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From PathfinderWiki

Mondschatten
Autor: Natall Geodis
Autor: Lew Sulik
Autor: Seeta Yadeel

Wütend betrat Lew den Bereitschaftsraum des Squadrons. Nur Charlie Brooker und Ian Paice saßen in dem Raum am Tisch und schauten erstaunt von ihren Plätzen auf, als sie ihren Squadron Leader sahen. Sie kannten ihn gut genug um zu erkennen, dass er gerade vor Wut raste.

„Was ist los?“, fragte Ian seinen Vorgesetzten verwundert. Dieser setzte sich zu den beiden an den Tisch und erklärte: „Die haben mich zusammen gestaucht wegen den zwanzig Minuten in denen wir länger draußen waren. Dafür haben sie mir das Kommando über das Geschwader entzogen.“

„Scheisse!“, meinte Ian geschockt und wusste nicht was er dazu sagen sollte. Charlie schwieg, hielt aber inne und hörte auf, auf seinem Zahnstocher zu herumzukauen. Lew lehnte sich an die Tischkante und schlug wütend auf die Tischplatte und schimpfte: „Verdammt, Ian. Du warst mit da draußen und weißt, wie es aussah. Hätte ich den Befehl zu diesem Zeitpunkt befolgt, wären wir und die Katana völlig deckungslos gewesen.“

„Aber du weißt doch, wie diese Offiziere sind, wenn es um Befehle geht!“, meinte Ian, der zwar die Entscheidung seines Squadron Leaders verstanden hatte, dem aber auch klar war, dass die Führungsoffiziere der Katana eine solche Befehlsverweigerung nie akzeptiert hätten.

„Ja, ich weiß es. Aber ich weiß auch, dass Akida nicht über den richtigen Einsatz von Attack Fightern entscheiden kann. Er hat keine Ahnung“, schimpfte Lew vor sich hin und fügte hinzu: „Jetzt haben sie unser Wing Louanne Katraine von der Pegasus unterstellt. Sie hat jetzt den Oberbefehl über alle Einheiten im Gefecht. Mir haben sie das Kommando über unser Wing genommen und Loran Barakei vom Squadron B-19 das Kommando übertragen.“

„Wer hat denn die Entscheidung darüber getroffen? Toreen oder der Captain?“, wollte Lews Wingman wissen, der nur die Schultern zuckte und meinte: „Ich schätze Commander Toreen. Ich stand doch von Anfang an auf seiner Abschussliste und die Befehlsverweigerung war der Tropfen, der das Faß zum überlaufen brachte. Andererseits könnte es auch von unserem Captain ausgehen. Sie ist sicher sauer, dass sie gerade aussieht wie Frankensteins Tochter und macht wahrscheinlich mich dafür verantwortlich. Du weißt doch wie Frauen sind.“

Ian wollte gerade etwas erwidern, als sich die Tür zum Bereitschaftsraum ein weiteres Mal öffnete und Sicherheitschef Frank Lincoln hindurch kam. Er ging auf Lew zu, stellte sich vor den Tisch und sagte: „Lew, ich muss mit dir reden!“

„Mein Gott Frank, du hörst dich schon an wie eine Frau!“, stellte Lew lakonisch fest und wollte dann wissen: „Also, was willst du mir sagen?“

Der Sicherheitschef verschränkte die Arme und begann: „Lew, wieso musstest du dich so in den Ärger rein reiten? Deine Beförderung kannst du auf absehbare Zeit vergessen.“

„Ich scheiss doch auf die Beförderung!“, antwortete Lew wütend: „Ich hatte einen Job zu erledigen und musste eine Entscheidung fällen. Wenn ihr mich deswegen nicht befördern wollt und mir das Kommando entzieht, meinetwegen. Aber dann stellt es nicht so dar, also ob ich bloß zum reinen Vergnügen länger draußen geblieben bin. Ich habe in diesem Moment für die Katana den Kopf hingehalten und das weißt du!“

„Nein Lew. Ich weiß nur, dass Toreen Akida der kommandierende Offizier in diesem Gefecht war und dir einen Befehl erteilt hat. Indem du diesen Befehl verweigert hast, standen wir zwanzig Minuten länger in der Schlacht. Zwanzig Minuten in denen Leute starben, die nicht hätten sterben müssen“, entgegnete der Sicherheitschef und erklärte: „Wenn dein Vorgesetzter eine Entscheidung fällt, dann hast du seine Befehle entgegenzunehmen und zu befolgen.“

Lews Zorn wurde immer größer und er sprang wütend von seinem Stuhl auf und trat Frank direkt gegenüber und sagte mit einem Tonfall, der erkennen lies, dass er kurz davor stand zu explodieren: „Aber nicht von so einem inkompetenten Schreibtischtäter wie Toreen!“

„Lew, ich sage es dir als Freund: Pass auf! Du bewegst dich auf sehr dünnem Eis. Du kannst von Glück reden, dass du nicht suspendiert wurdest! Aber du kannst dir keinen weiteren Ärger mit Toreen und Geodis leisten, sonst wirst du abserviert!“

„Wenn du mein Freund wärst, wärst du beim Captain für mich eingestanden!“, brüllte Lew Frank entgegen. Mit einem kräftigen Tritt mit dem Fuß schob er seinen Stuhl beiseite und verließ wütend den Bereitschaftsraum. Lincoln blieb mit Lews Wingman und dem Squadron Techniker allein zurück. Charlie schaute von seinem Tisch auf und dem Squadron Leader hinterher, dann meinte er völlig ruhig: „Es ist eindeutig nicht sein Tag!“


Die Türe zum Holodeck 1 der Katana öffnete sich langsam mit einem leisen Zischen und dahinter kam eine kleine Halle zum Vorschein, die im schummrigen Licht stand, das durch die verschmutzten Scheiben der Fenster fiel. Ian trat durch die Türe und erkannte es als eines von Lews Standardprogrammen. Ein kleiner heruntergekommener Boxstall im Stil des zwanzigsten Jahrhunderts der Erde. Zwar hatten alle Piloten eine spezielle Ausbildung für den Nahkampf in einer ausgefeilten Kampfsportart, aber der Squadron Leader des A-20 bevorzugte neben dem Joggen das Boxen um fit zu bleiben.

Als Ian weiter in den Raum trat, sah er wie Lew im Boxring stand und trainierte. Doch anstatt gegen einen Sparingpartner schlug er auf einen Sandsack ein, der von der Decke hing und daneben stand ein klischeehafter Boxtrainer in verschmutzter Kniebundhose, einem abgescheuerten Hemd und einer altmodischen Schiebermütze auf dem Kopf. Während Lew auf den Sandsack einschlug kommentierte der Trainer seine Schläge: „Du lässt schon wieder deine Deckung fallen! Benutz auch mal dein Führhand du blöder Hund!“

Er trat näher an den Boxring heran und beobachtete, wie Lew sichtbar wütend auf das zylindrische Lederstück einschlug. Der Trainer schrie: „Mensch Junge, du bist überhaupt nicht bei der Sache! Wenn du Dampf ablassen willst, dann geh raus auf die Straße und schlag einen Polizisten zusammen, aber stiehl mir nicht meine kostbare Zeit!“

Dann sah der Trainer Ian unten vor dem Ring stehen und meinte zu Lew: „Ich glaube du hast Besuch. Wir hören jetzt sowieso besser auf, das hat heute keinen Zweck mit dir! Komm wieder wenn du dich beruhigt hast und ernsthaft trainieren willst.“

Lew ließ vom Sandsack ab und der Trainer legte ihm ein Handtuch über, klopfte ihm auf die Schulter und verschwand wortlos in einem anderen Raum. Der Lieutenant ging zum Rand des Boxrings und lehnte sich auf die Seile und wartete was sein Wingman ihm zu sagen hatte.

