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From PathfinderWiki

Resozialisierung
Autor: Mark de Boer
Autor: Lew Sulik

„Logbuch der USS Katana. Sternzeit 62.267,0. Captain Andersson.

Wir konnten uns sicher und ohne weitere Gefahren in das Föderationsgebiet absetzen und sind jetzt wieder auf dem Weg nach Hause zur Gemini-Station. Alles in Allem sind wir noch mal mit einem blauen Auge davon gekommen. Den diplomatischen Scherbenhaufen, den wir dabei hinterlassen haben, müssen freilich andere wegräumen. Dennoch bereue ich meine Entscheidung, so direkt und unvermittelt einzugreifen, keinesfalls. Diese geheimnisvolle Organisation konnten wir damit leider nicht zerschlagen. Diese Tatsache wird jedoch durch den Umstand aufgewogen, dass unsere beiden Crew-Mitglieder lebend gerettet werden konnten. Das hatte und hat für mich oberste Priorität. Wir können nun in Ruhe unsere Wunden lecken, bevor es irgendwann einmal in die nächste Runde geht. Denn irgendetwas sagt mir, dass die Katana nicht das letzte Mal die Wege dieser Viviane und dieses ominösen Mister X gekreuzt hat...

Captain Andersson. Ende.“


„Mark, du musst ein gutes Wort für mich einlegen.“, jammerte Lew. Mark verdrehte die Augen und trank einen Schluck des Synthehol-Whiskeys. Ein echter wäre ihm zwar lieber gewesen, aber den gab es weder im Diners noch sonst irgendwo auf der Basis, nur im Zivilkomplex. Davon hatten die beiden Piloten jedoch vorerst genug. Außerdem waren sie sich nicht sicher, ob sich nicht noch ein paar von Vivianes Schergen dort aufhielten. Beide hielten es für klüger, erst einmal ein wenig Gras über die Sache wachsen zu lassen.

„Lew, seit einer halben Stunde sitzen wir nun hier. Und das einzige, was ich von dir höre, ist Natalie, Natalie, Natalie… Geh zur ihr hin und rede mit ihr, nicht mit mir.“ Lew starrte seinen Freund wütend an. „Ja, du hast gut reden. Bei dir und Tessa läuft ja alles prima. Dabei bist du Schuld, dass ich jetzt bei Ian pennen muss!“ „Was? Ich? Du hast dich mit Nat verkracht, nicht ich.“, verteidigte sich Mark, aber Lew wischte diese Verteidigung mit der Hand beiseite. „DU hast gegen den Befehl verstoßen, alles geheim zu halten. DU hast Tessa trotzdem alles erzählt. ICH hingegen habe mich an die Befehle gehalten. Und was höre ich von Natalie?“ Lew wechselte in einen affektierten Tonfall: „Nimm dir mal ein Beispiel an Mark. Der vertraut seiner Freundin. Der hat ihr alles erzählt. Nicht so wie du!“ Er fuhr im sarkastischen Tonfall fort: „Danke auch, Mark! Und jetzt sieh zu, wie du mich aus der Scheiße wieder rausholst!“ Mark war sprachlos ob dieser Argumentation. „Guck mich nicht so an, Mark. Du bist doch der Frauenflüsterer, also bieg es wieder hin!“

„Lew…“ Mark atmete hörbar aus. „Erstens will Natalie momentan auch mit mir nicht reden. Sie ist stinkig, weil ich ihr ebenfalls nichts gesagt habe. Auf Tess ist sie übrigens genauso stinkig. Zweitens wüsste ich nicht, wie ich die Sache geradebiegen könnte, selbst wenn sie mit mir reden würde. Aber das Wichtigste ist: Offenbar hast du noch immer nicht verstanden, warum sie sauer auf dich ist, Lew. Ihr geht es doch gar nicht darum, dass du ihr von der Mission nichts gesagt hast. Das weiß sie insgeheim selbst, dass du das nicht durftest.“ „Ach, dafür reitet sie darauf aber ganz schön rum!“, erwiderte Lew misstrauisch. „Ja, klar. Aber das war lediglich der sprichwörtliche Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Sie hat das Gefühl, dass eure Leben parallel verlaufen. Sie hat Angst davor, nicht Teil deines Lebens zu sein. Und das Ding mit dem Versetzungsantrag hat sie darin bestätigt. Mensch, Lew… du lebst nicht mehr alleine, also kannst du solche Dinge nicht einfach alleine entscheiden.“

