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Latest revision as of 20:48, 14 August 2018

...Vater sein dagegen sehr (Teil 2)
Autor: Garrick Andersson
Autor: Benjamin Ebbersmann
Autor: Seeta Yadeel

„Sie hätten den dreien Asyl anbieten können, Captain.“ Der XO und der Captain standen kurz darauf nebeneinander im Turbolift. „Ja, und die Katana mitten ins Zentrum eines Bürgerkriegs hinein lavieren? Sie kennen die Oberste Direktive und den Sinn, der hinter dieser Verordnung steht, so gut wie ich, Commander. Sorgen Sie dafür, das Commander Yadeel das Shuttle unserer Gäste wieder einsatzbereit macht!“


Der Anblick des großen fremden Raumschiffs wirkte schon alleine bedrohlich. Vor wenigen Minuten hatte Marina DeSoto es auf den Sensoren erblickt – es hatte Abfangkurs auf die Katana gesetzt. „Die Technologie ist kolianisch“, meldete die Ops-Offizierin nun. „Ihr Offensiv- und Defensivpotential ist dem unseren mehr als ebenbürtig, Captain“, ergänzte Manoel Ramirez nach einem Blick auf seine Anzeigen. „Wir werden gerufen.“ – „Gelber Alarm. Auf den Schirm!“ befahl Captain Ebbersmann und erhob sich. Auf dem Hauptschirm erschien ein weiterer Kopffüßler, der Hamir fast zum Verwechseln ähnlich sah. Ohne jede Begrüßung sagte er: „Fremdes Schiff! Sie haben zwei Kolianer an Bord. Wir verlangen, dass Sie sie uns übergeben!“ Ben versuchte es mit Höflichkeit: „Ich bin Captain Ebbersmann, von der USS Katana. Die beiden Personen sind unsere Gäste an Bord. Sie sind frei zu gehen, wann und wohin immer sie wollen.“ Der Fremde beugte sich vor: „Captain, ich rate Ihnen, sich hier nicht einzumischen. Wir kennen Sie nicht und wollen sicher keinen Streit mit Ihnen, aber das gilt nicht für den Abschaum, den Sie sich an Bord geholt haben!“ Der Captain ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. „Derzeit wird das Shuttle, in dem sie hier ankamen repariert“, erklärte er, was durchaus der Wahrheit entsprach. Der Kolianer war nicht geneigt, sich abspeisen zu lassen. „Senken Sie Ihre Schilde, wir werden den Unrat von Bord beamen“, erklärte er. Ebbersmann stand auf und baute sich vor dem Bildschirm auf. „Sie glauben nicht im Ernst, dass ich in dieser Situation die Schilde senken werde? Wir sind zur Nichteinmischung in fremde Angelegenheiten verpflichtet. Die Reparatur des Shuttles wird in wenigen Stunden beendet sein. Bis dahin werden Sie abwarten“, führte er aus. „Ebbersmann Ende“, fügte er hinzu, was Marina zum Anlaß nahm, die Verbindung zu beenden.

Der Kolianer verschwand vom Bildschirm und wurde durch den Anblick seines bedrohlich wirkenden Raumers ersetzt. Benjamin hatte sich zurück in seinen Sitz gesetzt. Ebenso wie Garrick hielt er sich an den Lehnen fest, denn es war unsicher, ob nun ein Angriff erfolgen würde, oder ob die Fremden einlenkten. Das Senken der Schilde war in keinem Fall eine Option, genausowenig wie die Fremden an Bord des anderen Schiffes zu beamen. Denn auch das hätte eine Einmischung bedeutet. Und er wollte verdammt sein, wenn er sich zuungusten des jungen Elternpaares einmischte.

Die Erschütterungen, die zwangsläufig einen Angriff begleitet hätten, blieben aus. Stattdessen konnte Marina nach einigen Sekunden verkünden: „Wir werden wieder gerufen.“ Ben nahm seine Hände von den Lehnen. Körpersprache war in solchen Situationen wichtig. Und er wollte nicht den Eindruck erwecken, einen Angriff zu fürchten. „Auf den Schirm, Miss DeSoto“, orderte er gleich anschließend.

