners. Von dort haben wir den Idealen Blick auf die Sterne.“


Ruhig glitt das Shinai durch die Luft, ohne auch nur das kleinste Geräusch zu verursachen machte Needa einen Schritt nach vorne. Elegant umrundete sie den Kendoka und baute sich hinter ihm auf.

“Kiai!“ Mit einer ausholenden Bewegung, vollführte den Hidari-Men, verfehlte jedoch die linke Schläfe ihres Gegenüber. Mit einem Schnellen Ruck drehte sich der Kendoka, so dass sein Brustpanzer, der Do, kurz klackte. Noch den selben Schwung nutzend führte er das Shinai in einen Tsuki, doch auch sein Schlag in Richtung Kehle verfehlte sein Ziel nur knapp.

Erneut holte Needa aus, nutze die verlorengegangene Deckung ihres Gegenübers und das Shinai in einem abwärtsgerichteten Hieb auf die rechte Seite der Brustplatte des Kendoka niedergehen. „Kiai!“ Zu spät reagierte ihr Gegner und wurde von dem Bambusschwert hart getroffen.

Fast augenblicklich traten sich die Beiden Kendoka gegenüber und neigten ihre Köpfe in einer angedeuteten Verbeugung. Needa hatte den Drei-Punkte-Kampf gewonnen woraufhin ihr virtueller Gegner verschwand und sie allein in dem Kieferfarbenen Dojo zurück blieb.

Jedenfalls schien es so, denn plötzlich trat aus dem Schatten einer der Säulen Daniel LaPlace.

“Ich wusste nicht, dass du dem Kendo immer noch nachgehst.“ Gestand LaPlace in echter Anerkennung. „Und du bist noch dazu wesentlich besser geworden.“

Ariell unterließ es den Arzt zu fragen, warum er ohne Erlaubnis ihre Holodecksequenz störte. Ohne ihm große Beachtung zu schenken zog sie das Men, die schwere Gesichtsmaske von ihrem Kopf. „Ich hatte Zeit zum Üben.“ Erwiderte sie schlicht, und der dunkelrote Rock unter ihrer Rüstung raschelte, während sie zum Rand der Trainingsmatte lief.

Unaufgefordert folgte Daniel seiner Ex-Frau und löste die Bänder der Brustplatte, so wie er es hunderter Male zuvor getan hatte, als sie noch verheiratet gewesen waren.

“Ariell, bitte lass uns unseren Streit, nur für diese Mission vergessen.“ Daniel hatte in seinem Leben nur selten um etwas gebeten, und wenn er dass jetzt bei seiner Ex-Frau tat, bedeutete dass die Zugabe all seiner Fehler.

Er wollte den Ondanesen helfen, dafür war er hierher gekommen, und dafür brauchte er die Unterstützung der Katana.

Bisher hatte ihm die Crew bei allem geholfen, die Zeit, so fürchtete er jedoch, würde gegen ihn arbeiten, und das Föderationsschiff bot genau die Technologie, die er auf Onda nicht besaß. Wenn er Ariell überreden konnte, nach ihrer Ankunft nicht direkt wieder abzufliegen, dann hätte er vielleicht die Möglichkeit, seine Forschung zu beschleunigen und schnellere Ergebnisse zu erzielen. Doch dazu musste er Ariell erst überzeugen.

„Du forderst Unterstützung von mir.“ Erkannte sie schnell „Für wie lange?“ Daniel überschlug seine bisherigen Erfolge und den nächsten Schritt in seiner Forschungsreihe. „Ein Monat, wahrscheinlich weniger.“

Unglaublichweise brauchte er nicht lange Überzeugungsarbeit zu leisten. „Und Zugriff auf dein medizinisches Personal.“ Die Frage war jetzt, wie weit er mit seinen Forderungen gehen konnte. „Ebenso wie die Laboratorien der Krankenstation.“ Needa hatte sich ihrer Rüstung entledigt und stand nur noch in dem schlichten dunkelroten Kimono vor LaPlace, ihr Schwert in der rechten Hand haltend. „Zwei Wochen. Mehr Zeit steht mir nicht zur Verfügung.“ Erklärte sie. „Die Katana wird nach dieser Zeit nach Babylon 5 zurückkehren.“ Sie sah Daniel forschend an. „Über den medizinischen Stab kann ich nicht entscheiden, ich weiß aber, dass Dr. Maddigan gerne mit dir zusammenarbeitet und an deinen Forschungen sehr interessiert ist.“