„Cat kommt morgen mit ein paar Piloten von der Pegasus auf einen Drink rüber. Ich wollte fragen ob du mitkommst“, fragte Ian seinen Vorgesetzten und Freund. Dieser lächelte gezwungen und meinte: „Was gibt's denn zu feiern? Meine Degradierung oder ihre Beförderung?“

„Mensch Lew, hör doch endlich auf damit. Sie kann auch nichts dafür. Außerdem macht es keinen Sinn dich über etwas aufzuregen, was du nicht mehr ändern kannst!“

„Ich rege mich nicht auf weil sie mir die Gefechtsleitung entzogen haben, auch nicht darüber, dass sie mir das Kommando über unser Wing genommen haben und es ist mir auch vollkommen egal ob sie mich die nächsten hundert Jahre noch befördern oder nicht!“, erklärte Lew seinem Kumpel. „Was mich stört ist, dass sie mir vorwerfen, ich wäre nur zu meinem reinen Vergnügen länger draußen geblieben. Alles was ich getan habe ist, der Katana den Rücken frei zu halten und zu verhindern, dass das Squadron in einem kritischen Zeitpunkt verwundbar wird. Die machen mich zum Sündenbock.“

„Eigentlich wollte ich dich zum Drink einladen, damit du dich wieder beruhigst und auf andere Gedanken kommst“, gab Ian seinem Kumpel zu bedenken. Dieser zuckte mit den Schultern und meinte wenig begeistert: „Okay, ich komm mit. Blöd nur, dass wir bei der momentanen Einsatzbereitschaft nicht saufen können!“

„Lass lieber das Saufen sein und entschuldige dich bei Frank. Das vorhin war wirklich verdammt mies von dir!“, mahnte Ian und Lew lies sich noch weiter in die Seile des Boxrings sinken, schaute auf den Boden und sagte verlegen: „Ja, stimmt. Falls er meine Entschuldigung überhaupt annimmt.“

„Klar nimmt er die an, ist ja nicht jeder so ein Sturkopf wie du! Also morgen Abend um sieben im Diners“, entgegnete Ian und verließ das Holodeck. Nun stand Lew ganz allein in der kleinen Halle, schaute sich um, hob die Hände und seufzte entnervt in die Leere: „Hey! Kann mir vielleicht mal jemand die Handschuhe aufschnüren?“


Lew betrat das Quartier von Frank, der bereits vor der Tür wartete. Als sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, reichte er Frank die Hand und meinte: „Frank... Ich will... Ich möchte mich bei dir wegen vorhin entschuldigen. Es war nicht korrekt von mir und es tut mir Leid. Wegen der Sache mit Freund und so... Ich schätze dich als Freund sehr hoch ein und ich weiß, dass du ein verdammt zuverlässiger Freund bist. Wahrscheinlich der einzige den ich bei denen im Führungskreis überhaupt habe.“

Frank ergriff die ausgestreckte Hand und sagte: „Schon gut. Ich weiß, dass du dich wegen der Sache ziemlich aufregst. Ich kenn ja dein Gemüt und weiß, dass du das nicht so gemeint hast. So schnell bin ich nicht beleidigt, Lew!“

Als sich ihr Händedruck wieder gelöst hatte, setzte sich Lew in die Couch und Frank nahm einen Sessel ihm gegenüber. Der Squadron Leader erklärte: „Ich weiß, dass ich eine Befehlsverweigerung begangen habe und kann die Konsequenzen akzeptieren. Mir passt es nur nicht, dass der Captain und Toreen behaupten, ich wäre nur zum Spass draußen geblieben um den Helden zu spielen. Als der Befehl von Toreen kam, starteten die Zylonen gerade eine neue Angriffswelle, direkt in den Rücken der Katana. Mit den abgeschalteten Heckschilden war die Katana ein leichtes Ziel und die Attack Fighter im Landeanflug erst recht. Ich musste die Landung meiner Leute decken. Schließlich trage ich die Verantwortung für ihre Leben. Warum zum Teufel wollen die das nicht sehen?“ „Darum geht es ja gar nicht, es geht einfach darum, dass du einen Befehl verweigert hast. Dein vorgesetzter Offizier hat die Gesamtlage eben anders beurteilt und dem hast dich zu beugen.“

„Na toll, da wären wir ja wieder bei der Bürokratie der Sternenflotte. Dass Toreen ein kleiner mieser Prinzipienreiter ist wusste ich schon vorher.“

„Lew, du solltest wirklich aufpassen was du sagst. Der Captain hat in deiner Akte vermutlich nicht nur die Befehlsverweigerung eingetragen. Wahrscheinlich bezeichnet sie dich darin auch als aufmüpfig und subversiv. Wenn du so weiter machst, bekommt dir das nicht!“

„Na und? Diese Informationen standen im Prinzip sowieso schon in meiner Akte. Das ist nichts Neues. Ich lasse mir nicht das Maul verbieten. Nur weil ich Mitglied der Sternenflotte bin, darf ich doch noch eine eigene Meinung haben und sie frei heraus sagen!“

„Dürfen vielleicht schon, aber die Art wie du sie äußerst führt eben zu diesen Ergebnissen.“

„Frank, ich bin nicht hier, um mir schon wieder eine Moralpredigt anzuhören. Ich bin hier um mich für mein Verhalten dir gegenüber zu entschuldigen. Alles was ich jetzt wissen will ist, ob du meine Entschuldigung annimmst und morgen Abend mit ins Diners kommst?“

„Ja und Ja!“


Ein leises Summen drang an Franks Ohr und riss diesen aus seinem Schlaf. Ein wenig benommen rollte er sich auf die Seite und berührte mit den Fingerspitzen den auf dem Tisch liegenden Wecker. Das Summen verstummte augenblicklich. „Computer, Licht.“

Warmes Licht durchflutete den Wohnbereich und zwang den Sicherheitschef zu einem Blinzeln, bevor er sich aufsetzte und die leichte Wolldecke zurückschlug. Er brauchte einen Moment um zu realisieren, dass er die Nacht auf der Couch verbracht hatte, und bis die Erinnerungen an den gestrigen Abend wieder einen Weg in sein Gedächtnis fanden. Er hatte schlecht geschlafen und zu allem Überfluss nur wenige Stunden. Er sah in den dunklen Eingangsbereich zu seinem Schlafzimmer und lauschte dem gleichmäßigen, ruhigen Atem. Wie lange er gestern auf sie eingeredet hatte konnte er gar nicht mehr sagen. Der Ausdruck auf ihrem Gesicht und die Tränen hatten Dinge in ihm wach gerufen, die er am liebsten vergessen hätte. Es war ihm schwer gefallen, nicht die ganze Nacht neben ihr zu bleiben, sie in seinen Armen zu halten und ihr den Kummer aus dem Gesicht zu küssen. Natall war mit den Nerven am Ende und vollkommen überspannt. Die Frau, die ihm täglich auf der Brücke begegnete war entschieden anders als jene, die gestern Abend vor Erschöpfung in seinem Bett eingeschlafen war. Und wie er damit umgehen musste, konnte er überhaupt nicht sagen.