Lew setzte zur Antwort an, aber Mark kam ihm zuvor. „Es geht nicht darum, dass ihr beide ständig aufeinander hocken müsst. Sie hat nichts dagegen, wenn du mit den anderen was trinken gehst oder so. Sie will auch nicht, dass du deine Hobbys aufgibst und nur noch die Abende bei ihr verbringst. Aber die großen Dinge musst du mit ihr machen. Und die wichtigen Entscheidungen müsst ihr zusammen treffen. Das ist der Punkt, den du begreifen musst! Und dann musst du ihr zeigen, dass du auch danach leben willst.“ Mark machte eine kurze Pause, bevor er fortfuhr: „Lew, warum willst du mit Natalie zusammen leben?“

Lew überlegte einen Moment. „Der Sex mit ihr ist fantastisch.“ „Na, vielen Dank fürs Kopfkino. Das ist zwar schön für euch, aber ist hoffentlich nicht dein einziger Grund.“ „Nein, ich mag es, wenn sie da ist, wenn ich nach Hause komme. Ihre Art beruhigt mich normalerweise. Ich finde es toll, wenn wir zusammen aufwachen, miteinander essen und so.“ „Das klingt doch schon mal gar nicht so schlecht für den Anfang. Das solltest du ihr vielleicht auch mal sagen oder besser: zeigen.“ „Na ja, und ich mag, dass sie das Quartier so in Ordnung hält. Ian ist ja mein Kumpel, aber lange halte ich das Chaos bei ihm nicht mehr aus!“ Mark sah seinen Freund ernüchtert an. „DAS solltest du ihr auf alle Fälle besser nicht sagen.“


Captain Andersson saß frustriert in seinem Büro und nippte an seinem Tee. Gerade hatte er eine zweistündige Videokonferenz hinter sich gebracht, in der er erneut seine Sicht der Geschehnisse darlegen musste. In den vergangenen Wochen hatte er einige Anhörungen über sich ergehen lassen müssen. Wie erwartet war das Sternenflotten-Kommando wenig erbaut gewesen, dass er territoriale Verletzungen begangen hatte, selbst wenn der Anspruch von Ferenginar längst nicht anerkannt war.

Was ihn aber am meisten wurmte, war, dass dieser verdammte Toreen völlig ungeschoren davon gekommen war, während er sich einem Dauerbeschuss gegenüber sah. Und dabei hatte die Geheimniskrämerei dieses Mannes erst zu den Problemen geführt. In den Untersuchungsausschüssen hatte er darauf hingewiesen, war aber auf eine Wand der Ignoranz gestoßen. Für ihn sah es so aus, als wäre er ohne Chancen zum Sündenbock gestempelt worden. Missmutig stellte er die Tasse ab.

Toreen schien zu ahnen, dass er ihm derzeit besser aus dem Weg gehen sollte. Jedenfalls hatte er ihn schon seit Wochen nicht mehr gesehen. Garrick war nicht böse darüber. Wenigstens war es ihm gelungen, den Haftaufenthalt seiner beiden Piloten aus den Akten zu entfernen und die beiden wieder zu rehabilitieren.

Es klingelte an der Tür, und Garrick war für einen Moment geneigt, es einfach zu ignorieren. Aber sein Pflichtbewusstsein siegte schließlich. „Herein!“, sagte er und setzte sich gerade hin. Als die Tür aufging, hellte sich sein Gesicht überrascht auf.

