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Von Winkeladvokaten und Zeugenaussagen

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Von Winkeladvokaten und Zeugenaussagen
Autor: Lew Sulik
Anfangssternzeit: 57608,38
Endsternzeit: 57615,92
Anfangsdatum: 10.08.2380 (15.58 Uhr)
Enddatum: 13.08.2380 (10.05 Uhr)


„Na, die Anhörung heute vor dem Untersuchungsrichter ist ja ganz hervorragend für sie verlaufen!“, meinte Morlock überschwänglich und nippte an seinem andorianischen Teufelswasser. Rhâl schaute erstaunt von ihrem Stuhl auf: „Gut gelaufen? Die eine Hälfte der Zuschauer hätte mich fast in der Luft zerrissen und die andere Hälfte hat mir ständig zu gejubelt. Ich bin fast verrückt geworden. Es war die Hölle!“

Morlock jedoch lehnte sich zufrieden in seinem Stuhl im Diners zurück und erklärte, in dem er demonstrativ gestikulierte: „Genau das ist ihre Taktik. Wichtig ist nur, dass sie standhaft geblieben sind. Weil sie nicht zusammen gebrochen sind, wurde der Verdacht auf Mord aus Mordlust nicht erhärtet. Die Abänderung der Anklage ist für sie nur von Vorteil!“

„Meinten Sie vor Beginn der Anhörung nicht, dass Sie den gesamten Prozess schon durch Anhörung selbst stoppen oder zumindest vertagen könnten?“, fragte Counselour Velain skeptisch, die bisher schweigend neben den beiden am Tisch gesessen hatte. Der Anwalt von Muschpoke Literia stellte sein Glas ab und nahm eine leicht defensive Haltung ein: „Ey, ich sagte, die Chancen dazu stehen gut, dass der Prozess vertagt wird und es so positiv für Rhâl T’Ran ausgehen könnte. Dass es auf jeden Fall so laufen wird, habe ich nie behauptet.“

Nachdem er einen weiteren Schluck von seinem Drink genommen hatte, fügte Morlock hinzu: „Dennoch, die Anhörung war ein Punktsieg für uns, glauben sie mir das. Jetzt haben wir sie in der Hand!“

„Mir ist das System der ferengischen Justiz mehr als suspekt!“, entgegnete Zhabia Velain und schüttelte ungläubig den Kopf, da sie die ganzen Vorgänge und erst Recht Morlocks Taktik nicht verstand. Auf diese Aussage zuckte Rhâls Anwalt mit den Schultern, lehnte sich wieder auf eine gewisse, selbstgefällige Art zurück und meinte: „Das geht den meisten am Anfang so. Aber nach einiger Zeit hat man das ganze durchschaut und findet sich darin zu Recht... sofern man ein guter Jurist und Stratege ist!“

„Wie auch immer…“, murmelte Rhâl seufzend: „Ich gehe erstmal an die Bar und arbeite etwas, ich muss meinen Kopf irgendwie frei bekommen! Die Anhörung hat mich ganz schön gestresst.“

Die Twilek stand langsam auf und ging in Richtung der Bar, während ihr Morlock noch überschwänglich hinterher rief: „Keine Sorge, ab jetzt ist das ganze ein Kinderspiel für mich. Ich hau sie da schon raus!“

Als Morlock mit Zhabia Velain alleine am Tisch saß, nahm er wieder seinen Drink in die Hand, beugte sich etwas zur Counselour und sagte mit einem leicht anzüglichen Unterton: “Wissen sie eigentlich, dass ihnen das blau ganz hervorragend steht?“


Ein pochender Schmerz hinter seiner Stirn und ein pelziges Gefühl auf der Zunge begleiteten sein Wachwerden. Als er nach einiger Zeit endlich seine Augen halbwegs öffnen konnte und durch die Augenschlitze seine Umgebung durch einen nebeligen Schleier betrachtete, wurde ihm gewahr, dass er sich in seinem Quartier befand.

Einige Zeit später konnte er bereits klar sehen und richtete sich auf. Noch in Kleidung und mit Schuhen lag er in seinem Bett und wurde sich des Ausmaßes seines Katers in vollem Umfang bewusst. Sein Schädel brummte, hinter der Stirn pochte es wie verrückt und er war körperlich völlig matt. Er wusste nicht wie er zu diesem Vergleich kam, aber irgendwie fühlte es sich so an, als habe jemand mit einem in Zitronenscheiben gehüllten Goldbarren auf seinen Schädel eingeschlagen.

Die Uhr auf seinem Nachttisch zeigte späten Nachmittag an und die Sonne des Systems strahlte ein unangenehmes und widerwärtiges Licht durch die Fenster in sein Quartier. Unter Schmerzen und schnaufen stand Lew Sulik aus seinem Bett auf und brummelte ein für die Computersysteme gerade noch verständliches: „Computer! Fenster verdunkeln. Verdammt noch mal!“

Daraufhin veränderten die Fenster den Lichteinfall erheblich und ein angenehmes Halbdunkel breitete sich in seinem Quartier aus. Völlig zerknirscht und abgeschlagen trottete Lew zur Couch und lies sich darauf Fallen. Er versuchte die fetzten in seiner Erinnerung an den gestrigen Abend zu sortieren und den Ablauf des Abends zu rekonstruieren.