Vorsichtig betrat er sein Schlafzimmer und griff nach der Uniform, die zusammengelegt auf einem Stuhl lag, bevor er im Badezimmer verschwand. Sie würden heute die Erde erreichen und mussten mit einer möglichen Verfolgung durch die Zylonen rechnen. Der Tag würde so oder so schwer werden. Er brauchte nicht lange, um sich für den Dienst fertig zu machen und trat ebenso leise wie zuvor wieder in das dämmrige Schlafzimmer. Natall war wach. Jedenfalls hatte sie das gesunde Auge geöffnet und betrachtete das Bild auf Franks Nachttisch. „Meine Großmutter“, erklärte er.

Die Trill sah ihn nicht an und betrachtete weiterhin das Bild. „Das weiß ich“, murmelte sie und drehte sich schließlich zu ihm um. Es sah bizarr aus, wie die schwarze Augenklappe einen Teil ihres Gesichts verdeckte und der Ärger über die eingeschränkte Funktion ihres Gesichts war ihr deutlich anzusehen. „Ich sehe schlimm aus.“ Er schüttelte den Kopf und lehnte sich in den Türrahmen. „Unser Captain trägt meist einen sehr verschlossenen Gesichtsausdruck“, gestand er und hielt ihrem abschätzigen Blick stand. Sie begriff, was er sagen wollte und deutete ein Nicken an.

Vorsichtig, wie ein zu Boden gegangener Boxer im Ring, stemmte sie sich in die Höhe und aus dem Bett. Der Schmerz, der gestern noch betäubt gewesen war, kroch langsam in ihren Kopf zurück und verursachte ein Gefühl von Schwindel und Übelkeit. „Darf ich?“ Sie deutete auf die Badezimmertür in seinem Rücken. Er machte einen Schritt zur Seite. „Natürlich. Ich bin frühstücken.“

Sie würde als erstes auf die Krankenstation gehen, doch dazu musste sie sich selbst erst einmal in Ordnung bringen. Außerdem konnte sie die Zeit im Badezimmer nutzen, um das peinliche Schweigen zwischen sich und dem Sicherheitschef zu überbrücken. Die Tür schloss sich hinter ihr und der Ire verschwand wieder im Wohnbereich um wie angekündigt zu frühstücken.


Als Lew und Frank Abends das Diners betraten, verteilten sich die anderen bereits an mehrere zusammengerückte Tische. Sie gingen auf die Tische zu und setzten sich zu ihnen. Frank neben Maggie Kincaid, Lew gegenüber Cat und neben dem neuen Squadron Mitglied Miroslaw Kowal.

„Also, was gibt es hier zu trinken?“, wollte Cat von ihm wissen. Lew lehnte sich in seinem Stuhl zurück, seufzte und wandte sich an Miroslaw: „Mirek, ich fürchte sie macht heute das erste Mal Bekanntschaft mit Synthehol.“

Cat schaute verdutzt die beiden an und fragte verwirrt: „Synthewas?“

„Wenn man an Bord eines Föderationsschiffes ist und wegen der Mission oder dem Bereitschaftsdienst keinen Alkohol trinken kann“, begann Lew zu erklären, wurde aber von Miroslaw unterbrochen: „oder einfach Antialkoholiker ist, weil man keine Ahnung hat was gut ist“

„gibt es Getränke die anstatt Alkohol einen Alkoholersatz enthalten. Damit soll der Geschmack von Alkohol simuliert werden. Aber das funktioniert nicht so ganz. Es ist halt eine Alternative zu Wasser, sonst nichts“, schloss Lew wieder nahtlos an und bestellte gleich eine Runde für die Gäste.

Als Cat ihr Glas in der Hand hielt betrachtete sie es skeptisch und roch daran: „Also riechen tut es wie ganz normaler Brandy.“

Lew beobachtete wie sie von ihrem Glas probierte und dann angewidert das Gesicht verzog. Er und Mirek brachen in schallendes Gelächter aus, was ihnen die Aufmerksamkeit aller anderen Gäste einbrachte. Der Squadron Leader beugte sich vor und lehnte sich auf den Tisch: „Ich hab es dir ja gesagt. Man kann sich damit das Trinken abgewöhnen.“

Aus dem Augenwinkel sah Lew, wie Frank und Maggie aufstanden und sich an einen Tisch neben der Gruppe setzten. Er ahnte, was da vor sich ging. Frank hatte ihm erzählt, dass ihn Maggie in letzter Zeit sehr oft aufsuchte und ihn mit ihren Problemen zutextete. Lew hatte da ja seine Ansicht, warum sie immer wieder gerade zu ihm kam, aber Frank wollte davon nichts wissen und tat Lews Spekulationen als haltlose Übertreibungen ab.


Die kleine Gruppe saß nun schon eine ganze Weile im Diners und einige Gläser an Synthehol waren bereits geflossen. Cat hatte sich mal so quer durch die verschiedenen Angebote der Syntheholgetränke durchprobiert und starrte nun in ihr Glas irischen Whiskeys: „Also dafür, dass das nur synthetischer Ersatzalkohol sein soll, spür ich da schon irgendwie eine Wirkung“

Ohne darauf einzugehen schlug Lew einfach mit der flachen Hand hart auf die Tischplatte direkt vor Cat, die daraufhin aufschrak und nun kerzengerade in ihrem Stuhl saß. Sie starrte Lew wütend an und war nahe daran zu schreien: „LEW! Was sollte der Blödsinn?“

„Herzlichen Glückwunsch, du bist nun wieder stocknüchtern!“, erklärte der Squadron Leader: „Synthehol macht zu einem gewissen Grad auch beschwipst, aber wird durch Adrenalin sofort aufgelöst. Ein kleiner Adrenalinschub und du bist fit wie ein Turnschuh. Bereit kleine grüne Aliens zu töten.“

„Komisches Zeug“, bemerkte Cat und nahm wieder einen Schluck von ihrem Glas. Lew hob gerade sein Bierglas, um einen Schluck zu nehmen, als er Toreen Akida das Diners betreten sah. Der Bajoraner, der sich hier eigentlich nur selten blicken ließ ging zur Bar, bestellte etwas und lehnte sich mit dem Rücken zur Theke und ließ seinen Blick durch den Raum gleiten.