„Mister Ramirez! Welch‘ angenehme Überraschung. Wie geht es Ihnen?“ „Danke, Captain. Ich habe mich mittlerweile ganz gut eingelebt. Mein neuer Job macht mir Spaß. Ich denke, ich habe die richtige Entscheidung getroffen.“ „Das freut mich ehrlich für Sie, auch wenn ich Sie gerne noch länger im Team gehabt hätte. Der Generalinspekteur hat einen ausgezeichneten Mann bekommen. Was führt Sie wieder nach Gemini?“ „Ich würde gerne sagen, dass ich alte Freunde besuchen will, aber in erster Linie ist es der Fall. Die Ermittlungen haben gezeigt, dass es tatsächlich eine Verbrecherorganisation hinter den Schmugglern gibt. Und auch wenn wir, oder besser gesagt: Sie, ihnen einen empfindlichen Schlag versetzen konnten, stecken die Ermittlungen derzeit in einer Sackgasse. Wir wissen nicht, wie tief diese Organisation reicht oder wer der Kopf ist. Wir wissen noch nicht einmal, wer von der Station mit drin steckt. Und das war ja eigentlich das vornehmliche Ziel von Chefermittler McBride, als er auf die Station gekommen ist. Sie erinnern sich… Aber nun gibt es nur noch lose Enden, die ins Nichts führen.“

„Was ist mit dieser Viviane?“, fragte Garrick nach. „Wir halten unsere Augen auf, aber derzeit gibt es keine Spur von ihr. Aber die Föderation ist groß. Wer weiß, wo sie gerade steckt? Wir können nicht überall unsere Augen haben.“ „Und was ist mit den anderen Personen, mit denen Sulik und de Boer Kontakt hatten?“ „Sind abgetaucht und wie vom Erdboden verschwunden.“

„Und dieser Ferengi auf seinem Mond?“ „Sie meinen Gaila? Hier wird es etwas undurchsichtig. Da die Katana leider entdeckt wurde, haben die Ferengi ihre Sicherheitsmaßnahmen deutlich erhöht, so dass wir aktuell einfach nicht nah genug an ihn herankommen. Was wir allerdings mit unseren Sensoren auffangen konnten, waren heftige Explosionen auf dem Mond. Wir wissen es nicht genau, aber wir vermuten, dass jemand versucht hat, Gaila zum Schweigen zu bringen. Ob er Erfolg damit hatte, wissen wir aber nicht. Die Informationslage ist mehr als dürftig. Aktuell gibt es Vorwürfe aus Ferenginar, dass die Sternenflotte dahinterstecken soll. Diplomatisch gibt es also genug Feuer zwischen Ferenginar und San Francisco.“

Er sah seinen ehemaligen Captain einen Moment schweigend an. „Ihnen wird aktuell ordentlich zugesetzt, habe ich gehört?“ Andersson nickte grimmig. Ramirez beugte sich vor und sagte im verschwörerischen Ton: „In den vier Wochen, die ich nun auf der Erde bin, habe ich so einige Dinge aufgeschnappt, Captain. Es gibt aktuell zwei Parteien in dieser Angelegenheit. Die eine würde Ihnen gerne die Schuld für den Misserfolg in die Schuhe schieben. Die haben Sie ja in letzter Zeit zur Genüge kennengelernt. Die andere Partei sieht die Rolle des Geheimdienstes äußerst kritisch. Es mehren sich die Stimmen, dass der Geheimdienst in den letzten Jahren zu mächtig geworden ist. In den Augen vieler Mitgliedsplaneten führt er mittlerweile ein gefährliches Eigenleben. Man denke nur an die Rolle von Sektion 31 im Dominionkrieg. Aber auch im Krieg gegen Romulus war der Geheimdienst an äußerst dubiosen Aktionen beteiligt. Und auch Toreen steht aktuell unter Druck. Sie müssen wissen, dass er nicht unumstritten ist. Schon seine Rolle bei der Romulus-Mission hat viele Kritiker auf den Plan gerufen. Aber der Erfolg gab ihm Recht, so dass er sich behaupten konnte. Jetzt hat er aber der Abteilung für Interne Angelegenheiten ins Handwerk gepfuscht und maßgeblich die Ermittlungen behindert, weil er Informationen nicht weiter gegeben hat. Das könnte ihm nun das Genick brechen. Ohne Ihnen jetzt zu viel versprechen zu wollen, könnte es durchaus sein, dass er in nicht allzu ferner Zukunft abberufen wird. Zumindest dürften seine Aktivitäten auf Gemini in nächster Zeit deutlich zurückhaltender sein.“