Daniel nickte, doch Ariell war noch nicht fertig. „Und ich möchte über deine Forschung informiert werden.“ – „Natürlich!“ LaPlace konnte es kaum fassen. War er ihr am Ende doch nicht so sehr verhasst, wie er angenommen hatte?! “Das Briefing der Senior-Offiziere beginnt jeden Morgen um acht. Ich möchte, dass du daran teil nimmst. Auch meine Crew arbeitet an einer Lösung für Onda. Vielleicht ist es möglich diese Ergebnisse zusammen zu fügen.“


Zischend öffnete sich die Tür zum Holodeck und in einem strammen Schritt kam Lincoln durch die Tür, bereits im Gehen die Jacke seiner Uniform ablegend. „Gut, wie weit sind wir?“

Das bisher kahle Holodeck hatte etliches an weihnachtlicher Optik dazu gewonnen. An einer der Wände war ein Kamin entstanden, an dessen Sims rote Socken hingen, aus denen Zuckerstangen ragte, dass jedes Kind große Augen bekommen hätte. Auch zeigte der Fußboden nicht mehr das gewohnte Holodeckgitter, sondern einen alten knarrenden Dielenboden, auf dem dunkle flauschige Teppiche verteilt lagen.

Lew und Tannier knieten vor der Computerkonsole am Boden und steckten zwei Iso-Chips zurück an ihren Platz.

“Wir waren für Fünf Uhr verabredet, jetzt ist es halb sieben!“ entrüstete sich der Ukrainer und setzte sich auf den Boden, die Arme auf die Knie gelegt. „Und Shell hat uns verraten, dass du nicht arbeiten warst.“ Grinste Lew triumphierend.

Lincoln machte ein düsteres Gesicht. „Du spionierst mir nach?“

“Eigentlich war’s Tannier, der sich Sorgen machte. Ich kann mir allerdings vorstellen, mit wem du unterwegs gewesen bist.“ – „Und das geht dich ja wohl gar nichts an!“

In der Tat war es Lew und Tannier nicht entgangen, dass Frank Lincoln seit einige Tagen seine Zeit in blaublütiger Gesellschaft verbrachte und zunehmend zu spät kam. Zwar machten sich die beiden einen Spaß daraus, über die Frage zu philosophieren, was Lincoln mit der Primar von Onda anstellte, allerdings gönnten sie es dem Sicherheitschef auch, außer der Arbeit auch noch eine andere Beschäftigung gefunden zu haben. Und keiner zweifelte an den edelmütigen Absichten des Iren. Zumindest Tannier war sich derer sicher.

“Also, wenn du anfängst die Aufgaben des Weihnachtskomitees zu vernachlässigen, unseres Komitees“ Lew legte einen Arm auf Tanniers Schultern. „Dann geht uns das sehr wohl etwas an.“ – „Wie wär’s, wenn das Komitee einfach mal aus dem Quark kommt und den Weihnachtsschmuck mit aufhängt?!“ Lincoln mochte über dieses Thema nicht sprechen – einfach, weil’s für ihn nichts zu besprechen gab. Sollten sich die beiden doch das Maul zerreißen.“


„Es ist mir gelungen, das verantwortliche Gen im Labor zu reproduzieren. Anhand der gesammelten Daten ließ sich feststellen, dass ein geringer Teil der Ondanesischen Bevölkerung Immun dagegen ist.“

“Und woraus geht diese Immunität hervor?“ Ariell ihr eigenes Briefing an diesem Morgen auf drei wesentliche Punkte reduziert und dann das Wort an Dr. LaPlace übergeben.

“Ähnlich wie auf der Erde, gibt es auf Onda verschiedene Bluttypen. Eine Komponente des Blutes wird von dem Gen befallen, und eben dieser Teil befindet sich in fast jedem Bluttypen.“ – „Bis auf einen.“ Ergänzte Maddigan.

“Genau. Dieser Typus entspricht dem Null-Negativ auf der Erde. Er ist auf Onda der seltenste.“

“Das heißt, es besteht eine Möglichkeit ein Gegenmittel zu finden?“

Sowohl Maddigan als auch LaPlace nickten. „Wenn wir herausfinden, wie das Gen entstanden ist, können wir es auch ausschalten.“

“Dann ist es nicht durch Mutation entstanden?“ Biologie war nicht Seetas Lieblingsfach, aber so viel hatte sie von der Vererbungslehre behalten.