Der Bildschirm zeigte erneut den Kolianer. Er verschwendete anscheinend generell keine Zeit mit unnötigen Vorreden oder gar Höflichkeit. „Sie haben 12 Stunden“, gab er an. Dann war die Verbindung wieder unterbrochen. „Angenehmer Zeitgenosse“, meinte Garrick. Dann erhob er sich. „Ich werde nachsehen, wie weit Commander Yadeel mit dem Shuttle ist“, schob er nach und verließ dann die Brücke.


Garrick lief ziellos durch die geschwungenen Korridore der Katana. Die Stippvisite im Shuttlehangar hatte er als Alibi benutzt, von der Brücke verschwinden zu können. Er konnte es im Moment nicht ertragen dort zu sein, und so hatte er den Besuch im Shuttlehangar schnell hinter sich gebracht und dann seine Wanderung über die Flure aufgenommen. Er wusste, dass er keine Chance hatte, Captain Ebbersmann davon zu überzeugen, der jungen kolianischen Familie Asyl anzubieten. Der Erste Offizier verstand die Beweggründe für seine Entscheidung sogar – was die Situation für ihn nicht gerade vereinfachte. Da waren die Regeln und Vorschriften der Flotte auf der einen Seite: sinnvoll und dafür gemacht, die Angehörigen der Föderation und Sternenflotte vor schwerwiegenden Problemen zu bewahren. Und auf der anderen Seite: eine junge Familie, ein unschuldiges Kind. Garrick gestand sich ein, dass er nicht wusste, was Hamir oder Hatira auf ihrer Welt gesagt oder getan hatten, wofür andere Kolianer danach trachteten, sie zu töten. Möglicherweise verdienten sie tatsächlich den Tod, vielleicht waren sie in barbarische Vorfälle auf ihrer Heimatwelt verwickelt. Aber jenes Kind, das im Hangar der Katana das Licht der Welt erblickt hatte, war auf alle Fälle unschuldig und es hatte verdammt noch mal ein Recht darauf, in einer Familie aufzuwachsen! Der Däne blieb stehen und seine Gedanken kreisten um seine eigene Familie. Dann holte er tief Luft. Entschlossen drehte er sich um ging zum nächsten Turbolift. Er hatte eine Entscheidung getroffen.


