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Die Wahrheit der Pflicht

From PathfinderWiki

Die Wahrheit der Pflicht
Autor: Ariell Needa, Seeta Yadeel
Anfangssternzeit: 56157.34
Endsternzeit: 56172.55
Anfangsdatum: 27.02.2379 (10:23 Uhr)
Enddatum: 04.03.2379 (23:34 Uhr)


Lew trat aus einem der großen Gewächshäuser, die wie Pilze zwischen den Baumhütten in den Himmel ragten, und beobachtete den Marktplatz, den er durch das grüne Blätterdach gut ausmachen konnte.

Den Tag über hatte er mit den anderen bei der Gemüseernte verbracht und geholfen Kürbisähnliche Gebilde in großen Kisten zu verpacken. Jeder, der zu dem Dorfkomplex gehörte, arbeitete mit. Männer, Frauen und die älteren Kinder. Tatsächlich bekam jeder eine Aufgabe zugeteilt, die seinen Fähigkeiten und Geschick entsprach. Auf der anderen Seite des Dorfes gab es ein Gebiet in dem Seile von de Bäumen hängten und am Boden befestigt waren. Erst heute wusste Lew, was es mit diesem seltsamen Konstrukt auf sich hatte. Die Araner benutzen diese Seile als Halterung, um in den Bäume wachsende Früchte, die schwer an Fußbälle erinnerten, ein Körben einzusammeln. Wie Leemuren, die von Ast zu Ast sprangen. So ungewöhnlich das Ganze auch wirkte, schnell hatte sich der Squad-Leader an alle ungewöhnlichen Begebenheiten gewöhnt, ebenso wie ihre Gefangenschaft und das derzeitige Leben das sie führten. Die wenigen Tage, die sie jetzt auf Aranar zugebracht hatten kamen ihm selbst immer weniger wie die Geiselnahme durch Terroristen vor. Überhaupt entsprach die ganze Dorfgemeinschaft weniger einer Terroristenzelle, sondern eher einer Kolchose.

„Heute Abend werden wir uns im Gemeinschaftshaus versammeln und zusammen essen.“ Seine Bewacherin, deren Namen er weiterhin nicht kannte und wohl auch nicht mehr erfahren sollte, war leise neben ihn getreten und sah ihn aus dunklen Augen an. Lew wirkte verwirrt. Bisher hatten er und Ian ihr Essen lediglich in ihrer Hütte bekommen und waren weitestgehend allein geblieben. Warum sollten sie jetzt ins Gemeinschaftshaus kommen? Die Aranerin, die seine Verwirrung bemerkte setzte zur passenden Erklärung an.

“ Da ihr euch an der Ernte und der Dorfgemeinschaft beteiligt, hält unser Rat es für angebracht euch als Teil der Gemeinschaft zu achten.“ Mehr sagte sie nicht statt dessen drehte sie sich um und kehrte zu den anderen in das Gewächshaus zurück.


Seit zwanzig Minuten starrte Needa das Saftglas auf dem Tisch vor ihr an und sinnierte über eine Möglichkeit von Venkan wieder zu verschwinden. Doch anstatt auf eine passende Lösung zu kommen, vielen ihr tausend Gründe ein, warum sie schnellsten wieder auf dem Schiff sein sollte. Davon abgesehen, dass es in ihrem Quartier aussah wie auf einem klingonischen Schlachtfeld, lagen auf ihrem Schreibtisch zwei Berichte, die sie bis morgen zur Sternenflotte hätte zurückschicken müssen.

„Verflucht, mein Basilikum.“

Lincoln, der an einer Konsole in ihrem neuen Quartier saß und stetig die Datenbank abfragte, hob den Kopf. „Ihr Basilikum?“

Ariell löste ihren Blick von dem Saftglas. „Ich habe in meinem Quartier einen Basilikum stehen. Wenn ich den nicht regelmäßig gieße, wird er welk.“ Dabei machte sie ein geknicktes Gesicht und ging zum Fenster, das einen ähnlichen Blick über die Skyline bot, wie das Büro des Präsidenten Aranars.

„Welcher normale Mensch züchtet sich denn einen Basilikum?“

„Die, die italienisch Kochen!“ Gab Needa mit einem trotzigen Unterton zurück. „ Von meiner gesamten Kräutersammlung ist er der einzige, der noch lebt.“ – „Weil Sie so wenig mit Basilikum kochen?“ Lincoln grinste.

„Nein, weil die anderen alle eingegangen sind.“ – „Oh, dann ist er ein Zeichen für das eigene Versagen. Wenn er überlebt, dann haben Sie ihr Sache gut gemacht.“ Schlussfolgerte der Ire und lacht leise.

„Ich hänge einfach an dem grünen Ding!“ maulte die Trill und nahm ihr Saftglas wieder zur Hand, als sie vor der Tür ein Geräusch ausmachte. „Wir bekommen Besuch.“

Klorell, der in seiner Schwarzbraunen Tunika unvorteilhaft dick wirkte, trat freudestrahlend durch die Tür und musterte seine zwei Gäste interessiert.

„Captain Needa, Lieutenant Lincoln. Ich hoffe, Sie hatten eine geruhsame Nacht.“ Trällerte er in feinstem Diplomatenton und verschränkte dabei seine Hände auf dem Rücken, so dass sein Bauch nur noch mehr hervortrat.

„Oh, gewiss, sind Ihre Betten sehr angenehm, mich würde jedoch interessieren: Warum lässt man uns nicht zu unserem Schiff zurück?“ Needa hatte so langsam die Faxen dicke, und an ihrem Tonfall ließ sie daran keinen Zweifel. Klorells freundliches Grinsen, blieb jedoch erhalten.