“Nein. Normalerweise dürfte dieses Gen auf Onda überhaupt nicht existieren. Die Bedingungen um ein solches Gen entstehen zu lassen, sind auf diesem Planeten, in dieser Evolutionsstufe nicht gegeben.“

Aus seiner langjährigen Erfahrung hatte Maddigan schließen können, dass dieses Gen kein Natürliches Vorkommen war. Schon allein deswegen lag ihm viel an der Lösung eines Problems.

Needa lehnte sich über den Tisch und sah Maddigan aus Misstrauischen Augen an. „Dieses Gen ist künstlich?“

Maddigan nickte. „Es wurde bewusst auf Onda gestreut. Wir haben festgestellt, dass jede neue Generation das Gen in sich trägt, es aber bei etwa zehn Prozent nicht aktiviert wird.“

Fast jeder am Konferenztisch sah den Doktor mit Bestürzung an. „Man hat diesen Planeten mit Absicht infiziert.“ Beide Ärzte bejahten die Frage.

“Deshalb ist es uns auch gelungen, das Gen so schnell und einfach zu reproduzieren. Weil es künstlich ist. Jemand versucht die Ondanesen vorsätzlich auszulöschen.“


„Computer, Licht!“ Schon nach dem ersten Summe der Tür war Lincoln hell wach. Die wechselhaften und nicht immer ganz ungefährlichen Missionen der Katana hatten ihm beigebracht jederzeit möglichst schnell auf seinem Posten sein zu können. Seine Uniform ruhte auf einem Stuhl neben seinem Bett, im Notfall immer griffbereit, ebenso wie seine Schuhe und der Kommunikator. Sogar der Phaser befand sich auf seinem Nachttisch, auch wenn Frank zugeben musste, dass dies weniger mit Bereitschaft sondern mit reiner Vorsicht zusammenhing. Schon einige Male war es passiert, dass man ihn im Schlaf überraschte, und er wäre gewiss nicht Sicherheitschef der Katana geworden, wenn er nicht darauf vorbereitet gewesen wäre. Erneut meldete sich die Tür und der Dringlichkeit der draußen stehenden Person folgend, betrat Lincoln nur in Boxershorts und T-Shirt den Wohnbereich seines Quartiers.

“Herein, verflucht!“ Die abendlichen Bastel-Aktionen auf dem Holodeck dauerten inzwischen bis in die Nacht hinein. Weihnachten, so hatte er den Eindruck war dieses Jahr früher als gewohnt, und so hatten Tannier, Lew und er feststellen müssen, dass ihnen weitaus weniger Zeit blieb, als sie brauchten. Und so kam es vor, dass er erst in den Morgenstunden sein Bett aufsuchen konnte.

“Was machen Sie hier.“ Lincoln staunte nicht schlecht, als er erkannte, wer da eben über seine Türschwelle getreten war. „Sie sollten in Ihrem Quartier, in Ihrem Bett sein!“ Es fiel ihm schwer sein Erstaunen über den nächtlichen Besuch zu verbergen, und trotzdem versuchte er seine gewohnte Autorität nach außen zu kehren.

Bateean schlug ihre Augen nieder, auch wenn sie Sekunden später wieder zu Lincoln sah. „Es tut mir schrecklich leid.“ Wisperte sie. „Aber ich konnte nicht schlafen.“ Sie sah aus dem Fenster, so als flöge etwas von großem Interesse an diesem vorbei. „Dieses Schiff ist so groß, und ich fühlte mich so allein.“ Sie drehte sich wieder um, so dass sich das leichte Nachthemd unter dem Morgenrock bauschte. „Und außer Ihnen kenne ich doch niemanden hier.“

Unter Lincolns Stimme mischte sich etwas Sanftmut, auch wenn er nicht erbaut über diesen Überfall war. Nachsicht hatte ihm seine Mutter immer gepredigt. Dir fehlt Nachsicht, Junge.