„Captain Ebbersmann!“ Benjamin hatte erwartungsvoll zur Tür des Bereitschaftsraums geblickt, nachdem der Türsummer einen Besucher gemeldet und er mit „Herein!“ geantwortet hatte. Nun schaute der Captain in das Gesicht von Kanzler Silverdale, das selbst für einen Nicht-Telepathen erkennbare Züge der Verärgerung trug. Routiniert erwiderte Ebbersmann daher schnell: „Kanzler Silverdale. Womit kann ich Ihnen behilflich sein? Ich hoffe, Ihr Aufenthalt an Bord ist angenehm!“ Der Kanzler holte einmal tief Luft, ließ sich aber nicht lange aus dem Konzept bringen: „Danke, an meinem Quartier gibt es nichts auszusetzen, Captain. Aber ich habe mich gefragt, was diese Verzögerung zu bedeuten hat?! Warum hängt die Katana bewegungslos im All, statt mich zum Verhandlungsort zu fliegen? Immerhin haben wir einen Zeitplan einzuhalten!“ Benjamin bot dem Kanzler einen Sitzplatz an, dann lehnte er sich zurück und erläuterte den Grund für die Flugunterbrechung. „...Sie sehen daher, dass wir momentan unsere Reise nicht fortsetzen können!“ schloss der Captain schließlich. Silverdale beugte sich vor: „Sie wissen schon, dass Sie sich hier auf sehr dünnem Eis bewegen, Captain? Immerhin kann Ihre Weigerung, die Fremden nicht ihrem Volk zu übergeben, durchaus als Einmischung gewertet werden. Und die Folgen einer derartigen Handlungsweise sind Ihnen sicherlich bekannt!? Deswegen schlage ich vor, dass wir diese Leute übergeben und unsere Reise fortsetzen!“ Die Augen des Captains wurden ein wenig schmaler: „Kanzler, ich nehme diesen Vorschlag zur Kenntnis. Und Sie können versichert sein, dass ich mir über die Konsequenzen meiner Handlungen immer vollkommen klar bin!“ - „Dann setzen wir den Flug also umgehend fort?“ - „Nein, das werden wir nicht. Was mit den Kolianern geschieht, nachdem ihr Shuttle die Katana verlassen hat, kann und darf ich leider nicht beeinflussen, aber ich werde sie ganz bestimmt nicht aktiv jemandem übergeben, der ihnen nicht wohlgesonnen ist!“ machte Ebbersmann klar. Darven musterte den Captain eindringlich. Er fragte sich, ob der Offizier ihm die Wahrheit sagte und wirklich nicht plante, in den kolianischen Konflikt einzugreifen. Welchen Unterschied machte es schon, ob der Captain die Kolianer ihrem Volk sofort übergab oder sie nach Ablauf der Frist von deren Kampfkreuzer aus dem All schießen ließ? Warum also Zeit vergeuden? Der Elirianer beugte sich ein wenig vor. Ebbersmanns Augen wurden noch ein wenig schmaler. Der Captain war zu lange im Geschäft, um nicht zu erkennen, was sich hier ganz offensichtlich anbahnte. Mit sehr leiser