„Captain, ich fürchte, dass Sie Ihren Aufenthalt bei uns missverstehen. Sie sind doch nicht unsere Gefangene.“ Er hob beschwichtigend die Hände. „Natürlich dürfen Sie gerne zu Ihrem Schiff zurückkehren, aber Sie sollten vielleicht warten, bis sich meine Techniker um die Schäden gekümmert und die Reparaturen abgeschlossen haben.“

Lincoln hob zweifelnd eine Augenbraue und stellte sie neben seinen Captain. „Die Schäden, die Sie uns zuvor zugefügt haben?!“

„Aber, aber Lieutenant. Ich versichere Ihnen, dass die Regierung Aranars nicht die Aggressoren gegen Sie waren.“ – „Wer dann?“ Verlangte der Sicherheitschef zu wissen.

„Aranische Rebellen.“ Seufzte Klorell, und machte ein Gesicht, als beschreibe er damit seinen Meniskus mit dem er schon Jahre Probleme hat. „Wir wissen nicht, warum Sie von Ihnen angegriffen wurden, zugegeben, ihre Luftabwehr ist sehr gut, aber meine Piloten konnten nur noch eingreifen um Ihre sichere Rückkehr zu garantieren.“

Sowohl Needa, als auch Lincoln machten mehr als misstrauische Gesichter. Warum sollte Klorell ihnen jetzt helfen, wo er das zuvor immer abgelehnt hatte.

„Warum lässt man uns nicht mit unserem Schiff Kontakt aufnehmen?“

Jetzt entstand auf Klorell eine Mine schwerer Bestürzung. „Sie haben noch nicht mit Ihren Leuten gesprochen? Warum benutzen Sie nicht unser Interface? Die Reichweiter Ihrer Kommunikatoren wird kaum ausreichen, aber die Komanlagen unserer Stadt sollen Ihnen gerne zur Verfügung stehen.“ Er lächelte breit. „Heute Abend sind Sie natürlich meine Gäste. Ich werde Shakoll zum Abendessen einladen. Er ist der Cheftechniker und wird Ihnen sicherlich Auskunft darüber geben können, wie die Reparaturen vorangehen.“

Klorell verabschiedete sich überschwänglich und verließ wieder das Quartier.

„Dieses Interface funktioniert schon die ganze Zeit?“ ungläubig wandte sich Needa an Lincoln. Wir können damit schon die ganze Zeit Kontakt zu unseren Leuten aufnehmen?“

Doch der Ire schüttelte den Kopf. „Ganz sicher nicht! Diese Möglichkeit war das erste, was ich ausprobiert habe. Wenn wir jetzt dazu in der Lage sind, hat man uns erst jetzt den Zugang zum zentralen Kommunikationsnetzwerk gestattet.“


Währenddessen hatte Seeta ihr Ziel schon beinahe erreicht. Mit jedem Lichtjahr, das sie zurücklegte, wuchs ihre Sehnsucht nach daheim. Nach der wärmenden Sonne auf ihrer Haut, nach der sanften Brise des Meeres und den kühlen, weißen Mauern ihres Zuhauses. Sich in den Schoß der Familie fallen zu lassen hatte derzeit etwas unsagbar Beruhigendes.

Die junge Ingenieurin überprüfte die Kontrollen vor ihr. Der Rest des Fluges versprach ebenso ereignislos zu werden wie der bisherige. Seltsamerweise hatte sie in dieser Nacht zum ersten Mal seit vielen Wochen ruhig geschlafen. Sie vermutete, dass ihr Einsamkeit derzeit einfach gut tat.

Sie stellte den Autopiloten an und zog sich in den hinteren Teil ihres Reisegefährts zurück. Sie hatte viel Schlaf nachzuholen und hoffte, dass sie bis sie die Erde erreichte wieder einigermaßen sie selber sein würde.


„Was soll das heißen, Seeta ist nicht mehr an Bord?“ Needa starrte ungläubig und außer sich auf den Monitor vor sich. Tatsächlich hatte man ihnen gestattet, Kontakt zur Katana aufzunehmen, jedoch war Lincoln schnell zu dem Ergebnis gekommen, dass diese Verbindung keineswegs sicher war. Vermutlich hörten ihre Gastgeber jedes einzelne gesprochene Wort mit. Trotzdem kam Ariell nicht umhin sich einen Statusbericht ihres Schiffs geben zu lassen. Zumindest soweit dies den anderen keinen taktischen Vorteil gab. Sulik und Paice zeigten sich weiterhin vermisst, dass war alles, was ihr Summers zu diesem Thema sagen konnte. Doch das all zu auffällige Nicken Tanniers im Hintergrund verriet ihr, dass auf dem Schiff in diesem Punkt einiges im Gange sein musste. Minbari, dass hatte der Captain schnell erkannt, verhielten sich stets ruhig. Dieser hier besonders. Es überraschte sie nicht, dass Summers in ihrer Abwesenheit die Rettungsaktion der beiden Piloten vorantrieb und wahrscheinlich schnell zu einem Ergebnis kommen würde. Jedenfalls hoffte sie dass, denn der Gedanke, jemanden aus ihrer Besatzung aufgeben zu müssen, erschien ihr fremd und inakzeptabel. An sich war dies im Moment aber ihre geringste Sorge. Ihre Chefingenieurin hatte Hals über Kopf das Schiff verlassen und somit die Katana ihrer Kompetenz beraubt. Trotzdem traute sie ihren Ohren nicht. Besaß Seeta so viel Egoismus einfach zu gehen?

“Und wo ist sie hin?“ Ariell hatte Schwierigkeiten sich selbst im Zaum zu halten und nicht durch den Monitor zu springen. Wenn es möglich gewesen wäre hätte sie sich jetzt durch ihre schiere Willenskraft auf das Schiff gebeamt.