Garrick konnte sich ein hämisches Grinsen nur mühsam unterdrücken. „Das sind doch einmal positive Nachrichten. Ich hoffe, die zweite Partei setzt sich durch.“ „Das hoffe ich auch, Sir.“, sagte Ramirez mit einem warmen Lächeln.

Dann straffte er seine Schultern sagte in einem offiziellen Tonfall. „Mit Ihrer Erlaubnis würde ich die beiden Piloten Lieutenant Commander Sulik und Lieutenant de Boer gerne nochmal befragen, Sir. Vielleicht ist ihnen zwischenzeitlich noch etwas eingefallen. Es hat sich gezeigt, dass mitunter einige Erinnerungen zurückkehren, wenn die unmittelbaren Ereignisse ein wenig zurückliegen. Auf diese Hoffnung setze ich.“ „Natürlich. Meinen Segen haben Sie. Ich hoffe wirklich, dass unser Einsatz noch einen Erfolg zeigt.“, erwiderte Andersson und reichte dem Spanier die Hand. „Sofern es Ihnen möglich ist, halten Sie mich bitte auf dem Laufenden.“ „Ich kann es natürlich nicht versprechen, aber ich werde sehen, was ich tun kann.“ „Vielen Dank, Mister Ramirez.“


Mit einem großen Blumenstrauß bewaffnet ging Lew Sulik durch die Gänge der Katana. Es waren irgendwelche ganz besonderen, nicht replizierbare Blumen von Risa, die ihm Mark extra von Gemini besorgt hatte. Sein Kumpel hatte ihn in der Hinsicht bis ins kleinste Detail beraten müssen, denn Lew wusste sonst mit Blumen nicht viel anzufangen, da man die meisten davon weder essen noch rauchen konnte. Also war er nun mit den von Mark ausgewählten Blumen auf dem Weg zu Natalie, Lews ganz persönlicher Gang nach Canossa.

Nachdem er am Bedienfeld das Türsignal betätigt hatte, dauerte es eine ganze Weile, bis sich die Türflügel öffneten und seine Freundin dahinter zum Vorschein kam. Wortlos hielt er ihr den Strauß etwas ungeschickt direkt vor das Gesicht, doch ihre Miene blieb ausdruckslos mit der erkennbaren Tendenz zur kühlen Abweisung. Der Pilot hatte sich zuvor für diesen Moment alle seine Worte penibel zurechtgelegt und vorher sämtliche Sätze im Geiste durch gewälzt, mit allen eventuellen Antworten und Reaktionen. Aber nun verschlug es ihm zunächst die Sprache, bevor er ein gequältes „Entschuldigung“ hervorbrachte.

Natalies Miene verzog sich für eine Sekunde zu einer Andeutung eines Lächelns, nahm dann aber wieder die kühle Ausdruckslosigkeit an, die sogar den neuen vulkanischen Sicherheitsoffizier beeindruckt hätte. Als nach wenigen Sekunden von Lew immer noch keine fortführenden Sätze kamen, hakte sie selbst mit einem „...und?“ nach, mit dem sie ihn zu mehr Aussagen aufforderte. Doch Lew wiederum fiel nicht mehr ein als „...und es tut mir leid“. Die Technikerin ließ ihre emotionslose Maske immer noch nicht fallen, als sie darauf erwiderte: „Schön. Aber das ist nur eine andere Variation deiner ersten Aussage.“ Sie verlangte von ihrem Freund schon mehr, wenn sie seine Entschuldigung akzeptieren sollte, daher wollte sie wissen: „Was tut dir denn leid?“

Lew räusperte sich und schaute sich unwohl im Korridor um, auf dem er immer noch vor dem gemeinsamem Quartier stand. Er fühlte sich hier wie auf dem Präsentierteller, und es war ihm unrecht, sich mit seiner Freundin zwischen Tür und Angel auszusprechen. Das könnte sonst in aller Öffentlichkeit peinlich für ihn werden, so befürchtete er. Natalie verstand und ging einige Schritte zurück in das Quartier und forderte ihn wortlos auf einzutreten. Erst als er im Raum stand und sich die Türflügel hinter ihm geschlossen und so eine Privatsphäre geschaffen hatten, fiel wenigstens ein Teil seiner Anspannung von ihm ab.