Der Anblick des neuen Ersten Offiziers ließ in Lew wieder die Wut aufkochen. Toreens kalter, berechnender und ausdrucksloser Blick verursachte in Lew den Wunsch dem Bajoraner die Visage zu polieren. Er hatte dem Kerl von Anfang an nicht getraut und jetzt war er auch noch Erster Offizier und damit ein direkter Vorgesetzter. Wie sollte man einem Sesselfurzer wie ihm, der zudem noch ein zwielichtiger Geheimdienstler war, vertrauen können?

„Leute, hier im Raum wird es langsam ungemütlich“, meinte Lew. Die anderen der Gruppe schauten ungläubig zu Lew, sie verstanden nicht, was er damit meinte. Lew deutete hinüber zu Toreen: „Hier ist jemand mit dem ich nicht freiwillig einen Raum teilen will. Entweder ich verdufte und ihr bleibt hier oder wir verlegen unser Fest an einen anderen Ort. Hier bleiben kann ich auf keinen Fall, sonst kann ich für nichts garantieren!“

„Lew, kann es sein, dass du die ganze Sache zu persönlich nimmst?“, fragte Cat skeptisch den Squadron Leader, der inzwischen aufgestanden war. Dieser schaute sie mit ernster Miene an und antwortete trocken: „Es ist persönlich.“

„Ich hätte nie gedacht, dass ich das mal sagen würde, aber: Lew, du bist gerade eine Spassbremse!“, meinte Ian dazu. Sein Squadron Leader zuckte mit den Schultern: „Ich verlasse das Diners. Geht mit oder bleibt hier, aber entscheidet euch. Das überlasse ich euch. Ich werde niemanden wegen Befehlsverweigerung vor ein Kriegsgericht zerren.“


Die kleine Gruppe betrat Lews Quartier. Es war ein etwas einfacheres Quartier als das für Führungsoffiziere, aber es war groß genug, um im Wohnzimmer zur Not acht Leute unterzubringen. Während sich die Gäste im Raum auf die Sofas, Sessel und Stühle verteilten, ging Lew mit zwei seiner Leute in einen Nebenraum um Gläser und die Fässer mit Syntheholbier heranzuschleppen.

Als Lew wieder das Wohnzimmer betrat, stand Cat vor dem großen Poster auf dem das Bild einer Spitfire aus dem zweiten Weltkrieg sowie die Insignien des Squadron 303 abgebildet waren und der Schriftzug darunter verkündete „A Question of Honor“. Neugierig fragte die Pilotin von der Pegasus: „Was ist das für ein Poster?“

Lew ging auf das Poster zu und stellte sich neben Cat und erklärte ihr, was es damit auf sich hatte: „Das ist eine Spitfire Mark I. Ein Atmosphären-Flugzeug aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs der Erde. Das Squadron 303 war eine polnische Jägerstaffel in der britischen Royal Air Force und in der Luftschlacht um Großbritannien die erfolgreichste Einheit in den britischen Reihen. Einer meiner Vorfahren war Pilot in dieser Staffel. Es ist eine Hommage an die Helden dieser Einheit und es soll mich an meine Wurzeln erinnern.“

„Dann sind also alle in deiner Familie Piloten und genauso dickköpfig wie du?“, wollte Cat mit einem leicht spöttischen Tonfall wissen. Lew musste laut lachen und entgegnete dann: „Das nicht, aber alle paar Generationen bringt meine Familie solche Leute hervor.“ Er machte eine kurze Pause und erklärte anschließend: „Die Umstände die zum Einsatz des Squadron 303 führten, waren bemerkenswert. Die Briten waren skeptisch gegenüber den ausländischen Piloten und als die Ausbildungstaffel 303 damals aus purem Zufall in ein Kampfgebiet geriet, gab die Gefechtsleitung ihnen den Befehl zum Abdrehen. Die Piloten aber verweigerten den Befehl und stürzten sich auf die feindlichen Verbände. Sie waren in dem anschließenden Gefecht so erfolgreich, dass sich das Oberkommando entschloss, auch alle weiteren Staffeln mit ausländischen Piloten einzusetzen.“ Kaum hatte er Cat diese Information gegeben, fügte er nachdenklich hinzu: „Befehlsverweigerung kann manchmal auch einen Sinn haben. Aber das wollen die Idioten da oben ja nicht verstehen.“

Er wandte sich vom Poster ab und wollte sich in einen Sessel zu den anderen setzten, aber Cat trat ihm gegenüber und versperrte ihm den Weg. Sie runzelte die Stirn und schaute ihn nachdenklich an: „Ich will dir ja nicht zu nahe treten, aber kann es sein, dass dir so ziemlich alles an der Katana nicht passt?“

Der Squadron Leader hielt für einen Moment inne. Auf eine solch direkte Frage war er nicht gefasst gewesen. Er stellte sein Glas auf ein Regal ab, um etwas Zeit für eine Antwort zu gewinnen und entgegnete ihr dann: „Versteh mich nicht falsch. Die Katana ist ein gutes Schiff und die meisten hier sind hervorragend ausgebildete Offiziere, die wissen was sie tun. Aber die Umstände, wie meine Staffel auf dieses Schiff kam und wie das ganze hier gehandhabt wird, passt mir überhaupt nicht. Eigentlich war geplant, dass auf einem Schiff ein ganzes Wing stationiert wird und ein eigener Offizier in der Führungscrew über den Einsatz der Attack Fighter bestimmt. Aber wir sind hier auf der Katana so eine Art Feldversuch, den sich ein realitätsfremder Admiral ausgedacht hat. Leute wie Toreen Akida bestimmen über unseren Einsatz. Offiziere, die keine Erfahrung und nicht die leiseste Ahnung von den taktischen Einsatzmöglichkeiten der Attack Fighter haben. Diese Leute glauben, dass sie nur ein Buch lesen müssen, um alles zu wissen, was man wissen muss. Genau das geht mir gegen den Strich. Würde mir ein Offizier vorstehen, der für so etwas ausgebildet ist und dem ich vertrauen könnte, hätte ich keine Probleme die Befehle zu befolgen.“

„Du hast also den Befehl verweigert, weil du Toreen für inkompetent hältst?“, wollte Cat wissen. „Nein!“, widersprach Lew energisch und begann zu erklären: „In diesem Fall habe ich den Befehl verweigert, weil ich meine Jungs in Gefahr gesehen habe. Die Attack Fighter waren in diesem Moment völlig ohne Deckung und leicht angreifbar für die feindliche Angriffswelle. Darum habe ich beschlossen ihren Rückzug zu decken und wurde dabei in einen längeren Kampf verwickelt. Letztlich habe ich die falsche Entscheidung getroffen und einen großen Fehler begangen. Ich stehe dazu und bin bereit, jede Form eines Disziplinarverfahrens zu akzeptieren. Aber ich lasse mir nicht vorwerfen, ich wäre nur länger im Gefecht geblieben, um den Helden zu spielen oder weil mir an der Gesellschaft der Zylonen soviel läge.“

Er hielt kurz inne und betrachtete das Poster an der Wand. Der rote Schriftzug „A Question of Honor“ zeichnete sich stark auf dem schwarzen Hintergrund ab und es schien, als ob die Spitfire direkt auf ihn zuraste. Dann schaute er Cat in die Augen und sagte: „Es ging mir um das Leben meiner Leute, denn für sie würde ich sogar durch die Hölle gehen. Auch wenn ich eine falsche Entscheidung getroffen habe, ich hatte in diesem Moment einen Grund dazu. Ich will nur, dass das akzeptiert wird. Nicht mehr und nicht weniger.“


Im Diners hörte sich Frank Lincoln an, was Maggie ihm zu sagen hatte. Im Grunde erzählte sie ihm wieder das, was sie ihm sonst auch immer mitteilte. Dass sie, seit Lieutenant Yadeel auf der Krankenstation sei, sich völlig überlastet fühle und so gut wie alles im Maschinenraum alleine managen müsse. Frank, der ihr anfangs noch gute Ratschläge gegeben hatte, die diese aber nicht annehmen wollte, hatte sich inzwischen angewöhnt einfach still zuzuhören und gelegentlich einen Laut von sich zugeben.