„Seeta hat sich vorerst mit dem Ziel Kuba abgemeldet.“ Auch Summers fiel es schwer sich zu beherrschen, wenn auch aus anderen Gründen, als Needa dies tat. Den gesamten Vormittag hatte Andreas sich überlegt, wie er seinen Dienst auf der Brücke antreten sollte. Natürlich verstand er Seeta, die es vorzog sich in die Einsamkeit, beziehungsweise in den Schoß ihrer Familie zu flüchten. Er zweifelte nicht daran, dass sie früher oder später ihren Weg zurück zur Katana finden würde und so war es weniger das Gefühl des verlassenseins, dass ihm wie ein fester Knoten den Hals zuschnürte, als die Gewissheit, ihr nicht hatte helfen zu können. Er war nicht der Mensch gewesen, der ihr genügend Sicherheit und Ruhe gab, um mit ihrem Problem fertig zu werden, und das traf ihn am meisten. Und wenn er in die Gesichter der anderen Crewmitglieder sah, las er in ihren Gesichtern die Frage, warum er sie eigentlich hatte gehen lassen. Weil er unfähig war ihr das zu geben, was sie offensichtlich gebraucht hatte.

„Zu Hause hat sie vielleicht eine bessere Möglichkeit mit sich ins Reine zu kommen. Ich“ er hielt inne und ließ seinen Blick kurz aus dem Fassungswinkel des Bildschirms gleiten, bevor er schließlich endete. „Ich konnte ihr da nicht mehr helfen.“

Erst jetzt sah Needa den antriebslosen Ausdruck im Gesicht ihres ersten Offiziers. Und erst jetzt war der Augenblick, wo sie realisierte, dass es ihn wesentlich mehr bekümmerte, dass Seeta gegangen war, als es sie selbst je berühren könnte. Plötzlich kam sich Ariell genauso egoistisch vor, wie sie es noch zuvor der Zanderianerin unterstellte hatte. Beschämt sah die Trill ebenfalls kurz zur Seite und vergaß ihre eigene Sorge um das Schiff. Mehr denn je, war es jetzt wichtig, dass sie ihre Besatzung wieder zusammen bekam, immerhin waren sie so etwas wie eine große Gemeinschaft, und die durfte nicht auseinanderbrechen.

„Sie kommt wieder.“ Sagte sie schließlich entschlossen und versuchte Andreas auf diese Weise von seinen dunklen Gedanken zu befreien.

Er lächelte matt und faltete die Hände auf der Konsole vor sich. „Wie geht es Ihnen Captain? Bei Ihnen alles in Ordnung?“

Der Captain der Katana hatte zwar berichtet, was vorgefallen war, und dass ihr Shuttle beschädigt im Hangar der Stadt stand, allerdings hatte sie sich über ihre derzeitige Situation nur wenig ausgelassen. „Es geht uns gut.“ Versicherte sie. „Und man behandelt uns auch gut. Leider haben wir erst heute festgestellte“ sie knirschte mit den Zähnen „dass wir ein zugriffsrecht auf die Kommunikation besitzen.“

Summers nickte, so als habe er genau verstanden, was sie damit sagen wollte. „Heute Abend sind wir zum Essen bei Präsident Klorell eingeladen. Vielleicht ist unser Shuttle repariert und wir können bald nach hause kommen.“ Lincoln der sich bisher im Hintergrund gehalten hatte beugte sich jetzt über Needas Schulter und rückte so ins Sichtfeld Summers’. „Beamen?“

Der erste Offizier schüttelte den Kopf. „Auf Aranar gibt es zu viel Strahlung. Als wir die Geiseln befreiten, gab es die nicht. Dies hier ist etwas anderes.“ – „Ich frage ja auch nur für den Fall, dass wir Paice und Sulik so rausholen müssen. Wir wollen ja gar nicht weg.“ Log Frank und grinste sarkastisch.

„In einer Stunde ist diesbezüglich unsere Lagebesprechung.“ Erklärte Summers sein weiteres Vorgehen. Als Tannier, der immer noch hinter Summers stand seinen rechten Arm hob, erkannten sowohl Lincoln als auch Needa die breite Armmanschette, die das Elite Force Team im Einsatz trug, und in der sich Statusanzeigen und COM befanden. Die Katana musste sich auf einen unmittelbaren Einsatz vorbereiten, der in den nächsten Tagen zu erwarten war. In Paice und Suliks Fall musste sich also schon einiges ergeben haben. Die Uhr zu Linken des Captains verriet, dass es an der Zeit war sich auf das treffen mit Klorell vor zu bereiten. Lincoln und sie mussten ihre Taktik für den Abend absprechen und dafür brauchten sie noch Zeit. Bevor sie jedoch die Verbindung zum Schiff unterbrach, hatte sie aber noch eine letzte Frage. „Was ist mit Toreen?“ Sie traute dem Bajoraner nicht und nutze jedes Mittel der Kontrolle.

„Ruhig.“ Gab Summers zurück. „Er nimmt an den regelmäßigen Besprechungen teil, hält sich aber ansonsten zurück.“

Ariell biss sich auf die Lippe und dachte kurz nach. „Er weiß irgendwas!“ Und Summers verstand, den stummen Befehl.


Mariella! Lew hörte zum ersten Mal den Namen der Frau, die sie seit den letzten zwei Tagen nicht aus den Augen gelassen hatte. Zwar gab sie immer vor, nicht in der ständigen Umgebung Lews und Inas zu sein, doch beide wussten, dass sie nie wirklich unbeobachtet waren. Schon gar nicht, da die ihnen unbekannte es vermochte wie aus dem Nichts plötzlich aufzutauchen. Die Nacht war noch nicht ganz über Balah hereingebrochen, doch die Kühle, die der Abend mit sich brachte, zeugte bereits vom hereinbrechen der Dunkelheit. Die Dorfgemeinschaft hatte sich in der größten der Baumhütten versammelt und sich um eine große Kaminartige Vorrichtung gerottet. Zusammen wurde gelacht und gegessen, diskutiert und zeitweise sogar getanzt. In der Luft lag der Geruch von Kohl und gebratenem Kaninchen und aus einer Ecke des Ovalen Raumes drang leise, fremde Musik. Für Lew hatte das ganze eine anheimelnde Atmosphäre und er vergaß, wie so oft in den letzten Tagen, warum er hier war. Paice regte sich entgegen mit stetig wachsendem Unbehagen neben ihm. Die Aussicht auf einen Abend mit diesen Terroristen, wie er sie weiterhin nannte, widerstrebte ihm, und er wollte schnellstmöglich weg von hier. In gewisser Weise sehnte es sich nach der Abgeschiedenheit seiner kargen Hütte. Jeder Ort außer diesem wäre ihm lieber gewesen. Weit weg von diesen Verdammten.