Die Liste der Dinge, für die er sich zu entschuldigen hatte, tauchte vor seinem inneren Auge wieder auf. Bei einigen der Punkten verstand er zwar immer noch nicht so recht, warum, aber er dachte sich schnell 'ach sei's drum' und fing an: „Ich möchte mich dafür entschuldigen, dass ich mich so verhalten habe, dass du den Eindruck haben musstest, dass ich unsere Beziehung nicht ernst nehme...“ Natalie schwieg daraufhin, anscheinend genügte es ihr noch nicht, also fuhr er fort: „...und es tut mir leid, dass ich damals bei unserem Streit einfach so abgehauen bin und wir uns nicht aussprechen konnten...“ Ihre Miene hellte sich schon etwas auf, aber es herrschte weiterhin Schweigen von Natalies Seite. Er fügte deshalb an: „...und dass ich nicht immer offen mit dir über alles geredet habe...“ Ihre Miene wurde entspannter, aber offensichtlich erwartete sie immer noch etwas. Lew zählte nun weitere Punkte, Kleinigkeiten und Gegebenheiten auf, für die er sich nachträglich in aller Deutlichkeit entschuldigte. Dabei wurde Natalies Gesichtsausdruck zunehmend entspannter, aber ganz eindeutig fehlte ihr noch eine wichtige Sache. Nun war der Geschwaderführer endgültig mit seinem Latein am Ende, er wusste nun wirklich nicht mehr, wofür er sich denn noch entschuldigen sollte – außer für Sturm, Hagel und Gewitter vielleicht. Mit einem Rest der Verzweiflung verschoss er sein letztes Pulver, in dem er ihr ein weiteres Mal den Strauß ein Stück entgegen hielt und sagte: „...und ich liebe dich!“

Nun strahlte Natalies Gesicht auf einmal, und sie fiel ihm um den Hals. Dann küsste sie ihn innig, dass er nicht wusste, wie ihm geschah. Beinahe hätte er den Blumenstrauß fallen lassen. Als sie wieder von ihm abließ, meinte sie mit einem liebevollen Lächeln: „Weißt du eigentlich, dass du das viel zu selten sagst?“ „Was? 'Entschuldigung'“, gab Lew verdutzt von sich, als er in ihre Augen schaute. Sie schüttelte den Kopf und stupste ihm mit dem Finger auf die Nase: „Nein, du Dummerle! Dass du mich liebst!“ „Merkt man das nicht?“ Sie verdrehte für einen Augenblick die Augen, denn es schien fast so, als ob er schon wieder vergessen hatte, was er noch vor wenigen Sekunden alles gesagt hatte. Sie nahm den Blumenstrauß entgegen und roch mit einem tiefen Seufzer an den Blüten. Erst als sie wieder aufsah, antwortete sie ihm mit erschlagender Ehrlichkeit: „Doch. Aber manchmal benimmst du dich wie ein Idiot und Vollarsch!“ Er kratze sich verlegen am Kopf und wusste nicht so recht, was er darauf sagen sollte. Dann gab er von sich: „Dann versuche ich, das zu ändern.“ Natalie überhörte geflissentlich das „versuche“ und konzentrierte sich auf seine gute Absicht, sie wollte die gerade begonnene Versöhnung nicht wieder gefährden. Als sie den Blumenstrauß in eine Vase auf dem Wohnzimmertisch abgestellt hatte, umarmte sie ihren Freund wieder. Sie lehnte ihren Kopf an seine Brust und dann entfuhr es ihr mit sanfter Stimme: „Weißt du eigentlich, dass ich mir unheimliche Sorgen um dich gemacht und Todesängste ausgestanden habe?“