Gestern Abend hatte sich das gesamte Squadron samt dem Technik Team im Diners eingefunden. Lew hatte vor einiger Zeit Frank Lincoln ein echtes, noch nach alten Rezepten gebrautes, Bier versprochen und endlich von Bob auf Arktis-3 vier Fässer Bier von der Horat Kolonie geschickt bekommen.* Da Lew zu seinen Versprechungen stand, hatte er gestern seine Schuld bei Frank beglichen und für die Squadronmitglieder und die Techniker einen Umtrunk im Diners veranstaltet.

Doch Frank, wenn auch ein sympathischer Kerl leider auch ein viel zu Dienstbeflissener Offizier, hatte nach ein paar Gläsern aufgehört und sich entschuldigt, da er am nächsten Tag wieder zum Dienst antreten müsse. Er selbst und Ian Paice aber hatten mit zwei freien Tagen in nicht die geringste Rücksicht nehmen müssen.

Lew konnte sich noch daran erinnern, dass er mit Ian, nachdem das Bier ausgegangen war, zur Theke gewankt war und in seinem grenzenlosen Übermut bei dieser Neuen ‚einen echt starken Drink’ bestellt hatte. Was sie dann den zwei vorgesetzt hatte, bezeichnete sie als Pangalaktischen Donnergurgler, den besten Drink den man in der Galaxis bekommen könne.


Captain Needa saß in ihrem Bereitschaftsraum und blickte durch das Panoramafenster auf den Planeten Katenganar, ein kleiner, unbedeutender Außenposten der Ferengiallianz, hinab. Während sie ein PADD in ihren Händen hin und her drehte, dachte sie über die Situation nach. In zwei Tagen würde der Prozess gegen Rhâl Tu’Ran beginnen und sie als Captain der Katana wurde von Rhâls Anwalt als Zeugen aufgerufen und musste dem Gericht die Vorgänge schildern.

Natürlich stimmte auch sie zu, dass der mysteriöse Vorfall mit Rhâl Tu’Ran einer Untersuchungskommission zu übergeben sei. Ein Raumschiff mit einem toten Piloten und einer fremden, mehr als undurchsichtigen Frau, war ein Ereignis das es zu untersuchen galt.

Allerdings war sie in keiner Weise damit einverstanden, dass das Sternenflottenkommando einem Prozess unter der Obhut und den Gesetzen der Ferengi-Allianz zugestimmt hatte. Eine unabhängige Kommission der Sternenflotte oder am besten eine Delegation der Föderation wäre ihr alle mal lieber gewesen. Denn die Ferengijustiz war nicht gerade dafür bekannt, unparteiisch zu sein und rechtlich völlig korrekt vorzugehen. Das Fräulein Justizia der Ferengi war alles andere als blind, vor allem nicht, wenn goldgepresstes Latinum im Spiel war.

Airell drehte ihren Stuhl wieder zum Schreibtisch und las das Dossier über Tu’Rans Verteidiger. Dieser Morlock vom Planeten Muschpoke Literia schien, wenn auch etwas merkwürdig in seinem Verhalten und seinen juristischen Methoden, durchaus ein fähiger Anwalt zu sein. Die letzten zehn Jahre hatte er keinen Fall verloren und auch einiges an Erfahrung mit der Ferengijustiz aufzuweisen. Wenn man dem Dossier vom Planeten Muschpoke Literia glauben schenken wollte, konnte er sich vor einem Ferengigericht sogar ohne große finanziellen Mitteln und ohne Bestechungsversuche behaupten.

Der Türsummer leutete auf und nach Ariells knapper Bestätigung trat Sicherheitschef Frank Lincoln den Bereitschaftsraum, den sie kurz zuvor zu sich gerufen hatte. Der aus Irland stammende Lieutenant grüßte den Captain und stand abwartend vor ihrem Schreibtisch.

„Setzen sie sich bitte, Mister Lincoln.“, meinte Ariell und deutete auf einen Stuhl, woraufhin dieser der Aufforderung Folge leistete und fragte: „Was kann ich für Sie tun, Captain.“

Ariell legte ihrem Sicherheitsoffier das PADD mit Morlocks Dossier auf den Tisch und schob ihm ein zweites PADD hinterher. Während sie sich in ihrem Sessel zurück lehnte sagte sie: „Mister Lincoln, ich beauftrage Sie mit Hintergrundrecherchen zu diesem toten Ferengi. Wer war er, mit was verdiente er sein Latinum, welche Geschäftskontakte pflegte er? Überprüfen sie auch den Hintergrund seines Bruders, auch über ihn möchte ich soviel wie möglich erfahren.“

