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Sternenflottenbürokratie
Sternzeit: 55339,3
Datum: 04.05.2378
Autor: Lew Sulik


„Gruppe A und B kümmern sich um die gegnerischen Fighter, C und D greifen die Frachter an.“, kam der Befehl des Wingcomanders durch den Kommunikationskanal. Daraufhin gab Lew seinem Squadron den Befehl aus der Formation des Wings auszuscheren und auf direktem Kurs auf einen Pulk gegnerischer Fighter zu zustürzen. Aus den Augenwinkeln sah er wie sein Wingman ihm dicht folgte und die anderen seines Squadrons hinterher jagten. Es war eines der riskantesten Manöver, das Blücher-Manöver. Sein Squadron stürzte direkt auf den gegnerischen Schwarm und fing an, mit den Phasern zu feuern und preschte mitten in den feindlichen Pulk um diesen auseinander zu treiben. Danach teilte sich sein Squadron auf und jeder folgte einem gegnerischen Fighter um diesen abzuschießen.

Lew hatte gerade mehrere Salven Phaserfeuer auf sein Ziel abgegeben und die Zielautomatik der Torpedos diesen erfasst, als plötzlich die Hauptenergie ausfiel und die Steuerung versagte. Die Maschine reagierte weder auf Steuerknüppel und Pedale, noch auf einen einprogrammierten Kurs. Völlig Außerkontrolle geraten, schoss seine Maschine geradeaus an einigen anderen Fighter vorbei direkt auf den riesigen Gasplaneten des Systems zu. „VERDAMMT NOCHMAL!!!“ Schrie Lew laut in seinem Cockpit. „Du Miststück. Du kannst mich doch nicht einfach so im Stich lassen!“ Der Fighter raste weiterhin auf den Planeten zu und drohte in dessen Atmosphäre gezogen zu werden. Wütend schlug Lew auf die Konsole ein, woraufhin plötzlich die Hauptenergie wieder hochfuhr und er die Kontrolle über seine Maschine zurückbekam. „Na also, ich wusste doch, dass du mich nicht im Stich lässt, Süße...“, murmelte er, während er gleichmäßig den Steuerknüppel nach links zog und das linke Pedal drückte. Doch er spürte, dass die manuelle Kontrolle nicht ausreichen würde, um die Maschine an der Atmosphäre vorbei zu steuern. Gleichzeitig erhöhte er die Geschwindigkeit und programmierte einen neuen Kurs, der ihn in einer engen Kurve knapp an dem Planeten vorbei führte.

Mit einigen wenigen Blicken auf seine Konsole erfasste er, was gerade bei dem Manöver vor sich ging. Sein Wingman hatte nach Lews Abgang das Kommando übernommen und es geschafft, die gegnerischen Shuttles von den Frachtern, den Primärzielen des Manövers, abzudrängen, damit die anderen Squadrons sich auf diese konzentrieren konnten. „Hier A-20 Alpha an Manöverkontrolle. Meine Maschine hat wilde Sau gespielt. Ich bin draußen!“ Sprach Lew durch den Kommunikationskanal. ‚Wilde Sau’ bedeutete im Fliegerjargon, dass die Maschine außer Kontrolle geraten war. „Ich kehre zur Basis zurück und lasse im Hangar meine Maschine überprüfen.“ „Hier Manöverkontrolle. Verstanden! Genehmigt!“ Kam die prompte Antwort. Lew steuerte nachdenklich die Maschine zurück zur Raumbasis Arktis 3. Ein plötzlicher Ausfall der Hauptenergie ohne einen ersichtlichen Grund war eigentlich nur auf einen Konstruktionsfehler zurück zuführen. Sein Wing hatte die neuen Attack Fighter vom Typ Spitfire D8 erst seit zwei Wochen, da durfte so was einfach nicht passieren.


Zurück im Hangar löste Lew die Gurte, öffnete das Cockpit und stieg aus. Als er seinen Helm abnahm, kam Charlie, der Chefingenieur seines Squadron, auf ihn zu gelaufen. „Hi Charlie. Das kleine Biest hat vorhin wilde Sau gespielt. Die Hauptenergie ist ausgefallen. Wir müssen die Eingeweide der Maschine mal durchchecken!“ Sagte Lew, als er Charlie seinen Helm zuwarf. Charlie fing gekonnt den Helm auf, schob seinen Zahnstocher vom einen Mundwinkel in den anderen und runzelte die Stirn. „Und die Notsysteme?“ Fragte er dann.

„Nichts, die Hauptenergie fiel einfach aus und die Notenergie sprang nicht ein. Die Maschine war nicht mehr zu steuern. Erst als ich auf die Konsole eingeschlagen habe, ist die Hauptenergie wieder angesprungen und ich konnte gerade noch mal verhindern, dass ich in den Gasriesen stürze!“ Beschrieb Lew dem Chefingenieur seines Squadron die Vorkommnisse.