Der Wingcommander der Katana hingegen schien sich richtig wohl zu fühlen. Schnell hatte er sich einen Platz in der Menge gesucht und ließ sich neben einer Frau nieder, die ihr Kind stillend an die Brust gelegt hatte. In einiger Entfernung saß ein weißhaariger Mann, der seine Schultern unter der Last der langen Jahre stark nach vorne gebeugt hatte und sich auf einen ebenso krummen Stock stützte. Mit einem gurrenden Unterton erzählte er eine scheinbar bekannte Geschichte, denn viele der Umsitzenden sprachen seine Worte stumm mit. Auch Mariella, die neben dem Alten saß und von ihm beim Namen genannt wurde, wenn er Bestätigung für sein Gesagtes suchte. Ohne wirklich zuzuhören hing Lew wie gebannt an den Lippen des Erzählers, fasziniert von der Aura, die ihn wie einen Schild umgab.

„Denn das, was wir vor uns sahen würde einmal unsere Ernte sein. Und unsere Kinder sollten sie erhalten, damit sie uns und die lange Zeit der Dürre in ihren Herzen behielten.“

Es schienen die letzten Worte zu sein, denn er schwieg.

Andächtige Ruhe erfüllte die Runde, und zum ersten Mal schwand die Härte in Mariellas Gesicht, was ihr einen verblüffend friedfertigen und anziehenden Ausdruck verlieh. Dies, das war kein Lager Terroristen, sondern die Gemeinschaft einer unterdrückten Rasse, die sich zu wehren versuchte. Nur sekundenlang traf ihr Blick auf den seinen, und versuchte zu lächeln. Vielleicht, um ihr zu zeigen, dass er mehr Anteil an ihrer Situation nahm, als sie annehmen konnte.

Mit einem unsanften Seitenhieb stieß Ian ihn an. „Ich gehe zurück in die Hütte. Kommst du mit?“ Die Taschen seines Overalls hatte Paice mit etlichem Essbaren gefüllt und in seiner Hand lag ein Becher mit einem aromatischen Wein, den er bis zur Kante gefüllt hatte.

„Ich bleibe noch einen Moment.“ Beschloss Lew und schenkte seine Aufmerksamkeit wieder dem Alten, der von Neuem zu erzählen begann.


Ein Stein flog flach über das Wasser, verlor schnell an Höhe und prallte darauf auf. Er sprang noch einige Male auf, bevor er in einer Welle versank. Das kleine Kunststück zeugte von den vielen Stunden der Übung, die Seeta mit flachen Steinen geübt hatte.

Die Zanderianerin sah sich selber überhaupt nicht mehr ähnlich. Dort, wo meist die dunkle Uniform mit dem leuchtend gelben Kragen an ihr gesessen hatte, zierten sie ein einfaches weißes T-Shirt und ausgebleichte Jeans. Die untergehende Sonne brachte das lose im Wind wehende Haar zum Glänzen, wie es das künstliche Licht auf der Katana niemals getan hatte. Genießerisch schloss die Frau ihre Augen und hielt ihr Gesicht in die blutrot am Horizont versinkende Sonne. Sie wusste aus jahrelanger Erfahrung, dass es in einigen Minuten schlagartig fast dunkel werden würde, dank der Position der Insel in der Nähe des Äquators und der sommerlichen Jahreszeit.

Es war trotz der späten Stunde noch heiß, zumindest hätten die meisten Menschen, die hier nicht zuhause waren es als heiß empfunden. Der Zanderianerin machte das nichts aus. Ihre Spezies war auf einem Wüstenplaneten entstanden und besaß einen dementsprechenden Schutz gegen die Hitze.

Seeta öffnete die Augen wieder und setzte ihre Wanderung am Wasser entlang fort. Sie hatte ihre Ankunft am frühen Abend als angenehm empfunden. Wider Erwarten war niemand mit irgendwelchen Fragen oder Forderungen auf sie eingestürmt. Man hatte sie in Ruhe in ihr Zimmer gehen lassen, wo sie die wenigen Sachen, die sie mitgebracht hatte ausgepackt hatte. Sie hatte nicht vor, länger als unbedingt nötig zu bleiben. Aber sie brauchte diese Zeit der Stille und Abgeschiedenheit. Sie brauchte Abstand von allem, was sich in den letzten Wochen ereignet hatte. Als sie das Gesicht ihres Vater auf dem Bildschirm gesehen hatte, da hatte sie gewusst, dass sie die vertraute Umgebung ihrer Heimat brauchte, wo sie nichts an das erinnerte, was vorgefallen war.

Sie fühlte wie der Wind ihr Haar zerzauste und das schnell kühler werdende Wasser ihre Füße umspülte. Es gab ihr ein gutes Gefühl endlich mal wieder mit nackten Fußen auf echtem Boden zu stehen. Manchmal fragte sie sich, ob sie nicht ihren Beruf verfehlt hatte, so sehr hasste sie es bisweilen in einem Schiffsrumpf aus Metalllegierungen eingesperrt zu sein. Dann wünschte sie sich nichts sehnlicher als dies hier, den direkten Kontakt zur Natur.

Seeta blieb stehen und drehte sich den beständig anrollenden Wellen entgegen. Wenn sie hinaus aufs Meer blickte, dann schien es ihr immer, als wäre die Zeit stehen geblieben. Nie gab es hier eine bedeutende Veränderung zu sehen. Sie fühlte sich automatisch von dem Anblick, der sich ihr bot beruhigt und besänftigt, wie ein Kind, das von seiner Mutter im Arm gewogen wurde.