“Ich versteh ja, dass diese große Schiff für Sie vollkommen fremd sein muss, aber Sie sind doch nicht allein. Ihr Mann...“

Schlagartig verfinsterte sich das Gesicht der jungen Frau, so als schöbe sich der Mond vor die Sonne. „Mein Mann!“ Sie spuckte das Wort fast aus. Auch wenn kein Zorn in dem Satz mitschwang, wurde für Frank etwas unmissverständlich klar. „Mondeeon er ist...wir sind...“Sie suchte nach dem richtigen Wort. „Dies Verbindung existiert nur auf dem Papier.“ Sie wurde fast bitter. „Wäre das anders, gäbe es bereits einen nachfolgenden Primar.“

Lincoln konnte sich einiges unter arrangierten Ehe vorstellen, und gerade in Herrscherhäusern war das ja nichts unbekanntes, trotzdem fühlte sich das jetzt wie ein Schlag ins Gesicht an.

Frank fuhr sich mit der Hand durch das zerzauste Haar. „Ich seh mal, ob der Replikator ne warme Milch ausspuckt.“ Etwas leiser „Und nen starken Kaffee.“

Bateean nahm dies als Aufforderung zu bleiben und setzte sich auf die großzügige Couch.

“Ich weiß nicht, was ich ihm getan habe, aber er zieht Männer mir vor.“ Lincoln klirrte mit dem Becher Milch und hätte diesen fast im Replikator ausgekippt. Prinzipiell hatte er nichts gegen Ehrlichkeit, aber morgens um vier war im dass doch ein bisschen sehr offen.

“Nun ja,“ er räusperte sich „So was soll’s geben.“ Er hätte sich ohrfeigen können. Da saß nun die Herrscherin eines sterben Planeten und schüttete ihm quasi ihr Herz aus, und er hatte nichts besseres zu sagen als: So was soll’s geben.

Insgeheim wünschte er sich Zhabia Velain wäre jetzt hier, damit er sich aus der Affäre hätte stehlen können, aber dieser Wunsch sollte ihm heute Nacht wohl nicht erfüllt werden.

“Hören Sie.“ Er stellte den Becher heiße Milch auf den Couchtisch und setzte sich Bateean. „Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, die sich mit gesundem Verstand nicht erklären lassen. Und wenn Ihr Mann keinen Gefallen am weiblichen Geschlecht findet, dann war das auch schon vor ihrer Heirat so. Das hat weder was mit Ihnen, noch mit Ihrem Aussehen zu tun.“ Und da konnte Lincoln ehrlich sein. Bateean hatte in seinen Augen eine sehr anziehende Attraktivität.

Sie griff nach dem Becher und lächelte ihn über den Rand hinweg an. „Meinen Sie?“

“Weiß ich!“ bestätigte er mit Nachdruck. „Jeder Mann auf diesem Schiff wäre froh, eine Frau wie Sie zu haben. Unabhängig von Ihrem Rang natürlich.“ – „Sie auch?“

Unbehagen breitet sich in Frank aus, gemischt mit etwas anderem, das er nicht definieren konnte. „Ich sicherlich auch.“ Brachte er schließlich heraus.

Sie lehnte sich auf der Couch zurück und nippte an der Milch. „Warum sind Sie eigentlich so nett zu mir?“ wollte Bateean schließlich wissen. „Sie sind ja auch nett zu mir. Außerdem glaube ich, dass Sie das verdient haben“

Sie lachte. „Ich mag Sie. Obwohl ich viel kleiner und schwächer bin als Sie, haben Sie doch Angst vor mir.“

Lincoln sah Sie verwirrt an. „Ich habe Angst vor Ihnen?“

Sie nickte. „Sie haben Angst vor dem, was passieren könnte.“ Sie hörte auf zu lachen und sah ihn durchdringend an, und Frank merkte, wie im Blut in Körperteile floss, wo es besser nicht seinen Weg hin finden sollte. „Ja, das ist richtig.“


“Du ißt schon wieder Spaghetti?” Seeta sah entrüstet auf Ariells Teller, auf dem in roter Tomatensauce Pasta schwamm. „Was bitte ist gegen Nudeln einzuwenden?“

“Das du gestern auch welche hattest.“ Erklärte Zhabia, die sich mit den beiden Frauen im Diners getroffen hatte.