Dieser drückte einen Knopf und der Bock, auf dem der Fighter aufhockte, fuhr nach oben, so dass beide unter die Maschine gehen konnten. Nachdem er den Pilotenhelm beiseite gelegt hatte, öffnete Charlie eine Klappe am Rumpf des Fighter, schaute hinein und sagte: „Hört sich an wie wenn die Hauptplasmaleitung versagt hätte. Aber nach nur hundert Flugstunden dürfte das eigentlich nicht passieren.“ Charlie griff in die Öffnung hinein, betätigte eine Taste und ein 60 auf 60 cm großer Kasten fuhr aus dem Rumpf des Fighter. Auf diesem Kasten befand sich eine metallene Spirale die sich der Chefingenieur genauer ansah und mit dem Tricorder untersuchte.

„Ja, die Hauptplasmaleitung ist es gewesen. Aber warum sie versagt hat...“ sagte Charlie und zuckte mit den Schultern „...kann ich dir erst sagen, wenn ich sie in der Werkstatt genauer untersucht habe.“ Mit diesen Worten entfernte Charlie die Spirale aus dem Kasten und nahm sie mit in die Werkstatt. Lew folgte seinem Chefingenieur und sah zu, wie dieser die Hauptplasmaleitung in ein großes Gerät einspannte und ein technisches Scanprogramm aktivierte. Als Charlie die Daten des Scans auf einem Bildschirm ablas, runzelte er die Stirn und schob den Zahnstocher wieder in den anderen Mundwinkel. „Das kann doch nicht wahr sein...“ murmelte er.

Lew schaute seinen Chefingenieur fragend an der daraufhin antwortete: „Normalerweise müsste die Spirale aus zwölf Schichten unterschiedlicher Legierungen bestehen. Diese hier hat aber nur vier Schichten in minderwertiger Qualität. Ein Wunder dass sie überhaupt hundert Flugstunden gehalten hat...“ erklärte Charlie. „Also ein Materialfehler?“ Fragte Lew verwundert.

Charlie kratzte sich an der Stirn, spuckte den Zahnstocher aus und grummelte wütend: „Das Glaub ich kaum... das ist sicher nicht mal ein Produktionsfehler... Ich fürchte eher, dass die Konstrukteure die Spezifikationen der D8er Reihe einfach geändert haben ohne uns davon zu unterrichten...“ Mit der Hand deutete Lew in Richtung des Hangarschotts und fragte ungläubig: „Du meinst da draußen fliegen sechs Squadrons mit einer ungeeigneten Plasmaleitung herum die jeder Zeit versagen könnte?“ „Genau das meinte ich!“ Entgegnete Charlie nickend.

„SCHEISSE!!“ Schrie Lew so laut dass es in der ganzen Hangarhalle zu hören war. Sofort tippte er auf seinen Kommunikator und rief nicht sehr viel leiser: „Hier Lieutenant Sulik an Manöverkontrolle! Brechen sie das Manöver sofort ab und rufen sie alle Fighter zurück in die Hangars!!“ „Hier Captain Harrison von der Manöverkontrolle! Was soll das?“ Antwortete augenblicklich eine wütende Stimme.

„Verdammt noch mal! Sie sollen das Manöver abbrechen und alle zurück zur Basis beordern. Es geht um Leben und Tod. Alles Weitere erkläre ich später!“ Rief Lew diesmal lauter und verließ die Werkstatt in Richtung Kontrollraum, um die anderen Squadron Leader zu informieren. Charlie hingegen steckte sich einen neuen Zahnstocher in den Mundwinkel und rief sein Team zusammen, damit er nach Eintreffen des Squadron auch die anderen Maschinen überprüfen konnte.


Lieutenant Sulik platze einfach so in sein Büro und knallte die Plasmaleitung auf den Tisch. Völlig verwundert über das plötzliche erscheinen des Lieutenant fragte Captain Rogers, als er auf die spiralförmige Leitung deutete: „Was ist das?“ „Das wollte ich dich eigentlich fragen...“ entgegneten Lew. Bei den Fliegern ging es, was das Protokoll betraf, ohnehin um einiges lockerer zu als in anderen Bereichen von Starfleet. Doch derartiges konnte sich Lew nur deshalb herausnehmen, weil im Laufe der Jahre zwischen ihnen eine sehr gute Freundschaft entstanden war. Captain Rogers fragte sich jedoch in Momenten wie diesen, ob sich Lew dessen auch wirklich bewusst war.