So beständig wie die Wellen vor ihr im Licht der letzten Sonnenstrahlen auf den Strand zurollten, so beständig empfand sie ihr Gefühl für Andreas. Sie konnte sich inzwischen nicht mehr vorstellen, längere Zeit ohne ihn zu sein. Ohne seine freundliche und geduldige Unterstützung, die sie so sehr in den vergangenen Jahren schätzen gelernt hatte. Es waren gute Jahre für sie auf der Katana gewesen. Sie hatte Freundschaften geschlossen und verloren, sie hatte Liebe und Lachen gefunden und auch ihren Anteil an Prellungen und Quetschungen mitbekommen.

Sie kam sich egoistisch und kalt vor, das Schiff und vor allem seine Besatzung zurückgelassen zu haben. Gedanklich ließ sie ihre kurze Unterhaltung mit Counselor Velain Revue passieren. Auf ihre typisch ruhige Art hatte die blauhäutige Frau zu ihr gesagt: „Es gibt für alles eine Zeit, Lieutenant. Es gibt eine Zeit zu Lachen und eine Zeit zu Weinen. Es gibt eine Zeit zu Lieben und zu Hassen. Es gibt eine Zeit der Verletzungen und eine Zeit des Heilens. Und es gibt sogar eine Zeit egoistisch zu sein.“

Sie hatte der Counselor widersprechen wollen, doch wie stets hatte eine bloße Geste der beeindruckenden Frau genügt, sie verstummen zu lassen. „Für Sie ist es an der Zeit zu Heilen, Lieutenant. Sie müssen heilen, um nicht zerstört zu werden. Und wenn das bedeutet, dass Sie egoistisch sein müssen, dann müssen Sie dies tun. Folgen Sie Ihrem Herzen, wohin auch immer es sie führt.“

Sie hatte zögernd genickt und dann das Büro der Delvianerin verlassen. Sie fühlte sich nicht gut, aber doch besser in ihrem Entschluss das Schiff zu verlassen bestärkt worden zu sein.

Der Abschied von Andreas war ihr nicht leicht gefallen. Sie hatte in seinen Augen sehen können, wie er empfand und es hatte in ihr das Gefühl ausgelöst, nicht mehr atmen zu können. Aber doch hatte sie ihn zurückgelassen. Er konnte ihr nicht helfen, aber sie brauchte Hilfe, wenn sie nicht zerbrechen wollte. Und sie fühlte ganz klar, dass hier die Heilung lag, die sie brauchte und nicht auf der Katana.

Seeta wandte dem Wasser den Rücken zu und ging langsam den Strand hinauf zu den weichen Dünen, die den Strand vom Rest der Insel trennten. Sie war hier zuhause, sie kannte sich hier aus. Sie wusste genau, was sie suchte. Auch wenn es inzwischen dunkel war, fand sie ihr Ziel mit schlafwandlerischer Sicherheit. Mit einem glücklichen Lächeln ließ sie sich in eine Kuhle im Sand der Dünen fallen. Sie lehnte sich zurück und betrachtete den Mond und die Sterne über ihr. Lächelnd sah sie zu den blinkenden Lichtpunkten am Firmament hinauf. Sie wusste, irgendwo dort draußen kreiste ein Schiff namens Katana um einen Planeten, der wiederum um einen der Lichtpunkte kreiste. Es war das Beste und das galt auch für seine Crew.


„Wir können mit Sicherheit sagen, dass sich Paice und Sulik in Balah befinden. Dank der vorläufigen Verbesserung der Sensoren, und einem Abgleich mit den medizinischen Profilen der Beiden, ist es uns gelungen die beiden vermissten Piloten zu lokalisieren.“ Es war schon fast zur Gewohnheit geworden, dass Tannier oder Lazarus federführend bei den täglichen Meetings waren. Summers, der sich mehr denn je im Hintergrund hielt, ließ sich diese Aufgabe gerne von den beiden aus der Hand nehmen, zumal, die beiden mit mehr Sachverstand und Erfahrung an diese Sache gingen. Maggie Kincaid, die seit Seetas Weggang den Platz der Chefingenieurin inne hatte, war bemüht, die große Lücke, welche die Zanderianerin hinterlassen hatte, so gut es ging auszufüllen, und soweit die Crew das beurteilen konnte, schlug sie sich darin wacker.

„Gut,“ räumte Summers ein. „wir wissen also, wo unsere Jungs sind. Wie bekommen wir sie also wieder an Bord?“

Lazarus setzte sich und überließ Tannier das Feld. „Das ist unser Problem. Wir kämpfen weiterhin mit der aranischen Luftabwehr, die sehr gut funktioniert. Sollten wir eine Rettungsmission auf diesem Wege planen, haben wir mit großen Verlusten zu rechnen. Trotzdem haben meine Leute an einem entsprechenden Szenario gearbeitet.“

Lazarus, der Summers argwöhnischen Gesichtsausdruck bemerkte schaltete sich wieder ein. „Beamen wird in keinem Fall möglich sein. Die Strahlung auf Aranar ist zu groß. Wir können Paice und Sulik zwar erfassen und gegenwärtig sagen, wo sie sich aufhalten. Aber bei einem Transport würden wir ihre Muster verlieren. Miss Kincaid hat mit ihrem Team bereits versucht diese Problem zu lösen, musste letztenendes aber kapitulieren.“

“Wir stehen also bei Null?“

„Wenn Sie es so wollen, ja.“


Persönliches Computerlogbuch des ersten Offiziers, Sternzeit 56169.60.