Maggie war gerade wieder beim Thema Organisation angekommen und redete in einem fort: „Die ganzen Zeitpläne für die Arbeiten hab ich ja schon vorher meistens erstellt, aber jetzt darf ich nebenher noch die ganzen Routinearbeit überwachen, die wegen der dringenden Reparaturen nach dem Kampf alle aufgeschoben werden mussten. Kannst du dir das vorstellen?“

„Ja.“

„Da hat sich ein ganzer Berg vor mir aufgetürmt den ich jetzt alleine abarbeiten darf. Ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll. Inzwischen arbeite ich schon regelmäßig zwei Schichten durch. Weißt du eigentlich was für eine Belastung das für mich ist?“

„Sicher!“

„Erst gestern mussten wir die gesamten Plasmaleitungen der Sektion 13 austauschen. Nicht genug, dass ich die ganze Arbeit auch noch leiten musste, nebenher waren ja noch zig andere Aufgaben zu verteilen und zu überwachen. Ich hab gestern sogar schon in die dritte Schicht reingearbeitet. Ich weiß gar nicht mehr wo mir der Kopf steht!“

„Klar.“

„Sag mal, du hörst mir ja gar nicht richtig zu!“

„Ja“, entgegnete Frank, dem erst einige Sekunden später bewusst wurde, auf was für eine Frage er geantwortet hatte. Wortlos stand Maggie von ihrem Stuhl auf, schaute ihn verletzt an und verließ dann ohne noch irgendein Wort an ihn zu richten das Diners.

Der Sicherheitsoffizier hätte sich am liebsten selbst in den Hintern getreten, für diesen blöden Patzer. Er sah noch wie sich die Türen hinter Maggie schlossen, um dann selber aufzustehen und ihr hinterher zu rennen. Kaum war er aus dem Diners draußen, rannte er den Gang entlang und hatte Maggie mit schnellen Schritten eingeholt. „Maggie, wenn du mit deinem Stress zu mir kommst und ich dir Ratschläge gebe, ist es dir nicht Recht und wenn ich einfach nur zuhöre und gar nichts sage, passt es dir auch nicht. Was zum Teufel willst du eigentlich von mir?“ Maggie sah ihn an und ihr Gesicht bekam einen weichen Ausdruck als sie sagte: „Dich.“ Frank sah sie an, und versuchte zu verarbeiten, was sie gerade zu ihm gesagt hatte, als sie sich auf die Zehenspitzen stellte und ihm einen langen, süßen Kuss gab. Ohne so recht zu wissen, was er tat, erwiderte er ihren Kuss.


Fassungslos starrte William Adama auf den Planeten, der unter ihm rotierte. Er war unbeschreiblich schön. Nicht so schön wie Caprica, sein Heimatplanet, aber immer noch wunderschön. Auf strahlend blauem Wasser waren Kontinente angeordnet auf denen selbst von hier oben aus helles Grün eine bunte Pflanzenwelt vermuten ließ. Es gab ein ausgedehntes Wüstengebiet auf einem der Kontinente und große Eisgebiete an den Polen. Endlich hatte er sie gefunden. Die Erde. Und das hatte er nur den Fremden zu verdanken.

Auf der Katana starrte Dalen Lazarus ebenso fassungslos, allerdings aus anderen Gründen als William Adama auf der Galactica und auf etwas anderes. Während die Blicke der übrigen Besatzungsmitglieder auf dem Bildschirm hingen, hatte der Wissenschaftler seine Sensoren im Blickfeld. Und was die ihm sagten, das gefiel ihm gar nicht.

Auch Natall Geodis hatte den Eindruck, daß hier irgendetwas ganz und gar nicht stimmte. Sie konnte nicht genau benennen was und wieso, aber irgendwie war der Anblick der Erde anders, als der, den Planeten sonst boten.

„Mr. Lazarus?“, fragte sie daher nach. Der Tev'Mekanier bestätigte ihr ihre Befürchtungen. „Die Erde ist auf dem Entwicklungsstand des späten 20. Jahrhunderts“, gab er an. Natall lag ein Fluch auf der Zunge, den sie gerade so noch unterdrückte. Sie hatte sich noch immer nicht an die Zeitsprünge zwischen den Universen gewöhnt, die wohl auf leicht andere Bedingungen für die Entwicklung der Erde zurückzuführen waren.

„Kontaktieren Sie die Galactica und die anderen Schiffe. Wir ziehen uns in den Schatten des Mondes zurück. Ich will nicht riskieren, die Entwicklung der Erde zu beeinflussen“, gab sie an. Marina DeSoto bestätigte mit einem „Aye, Sir“, und kurz darauf löste sich der Verband aus dem hohen Orbit, den er eingenommen hatte. Natall hoffte, daß ihr Aufenthalt zu kurz gewesen war, um von den zweifellos vorhandenen Überwachungssystemen der Erde erfaßt worden zu sein.

Bereits kurz darauf hatten sich alle Schiffe, inklusive der Pegasus und der Galactica im Schatten des Mondes eingefunden. „Die Galactica ruft uns“, gab Marina DeSoto an. Natall nickte, denn sie hatte mit einem Ruf des sturen alten Kommandanten des Schiffes gerechnet. „Auf den Schirm“, orderte sie und William Adama war kurz darauf auf dem großen Brückenmonitor des Schiffs zu sehen. „Admiral“, begrüßte sie ihn. Der alte Mann mit dem zerfurchten Gesicht ließ sich in keiner Weise mehr anmerken, daß ihn die Augenklappe der Captain noch vor zwei Tagen aus dem Gleichgewicht gebracht hatte.

„Warum haben Sie den Rückzug hierher befohlen?“, wollte Adama dann ohne Umschweife von ihr wissen. Sie hatte nichts anderes erwartet und antwortete ebenso offen: „Weil die Erde sich nicht auf Ihrem Entwicklungsstand befindet. Nach unseren ersten Analysen haben sie gerade das Tor zur Raumfahrt aufgeschlossen, können aber ihr System noch nicht verlassen. Sie hätten auch einer hier auftauchenden Zylonenübermacht nichts entgegenzusetzen“, erklärte sie.