„Das ist nichts weiter als Müll, der in unseren Maschinen steckt und ein Risiko für uns Piloten darstellt! Nach gerade mal hundert Flugstunden hat das Ding in meiner Maschine dafür gesorgt, dass die Hauptenergie ausfiel!“ Sagte Lew sichtlich wütend zu seinem Vorgesetzten und Kumpel. „Charlie meint, dass dieses Teil nicht für die Belastungen in unseren Maschinen geeignet ist. In den technischen Zeichnungen für die D8er Reihe ist die Hauptplasmaleitung für 5000 Flugstunden ausgelegt und von anderer Beschaffenheit.“ Fuhr Lew fort, schmiss noch ein PADD auf den Tisch und deutete wieder auf die Leitung: „Trotzdem haben die Konstrukteure der Werft diesen Dreck da in die Maschinen eingebaut ohne uns Bescheid zu sagen“

Rogers deutete Lew erst mal an, sich zu setzten und schaute sich das PADD durch, das technische Daten zeigte, die vom Chefingenieur des Squadron A-20 erstellt worden waren. Nach einer Weile nickte er und legte das PADD beiseite: „Da scheint tatsächlich ein Fehler in der Werft passiert zu sein.“ „Du bist doch dafür verantwortlich! Wo lag das Problem, mal kurz mit einem Shuttle rüber zur Werft zu fliegen?“ Sagte Lew vorwurfsvoll.

„Die D7er waren die letzten Fighter unserer Entwicklungsreihe die hier im TTRC 3 hergestellt wurden. Sie galten offiziell noch als Prototypen. Die neuen Spitfire D8 sollen serienmäßig hergestellt werden. Deshalb wurden sie auch nicht in unserer Werft produziert.“ Entgegnete Rogers seinem Kompliziertesten Squadron Leader und ehemaligen Schützling.

„Na toll...Serienreife...warum bauen die nicht gleich serienmäßig eine Zeitbombe mit ein!“ Schimpfte Lew vor sich hin und fuhr dann fort: „Dann lass unsere Werft neue Plasmaleitungen produzieren die was taugen, oder wir schlachten zumindest die alten Maschinen der D7er Reihe aus!“ Rogers zuckte mit den Schultern und schaute entschuldigend zu Lew während er sagte: „Alles was ich vorerst machen kann ist einen Bericht an die Werft und an die zuständige Abteilung des Oberkommandos senden, sowie eine Beschwerde beilegen. Das Oberkommando hat uns untersagt die Spezifikationen der Attack Fighter Spitfire D8 zu ändern, bevor Vize-Admiral Horaki zur Abnahme und Besichtigung unserer Staffeln hier war.“

„Was soll das heißen? Seit wann hat so ein Hampelmann vom Oberkommando zu entscheiden mit was wir zu fliegen haben?“ Schimpfte Lew, während er wütend mit der Faust auf die Schreibtischplatte schlug und mit wütendem Tonfall weiter sprach: „Wenn wir die D8er nicht umbauen dürfen, braucht der erst gar nicht zu kommen, weil keine einzige Maschine den Hangar verlassen wird!“ „Jetzt beruhig dich mal“ beschwichtigte Rogers seinen manchmal etwas zu impulsiven Freund: „Natürlich werden die Attack Fighter erst mal im Hangar bleiben. Die Sache mit dem Startverbot liegt in der Verantwortung der Chefingenieure und euch Squadron Leader. Alles was ich sagen wollte ist: In zwei Tagen kommt Vize-Admiral Horaki hier auf die Station, dann kann ich ihm die Sache erklären und die Wingcomander und ihr Squadron Leader könnt ihm dann auch ein Schreiben vorlegen. Dann wird alles geklärt!“

Mit den üblichen Dienstwegen bei der Sternenflotte und dem erforderlichen Schriftverkehr hatte sich Lew noch nie anfreunden können, etwas was Rogers bei der Ausbildung seines ehemaligen Schützlings wohl zu sehr vernachlässigt hatte. Lew stand wieder auf und ging sichtlich genervt in Richtung Tür wobei er sagte, ohne noch einmal zu Rogers zu schauen: „Ok, ok. Mindestens zwei Tage Flugpause....Mist!“


Im Bereitschaftsraum des Squadron A-20 saßen bereits alle Piloten und warteten auf Lew. Als er rein kam und sich zu ihnen setzte betrachteten ihn alle mit fragenden Blicken. Sein Wingman Conners brach als erster das Schweigen: „Und? Wie sieht’s aus? Wie geht’s weiter?“ „Mies sieht’s aus. Bevor nicht so ein Vize-Admiral da war und uns den Segen gegeben hat, dürfen wir an den Maschinen nichts umbauen oder modifizieren...Das heißt mindestens zwei Tage Flugpause...“ antwortete Lew, und warf noch schnell in einem ironischen Tonfall hinterher: „Herzlichen Glückwunsch, ihr habt erst mal Urlaub.“