“Ich mag Pasta eben!“ gab Needa zurück und schob sich genüsslich eine weitere Gabel voll in den Mund. „Ich beschwer mich schließlich auch nicht darüber, dass du jeden Tag diesen Schlamm trinkst!“

Seeta lachte. Aus dem griesgrämigen Captain am Anfang der Mission war eine gut gelaunte Trill geworden. Und allmählich hatte sie den Verdacht, das der Krieg mit ihrem Ex-Mann beigelegt war. Needa hatte es sich zur Angewohnheit gemacht, einmal am Tag das Labor der Krankenstation aufzusuchen und kam meisten unter einer Stunde nicht wieder auf die Brücke zurück.

Sie wusste nicht, warum sich die beiden plötzlich wieder verstanden, aber wenn sie darüber nachdacht, musste sie zugeben, dass Daniel LaPlace ein einnehmendes Wesen hatte.

“Also, wenn ich diesen Schlamm, dann ist das aus einer Notwendigkeit heraus.“ Gab Zhabia zurück und riss die Zanderianerin aus ihren Gedanken. „Siehst du, und das gilt bei mir für Pasta.“

“Das ist ja auch was Hervorragendes.“ Bestätigte Lew, der soeben an den Tisch getreten war. „Auch wenn mir persönlich ein anständiges Kotelett lieber ist.“ Seeta lachte erneut. Überhaupt fand sie Lew die meiste Zeit komisch und insgeheim gefiel ihr seine lockere Art.

Der Ukrainer zog den freien Stuhl unter dem Tisch hervor und ließ sich rittlings auf selben fallen. „Hat von den Damen vielleicht jemand den Sicherheitschef gesehen.?“

Ariell legte ihren Löffel zu Seite und zog dafür ein Chronometer aus der Hosentasche. „Seine Schicht ist seit über einer Stunde um.“ Erklärte sie und griff wieder nach dem Löffeln.

“Ja ja, das ist mir schon klar, aber wo, ist er jetzt?“ – „Warum fragst du nicht den Computer? Oder noch besser, versuchst es über den Kommunikator?“ Tönte es wie aus drei Mündern, wobei Ariell Tomatensauce auf ihrer Uniform verteilte. „Prima!“ grollte sie still.

“Das habe ich schon.“ Säuselte Lew. „Er meldet sich aber nicht!“ Jetzt sahen sich die drei Frauen an. „Er meldet sich nicht?“ Lew nickte „Und der Computer sagt, er ist in seinem Quartier – macht aber die Tür nicht auf.“

Ariell sah wieder auf ihren Teller „Dann will er vielleicht nicht gestört werden.“ Schloss sie.

“So was kommt vor.“ Sie wusste, mit wem Lincoln neuerdings seine Zeit verbrachte und das mehr, als sich eigentlich gehörte, trotzdem hatte sie es bisher unterlassen, mit ihm darüber zu reden. Lincoln war Sicherheitschef und als solcher für die Sicherheit der Crew und diplomatischer Gäste verantwortlich. Trotzdem konnten sich daraus Probleme ergeben, und lange wollte sich Ariell nicht mehr naiv stellen. „Wenn du Unterstützung für dein Holodeckprojekt suchst: da wird sich sicherlich jemand finden, der dir gerne hilft.“

Lew zuckte mit den Schultern. „Ach, ich habe eigentlich mehr aus Interesse gefragt, eigentlich sind wir fast fertig.“ Log er.


Obwohl leise Gerüchte kursierten, hatte Ariell es abgelehnt mit ihrem Sicherheitschef zu sprechen. Sie hielt den Iren für erwachsen genug, um selbst entscheiden zu können, was sich gehörte und was nicht. Dennoch kam sie nicht umhin, ihre eigenen Schlussfolgerungen zu ziehen. Die rieten ihr lieber früher als später das Gespräch mit Lincoln zu suchen.

Entschlossen betrat Lincoln den Bereitschaftsraum des Captains und war überrascht Ariell auf dem Sofa unter dem Fenster und nicht, wie bei offiziellen Anlässen, hinter ihrem Schreibtisch vorzufinden.

“Frank, kommen Sie rein.“ Sie klopfte auf die Couch neben sich. „Ich glaube, ich muss Ihnen nicht sagen, um was es geht.“

Gleich einem Kind, das man beim Bonbon-Diebstahl erwischt hatte, setzte sich Lincoln neben Needa auf die Couch.