Stimme sagte er: „Kanzler, was Sie mit Ihrer Frau getan haben, habe ich hingenommen – obwohl es sich dabei um ein Mitglied meiner Besatzung handelt, für dessen absolute körperliche, geistige und seelische Unversehrtheit ich die Verantwortung trage. Wagen Sie es noch einmal, die Gedanken irgendeiner anderen Person hier an Bord ohne deren ausdrücklicher Zustimmung zu erforschen, und Sie werden den Rest der Reise in einer aktivierten Stasiskammer auf der Krankenstation verbringen!“ Die Gesichtszüge des Kanzlers entgleisten förmlich: „Wie bitte? ICH bin der elirianische Kanzler und nur ICH entscheide, welcher Elirianer wessen Gedanken liest!“ Benjamin beeindrucke dieser Ausbruch wenig: „Nicht, solange Sie sich an Bord meines Schiffes befinden, Kanzler! Ich habe die Auswirkungen Ihrer Scans auf ein Crewmitglied mit eigenen Augen gesehen und ich will verdammt sein, wenn sich soetwas wiederholt!“ Auch ohne seine telepathischen Fähigkeiten einsetzen zu müssen, erkannte Silverdale, dass der Captain in diesem Punkt niemals nachgeben und die beschriebenen Konsequenzen umsetzen würde. Langsam erhob er sich aus seinem Sessel: „Sie bewegen sich auf dünnem Eis, Captain! Auf dünnem Eis!“ Damit verließ er den Bereitschaftsraum.


„Verdammt...!“ fluchte Garrick leise. „Stimmt etwas nicht?“ Mit leichter Besorgnis trat Hamir näher – und damit völlig aus dem Fokus des Transporters, den der Erste Offizier schon mit sechs Transporterverstärkern auf ein mehr als gesundes Maß getunt hatte. Seufzend rieb sich der Mensch die Stirn, bevor er erläuterte: „Allerdings. Ich kann Ihre Biosignale immer noch nicht klar erfassen. Offensichtlich verhindert irgendeine Eigenschaft Ihrer Physiologie, dass der Transporter Ihre Muster scannen kann. Es kann Stunden oder Tage dauern, die genaue Ursache zu finden.“ Der ehemalige Chefingenieur musterte die beiden Kolianer, die nun betreten zu Boden sahen. „Ich könnte natürlich versuchen...“ setzte Garrick hinzu, auch wenn ihm eine der hinteren Gehirnwindungen warnend mitteilte, dass diese Idee sicherlich nicht unbemerkt bleiben würde. Aber welche Wahl hatte er schon? Er musste es zumindest versuchen und falls der zanderianische Dampfkessel meinte, den Captain informieren zu müssen, dann sollte sie das im Namen aller Raumgeister eben tun. „Treten Sie bitte wieder zwischen die Transporterverstärker, Hamir. Ich werde noch etwas probieren!“ Der Kolianer folgte der Bitte und Garrick rekonfigurierte die Transporterkontrolle. Ein letztes Mal zögerte er, bevor er Energie aus dem Warpfeld in die Transporterscanner umleitete.