Genau in diesem Moment stand Charlie in der Tür und schaute eine Weile nichts sagend zu den Piloten am Tisch. Während er sich zu den Piloten setzte, sagte Lew zu ihm: „Sag mir bitte nicht, dass es noch mehr Probleme gibt...“ Der Chefingenieur lehnte sich mit verschränkten Armen auf den Tisch, schob den Zahnstocher vom rechten in den linken Mundwinkel und meinte: „Doch, genau das. Beim kompletten Check der Maschinen haben wir festgestellt dass auch die isolinearen Chips instabil sind...“ Lew vergrub sein Gesicht in den Händen und raunte: „Na toll, die Werft baut defekte Fighter und das Oberkommando erklärt das zum Standard.“ Sichtlich genervt rieb er sich die Augen und grummelte. „Funktioniert in dieser Sternenflotte überhaupt irgendetwas?“

Charlie lehnte sich auf dem Stuhl zurück, kaute kurz auf seinem Zahnstocher und antwortete in einem völlig trockenen Tonfall: „Ja, die Mühlen der Bürokratie...“ Lautes Gelächter erfüllte den Bereitschaftsraum, sogar Lew brach in schallendes Lachen aus. Gott sei Dank hatten sie ihren Charlie. Nur er brachte es fertig, jemanden in solchen Situation noch zum Lachen zu bringen. „Apropos...“ sagte Lew und stand auf: „Die Führungsoffiziere treffen sich gleich um einen Brief an diesen Vize-Admiral aufzusetzen. Soviel zum Thema Bürokratie...“


Drei Stunden später saß Lew an der Theke des „Panorama“, der Bar auf der Raumstation, und trank ein Bier. Es wollte ihm einfach nicht in den Kopf, wie man so lange über einen Brief debattieren konnte. Jedes einzelne Wort musste diskutiert und überdacht werden, damit man sich auch ja bürokratisch korrekt ausdrückte und möglichst niemandem im Oberkommando auf dem Schlips trat. Zwar schätzte und respektierte Lew die Führungsoffiziere vom Wing und den anderen Squadrons – alles gute Piloten denen er ohne mit der Wimper zu zucken sein Leben anvertrauen würde – aber sie waren alle mehr sternenflottenkonform als er es jemals sein würde.


Als Bob, der Barkeeper hinter die Theke trat, sprach Lew zu ihm: „Hey Bob, kann ich etwas Bier von deinem Spezialvorrat haben?“ Er deutete auf das Glas Bier, das ihm eine Kellnerin aus dem Replikator gebracht hatte und meinte: „Ich trink ungern Bier auf Silikonbasis“ Bob lachte und schüttelte dann den Kopf: „Tut mir leid… der ist aus, und die nächste Lieferung kommt erst in zwei Wochen.“

Mit letzter Überwindung leerte Lew den letzten Schluck des Syntheholverschnitts hinunter, knallte das Glas auf die Theke und meinte in einem nicht ganz ernsten Tonfall: „Sieht so aus als ob ich die Sternenflotte verlassen muss, wenn man da nicht mal echtes Bier bekommt“ Wieder lachte Bob und brachte ihm ein anderes Bier aus dem Replikator: „Probier mal das hier, eine andere Rezeptur, könnte dir vielleicht besser schmecken..“ Argwöhnisch betrachtete Lew das Bierglas und meinte nicht ganz ernst: „Na… wollen wir es mal hoffen, sonst steh ich die nächsten zwei Tag nicht durch“

„Hi Lew, altes Haus, was macht die Kunst!?“ Hörte er eine Stimme hinter sich und drehte sich um. Brexx’ka, der Leiter der Abteilung für Elite Force und Sniper, stand mit verschmitztem Grinsen hinter ihm und schlug ihm leicht gegen die Schulter. „Hi Brex! Ach, mal wieder Ärger mit dem Oberkommando. Die sind mal wieder jenseits von Gut und Böse….“ Sagte Lew und erklärte Brexx’ka die Vorfälle der letzten Stunden. „Ja das kenn ich“ antwortete dieser anschließend: „Das ist fast normal, die glauben alles normen zu müssen und sehen dann vor lauter Wald die Bäume nicht mehr!“ „Viel schlimmer…die sind doch nicht mehr ganz sauber im Oberstübchen.“ Schimpfte Lew vor sich hin.

„Du weißt dass man das eben als subversive Einstellung und Untergrabung der Autorität des Oberkommandos auffassen könnte? Das könnte dich leicht vor ein Tribunal bringen…“ meinte Brexx’ka scherzhaft und lachte.