Nach den endlosen Sitzungen mit dem technischen Stab, stehen wir praktisch vor dem Aus der derzeitigen Mission. Da Venkan kein Föderationsmitglied ist, und wir nicht um direkte Hilfe gebeten wurden, schließt sich ein Angriff zur Rettung unserer Offiziere, praktisch aus. Von den moralischen Konsequenzen einmal abgesehen, lässt sich ein solches Vorgehen kaum rechtfertigen. Da wir uns zu weit vom eigentlichen Föderationsraum entfernt befinden, werde ich erst morgen mit einer Antwort durch das Headquarter rechnen können. Captain Needa hatte jedoch vor ihrem Abflug ausdrücklich darauf bestanden, dass wir zu keinem Aggressor werden dürfen und uns als solcher ohne Waffengewalt durchsetzten müssen. Uns stehen also nicht wirklich viele Optionen offen. Da mir der Captain versicherte, dass sie Lieutenant Lincoln nicht als Gefangene behandelt und bald zurückkehren werden, gilt ihnen weniger meine Sorge. Sowohl die Crew als auch ich, beginnen was Sulik und Paice betrifft allerdings zu resignieren. Viel Hoffnung besteht nicht, sie in kurzer Zeit wieder an Bord zu holen, und die Antwort der Sternenflotte wird dies wahrscheinlich bestätigen. Bevor ich jedoch ganz aufgebe, werde ich einen letzten Versuch unternehmen, unsere Mission zu einem guten Abschluss zu bringen.


Um einer 700 Mann starken Besatzung das Gefühl der Heimat und einen Rhythmus zu geben, verfügen alle Sternenflottenschiffe über Tages- und Nachtperioden. Zwar hört der Betrieb nie gänzlich auf, und wenn man aus dem Fenster sieht bietet sich einem stets der gleiche Anblick des dunklen Weltalls, trotzdem kehrt auch auf einem so großen Schiff wie der Katana ab einer bestimmten Uhrzeit eine selbständige Ruhe ein, die erst in den Morgenstunden wieder zu ihrem gewohnten Trubel anschwillt.

Toreen Akida, der sich stetig als das Stiefkind der Besatzung sah, zog es vor zu genau diesen ruhigen Zeiten durch das Schiff zu streifen und seinen üblichen Freizeitbeschäftigungen nachzugehen. Auch wenn er sich überwiegend damit aufhielt das Schiff und dessen Lageplan zu erkunden, was für ihn als Büromenschen eine vollkommen neue Erfahrung war. Wenn er zu so später Stunde unterwegs war, lief er außerdem nicht Gefahr, einem der anderen Besatzungsmitgliedern zu begegnen und ihre unangenehmen Blicke auf sich spüren zu müssen.

Er hatte gerade eine Biegung des Korridors hinter sich gelassen und passierte eine der Luftschleusen, als sich ihm eine Hand auf die Schulter legte, während eine andere um ihn herumfuhr und ihn bäuchlings gegen die Wand drückte.

„Was...?“ Akida riss entsetzt die Augen auf und versuchte einen Blick auf die Person zu erhaschen, die ihm derart zusetzte.

„Beantworten Sie lediglich die Fragen, die Ihnen gestellt werden.“ Drang ruhig die Stimme an sein linkes Ohr. Akida schluckte und wandt sich in der Umklammerung, mit dem Ergebnis, dass der Angreifer nur noch fester zupackte.

„Ich möchte Informationen über den Konflikt auf Aranar.“ Flüsterte die Stimme.

„Informationen? Ich weiß nichts über diesen Konflikt.“ – „Sie sind vom Sternenflottengeheimdienst. Sie werden sicherlich etwas wissen.“

„Alles was ich weiß, habe ich dem Captain bereits erzählt.“

Der Griff wurde eine Spur energischer, und Akida fürchtete, sein Brustkorb würde bersten.

„Wer sind die unbekannten Rebellen? Und wie stehen diese zum Rest.“ – „Unbekannte Rebellen? Ich weiß nicht, was die wollen. Sie sind gegen die Regierung.“

Eine Hand löste sich aus dem Griff um Akida, ohne diesen zu lockern, und betätigte ein Kontrollfeld neben ihm.

„Was machen Sie?“ Akida zappelte wie ein Fisch, unfähig sich zu befreien, und mit Schrecken erkannte er die Tür zur Luftschleuse, die sich öffnete.

„Sie geben mir nicht die Antworten, die ich brauche.“ Erklärte die Stimme hinter ihm und bugsierte ihn bereits zur geöffneten Schleuse.

„Ich werde nicht reden. Ich bin Angehöriger des Geheimdienstes, Sie können mich nicht einfach umbringen! Man wird Sie finden!“ Panisch überschlug sich die Stimme des Bajoraners.

„Sie werden mit mir reden, da bin ich sicher.“ Und mit diesen Worten stieß er Toreen in die Schleuse, deren Türen sich zischend hinter ihm schlossen.

„Beantworten Sie mir meine Fragen, und sie können wieder in Ihr Quartier gehen. Anderen Falls sehe ich mich gezwungen die Außentür zu öffnen.“ Akida stürzte an das Fenster, das zum Flur zeigte. „Das können Sie unmöglich machen!“ – „Sie sehen doch, dass ich das kann.“ Und die Finger des Unbekannten berührten das Kontrollfeld.


Lincoln schob den geleerten Teller vor sich ein Stück von sich weg und stützte die Ellenbogen auf. Der Abend hatte bisher einen angenehm leichten und entspannten Verlauf genommen, dauerte in den Augen des Sicherheitschefs nun aber länger als nötig. Klorell erwies sich als geschickter Gastgeber und vermochte seine Gäste angemessen zu unterhalten. Besonders im Small Talk zeigte er sein können, und brachte die kleine Runde regelmäßig zum Lachen. Lincoln konnte nicht abschätzen, ob Needa sich von ihm hatte einlullen lassen, oder ob sich auf einen günstigen Moment wartete, den Präsidenten auf die wichtigen Themen anzusprechen. Zaghaft stieß er sie unter dem Tisch an, woraufhin sie ebenso heftig zurücktrat.