„Minister MacDonovan? Der Zonk wartet immer noch hinter der Türe. Der Botschafter verlangt immer nachdrücklicher, Sie zu sprechen! Schon zum bestimmt dreizehnten mal...“, riss eine Stimme aus dem internen Kommunikationskanal den Außenminister der Föderation aus seinem regelmäßigen Mittagsschlaf, welchen er wie üblich sitzend in seinem Bürostuhl zu zelebrieren pflegte. Aus jahrelanger Übung gewohnt, wachte er durch diese Nachricht auf und war augenblicklich wieder hellwach und geistig gegenwärtig. Mehr aus unterbewusster Gewohnheit denn aus echter Notwendigkeit zupfte er seinen ohnehin akkurat sitzenden Anzug zurecht und lächelte süffisant in sich hinein, als er seiner Sekretärin antwortete: „So so Fräulein Ringelblum. Für so hartnäckig hätte ich ihn wirklich nicht gehalten. Nun gut, wir haben ihn lange genug warten lassen... schicken sie Botschafter Zonk in mein Büro.“

„Minister! Ich habe sie bereits vor einer Woche in die Botschaft zitiert!“, tönte das wütende und schrille Gekrächze des ferengischen Botschafters als dieser durch die großen Flügeltüren in das repräsentative Büro des Außenministers stampfte. Wie der kleine Ferengi so durch die große Räumlichkeit direkt auf den Schreibtisch des Außenminister zu polterte, erweckte er den Eindruck eines allgemeinen Zwergenaufstandes, als er sich weiter beschwerte: „Der große Nagus und die großferengische Vollversammlung der Allianz verlangen eine Erklärung für den Bokirio-Vorfall!“ Als habe er es leichtfertig vergessen, warf der Ferengi noch hektisch und fast außer Atem hinterher, als er bereits direkt vor dem Bürotisch MacDonovans stand: „...und eine Entschuldigung!“

Es musste für die Ferengis im Allgemeinen und für den kleinen Ferengi-Botschafter im Besonderen eine unglaubliche Demütigung gewesen sein, dass sie die Föderation so derart hatte auflaufen lassen. Der Botschafter der Föderation auf Ferenginar war wie völlig zufällig direkt nach den Ereignissen kurzfristig zu einer Erholungskur nach Risa abgereist und auch der Außenminister der Föderation war zu einem aufgeforderten Termin nicht in der Botschaft der Ferengi erschienen. Um den Ferengis den Wind aus den Segeln zu nehmen, hatte man sich zum alten Kareshenko-Baumann-Manöver der Diplomatie entschieden. Die aktuelle interstellare Lage zwischen beiden Mächten war seit einiger Zeit zu Gunsten der Föderation verrückt und letztere hatte ein kleines Ass in der Hinterhand.

MacDonovan beherrschte dieses Spiel meisterhaft und darum deutete er auf einen Stuhl und bot mit dieser wortlosen Geste dem aufgebrachten Botschafter einen Sitzplatz an, bevor er die gängigen, diplomatischen Worthülsen abfeuerte: „Botschafter Zonk! Ich bin untröstlich, dass ich Ihre Einladung in die Botschaft nicht wahrnehmen konnte. Das habe ich auch in der offiziellen Erklärung der Föderaton zum Bokirio-Vorfall zum Ausdruck gebracht. Aber die Vorbereitungen zur anstehenden Handelskonferenz lassen mir kaum noch Zeit für anderes. Ich hoffe, sie können mir noch einmal verzeihen, auch im Geiste unserer persönlichen Freundschaft!“