„Ja ja, lach du nur! Du hast es gut! Bildest ein paar Offiziere zu Elite Force Soldaten und Scharfschützen aus. Brauchst dich aber nicht mit denen da oben rum zu ärgern…“ sagte Lew und trank von seinem Glas. „Hast du deine Ahnung. Die wollen mir auch ständig rein reden. Aber lassen wir das, jetzt wo du Zeit hast, wie wäre es mit einem kleinen Wettschießen auf dem Holodeck?“ Antwortete Brexx’ka. „Gute Idee, ich hab eh noch eine Revanche offen…“ sagte Lew und stand vom Barhocker auf.


Wenige Minuten später standen sie auf dem Holodeck in einer Nachbildung eines Schießstandes für Projektilwaffen. Beide zogen sich die Ledermäntel mit den Gurten an und nahmen sich die kleinkalibrigen Gewehre aus dem Schrank.

Ihr üblicher Wettkampf bestand aus stehend, kniend und liegend Schießen, jeweils fünf Schuss. Meistens gewann Brexx’ka, gegen einen ausgebildeten Sniper hatte Lew eigentlich nicht die geringste Chance. Beim stehend schießen verlor Lew haushoch, zwei Fahrkarten, ein Neuner und zwei Achter. Brex hatte natürlich zwei Zehner und drei Neuner geschossen, aber musste das Ganze trotzdem mit einem „Na ja, muss mich erst noch einschießen“ kommentieren.

Anschließend knieten beide und schossen wieder. Auch hier versiebte Lew einen Schuss und schaffte noch vier Neuner, wohingegen Brex ganze vier Zehner und einen Neuner schoss. Nach dem Lew im liegend Schießen drei Neuner und zwei Zehner geschossen hatte meinte Brex spöttisch, in Anbetracht seiner Scheibe mit lauter Zehnern: „Gut. Diesmal hast du ja gar keine Fahrkarte geschossen“ „Na, ich möchte dich nicht fliegen sehen, alter Schwede!“ Lachte Lew und nahm es gelassen. Brex legte die Waffe ab und meinte: „Das kannst du gerne sehen. Schließlich war ich auch mal Hobbypilot. Ist zwar ne Weile her dass ich ein Flugzeug gesteuert habe, aber ich denke ich bekomm es noch hin.“

„Ok, wie du willst!“ Antwortete Lew. Er legte die Waffe beiseite und zog die Jacke aus, während er sagte: „Luftschlacht um England 1940. Du bei der Luftwaffe, ich bei der Royal Air Force.“ „Alles klar.“ Entgegnete Brexx’ka.


Die Staffel Spitfire MK I mit Lew als Squadron Leader flog Richtung Südsüdost über den Kanal. Die Leitstelle hatte mehrere Geschwader an Jagdflugzeugen den anrückenden deutschen Bomberverbänden entgegen geschickt.

„Da unten sind sie. Auf vierzehn Uhr.“ Meldete Lews Wingman die Feindsichtung. Circa vier Meilen entfernt und fünfhundert Meter unter ihnen flogen mehrere Geschwader deutscher Heinkel 111 Bomber. „Die nehmen wir uns vor! Angriffs Formation einnehmen. Konzentriert euch auf die Bomber!“ Gab Lew seinem Squadron die Befehle durch. Anschließend stürzte die ganze Staffel auf die Bomber nieder und schoss bei genügender Nähe mit den Bordkanonen auf die Ziele.

Die Staffel teilte sich auf und jeder kümmerte sich zusammen mit seinem Wingman um ein Ziel. Lew und sein Wingman flogen gerade auf einen Bomber zu und schossen auf die Tragflächen, als eine Messerschmitt 109 auf sie zu gerast kam und auf seinen Wingman feuerte.

„Rot 1 an Rot 2, bleib weiter an dem Bomber. Ich halte den Fritz von dir fern!“ Rief Lew durch den Funk und verfolgte den deutschen Jäger, der so eben seinen Wingman angegriffen hatte. Dieser jagte, von Lew verfolgt, für einen Moment waghalsig durch die Bomberverbände hindurch. In dem er Lew dazu zwang zwischen den deutschen Bombern zu manövrieren, setzte er diesen dem Risiko aus, von einem der Bordwaffen der Bomber getroffen zu werden. Er schien offenbar zu wissen was er tat. Doch dann waren beide ohne größere Schäden aus dem Pulk der deutschen Flugzeuge raus und rangen im freien Luftraum. Doch dann machte der Deutsche einen typischen Anfängerfehler, anstatt unruhig hin und her zu fliegen und stets die Höhe zu wechseln, flog er für eine zu lange Zeit konstant. Lew vermutete, dass dies Brex war, dem Anfängerfehler nach.

Lews Bordkanonen ratterten während er den Abstand zu seinem Ziel verringerte. Aber dann zog der vermeintliche Brex in einer engen Kurve nach rechts woraufhin ihm Lew, wegen seiner eigenen hohen Geschwindigkeit nicht mehr direkt folgen konnte. Er flog eine Rechtskurve um Brex wieder vor sein Visier zu bekommen, doch es war zu spät, dieser hatte sich mit einem schnellen Manöver hinter Lew gesetzt und feuerte aus allen Rohren.