“Nein, Ma’am, ich glaube, ich kann’s mir vorstellen.“

Needa legte ein Padd vor ihn auf den Tisch und stützte den Kopf auf den linken Arm. In vier Stunden werden wir Onda erreichen. Ursprünglich war geplant vierzehn Tage dort zu bleiben, die Umstände lassen einen so großen Zeitraum allerdings nicht zu. Die Überfälle auf die Flotte von Babylon 5 häufen sich, und Präsident Sheridan hat um unsere Hilfe ersucht.“ Sie machte eine Pause. „Wir können diese Bitte nicht abschlagen.“

Lincoln nickte. „Natürlich, Ma’am.”

Needa legte ihm eine Hand auf den Arm, so wie bei einem alten Freund. Es brachte nichts ihm ins Gewissen zu reden, und das, was er getan hat moralisch zu verurteilen. Sie konnte es ihm nicht mal übel nehmen.

“In vierundzwanzig Stunden wird die Primar dieses Raumschiff verlassen. Ich möchte, dass Sie sich im Klaren darüber sind.

Wir werden drei Tage bleiben und dann zurück nach Babylon 5 fliegen. In dieser Zeit, werden Sie den Planeten nicht betreten. Das was jetzt zwischen Ihnen und Bateean ist, werden sie hier beenden. Tannier wird sämtliche Begleiteinsätze übernehmen, während Sie an Bord des Schiffes bleiben.“ Needa fand ihre eigenen Worte plötzlich unglaublich hart, aber eins hatte sie im diplomatischen Corps gelernt, und das war Schadensbegrenzung. Was hier auf dem Schiff passierte drang nur selten nach außen. Was jedoch den Planeten betraf, so hatte Ariell auf diesen Bereich keinen Einfluss.

“Wenn ich etwas zu sagen hätte...aber das habe ich leider nicht.“ Sie schwieg. “Auf dem Tisch liegen die Wünsche der Kinder auf diesem Schiff.“ Sie deutete auf das Padd. „Bis Heilig Abend sind es noch zwei Tage und alle müssen erfüllt werden.“ Lincoln nickte. „Ich werde mich darum kümmern.“


Schon die Art, wie Lincoln sein Quartier betrat ließ Bateean ahnen, was er ihr sagen wollte. Sie wusste, das früher oder später dieser Moment kommen würde, doch sie hatte bisher nicht wahrhaben wollen, dass es so schnell sein würde. Wenn sie jetzt voneinander Abschied nahmen, so wussten beide, dass sie sich nicht wieder sehen würden.

Auch Bateean würde der Immunschwäche unterliegen, dessen war sie gewiss und ob die Katana je wieder an diesem Planeten vorbeikommen würde, wer wusste das schon.

“Hat dein Captain mit dir gesprochen?“ Frank nickte. „Wir werden noch drei Tage bleiben, nachdem wir Onda erreicht haben. Ich werde aber nicht mit dir auf den Planeten kommen können.“ Es fiel ihm unendlich schwer. Doch Bateean legte ihm eine Hand in den Nacken und ließ ihre Finger Kreisen.

“In der Kurzen Zeit, hast du mir das größte Geschenk gemacht, das man von einem Menschen bekommen kann. Du hast mir meinen Leben wiedergegeben. Und dafür danke ich dir.“ Auf ihrem Gesicht lag ein Lächeln, dass er erst vor seit einigen Tagen kennen gelernt hatte. „Sei nicht traurig Frank Lincoln. Du hast deines erst noch vor dir.“ Sie küsste ihn und ließ ihn dann los. „Leben ist etwas kostbares.“


Seeta stand neben Lazarus auf der Transporterplattform und klopfte sich den Staub von der Uniform. Gemeinsam waren sie auf der Planetenoberfläche gewesen und hatten letzte Instruktionen an die Techniker ausgegeben, bevor sie das System wieder in die Hände der Ondanesen übergaben. Sie hatten diesen Planeten nicht retten können, doch mit ein paar Schrauben und einer Idee hatten sie den Ondanesen ihre Lebensqualität wiedergeben können. Die Zanderianerin war sichtlich stolz. „Vielleicht haben wir die Möglichkeit in ein paar Monaten wieder zu kommen und noch mehr verbessern zu können.“ Seeta war zuversichtlich und Dalen wirkte zufrieden. „Auf jeden Fall werden wir mit Onda in Kontakt bleiben.“