Seeta hatte ihrem Team die übrigen Reparaturen an dem Shuttle überlassen und saß nun in ihrem Büro. Wieder einmal wurde ihr bewusst, wie ungerecht die Erste Direktive in ihrer eigenen Vorstellung manchmal sein konnte. Sie wusste um den theoretischen und praktischen Nutzen der Regelung, jedoch konnte sie nicht verstehen, warum der Captain nicht wenigstens versuchte, das Neugeborene zu retten. Immerhin wusste anscheinend niemand von dem Kind. Dann wurde ihr wieder klar, dass möglicherweise bekannt gewesen war, dass die weibliche Kolianerin schwanger gewesen war. Sie stand aus ihrem Stuhl auf und ging hinüber in den eigentlichen Teil des Maschinenraums, in dessen Mitte der Warpkern pulsierte. Wie immer vermied sie es in den hellen Schein zu sehen, sondern studierte stattdessen die verschiedenen Konsolen. Eine der Anzeigen zog ihre Aufmerksamkeit besonders auf sich. Seeta stutzte, überprüfte die Anzeige noch einmal, checkte die internen Sensoren und verließ dann das technische Zentrum der Katana.


Nicht ganz fünf Minuten später öffnete sich die Tür zum Transporterraum und Seeta Yadeel rauschte hinein. Wie vom Blitz getroffen blieb sie stehen, als sie den Ersten Offizier und die junge kolianische Familie erkannte. Die allgemeine Niedergeschlagenheit war förmlich greifbar. „Oh, hallo Commander“, sagte Garrick matt und lugte zur Tür, „ich hatte Sie eigentlich erst in ein paar Minuten, aber dafür in Begleitung des Captains oder zumindest eines Sicherheitsteams erwartet.“ Die Zanderianerin musterte den Dänen abschätzig: „Eigentlich sollten Sie mittlerweile wissen, dass ich nicht gleich wegen jeder Kleinigkeit zu Captain Ebbersmann renne, Sir.“ Sie schob sich am überraschten XO vorbei und checkte die Transporterkonsole. Beeindruckt pfiff sie durch die Zähne: „Sie haben versucht, unsere Gäste im Transporterpuffer zu parken, bis wir sie in Sicherheit gebracht haben!?“ Garrick nickte: „Das war der Plan, ja. Nur leider verhindert irgendetwas, dass der Transporter Kolianer erfassen kann.“ Seeta sah noch einmal auf die Kontrollen: „Sehr erfindungsreich, wirklich. Aber ohne die Ursache zu kennen, haben Sie keine Chance auf Erfolg, Sir.“ Die Chefingenieurin machte Garricks Änderungen mit geübten Fingern wieder rückgängig, bevor sie sich zum XO umdrehte: „Und selbst wenn es funktioniert hätte... Wie sollte es dann weitergehen?“ Der Mensch zuckte die Schultern: „Ich hätte sie aus dem Puffer herausgeholt und... ihnen ein Schiff gegeben...“ Seetas Augen wurden schmal: „Welches Schiff? Immerhin gehe ich davon aus, dass ihr Shuttle zerstört werden muss, wenn die Täuschung vollkommen sein soll“, deutete sie auf Hatira und Hamir, die immer noch schweigend und umringt von Transportverstärkern auf der Transporterplattform standen. Garrick nickte leicht, mied den Blick der Zanderianerin und kratzte sich am Kopf. Leise sagte er: „Die Erika...“ Obwohl sie es erwartet hatte, stieß Seeta geräuschvoll die Luft aus. „Na klar... Jenes Shuttle, an dem Sie seit Monaten in nahezu jeder freien Minute gebastelt haben, um es wieder in Schuss zu bringen! Jenes Shuttle, an das ich nur beim Einbau des Warpkerns Hand anlegen durfte, und das auch nur, weil Sie mir ständig argwöhnisch auf die Finger geschaut haben und ich zufällig die Einzige war, die einen Hyperschraubenschlüssel im Werkzeugkoffer hatte! Jenes Shuttle, das Sie seither hegen und pflegen, als sei es Ihr Augapfel und das Ihnen soviel bedeutet, dass Sie es nach Ihrer Schwester benannt haben!“ Garrick nickte erneut matt. Ja, es war ein großes Opfer, das er da bereit war, zu bringen. Wenn er nur daran dachte, wie schwierig es gewesen war, Captain Geodis seinerzeit den zusätzlichen Platz im Hangar abzuschwatzen! Und erst an die ganzen alten Ersatzteile zu kommen! Doch welche Bestimmung konnte für das Shuttle schon besser sein, als schließlich dabei zu helfen, einer jungen Familie das Leben zu retten? Nun betrachtete Seeta den Dänen noch einmal eingehend. „Sie wollen das wirklich durchziehen, Sir? Obwohl es eindeutig gegen Captain Ebbersmanns Befehle verstößt?“ Jetzt blickte Garrick auf: „Ja“, antwortete er schlicht, woraufhin die Ingenieurin fortfuhr: „Dann werden wir aber einen Plan B brauchen, denn die Tranporter bekommen wir nie und nimmer schnell genug umprogrammiert....“ – „Wir?“ unterbrach der XO sie. Seeta zuckte die Schultern: „Ich sehe das so: Entweder gehe ich jetzt zum Captain, vergesse, was ich hier gesehen habe oder ich helfe Ihnen. Nehmen Sie es mir nicht übel, aber ich glaube, Ihre Chancen sind im letzteren Fall am höchsten.“ Ein kurzes Lächeln huschte über das Gesicht des Menschen. „Nun gut. Ich nehme an, Sie haben auch schon eine Idee?“ – „Allerdings. Aber dafür werden wir etwas Platz benötigen... Ich denke, Ihr Quartier dürfte ausreichen, Commander.“ – „Ausreichen? Wofür?“ – „Drei Stasiskammern.“