„Nicht schlecht für einen Hobbypiloten“ dachte Lew. Schnell drehte er die Maschine auf den Kopf und schoss so schräg nach unten weg, um Brex zu entkommen. Zwar gelang es ihm so einen guten Abstand zwischen sich und seinen Verfolger zu erreichen, doch dieser war trotzdem noch hinter ihm her. Dann sah Lew nicht weit von ihm entfernt, eine Wolkendecke und flog darauf zu. Er würde versuchen Brex in dieser Suppe abzuschütteln, damit er die Chance hatte sich wieder hinter ihn zu hängen. Bei diesem Manöver machten sich die Vorteile der Spitfire gegenüber der Messerschmitt bemerkbar. Schneller als sein Gegner ihm folgen konnte, schoss Lew in die Wolkensuppe über ihn. Kaum nachdem er durch die Wolkendecke durchgebrochen war, zog er wieder nach links unten weg und flog in einem engen Bogen über die Wolkendecke.

Lew schaute sich um und betrachtete vor allem die Stelle in der Brex ungefähr auftauchen musste. Dieser ließ jedoch auf sich warten. Ob er die Verfolgung aufgegeben hatte? Plötzlich hörte er das laute Rattern von Bordkanonen und wie die Projektile dicht an seiner Maschine vorbei rasten.


„Mist…“ grummelte Lew. Brex griff aus der Sonne an, anscheinend hatte er ihn tatsächlich unterschätzt. Dieser hatte wohl einiges von den deutschen Jagdpiloten gelernt. Schnell zog Lew nach unten in einen wolkenfreien Bereich ab und änderte stets die Richtung damit ihn sein Verfolger nicht leicht anvisieren konnte. Trotzdem blieb dieser hartnäckig an ihm dran. Lew versuchte urplötzlich nach links oben auszubrechen und nutzte die schnellere Steiggeschwindigkeit der Spitfire voll aus. Noch ein enger Bogen nach Rechts und er hatte die Messerschmitt abgehängt.

Doch dann sah er aus dem Augenwinkel wie eine andere Messerschmitt 109 von rechts oben auf ihn zu raste. Er versuchte noch nach unten auszubrechen, doch es war zu spät. Auf das laute Rattern der Bordkanonen folgten dumpfe Aufschläge von Projektilen in den Rumpf. „Das war’s.“ Dachte Lew. Seine Maschine reagierte nicht mehr auf die Steuerung, es musste wohl die Steuerstreben erwischt haben. Völlig ohne Kontrolle flog seine Spitfire in Schräglage einfach gerade aus.

In dem Moment, als die beiden deutschen Jäger noch einmal zu einem Angriff übergehen wollten, um ihm den Rest zugeben, öffnete Lew die Pilotenkanzel, kletterte hinaus und sprang ab. Doch nachdem er die Reißleine gezogen hatte, öffnete sich der Fallschirm nicht. Auch der Reservefallschirm versagte. „Na klasse.“ Dachte Lew, bevor plötzlich die ganze Szenerie um ihn herum stehen blieb und er nicht mehr fiel. Eine Computerstimme ertönte und sprach: „Lieutenant Sulik hat verloren. Commander Brexx’ka hat das Luftgefecht gewonnen.“

„Danke für den Hinweis auf das Offensichtliche“ sprach Lew zu der körperlosen Stimme. Kurz darauf löste sich die Umgebung auf und er lag auf dem Boden des Holodecks. Neben ihm stand Brex, lachte spöttisch und sprach, während er seinem Freund wieder auf die Füße half: „Na, hat’s dich etwa erwischt?“

„Ja…und wie. Aber bilde dir nichts ein. Es war der andere Deutsche der plötzlich aufgetaucht ist“ entgegnete Lew als beide in Richtung Ausgang gingen. Brex klopfte seinem Kumpel auf die Schulter und sagte in einem belehrendem Tonfall: „Dieser andere Deutsche, der war ich…. Die Messerschmitt, mit der du so lange gekämpft hast, war mein Flügelmann.“ „Was? Ich dachte…du wärst der eine. Weil er ein paar kleine Anfängerfehler gemacht hat…“ meinte Lew völlig erstaunt: „Aber woher wusstest du dann, dass ich in dieser Spitfire sitze?“ Entgegneten Lew beim Verlassen des Holodecks.

„Ich ging ganz einfach davon aus, dass du der Anführer der Staffel bist. Ich hingegen habe mich mit einem der hinteren Ränge begnügt. So konnte ich ohne weiteres meinen Flügelmann auf dich ansetzen und mich etwas abseits halten um den richtigen Moment abzuwarten.“ Erklärte Brexx’ka dem völlig verdutzten Lew seine Taktik.