„Präsident Klorell,“ setzte sie zu Lincolns Erleichterung an „kommen wir zu den wesentlichen Punkten des Abends. Wie weit sind die Arbeiten an der Memphis vorangegangen?“ Shakoll, der Cheftechniker Klorells zeigte ein breites Lächeln und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „Das ist ein wunderbares Schiff, dass Sie da haben. Ich habe selten so gute Arbeit gesehen. Wäre Ihr Shuttle nicht so gut konzipiert gewesen, hätten Sie diesen Flug wohl kaum überlebt.“

„Das mag richtig sein.“ Gab Needa zu „Wann wird es aber wieder einsatzbereit sein?“

„Meine Techniker arbeiten an den letzten Schäden. All zu langen kann es nicht mehr dauern.“

„Wie lange?“ wollte Lincoln schließlich wissen.

„Das ist ein besonderes Schiff, dass Sie da fliegen. Sternenflottenshuttles haben wir nicht jeden Tag auf Aranar. Es dauert, bis wir die nötigen Ersatzteile habe und die notwendigen Reparaturen durchführen zu können.“ Shakoll fuhr sich mit einer Hand über sein Kinn „Und Sie wollen doch nicht plötzlich abstürzen, oder?“


„Die aranische Regierung, und die Hoheitsregierung von Venkan waren im Begriff sich aneinander anzunähren. Nach den langen Jahren der Konflikte, sahen sich beide Präsidenten zu Gesprächen bereit.“

Summers stand vor der Fensterfront des Bereitschaftsraumes und sah hinaus, seine Hände ruhten auf seinem Rücken, und in seinen Augen blitzte es leise. Endlich würde er eine Lösung für das Problem finden und diese Mission zu ende bringen.

„Was versprachen sich die beiden Regierungen davon?“

„Die Hoheitsregierung hatte in den letzten Jahren ungewöhnlich viele Misswirtschaften, die Korruption und Willkür machte Venkan Staatsoberhäupter nicht beliebt bei der Bevölkerung, und in einigen Schichten begann es zu brodeln. Die venkanische Regierung bestand immer aus Zivilisten, die aber dem Militär zugetan waren. Fast achtzig Prozent des erwirtschafteten Kapitals floss in militärische Einrichtungen.“ Tannier machte eine Pause „Auf Venkan begriff man, dass es so nicht weitergehen konnte. Noktur, der Präsident der Hoheitsregierung versucht seit längere Zeit die Wirtschaft im nicht-militärischen Bereich anzukurbeln, Venkan ist aber durch die Jahrelange Fehlförderung, ressourcenarm. Deshalb wollte er ein Abkommen mit der aranischen Regierung treffen. Keranium, der stille Energielieferant der Araner, sollte Venkan helfen, sich langsam vom militärischen Sektor auf den zivilen zu verlagern. Kurz vor dem Putsch gab es Konkrete Verhandlungen zwischen den beiden Parteien.“

Summers drehte sich überrascht um. „Klorell und Noktur haben verhandelt?“

Tannier nickte. „Bis zu dem Zeitpunkt, wo der Putsch geschah. Das Militär sah sich in seiner Position bedroht und entschloss das zu sichern, was zu retten war.“

„Was erwartete Aranar eigentlich als Gegenleistung?“

„Die aranische Regierung wollte anerkannt werden und nicht länger der Schandfleck Venkans sein. Womit wir bei den Rebellen wären, die eine Annährung an die venkanische Hoheitsregierung ablehnen und für ihre weitere Autonomie kämpfen. Sie sind nicht bereit das Keranium zu teilen.“

Summers setzte sich auf die breite Couch vor ihm und schlug die Beine übereinander. „Und das alles hat Toreen Ihnen erzählt?“

Tannier neigte seinen Kopf leicht nach vorn. „Ich musste etwas nachhelfen.“


Kell wiegte den Handteller großen Kiesel in seiner rechte Faust und ließ seine langen, schmalen Finger über die glatte Oberfläche streicheln. Seine großen, dunklen Augen ruhten auf einem unbestimmten Punkt an seiner Quartierswand, wo zuvor ein Fläche aus Kristallen zu finden gewesen war. Diese befand sich jetzt sorgfältig verpackt in einer Tasche, die neben ihm auf dem Boden stand. Ebenso wie die restlichen, wenigen Habseligkeiten, die Kell besaß.

Er hatte mit Needa sprechen wollen, doch die Zeit arbeitete scheinbar gegen ihn, und so entschloss er sich Summers aufzusuchen.


Es war bereits tiefe Nacht, als Lew, berauscht von der Musik, dem Essen und dem Wein, zurück in die kleine Hütte stolperte. Auf seinem Gesicht lag ein leichtes Lächeln, und in seiner Magengegend hatte sich ein wohligwarmes Gefühl ausgebreitet, wie er es meist nur im Urlaub kennen gelernt hatte. Er gab sich gar nicht erst Mühe leise zu sein, auch wenn sein Alkoholpegel bei weitem nicht so hoch war, dass er dazu nicht mehr er in der Lage gewesen wäre. Und mit einem lauten Poltern ließ er seine Stiefel auf den Boden fallen.

Paice saß im Dunkeln, hellwach und mit einem mürrischen Gesicht.

„Ich hoffe, du hattest viel Spaß mit diesen Verbrechern!“ knurrte er Lew an, als sich dieser seinem Bett nährte.

„Du hättest dabei sein sollen! Alle sind hier so friedlich, so gemeinschaftlich! Nachdem du weg warst, fing die Party erst so richtig an.“

Ian setzte sich in seinem Bett auf. „Lew! Das sind Terroristen!“ – „Das sind sie nicht!“ gab Sulik in lautem Ton zurück.

„Ach nein? Was sind sie dann? Arme Bauern, die uns zufällig gefunden haben, und nun den Weg zurück nicht mehr kennen? Scheiße Lew! Die halten uns hier gefangen, kapierst du das eigentlich nicht? Oder hat dir diese läufige Hündin etwa schon den Kopf verdreht?“

Abrupt stürzte Lew auf Ian zu und packte diesen am Kragen, den blanken Zorn in seinem Gesicht. „Sie heißt Mariella! Und sie ist keine läufige Hündin!“ er schrie fast „Und diese Leute sind keine Terroristen!“

Schlagartig beruhigte sich Sulik wieder und ließ von Paice ab.