„Das konnten Sie in der kurzen Zeit ausmachen?“, fragte Adama nicht ohne in gewisses Verblüffen. „Das können wir in der Tat“, gab Natall an. „Unsere Sensoren sind hochentwickelt und es ist natürlich nur ein vorläufiges Ergebnis, aber diese sind meist recht akkurat. Es schien in jedem Fall angemessen weitere Untersuchungen aus einer Distanz anzustellen, die uns für ihre Überwachungsmaßnahmen unsichtbar macht“, erklärte sie.

Adama sah das ähnlich wie sie. „Wir müssen dorthin runter“, erklärte er. Sie nickte. „Ja. Ich schlage ein gemeinsames Außenteam vor. Bitte suchen Sie Ihre Teilnehmer aus. In der Zwischenzeit suchen wir nach einem geeigneten Weg auf den Planeten zu kommen“, gab sie den weiteren Ablauf an. Adama war einverstanden. „Ich melde mich bei Ihnen, sobald wir startbereit sind“, gab er an. Ein Nicken von Natall später war der Kanal zur Galactica geschlossen.


Seeta packte eines ihrer Hemden in die Tasche. Sie konnte es kaum glauben, aber Winnie hatte ihr eröffnet, daß sie nicht länger Tag und Nacht auf der Krankenstation bleiben mußte. Es war jetzt 16 Wochen her, seitdem sie hier „eingezogen“ war. Irgendwie kam es ihr ein bißchen komisch vor, jetzt wieder in ihr einsames Quartier zurückzuziehen, hier war sie nie alleine gewesen, da die Krankenstation niemals unbesetzt blieb.

„Keine Extratouren“, erklärte Winnie ihr zum fünften Mal. „Captain Geodis war da ziemlich deutlich“, antwortete sie ihm. Sie wollte sich nicht mit dem Drachen, unter dem sie neuerdings diente, anlegen.

„Gut“, meinte er. „Ich will Dich weiterhin zur Krankengymnastik sehen. Für den Anfang dreimal die Woche. Sei morgen früh um 8 Uhr hier“, bestellte er sie zurück. Sie nickte schlicht. Sie hatte sich inzwischen an die meisten der Übungen gewöhnt, die dafür sorgten, daß ihr hinterher der Rücken einige Zeit scheußlich weh tat, aber angeblich auf lange Dauer gut für sie waren.

Eine ihrer Freizeithosen wanderte in die Tasche. „Ich werde hier sein“, bestätigte sie den Termin, dann schloß sie die Tasche, denn bei der Hose hatte es sich um ihr letztes Kleidungsstück gehandelt. Er nahm ihr die schwere Tasche ab, die sie sich über die Schulter hatte hängen wollen. „Ich bring dich bis dort“, erklärte er. Die Tasche war noch etwas schwer und außerdem machte sie kein besonders glückliches Gesicht. Da konnte ein wenig Unterhaltung auf dem zugegebenermaßen kurzen Heimweg nicht schaden.


Tomm Lucas saß im Cockpit der Rembrandt. Hinter ihm befanden sich die Offiziere der Katana und der Schiffe aus dem anderen Universum, die gemeinsam versuchen würden, möglichst viel über die Erde herauszufinden. In den vergangenen vier Stunden hatten die Schiffe die Radioemissionen, die von dem Planeten ausgingen permanent abgehört. Der Planet war noch nicht vereinigt, es gab vielmehr noch viele Nationen. Er befand sich noch in der Phase des kalten Krieges, soviel war bereits jetzt offensichtlich. Ein denkbar schlechter Zeitpunkt für Außerirdische hierher zu kommen. Aus genau dem Grund hatte Doc Maddigan Commander Akidas Nase verändert, daß sie nun wie die eines Menschen aussah. Bei den anderen Mitgliedern des Außenteams war das kein Problem gewesen, denn die waren ausnahmslos Menschen.

Captain Geodis war deutlich gewesen, als sie das Außenteam und ihn vom Konferenzraum aus verabschiedet hatte. „Ich will keine Heldentaten von Ihnen. Kadett Lucas fliegt Sie rein, beamt Sie runter, fliegt zurück zur Katana. Sie“, und dabei sah sie das Außenteam streng aus ihrem gesunden Auge an, „halten sich aus jedwedem Ärger raus. Sie ermitteln. In fünf Stunden kommt Kadett Lucas Sie wieder abholen. Alles klar?“ Allgemeines Nicken hatte ihr geantwortet, und so weit es Tomm betraf, würde er genau das tun, was Captain Hook angeordnet hatte.

Genau zum bestimmten Zeitpunkte schwenkte er an genau der bestimmten Stelle in den Orbit ein. Hinter ihm hatten seine Passagiere bereits Aufstellung auf der kleinen Transporterplattform genommen. „Viel Glück“, meinte er, dann aktivierte er die Kontrollen des Transporters und beamte sie hinunter. Nachdem der Computer des Shuttles ihm den erfolgreichen Transport bestätigt hatte verließ er weisungsgemäß ohne weitere Verzögerungen den Orbit und setzte Kurs zurück zur Katana.


Während Tomm Lucas die Rembrandt wieder in den Bauch der Katana zurücksteuerte wurde weit entfernt in einem anderen Universum mit dem Bau einer Bodenstation begonnen. Die Unterkünfte für die Arbeiter waren bereits aufgestellt und die ersten Materialien lagerten an der Stelle, wo das erste Gebäude entstehen würde. Die Arbeiter mußten unter härtesten Bedingungen auf dem Wüstenplaneten arbeiten, die späteren Bewohner würde eine Kuppel vor den Umweltbedingungen schützen.

In der Zwischenzeit stand auch fest, wer hier später das Sagen haben würde. Es handelte sich um Ethan Alizondo, einen erfahrenen Captain, Sohn eines Mexikaners und einer Australierin. Sein Erster Offizier würde Mary St. John sein, eine Engländerin, die ebenfalls über eine lange, makellose Karriere in der Flotte verfügte.

Doch davon war hier jetzt noch nichts zu sehen. Im Moment gab es nur Wüste, die von gelegentlichen Oasen durchbrochen wurde. Tagsüber brannte die Sonne gnadenlos vom Himmel, des Nachts kühlte es innerhalb weniger Stunden ab. Temperaturschwankungen von 34 Grad waren an der Tagesordnung. Die dünne Atmosphäre machte die Umgebung nicht freundlicher. Dennoch wollte die Flotte hier innerhalb von wenigen Monaten einen Stützpunkt aufbauen.


Unauffällig zog Alexandra Black ihren Tricorder hervor. Sie scannte die unmittelbare Umgebung, stellte jedoch schnell fest, daß niemand in unmittelbarer Nähe war. „Wir sind alleine“, erklärte sie, klappte das Gerät zu und steckte es weg.

Toreen Akida nickte zufrieden. Mr. Lucas hatte Anweisung gehabt, sie in einem Park abzusetzen, und das hatte er offensichtlich getan. Sie hatten nun einen Fußmarsch von etwa 20 Minuten vor sich, um den Rand des Central Parks zu erreichen. Es war 22 Uhr Ortszeit und bereits dunkel, deshalb hatten sie hier ideal beamen können.

Alex Black zeigte den Weg vor ihnen entlang. „Dort geht es zum nächsten Ausgang“, erklärte sie. Maggie hätte es sich fast denken können, daß Tomm sie gleich in der richtigen Richtung abgesetzt hatte.