„Du bist doch ein ausgekochter Höllenhund“ meinte Lew lachend und boxte Brex leicht gegen die Schulter. Die beiden gingen den Gang entlang und Brex fragte „Tja, und was lernen wir daraus, Herr Sulik?“ „Dass alle bei der Elite Force hinterlistige Bastarde sind?“ Fragte Lew frech grinsend. „Nein. Sondern dass ihr Piloten eure Gegner nur nach ihrem Können und ihren Maschinen beurteilt, euch aber nie Gedanken darüber macht, was in dem Kopf eures Gegners vorgeht!“ Belehrte Brex und sprach weiter als sie in einen anderen Korridor in Richtung Bar abbogen: „Da solltet ihr euch mal ne Scheibe von uns abschneiden und euch etwas mit Psychologie beschäftigen.“

Sie schritten durch die Tür zum „Panorama“ als Lew verschmitzt grinsend antwortete: „Geht klar. Morgen kontaktiere ich Sigmund Freud damit er mir Nachhilfestunden gibt. Vielleicht hilft er mir dann auch über meinen Mutterkomplex weg.“ Laut lachend schritten beide durch die Bar zur Theke um bei Bob noch ein Bier zu trinken.


Sie sind also der Lieutenant der soviel Wind um die Sache gemacht hat.“ Sagte Vize Admiral Hodeki Horaki zu Lieutenant Sulik. Das war ihm in seiner Karriere im Oberkommando noch niemals vorgekommen, dass ein einfacher Lieutenant den ordentlichen Dienstweg überging und sich direkt an ihn wandte. „Ja, der bin ich!“ Antwortete Sulik völlig emotionslos. Gerademahl vor vier Stunden war Hodeki für seine Inspektion auf Arktis 3 eingetroffen und schon stand dieser Lieutenant vom vierten Wing vor ihm wegen dieser Geschichte mit den Plasmaleitungen. Den Bericht und die Beschwerde von Captain Rogers, sowie den Brief der Führungsoffiziere der Abteilung Projekt-AF-3 hatte er bereits auf der Anreise erhalten und ein früher angereister Adjutant hatte ihm auch von Lieutenant Suliks aufgebrachter Reaktion berichtet. „Und was wollen sie nun von mir, Lieutenant Sulik?“ Fragte Hodeki den ihm bis dahin unbekannten Lieutenant. „Nichts weiter als die Genehmigung unsere Maschinen umzubauen, damit wir wieder fliegen können!“ Antwortete Sulik während sich der Vize-Admiral hinter den Schreibtisch setzte.

„Tut mir leid. Die kann ich Ihnen erst nach einer eingehenden Untersuchung der Sache erteilen. Frühestens wenn ich bei meiner Inspektion der Raumbasis zu Punkt 8 komme, also ihre Abteilung inspiziere.“ Sagte Horaki daraufhin und schaute etwas verwundert, als sich der Lieutenant ohne eine Aufforderung in einen Stuhl setzte. Von Protokoll hatte dieser Lieutenant wohl noch nie etwas gehört. „Herr Vize Admiral! Unsere Aufgabe im Projekt AF-3 ist es, neue Attack Fighter zu entwickeln und zu erproben, damit sie später für den aktiven Dienst tauglich sind und Ausbildungszentren für Kampfpiloten entstehen können. Wie sollen wir das ihrer Meinung nach tun, wenn wir nicht mal die Möglichkeit mehr haben, die Maschinen zu verbessern und zu modifizieren?“ Entgegnete Sulik.

„ Die Attack Fighter des Typs D7 waren fast ausgereift und die neuen Typ D8 Fighter sind eine technische Weiterentwicklung, die vom Oberkommando für die Serienproduktion in Betracht gezogen werden. Aus diesem Grund dürfen vorerst keine Veränderungen ohne ausdrückliche Genehmigung vorgenommen werden. Ich frage mich warum es überhaupt Probleme gibt. Meine technischen Berater sind der Ansicht, dass alle eingebauten Teile in den Attack Fighter des D8 Typs völlig ausreichend sind!“ Entgegnete Horaki in einem strengeren Tonfall, um dem Lieutenant zu zeigen, wer hier die Autorität besaß.

Der Lieutenant stand wortlos auf, ging Richtung Tür, drehte sich noch einmal um und sagte völlig ungeniert: „Dann sollen doch ihre technischen Berater die Maschinen fliegen! Alle Führungsoffiziere sind sich einig, dass in dem Zustand keine Maschine den Hangar verlässt. Ich fürchte, Herr Vize-Admiral, dass sie die geplante Vorführung der Attack Fighter in Aktion vergessen können!“. Mit diesen Worten verließ Lieutenant Sulik das Büro des Vize-Admiral. Hodeki Horaki glaubte sich gerade verhört zu haben. Dieser Lieutenant erdreistete sich doch tatsächlich, in diesem flapsigen Ton mit ihm zu sprechen und darüber hinaus stellte er seine Befehle in Frage.