Durch so viel hohle Phrasen zunächst erschlagen schwieg der Botschafter für einige Sekunden, bevor er wieder den Faden aufnehmen und sich weiter beschweren konnte: „Dieses Sternenflottenschiff ist eigenmächtig in Ferengiraum eingedrungen und hat Akte der Piraterie und des Hausfriedensbruchs begangen! Wir verlangen neben einer offiziellen Entschuldigung der Föderation auch die Freilassung unserer Handelspartner samt ihrem Frachter sowie eine Entschädigungszahlung an den Geschäftsmann Gaila. “

„Aber mein lieber Botschafter Zonk...“, holte MacDonovan demonstrativ Luft und lehnte sich in seinen großen, antik-echt-ledernen Sessel zurück, als er auf die Vorwürfe des Ferengi einging: „Wir wissen doch beide, dass dieses Sonnensystem kein anerkanntes Ferengigebiet ist und somit keine Grenzverletzung vorliegt! Der Anspruch der Ferengi auf dieses Terretorium ist weder interstellar-juristisch anerkannt, noch durch Ihre Regierung jemals formal-faktisch umgesetzt worden. Von einer Grenzverletzung kann also nicht die Reden sein.“

Zonk ignorierte das Gegenargument MacDonovans völlig und versteifte sich auf seinen letzten verbliebenen Vorwurfspunkt. Und so insistierte der Botschafter energisch: „Aber der Hausfriedensbruch durch das Eindringen in ein privates Sonnensystem!“ „...ist ebenfalls gegenstandslos, da nach interstellaren Verträgen ein Sonnensystem sowie ganze Planeten nicht als Privatbesitz gelten können und nur in Ausnahmen Privatbesitz an natürlichen oder künstlichen Trabanten anerkannt werden können.“, konterte der der föderale Außenminister und unterschlug dabei eine glücklicherweise nicht publik gewordene Tatsache: „Da die Crew der Katana den Mond des Mister Gailas jedoch niemals betreten hat...“ er machte eine fragende Bewegung mit beiden Händen und zuckte wie ein Grundschüler auf eine Frage des Lehrers die Schultern: „...kann man also auch davon nicht sprechen. Bleibt also nur das rüde Vorgehen gegen Kapitän Tirka und seinem Frachter im Orbit von Bokirio.“ „Kapitän Tirka ist ein sehr geschätzter Handelspartner der Ferengi!“, stürzte sich nun Zonk gierig wie erhofft auf diesen von MacDonovan ausgelegten Köder: „Wir verlangen seine Freilassung und die Freigabe seines Frachters, seiner Waren und seiner Crew!“ „Kapitän Tirka ist des versuchten Mordes an Sternenflottenmitgliedern angeklagt!“, erklärte MacDonovan nun mit bestimmtem Tonfall: „Außerdem steht er unter Verdacht, weitere schwerwiegende Verbrechen auf diversen Sternenflottenaußenposten begangen zu haben.“ „Nach dem Freundschaftsvertrag zwischen uns hätte in dem Fall zuerst ein Amtshilfegesuch von der Föderation eingehen müssen, bevor Maßnahmen ergriffen werden!“, beschwerte sich Zonk weiter vehement und lief damit blind vor Wut genau in die Falle die MacDonovan so sorgfältig vorbereitet hatte. Der Außenminister konterte gelassen: „Aber nur bei den in den Registern offiziell aufgeführten Handelspartnern. Kapitän Tirka wird in den ferengischen Handelsregistern nicht erwähnt. Außerdem war Gefahr im Vollzug, und für solche Fälle lässt unser gemeinsamer Freundschaftsvertrag durchaus unangemeldete Schiffsdurchsuchungen und Beschlagnahmungen zu, so oder so.“