Gut 10 Stunden später war auf dem Hauptbildschirm wieder das kolianische Schiff zu sehen, das noch immer wie eine stumme Drohung vor der Katana schwebte. „Erteilen Sie Startfreigabe, Miss DeSoto“, ordnete Benjamin an. Die Sicht wechselte nach Achtern, wo sich die Türen der Shuttlebay gerade öffneten. „Die drei haben in der Nussschale nicht den Hauch einer Chance gegen solch ein Schiff, Sir!“, merkte Garrick mit gepresster Stimme an. „Commander, ich verstehe Ihre Bedenken, aber wir haben es hier mit einem internen Konflikt der Kolianer zu tun. Wir werden uns nicht einmischen, Mr. Andersson. Ich möchte mich nicht erneut wiederholen“, stellte Ben mit in einer Tonlage klar, die deutlich machte, dass er keine weiteren Diskussionen hinnehmen würde.

Auf dem Hauptschirm der Katana war jetzt zu sehen, wie das kolianische Shuttle nach Achtern von dem Sternenflottenschiff wegflog. „Der kolianische Raumer umrundet uns nun, Captain“, meldete Ramirez und wenig später tauchte das riesige Schiff ebenfalls im Erfassungsbereich des Hauptschirms auf. „Position halten!“ befahl Captain Ebbersmann. Er warf einen Blick zu seinem XO, der angespannt neben ihm hockte. „Sie laden die Waffen! Immer noch drei Lebenszeichen an Bord des Shuttles!“ Bläuliche Energiestrahlen stoben dem kleinen Schiff, welches Seeta erst wenige Stunden zuvor wieder instand gesetzt hatte, entgegen. In einer gleißenden Explosion verwandelte sich das Shuttle in Staub. „Die Kolianer drehen ab und setzen Kurs in die Richtung, aus der sie gekommen sind, Captain“, verkündete Ramirez nun. Benjamin nickte. „Gut, wir nehmen unseren ursprünglichen Kurs wieder auf, Mr. Lucas. Warp sieben!“ Der junge Ensign bestätigte und wenig später beschleunigte die Katana erneut Richtung Robentra IV, wo Kanzler Silverdale und seine Delegation bereits erwartet wurden. Marina DeSoto studierte ihre Konsole mit einen gewissen Grad von Erstaunen. „Bitte um Erlaubnis, die Brücke zu verlassen, Captain“, brachte Garrick hervor. „Gewährt, XO“, antwortete Captain Ebbersmann, worauf sich der Däne erhob und in den Turbolift trat. Seeta, die sich ebenfalls auf der Brücke befand, wirkte betroffen. Captain Ebbersmann hatte tatsächlich keinen Versuch unternommen, die junge kolianische Familie zu schützen. „Captain, haben Sie einen Moment für mich?“, fragte Marina nun. Der Mensch trat zu seiner neuen Ops-Offizierin. Seeta zuckte unmerklich zusammen. Sie wusste, was die Uhr geschlagen hatte. Wenig später klang Garricks Stimme aus ihrem Kommunikator: „Miss Yadeel, bitte melden Sie sich an meiner Position!“ Die Chefingenieurin wandte sich zum Turbolift, wo sich der Captain zu ihr gesellte: „Ich begleite Sie, Commander.“ Die Zanderianerin schluckte kurz und nickte dann.


Wenig später betraten die beiden das Quartier des Ersten Offiziers – in dem sich drei Stasiskammern befanden. Beim Anblick des Captains versteifte sich Garrick. Benjamin ließ den Blick von den drei Kammern über seine Offiziere wandern, bevor er sich mit einem Blick in die nächste der Einheiten vergewisserte, dass er sich nicht täuschte. Hamir befand sich in jener Kammer.

Nun drehte sich Ben zu den Ertappten um: „Sie beide sind gut, wirklich. Aber ein derartiger Energieanstieg in Ihrem Quartier musste zwangsläufig Aufmerksamkeit erregen, Commander Andersson.“ Garrick nickte matt: „Ja, das war der schwache Punkt an dem Plan. Die Zeit reichte nicht aus, diese Spuren zu verwischen.“ – „Na, großartig...“ murmelte Benjamin und rieb sich mit der Hand über die Stirn. „Darf ich erfahren, was sich an Bord des Shuttles befand?“ Garrick antwortete sofort: „Eine entsprechende Masse an Biomaterie. Außerdem haben wir drei Tricorder falsche Lebenszeichen erzeugen lassen.“ – „Ist Ihnen klar, dass Sie die Katana in nicht zu unterschätzende Gefahr gebracht hätten, falls die Kolianer den Bluff durchschaut hätten?“ – „Ja, Captain, aber die Wahrscheinlichkeit dafür lag bei unter 0,01 Promille.“


Hatira hielt ihre Tochter in einigen ihrer Tentakel, als sie neben ihrem Mann Hamir zum Shuttle ging. Captain Ebbersmann hatte sich schließlich dazu bereit erklärt, der jungen Familie eines der Sternenflottenshuttles zu „leihen“, wie er es nannte. Die drei Kolianer wollten zu einer abgelegenen Welt ihres Reiches fliegen, auf der hoffentlich noch ein paar Freunde der Regentenfamilie überlebt hatten. Zu weitergehender Unterstützung hatte sich der Captain verständlicherweise nicht in der Lage gesehen. Nun stand er mit Garrick und Seeta im Hangar und blickte der kleinen Familie hinterher. „Ich erwarte Sie beide in einer halben Stunde in meinem Raum!“ befahl er leise, bevor er sich umdrehte und zur Tür wandte. Im Gehen hörte er, wie Hatira meinte: „Also weißt Du, Hamir, Ich finde, Katana ist ein schöner Name für ein zweites Kind...“