„Entschuldigen sie bitte das Verhalten des Lieutenant Sulik. Piloten sehen gewisse Dinge oft etwas anders und wenn es um die Sicherheit ihrer Leute geht, neigen sie oft zu Überreaktionen. Selbstverständlich wird der Vorfall für Mister Sulik nicht ohne Folgen bleiben.“ Versuchte Captain Rogers Lews kürzliche Aktion zu entschuldigen und auszubügeln. Er würde Lew nachher wohl eine gehörige Standpauke halten müssen. Rogers fühlte sich in der Zwickmühle und fürchtete, dass auch er einiges von Vize-Admiral Horaki zu hören bekam.

Doch der Vize-Admiral stand mit auf dem Rücken verschränkten Armen am Fenster und schwieg. Nach einer Weile drehte sich dieser um und sagte: „Lassen sie mal. Anfangs war ich sehr verärgert über das Verhalten des Lieutenants und war schon fast dabei, ihm eine unmissverständliche Verwarnung auszuschreiben.“ Der Vize-Admiral zeigte dem Captain auf den Stuhl, um anzudeuten dass er sich setzen konnte. Während sich beide auf die Bürostühle niederließen, fuhr Horaki fort: „Doch ich habe die Sache überdacht. Jetzt weiß ich nicht so Recht ob diesen Mann degradieren oder befördern soll! Eines muss man ihm lassen: Er hat Schneid! Auch wenn seine Etikette zu wünschen übrig lässt, so bin ich nun davon überzeugt, dass dieser Mann seine Gründe hatte!“

Rogers hörte dem Vize-Admiral ungläubig zu und fragte sich, was das nun alles zu bedeuten hatte. „Da Lieutenant Sulik soviel an der Sache liegt, habe ich beschlossen, meine technischen Berater zum Wing 4 zu schicken, damit sich diese des Problems annehmen können. Sie sollen sich die Attack Fighter anschauen und sich von den Technikern die Probleme schildern lassen, damit sie gemeinsam Lösungen finden. Die Erlaubnis für die Modifikation der Attack Fighter ist hiermit erteilt!“ Sprach der Vize-Admiral weiter. Captain Rogers ließ sich das Ganze noch mal auf der Zunge zergehen. Dass es so schnell zu einer Einsicht bei einem Vize-Admiral des Oberkommandos kommt, hätte er nie Gedacht. Nach seinen Erfahrungen mit dem Oberkommando benötigte man normalerweise mindestens ein Beschwerdeschreiben und einen Anschauungstermin um solche Probleme lösen zu können. „Danke, Sir!“ Antwortete Rogers, mehr bekam er nun nicht mehr aus dem Mund, so sehr hatte ihn die Reaktion von Vize-Admiral Rogers überrascht.


„Bist du jetzt zufrieden? Du hast deinen Kopf durchgesetzt!“ Sagte Tomas Rogers kopfschüttelnd zu Lew. Beide saßen zusammen mit Charlie im „Panorama“ und tranken ein Bier um das Umdenken des Vize-Admirals zu feiern. Zuvor hatte Captain Rogers jedoch seinem Lieutenant gehörig die Leviten lesen müssen.

„Manchmal bist du ein richtiger Kindskopf! Kannst froh sein, dass Vize-Admiral Horaki so nachsichtig war und dich nicht gleich hochkant aus der Sternenflotte raus geschmissen hat!“ Fuhr Rogers fort. „Hm… vielleicht hatte er seinen guten Tag.“ Kommentierte Charlie trocken während er auf seinem Zahnstocher rumkaute.

„Nachsichtig? Er hat sogar dafür gesorgt, dass die Sache geklärt wird und wir unsere Maschinen reparieren dürfen. Hey Tomas, anders hätte es doch ewig und vierzehn Tage gedauert, bis wir die Erlaubnis erhalten hätten!“ Verteidigte sich Lew gegenüber Rogers Aussagen.

„Weißt du eigentlich in was für eine Lage du mich gebracht hast? Ich dachte schon, der wird mich gleich zusammen mit dir degradieren!“ Meinte Rogers und fügte noch hinzu: „Aber eins verspreche ich dir: Wenn du noch mal so eine Aktion bringst, dann putzt du sämtliche Hangars mit dem Besen!“

„Ok“ antwortete Lew, erhob das Glas und fragte: „Und auf was trinken wir jetzt?“. Die anderen beiden stießen mit an und Charlie meinte: „Auf die Sternenflotten Bürokratie und dass alle Feinde der Föderation von Antragsformularen erschlagen werden!“