Der kleine Trupp setzte sich umgehend in Bewegung. Sie hatten nur fünf Stunden und alleine 40 Minuten davon würden für Hin- und Rückweg in die Stadt draufgehen. Sie würden also nur gut 4 Stunden haben, um den technischen Stand der Zivilisation hier zu bestätigen.


Unentwegt starrte William Adama auf den Tisch, der sich in der Mitte von C&C stand. Auf ihm angebracht war eine Art von Sternenkarte, die den Nebel zeigte, in dem sich New-Caprica befand und mit ihm die allermeiste von dem, was noch von den Menschen seines Universums übrig war. Er hatte in den vergangenen Monaten jeden Tag einen Raptor dorthin geschickt, aber bisher hatte niemand vom Planeten auf das kodierte Signal reagiert, das er auf einer kolonialen Frequenz verschlüsselt senden ließ. Allzu lange konnte der Raptor nicht bleiben, da die Gefahr der Entdeckung durch die Zylonen zu groß war. Nach dem, was man sagen konnte, lebten die Menschen von New-Caprica noch.

Frustriert betrachtete er die Modelle der Galactica, der Pegasus, ihrer Raptoren und Vipern. Bisher war es ihm nicht gelungen einen Plan zu entwickeln, der nicht in einer absoluten Katastrophe endete, da die Zylonenstreitmacht, die sich im Orbit von New-Caprica befand einfach zu groß für sie war. Vielleicht brauchten sie die Fremden doch. Mit ihnen gemeinsam hatten sie vielleicht eine Chance, New-Caprica wieder einzunehmen und ihre Leute von dort zu evakuieren. Aber konnte er den Fremden vertrauen? Gerade jetzt, wo er Laura's Rat in der Sache gebraucht hätte, saß sie auf New-Caprica fest.

Der Admiral verschob zwei der Raptoren ein Stück, um seiner Besatzung in C&C das Gefühl zu geben, an etwas zu arbeiten, obwohl er eigentlich nur besorgt auf den Ausgang der Untersuchung auf dem Planeten wartete. Sein Gefühl sagte ihm, daß sich die Prognose Geodis als richtig herausstellen würde. Es hatten sich keine Raumschiffe im Orbit gefunden, es hatte kein Verteidigungssystem gegeben. Alles Anzeichen, die für einen niedrigen Entwicklungsstand der Erde sprachen. Und wenn es so war, dann würden sie hier keine Heimat finden, denn durch ihre Anwesenheit setzen sie die Erde der Gefahr aus von den Zylonen entdeckt und überfallen zu werden. Und die Menschen dieser Welt hatten den Zylonen nichts, aber auch gar nichts entgegenzusetzen.

William war versucht, die Viper, die er gerade in der Hand hielt über den Tisch zu werfen. Es war zum aus der Haut fahren. Er hatte damals darauf bestanden, daß Laura zugab, die Wahl manipuliert zu haben. Sicherlich hätte er Mr. Gator überzeugen können, seine Feststellungen für sich zu behalten. Wäre Laura Präsidentin geblieben, hätte sie den Weiterzug der Flotte beschlossen, weil sie es als wichtig empfunden hatte in Bewegung zu bleiben, um den Zylonen so zu entkommen, bis sie die Erde erreicht hatten. Doch so hatte Mr. Baltar das Amt des Präsidenten übernommen und angeordnet, daß die Menschen auf New-Caprica eine neue Kolonie gründeten.

Zuerst war alles gut verlaufen. Zwar nicht glatt, aber sie hatten nichts von den Zylonen gehört oder gesehen. Fast ein Jahr hatten die Menschen von New-Caprica gehabt, sich eine neue Existenz aufzubauen. Aber dann waren sie erschienen, wie aus heiterem Himmel. Der Galactica und der Pegasus war nichts anderes geblieben, als die Flucht anzutreten und die Menschen auf dem Planeten zunächst zurückzulassen. Sie hatten noch immer viele Schiffe zu schützen gehabt. Wenigstens diese Menschen waren in Sicherheit – soweit man in diesem gefährlichen Universum in Sicherheit sein konnte.

William warf einen Blick auf die Uhr in C&C. Das Außenteam war jetzt seit 30 Minuten auf dem Planeten. Er hatte Dee und Helo geschickt. Beides gute und erfahrene Offiziere, die in den vergangenen Jahren seit dem Angriff der Zylonen ihre Fähigkeiten unzählige Male bewiesen hatten. Es grenzte immer noch an ein Wunder, daß Carl Agathon, dessen Rufname Helo war, die Monate auf dem besetzten Caprica überstanden hatte.

Wie immer, wenn er an Helo dachte, mußte er automatisch auch an Sharon denken, die Zylonin, die nach wie vor in einer Zelle auf seinem Schiff saß. Im vergangenen Jahr hatte sich eine seltsame Beziehung zwischen ihnen beiden entwickelt. Zuerst hatte er sie gehaßt, weil sie ein Duplikat der Sharon war, die versucht hatte, ihn zu ermorden. Mit der Zeit hatte er aber gelernt, daß jeder einzelne Zylone eine eigenständige Persönlichkeit hatte. Er konnte sie genausowenig für die Taten der anderen verantwortlich machen, wie er einen Menschen für die Taten eines anderen verantwortlich machen konnte.

Wenn er hier weiter tatenlos rumstehen mußte, würde er vermutlich bald tatsächlich mit einem der kleinen Schiffsmodelle um sich werfen, die zu Veranschaulichungszwecken auf dem Tisch standen. Er entschied sich, stattdessen lieber eine Unterhaltung zu führen. Und so verließ er C&C, um sich zu Sharon Valeriis Zelle zu begeben.


Ein wenig verloren sah Seeta sich in ihrem eigenen Quartier um. Erst jetzt wurde ihr bewußt, wie leer und einsam es hier eigentlich war. Sie hatte bisher nie ein Problem damit gehabt, doch nach den vielen Wochen auf der Krankenstation wußte sie jetzt nicht so recht, was sie mit sich selber anfangen sollte.

Ihre Tasche stand auf dem Sofa, auf dem Winnie sie abgestellt hatte. Sie war sich bewußt gewesen, daß es ihm nicht ausschließlich darum gegangen war, ihren Rücken zu schonen. Wie sie mit schwereren Lasten umzugehen hatte, das hatte er ihr in den letzten Wochen derart eingebleut, daß sie es sicherlich nie wieder in ihrem Leben vergessen würde.

Und so beugte sie ihre Knie leicht, so daß sie die Tasche aufnehmen konnte, ohne ihren Rücken übermäßig zu strapazieren. Mit dem Ding in beiden Händen ging sie hinüber ins Schlafzimmer, wo sie sie auf der Kommode abstellte, auf der noch immer Andreas Summers Bild stand. Im Grunde genommen empfand sie die Tatsache als albern, auf der anderen Seite hatte sie sich nicht überwinden können, es wegzustellen. Gefühle waren schon eine seltsame Sache, wie sie nicht zum ersten Mal in ihrem Leben bei sich feststellte.