“Und darauf sollten wir jetzt einen trinken.“ Seeta stellte ihr Werkzeugkit ab und hackte sich beim Doktor unter. „Auf Holodeck drei ist heute Bescherung! Wenn uns beeilen, schaffen wir’s noch, uns vorher was Sauberes anzuziehen.“ Dalen lachte. „Ich kann’s kaum erwarten die Gesichter meiner Kinder zu sehen!“ – „Und essen! Ich habe ja so einen Hunger!“

Hinter den zweien materialisierte plötzlich eine weitere Person, und Dr. LaPlace stieg von der Plattform. „Sie sind richtig in Feierlaune.“ Bemerkte er schmunzelnd und schlüpfte durch die Tür auf den Korridor, vorbei an den zwei Staubbedeckten Pionieren der Technik.

“Wissen Sie zufällig, wo ich Needa finde?“ Seeta und Dalen tauschten einen Blick.

Vermutlich im Konferenzraum, sie feilt noch an ihrer Weihnachtsrede.“ Sagte Seeta schließlich, nachdem sie kurz darüber nachdachte. „Sie braucht dafür immer Platz.“

LaPlace lächelte dankbar. „Viel Spaß, wünsche ich Ihnen noch.“ Er tippte sich mit zwei Fingern kurz an die Schläfe und verschwand dann hinter der nächsten Krümmung des Korridors.

“Scheint, als würde er nicht zur Bescherung kommen.“ Stellte Dalen fest.



“Und wünschen uns...und wünschen uns...“ Ariell schob sich ein Stück Schokolade in den Mund und sah zur Decke, als fände sie das Ideale Ende ihrer Rede dort oben. Seit über einer Stunde beschäftigte sie sich jetzt schon mit den passenden Worten für den heiligen Abend. Und doch wollte ihr nichts richtiges einfallen. Überhaupt war die ganze Rede sehr kurz geworden und umfasste nicht mal eine Seite.

Dankbar für eine Ablenkung sah sie von ihrem Padd auf, als sich die Tür zum Konferenzraum öffnete und den Blick auf Daniel LaPlace freigab.

“Man findet dich tatsächlich hier. Das erstaunt mich.“

Eigentlich wollte sie etwas spitzes erwidern, doch statt dessen lehnte sie sich ruhig in ihrem Stuhl zurück. „Meine chaotische und unberechenbare Seite habe ich abgelegt.“ Bemerkte sie, nicht ohne einen Hauch von Selbstironie. Daniel machte eine zustimmende Mine. „Du bist ganz schön erwachsen geworden Ariell Needa.“

“Ja, leider.“

Daniel setzte sich an den großen Konferenztisch zu der Linken des Captains, dort, wo für gewöhnlich Dalen Lazarus saß. Und er schaute sie an. Sekunden, in denen er das Bild, das ihm noch immer am Liebsten auf der Welt war, in sich aufsog. Ariell bemerkte die Melancholische Haltung in ihrem Ex-Mann und zog die Brauen zusammen.

“Was willst du mir sagen?“

Schon den ganzen Flug über hatte er nach Worten gesucht, und doch hatte er es nicht geschafft. Er hatte es nicht gekonnt, und doch musste er es jetzt tun, weil sich sonst nie wieder die Gelegenheit dazu bieten würde.

“Weißt du noch, als wir beim Basketball waren? Als es so fürchterlich geregnet hat und ich anschließend eine Woche lang krank war?“ Needa nickte, nicht ohne sich ein Lächeln verkneifen zu können. „Du warst entsetzt, weil ich mich über den Schiedsrichter so aufgeregt haben und kurz davor war, aufs Spielfeld zu gehen und ihm meine Meinung nachdrücklich zu sagen.“

“Und ich war vollkommen begeistert. Ich werde nie das Bild vergessen, wie deine Locken aufgeregt wippten und sich deine Nase kräuselte.“ Daniel starrte sie weiterhin an. „An dem Tag wusste ich, dass ich dich heiraten werde.“

„Was ist passiert Daniel? Was ist aus uns geworden?“

Er schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht Ariell. Vielleicht haben wir diese Zeit nicht zu schätzen gewusst, das, was wir gemeinsam hatten. Wenn ich könnte, würde ich nach diesem Moment greifen und ihn für immer festhalten.“ Er griff nach ihrer Hand. „Ich würde dich für immer festhalten.“

Ariell schwieg und sah auf die Finger, die ihre eigenen umschlossen.