Nach einer kürzeren Pause fügte sie hinzu: „Recherchieren sie auch nach Informationen über diesem Anwalt, Mister Morlock. Das offizielle Dossier erscheint mir mehr wie eine Lobhudelei zu sein, als denn ein objektiver Bericht. Mit welchen Fällen befasste er sich die letzten Jahre, wer sind üblicherweise seine Klienten und wie kommt es, dass er soviel mit der Ferengiejustiz zu tun hat? Und vor allem: wer hat ihn beauftragt Rhâl Tu’Rans Verteidigung zu übernehmen.“

Mit einem knappen Nicken nahm Lieutenant Lincoln die beiden PADDs in die Hand und überflog kurz die erste Seite. Als er wieder aufschaute meinte Ariell noch zusätzlich: „Vielleicht sollte sich ein gewiefter Jurist aus ihrem Stab mal ansehen, ob es laut der wenigen Verträge zwischen Ferengiallianz und Föderation eine Möglichkeit gibt, uns hier bei diesem Prozess auf irgendeine Art einzumischen. Schließlich fand der Vorfall weder im Ferengi-, noch im Föderationsraum statt und wir als Vertreter der Föderation haben uns dieses führungslosen Raumschiffes angenommen.“


Morlock betrat zusammen mit Rhâl Tu’Ran und dem Schiffscounslour der Katana, Zhabia Velain, den Gerichtssaal. Die Staatsanwaltschaft sowie die Gegenpartei, der Bruder des verstorbenen Ferengi samt vier Anwälten, waren bereits anwesend und die Besucherbänke waren spärlich besetzt, hauptsächlich mit Ferngis aber auch einigen anderen Wesen.

Während der Counselour auf einer der vordersten Sitzbänke platz nahm, natürlich erst nachdem sie Rhâl einige aufmunternde Worte zu gesprochen hatte, setzten sich Morlock und seine Klientin auf die für sie vorgesehenen Plätze. Die Anwälte des Klägers funkelten wütend zu ihnen herüber und flüsterten sich irgendwelche Anweisungen in ihre großen Ohren.

Rhâl schaute sich staunend und zugleich ängstlich im Saal um. Der gesamte Raum war in Goldfarben gehalten und selbst die Sitzplätze schienen mit einem Gold-Latinum Lack bestrichen zu sein. Hinter dem etwas erhobenen Podest des Richters ragte eine riesige Statue des großen Nagus Gint hervor, ganz in goldgepressten Latinum gehalten, und starrte mit strengen Blick auf die Anwesenden im Saal herab.

Sie fragte sich, wie der Prozess verlaufen würde. Morlock schien sehr zuversichtlich zu sein, denn er trug ein verschmitztes Lächeln auf und schien im Anblick des bevorstehenden Prozesses regelrecht aufzuleben. Irgendetwas schien er bereits in Petto zu haben und als Rückversicherung sicherlich nicht nur ein Ass in den Ärmeln.

Sie selbst war da wesentlich skeptischer, war doch das Verhör vor dem Untersuchungsrichtiger psychisch die reinste Tortur gewesen. Morlocks Strategie hatte bei der Voruntersuchung tatsächlich einen kleinen Teilerfolg bewirkt. Die Anklage wegen Mordes aus Mordlust hatte abgelehnt werden müssen. Merkwürdigerweise glaubte Rhâls Anwalt gerade jetzt an eine echte Chance den gesamten Prozess endgültig zu beenden.

Plötzlich öffnete sich eine große Flügeltür auf der linken Seite des Saals und der Oberste Richter Barom, sowie zwei Sekundarrichter und andere Gerichtsdiener betraten den großen Saal. Auf das Erscheinen des hohen Gerichts standen alle Anwesenden auf und ein Gerichtsdiener ging mit einem Körbchen herum und jeder hatte einen Streifen goldgepresstes Latinum an das hohe Gericht abzugeben.

Als der Oberste Richter an seinem Platz auf dem Potest stand sprach er in die Menge: „Möge der große Nagus Gint höchstpersönlich über die heutige Gerichtstransaktion wachen und der Gerechtigkeit zu ihrem wahren finanziellen Wert verhelfen.“

Daraufhin nahmen zuerst die Richter und anschließend alle anderen Anwesenden im Saal auf ihren Sitzbänken und Stühlen platz. Der Oberste Richter Barom nahm eine der Akten zur Hand, aktivierte das Display und verkündete: „In diesem Prozess zum Fall drei vier eins null strich fünf fünf, wird der angeklagten Ral Tu’Ran hinterhältiger Totschlag ohne finanziellen Absichten und – noch weit aus schlimmer - anschließender Diebstahl des Raumschiffes und der anderen Besitztümer des Ermordeten vorgeworfen.“

Rhâl nahm die Anklage äußerlich ruhig auf, auch wenn sie innerlich zusammenzuckte. Sie kannte ja die Anklage bereits und hatte sich vorgenommen die Anklageschrift des Obersten Richters gefasst und ruhig entgegenzunehmen.

Nach der Verlesung dieser kurzen Anklageschrift beugte sich Richter Barom vor und schaute zu erst zur Klägerseite, dann zur Verteidigung und meinte dann mit feierlichem Ton: „Ich bitte die Staatsanwaltschaft sowie die beiden Parteien um ihre Plädoyers und ihre Eröffnungsgebote.“