Sie öffnete erst die Tasche, dann ihren Kleiderschrank und legte den Inhalt der Tasche fein säuberlich an seinen Platz zurück. Zuletzt förderte sie ihre Augentropfen hervor, die an ihren Platz ins Bad zurückwanderten. Die Besatzung der Krankenstation hatte die Tatsache, daß sie sich jeden Morgen ein Präparat in die Augen tropfen mußte mit Erstaunen zur Kenntnis genommen. Einer eigentlich nachtaktiven Spezies anzugehören machte empfindlich gegen helles Licht. Dafür konnte sie im Dunklen Dinge sehen, die der Rest der Crew nicht mehr wahrnehmen konnte.

Schließlich stand sie wieder mitten in ihrem Schlafzimmer, erneut mit der Tatsache konfrontiert, daß sie nichts zu tun hatte. Normalerweise hätte sie den Rest des Tages im Maschinenraum verbracht, um beschäftigt zu sein, aber dies war nicht möglich, solange sie von Winnie keinen entsprechenden Freifahrschein erhalten hatte.

Ihr knurrender Magen gab ihr schließlich eine Möglichkeit Zeit totzuschlagen und so verließ sie ihr Quartier so schnell es ging, um sich auf den Weg zum Diners zu machen.


Dee hätte schreien mögen. Seit mehr als drei Jahren klammerte sie sich nun an den Gedanken, eines Tages auf der Erde eine neue Heimat zu finden. In den ersten Monaten nach dem Angriff der Zylonen hatte sie alleine dieser Gedanke aufrecht gehalten. Und nun mußte sie sich eingestehen, daß hier vermutlich ihre Zukunft nicht lag. Die Einschätzung der Trill, die Captain der Katana war hatte sich als richtig herausgestellt. Seit drei Stunden bewegte sich das Außenteam durch eine Stadt namens New York und bereits jetzt war sicher, daß die Menschen der Erde einem Angriff der Zylonen nichts entgegenzusetzen hatten. Hier würden sie keine Heimat finden, wenn sie diese Menschen nicht gefährden wollten.

Nicht zum ersten Mal an diesem Tag tauschte sie einen verzweifelten Blick mit Helo aus. Wie sollte es nur weitergehen? Sie waren nur noch so wenige und die Moral lag völlig am Boden. Wenn herauskam, daß die Erde ihnen keine Heimat bieten konnte, dann würde dies nicht hilfreich sein, die Leute wieder zu motivieren. Sie waren nur noch so wenige, sie brauchten ein Ziel, um weiterzumachen und dieses Ziel hatte sich gerade in Luft aufgelöst. Wie sollte es nur weitergehen?


Kirall Medion sah sein Gegenüber an. Vor etwas mehr als einer Stunde war das Außenteam von der Erde zurückgekehrt. Das Ergebnis war für die Bewohner der Galactica und der Pegasus niederschmetternd gewesen. Gerade hatte er Adama und den seinen Asyl im Föderationsraum angeboten. Sicherlich würde sich ein Planet finden lassen, auf dem sie sich niederlassen konnten.

William Adama hatte bisher zu seinem Vorschlag geschwiegen. Im Kopf des alten Mannes überschlugen sich die Gedanken. Er hatte immer noch die Zivilisten auf New Caprica zu befreien. Bis dahin kam eine Flucht in den Raum der Föderation nicht in Frage. Er würde diese Leute nicht zurücklassen. Er hatte Dee, Helo und Lee angewiesen mit niemandem über das zu sprechen, was sich auf der Erde ereignet hatte. Die Gesellschaft würde zusammenbrechen, wenn die Leute auf den Schiffen herausfanden, daß die Erde ihnen keine Heimat werden konnte.

Der Admiral stand auf und trat an das Fenster des Besprechungsraums der Katana heran. Noch immer lag der Schiffsverband im Schatten des Mondes, er konnte die zerkraterte Oberfläche des Trabanten der Erde erkennen. Er wußte, daß sich dahinter die Erde befand, der Ort, an dem sie alle hatten Zuflucht finden wollen.

„Ihr Angebot ist großzügig, jedoch kann ich es derzeit nicht annehmen“, erklärte er schließlich. Vielleicht konnten sie später das Angebot der Föderation annehmen. Jetzt war der Zeitpunkt noch nicht gekommen. Sie mußten hier bleiben und weiter auf eine Nachricht von New Caprica warten, solange nicht zweifelsfrei feststand, daß dort niemand mehr lebte.

Kirall Medion nickte. Er spürte genau, daß er den Mann ihm gegenüber nicht überzeugen konnte, jetzt mit ihnen zu kommen. Ebenso genau spürte er jedoch, daß dies nicht die letzte Begegnung zwischen ihnen gewesen sein sollte. Adama würde ins Föderationsgebiet kommen, sobald er das, was er hier noch zu erledigen hatte getan hatte. Nur was genau dieser hier noch zu erledigen hatte, das wußte er nicht.

Der Unterhändler der Föderation stand aus seinem Sessel auf und reichte Adama die Hand. „Ich bin sicher, wir sehen uns bald wieder. Sie wissen, wo Sie uns finden“, erklärte er. Adama nickte. „Wir sehen uns wieder. Vielleicht eher als Sie glauben“, gab er wieder, dann verließ er gemeinsam mit dem Betazoiden den Besprechungsraum, um sich zurück auf sein eigenes Schiff zu begeben.


„Mr. Lucas, signalisieren Sie der Flotte, wir kehren nach Hause zurück. Kurs aufs Wurmloch setzen“, ordnete Natall Geodis an. Der Navigator bestätigte den Befehl mit dem standardmäßigen „Aye, Ma'am“ und programmierte bereits den Kurs zurück zum Wurmloch, während er die anderen Schiffe informierte.

„Warp 8“, fügte Natall hinzu, und schon bald darauf ließen die Föderationsschiffe den Planeten Erde hinter sich zurück. Außerhalb des Systems aktivierte Tomm Lucas den Warpantrieb und brachte die Katana damit auf Reisegeschwindigkeit.


William Adama stand in C & C und beobachtete die Radaranzeigen, die angaben, daß die Schiffe der Vereinigung aus dem Paralleluniversum das System verließen.

„Unsere Raptor kehrt zurück“, gab sein Kommunikationsoffizier an, und bald darauf erklang die Stimme seines Piloten aus den Lautsprechern auf der Brücke. „Wir haben Kontakt!“, erklärte dieser. „Wir haben ein bestätigtes Signal von Colonel Tigh!“, fügte sein Co-Pilot hinzu, dessen Stimme sich förmlich überschlug.

Auf der Brücke brach Jubel los und Adama nahm das Telefon zur Hand, das der Kommunikation diente. „Stellen Sie mich durch“, wies er seinen Kommunikationsoffizier, der sich mittels eines Headsets verständigte an.

„Sie sind verbunden“, erklärte dieser nach einigen Handgriffen und Adama hörte nun die Stimme der Piloten nur noch im Hörer. „Gut gemacht. Kommen Sie rein. Ich will Sie sofort sehen“, verlangte er, dann legte er auf. Wie es aussah, hatten sie einen Planeten zu befreien.