„Captain, ich übernehme die volle Verantwortung für diesen Zwischenfall!“, sagte Andersson eine knappe halbe Stunde später. Er und auch Seeta waren sich auf dem Weg zum Bereitschaftsraum wie auf dem letzten Gang zum Schafott vorgekommen. Ebbersmann war unübersehbar verärgert gewesen. Daraufhin fuhr Seeta zu dem Lulatsch herum. Als ob sie sich wohl so einfach aus der Affäre stehlen würde! „Niemals! Immerhin hatte ich die Idee mit den Stasiskammern! Nur, weil Ihr Quartier größer ist, haben wir sie dort untergebracht!“, hielt sie dagegen. Benjamin schüttelte leicht den Kopf. Da waren die beiden sich mal einig – und dann betraf es die Verweigerung seiner Befehle! Mit einem Hauch Sarkusmus stellte er fest, dass das wohl als Verbesserung der Beziehungen zwischen den beiden zu deuten war. Dafür stritten sie jetzt darüber, wer von den beiden den größeren Teil des Strafmaßes verdient hatte. Wäre die ganze Situation nicht so grotesk, hätte er es vermutlich erheiternd gefunden, wie Andersson versuchte, die Schuld an dem ganzen auf sich zu nehmen. Er hatte jedoch eine sehr starke Ahnung, dass seine Chefingenieurin aller Wahrscheinlichkeit nach bereitwillig bei der Entwicklung und Durchführung des Plans mitgewirkt hatte. Schließlich unterbrach er die Diskussion: „In Ihre Akten wird nur ein Verweis eingetragen, da sich der entstandene Schaden in Grenzen hält. Aber beim geringsten weiteren Fehlverhalten werde ich Sie persönlich zur Luftschleuse eskortieren, haben Sie mich verstanden?!“ „Ja, Captain!“ nickten Seeta und Garrick unisono. „Dann weggetreten!“ Die beiden Offiziere strebten eilig Richtung Ausgang, als Ben fortfuhr: „Mr. Andersson!“ Der Däne hielt abrupt inne und drehte sich wieder zu seinem Kommandanten um, während Seeta aus dem Bereitschaftsraum eilte. „Captain?“ Der Captain musterte seinen Stellvertreter eindringlich. „Sie sind erst sehr kurz meine Rechte Hand, aber bislang hatte ich den Eindruck, Ihnen blind vertrauen zu können. Ich hätte nie gedacht, dass Sie sich gegen mich stellen würden!“ Garrick nickte: „Darf ich offen sprechen, Captain?“ – „Bitte!“ – „Ihre Befehle zu missachten war das Schwerste, das ich jemals getan habe, Captain. Aber ich konnte Hamir und Hatira und schon gar nicht ihre Tochter einfach in den Tod gehen lassen! Mir war bewusst, dass Sie diesen Plan, die drei zu retten, nicht würden genehmigen können. Daher sah ich mich gezwungen, hinter Ihrem Rücken zu agieren, Captain.“ – „Verdammt, die Regeln und Vorschriften gibt es aus gutem Grund, und das wissen Sie, Commander! Sie hätten uns und die Föderation leicht in einen Bürgerkrieg hineinziehen können!“ Garrick nickte erneut: „Ja, Captain, dessen bin ich mir bewusst. Aber ich weiß auch, dass ich nicht anders handeln konnte. Lieber Himmel, ich hab die Kleine immerhin auf die Welt geholt!“ Ben erkannte, welchen Konflikt sein XO auszutragen gehabt hatte. Wie war das noch auf der Akademie? Man muss immer objektive Distanz zu den Geschehnissen wahren? Er seufzte nun, bevor er antwortete: „Was immer Sie tun, Commander, tun Sie es NIE WIEDER hinter meinem Rücken, verstanden?“ Garricks Augen wurden etwas größer: „Ich... werde mich bemühen, Captain.“ Das war zwar nicht ganz die Antwort, die Benjamin erwartet hatte, aber sie reichte ihm, denn er war sich sicher, dass der Däne ihn verstanden hatte. Nun nahm sein Gesicht etwas weichere Züge an: „Es wird Zeit, dass Sie Vater werden, Mr. Andersson!“