“Wir sehen uns nicht wieder, oder?“ Die Wahrheit war bitter, aber Ariell hatte es gewusst, schon die ganzen Tage hatte sie gewusst, dass etwas seltsames in der Luft lag.

“Ich habe mich bei der Reproduktion des Gens angesteckt. Es war ein Unfall, doch ich kann bisher nichts tun, um die Immunschwäche zu stoppen. Wenn der Prozess bei mir ähnlich wie bei den Ondanesen verläuft, bleiben mir noch zwei Jahre.“

Needa hatte das Gefühl mitten ins Gesicht geschlagen zu werden.

“Zwei Jahre?“

“Ich möchte die Zeit nutzen und versuchen eine Lösung, ein Gegenmittel zu finden, aber wer weiß, ob ich Erfolg haben werden.“

“Deshalb mussten wir die Mission der Hook übernehmen.“ Ariell wurde plötzlich so einiges klar. „Und deshalb wolltest du, dass wir so lange hier bleiben.“

Daniel nickte. „Ich hatte gehofft mehr Zeit mit dir verbringen zu können. Außerdem wusste ich nicht, wie ich es dir sagen sollte. Ich hätte dich nicht verlassen sollen, dass weiß ich jetzt, aber ich kann die Zeit nicht zurückdrehen. Es tut mir so leid.“

Es kostete Needa unglaubliche Mühe ihre Tränen niederzukämpfen und doch schaffte sie es irgendwie.

“Vielleicht...“ doch Daniel legte ihr einen Finger auf den Mund. „Über ein Vielleicht dürfen wir nicht nachdenken.“ Er stand auf und küsste die Trill auf die Stirn. „Ich liebe dich, Captain.“


Persönliches Computerlogbuch, Counselor Velain, Sternzeit 56980,19. Hinter uns liegen turbulente und ereignisreiche Tage.

Man sieht es der Besatzung nicht an, doch der Schock nach dem Absturz sitzt den meisten noch in den Knochen. Obwohl wir kurze Zeit auf Deep Space 12 zubrachten, um Reparaturen am Schiff vornehmen zu lassen, hat die Zeit für eine entsprechende Erholung der Besatzung nicht gereicht. Besonders der Stab der Senioroffiziere scheint übermäßig belastet, und ich bin einmal mehr überrascht, wie gut jeder einzelne von Ihnen diesen Stress bewältigt. Obwohl diese Schiff noch sehr jung ist, scheint es, dass die Crew schon Jahre zusammenarbeitet und als eine Einheit funktioniert. Diese Stärke wird sie brauchen, wenn sie zurück nach Babylon 5 fliegt, denn was uns dort erwartet, ist ungewiss.


Ariell trat vom Weihnachtsbaum zurück und erteilte somit den versammelten Kindern die Erlaubnis, sich die Geschenke, die dort für sie bereit lagen zu nehmen.

Ihre Rede war kurz gewesen und nicht die, die sie vorher aufgeschrieben hatte. Aber, das machte nichts, denn auch so hatte sie den Kern getroffen. Ihr war nach weinen zumute, und wenn sie Lincoln ansah erkannte sie, das es ihm ähnlich ging.

“Ich habe eine Nachricht für Sie.“ Ariell war unbemerkt neben ihn getreten. „Wir haben einen Grund in einigen Monaten wieder zu kommen.“ Sie lächelte und klopfte ihm dann auf die Schulter. „Das richten wir irgendwie ein.“

Noch einmal wanderte ihr Blick durch die Reihen ihrer Crew, und sie war stolz auf ihre Besatzung, und die bisher verbrachte Zeit. Jeden einzelnen hatte sie lieb gewonnen und keinen wollte sie missen.

Mit einem lachenden und einem weinenden Augen drehte sie sich schließlich zur Tür und trat erneut auf den Korridor in Richtung der neuen Brücke.

Und hinter ihr hob die volltönende Stimme Frank Lincolns an, der in breitem Gälisch seinen Gefühlen ein klein wenig nachgab.

Silent night, holy night

All is calm, all is bright

Round yon Virgin Mother and Child

Holy Infant so tender and mild

Sleep in heavenly peace

Sleep in heavenly peace