„Da, wo ich herkomme, waren Jahrelang Regierungen an der Macht, die sich korrumpieren ließen. Alles was sie taten, geschah für ihr eigenes Wohl und ihre Bereicherung.“ Er setzte sich auf die Bettkante und legte seine beiden Hände auf den Knien ab.

„Ich kann verstehen, warum sie gegen diese Regierung kämpfen.“

Ian sah Lew mit besorgten und gleichzeitig ärgerlichen Augen an. „Du kennst diesen Konflikt nicht! Und du kennst die Regierung nicht. Nur weil es deinem Land einmal ähnlich ging, kannst du das hier nicht vergleichen.“ Er sah weiterhin Lew an, der wie versteinert auf seinem Bett saß und schwieg, so als habe die Worte für ihn keine Bedeutung.

„Sie haben uns abgeschossen und gefangen genommen! Dazu hatten sie kein Recht! Und das ist alles, was für mich zählt! Ich habe keine Lust, für den Rest meines Lebens in diesem Wald zu hocken und Kohl zu ernten! Und das macht sie zu Terroristen! Sie haben uns grundlos angegriffen! Ich werde ihnen nicht helfen!“

Lew stand kommentarlos von Ians Bett auf und legte sich in das seine. Bis zum Morgen sollten sie nicht mehr miteinander sprechen.


„Sir, haben Sie einen Moment Zeit für mich?“ Kell, der Summers nur ungefähr bis zur Brust reichte, stand im Eingang zum Bereitschaftsraum.

„Natürlich. Kommen Sie herein und setzten Sie sich Mr. Widar.“

Summers hatte bis in die frühen Morgenstunden hier gesessen und den Einsatzplan für die kommende Rettungsmission fertiggestellt. Tannier hatte im die letzten Informationen vor einer Stunde gebracht und sich selbst fürs Bett abgemeldet. Summers gab nun dem ganzen den letzten Schliff. So saß er nun hinter einem großen Lageplan und sah den Asgard erwartungsvoll über diesen an.

„Was kann ich für Sie tun?“

Kell legte einen großen Kiesel vor dem ersten Offizier auf den Tisch und nahm auf einem der angebotenen Stuhle platz. „Ich habe Nachricht aus meiner Heimat erhalten.“ Begann er „Nach dem Angriff durch die Replikatoren auf meinen Heimatplaneten, sind die Asgard stark geschwächt. Die Tokra und die Tauri brauchen dringend unsere Hilfe. Ich muss nach Hause, um meinem Volk zu helfen.“

Wie vom Blitz getroffen saß Summers an seinem Schreibtisch und starrte seinen Navigator ungläubig an. Kell war ein wertvolles Mitglied der Besatzung geworden, und also solches von allen sehr geschätzt. Das Wissen, das dieser kleine Mann in sich trug, war beachtlich, und sie hatten erst einen geringen Teil davon kennen lernen dürfen. Ihn jetzt zu verlieren, war ein viel zu großer Verlust für das Schiff, der nie ausgeglichen werden konnte.

Summers machte ein bedauerndes Gesicht und stand von seinem Stuhl auf. Das Kell seinem Volk helfen musste, war verständlich, auch wenn er ihn nur ungern gehen ließ.

„Ich wünschte nur.“ Gab Kell zu „Das Captain Needa an Bord wäre, um ihr meinen Entschluss persönlich mitzuteilen.“

Summers nickte. „Trotzdem wünsche ich Ihnen alles Glück, dass Sie brauchen können, um diese schwere Zeit mit Ihrem Volk zu überstehen Kell.“ Er drückte dem Asgard die Hand. „Machen Sie es gut. Wir werden sie vermissen.“

Der Asgard rutschte vom Stuhl und umschloss den Kiesel wieder mit seinen langen Fingern.

„Ich danke Ihnen, Sir.“ Kell schien zu lächeln „So wie sich eine Möglichkeit ergibt, werde ich wiederkommen.“


„Auf unserem Weg nach Hause erinnern wir uns all der guten Tage.“

Maddigan, ließ in der Krankenstation seinen Tricorder sinken und lauschte den Worten aus dem Interkom. Und mit einem nachdenklichen Ausdruck auf dem überarbeiteten Gesicht lehnte sich Lazarus in der Astrometrie auf seinem Stuhl zurück.

„Wir erinnern uns an alle jene, die wir zurücklassen, jene, die uns kannten und jene, die uns vermissen.“

Zhabia unterbrach ihr Beratungsgespräch und schwieg, während Tannier im Ausrüstungslager des Elite Force Teams seinen Helm wieder zur Seite legte und inne hielt.

„Und jene, die es weiterzieht, halten einen Moment still, grüßend, mit einem Blick über die Schulter.“

Marina DeSoto, Maggie Kincaid, Toreen Akida. Sie alle hoben ihre Köpfe und hörten der Stimme zu. Jeder Offizier, Crewman oder Kadett, Zivilisten, Flüchtlinge. Sie alle blieben still.

„Wir werden sie begleiten, auf ihrem Weg nach Hause, denn auch wir gehen irgendwann einmal.“

Kell wartete in der Shuttletür und hörte den letzten Satz aus dem Interkom zuende, bevor sich schließlich die Tür hinter ihm schloss und er seinen Weg nach Hause einschlug. Noch einmal gestattete er sich einen letzten Blick auf die Katana, als ihn diese in die immerwährende Nacht entlassen hatte. Und er wünschte dem Schiff und seiner Besatzung viel Glück.

Summers, der allein am Fenster des Bereitschaftsraumes stand und dem Shuttle nachsah, beendete die interne Audioübertragung und setzte sich wieder an seinen Schreibtisch. Sie alle würden weitermachen, wie immer. Und sie alle würden trauern, wie immer.