„Aber wir können einseitig in strittigen Fällen eine unabhängige Untersuchungskommission einer befreundeten Macht einberufen!“, konterte nun Botschafter Zonk, der nun von seinem Stuhl aufstand, als ob er damit seine Forderung unterstreichen könnte: „Wir verlangen eine Untersuchung des Bokirio-Vorfalls!“ „Das können wir natürlich gerne tun, und der Freundschaftsvertrag lässt ein derartiges Verfahren ausdrücklich zu!“, antwortete der Außenminister nun auf einmal mit einer ungewohnt entgegenkommenden Stimmlage. Doch dann macht er eine deutliche Kunstpause, zog ein PADD aus einem Aktenstapel hervor das er mit einem übertriebenen Stirnrunzeln betrachtete, bevor er mit süffisantem Tonfall anfügte: „Aber ich fürchte, dann müssten wir die feierliche Unterzeichnung des neuen Handelsabkommens zwischen unseren Staaten bis zum Ende dieser diplomatischen Krise aufschieben.“ Er legte das PADD wieder beiseite und schaute dem Ferengi direkt in die Augen: „...und das nach diesen langen und zähen Verhandlungen...“

Botschafter Zonk war nicht dumm. Er begriff nun, in welcher argumentativen Sackgasse und diplomatische Zwickmühle ihn der Außenminister manövriert hatte. Das neue Handelsabkommen regelte unter andere auch einige neue, weitergehende Möglichkeiten für Ferengihändler im Föderationsraum, welche die Regierung auf Ferenginar schon lange anstrebte. Auch wenn es im Moment nur das inoffizielle Gespräch zweier Diplomaten war, so hatte der Außenminister eben signalisiert, worauf es hinauslaufen würde, sollten die Ferengi weiter auf einer öffentlich-offiziellen Debatte des Vorfalls bestehen.

Der Botschafter konnte seine Niederlage jedoch nicht ohne weiteres eingestehen. Und so schlug er mit gespielter Empörung auf den Tisch und meinte mit wütend krächzender Stimme: „Aber ihre Stellungnahme ist nicht akzeptabel! Wir verlangen...“, es schien als ob er zunächst nicht wusste, was er wollte, bevor er halblaut fortsetzte: „...eine bessere Entschuldigung!“ Zonk räusperte sich gespielt und verließ dann ohne jedes weitere Wort den Raum.

Mac Donovan lächelte in sich hinein. Ein neue Stellungnahme der Föderation mit einer etwas weitergehenden Entschuldigung – die den Ferengi zwar weiter entgegen kam, aber ohne dass die Föderation dabei ihr Gesicht verlor oder wesentliche Fehler eingestand – lag längst vorbereitet und fertig in der Schublade. Er konnte sich also wieder gelassen zurücklehnen und sein Mittagsschläfchen fortsetzen.


Deep Space Nine, 62.402,6

Quark stand im Frachtraum vier und wollte die heutige Lieferung kontrollieren. Er hatte seine Bar heute früher geschlossen. Seine Geschäfte liefen momentan etwas schleppend, seitdem einige Karemma auf der anderen Seite des Wurmlochs eine kleine Station errichtet hatten und so einiges von seinem Profit abschöpften. Er verfluchte sich insgeheim, dass er nicht daran gedacht hatte, auf beiden Seiten des Wurmlochs seine Geschäfte aufzubauen. Dabei hatten ihn die 22. und 45. Erwerbsregeln extra darauf hingewiesen. Aber nun war es zu spät. Er musste nun zusehen, wie er seinen Profit steigern konnte. Noch fehlten ihm aber jegliche Ideen.

Er seufzte und holte sein PADD heraus. Akribisch wie immer überprüfte er die Lieferung. Seine neuen Lieferanten waren zwar sehr günstig, aber nahmen es nicht immer so genau mit der Menge und der Qualität.

Plötzlich hielt er inne. Er hatte ein Geräusch gehört und wurde augenblicklich misstrauisch. Die vielen Jahre mit Odo hatten seine Vorsicht ins Extremste gesteigert. Und auch wenn er Odo schon seit Jahren nicht mehr gesehen hatte, waren seine Sinne immer noch geschärft.

Er wartete noch eine Weile, aber das Geräusch wiederholte sich nicht. Quark zuckte mit den Schultern und wandte sich wieder seiner Kontrolle zu. Nur wenige Sekunden später merkte er wieder auf. Das Geräusch hatte sich wiederholt. „Hallo? Ist da jemand?“, rief er ins Dunkle, aber erhielt keine Antwort. Aber er konnte leise Atemzüge hören. Er steckte sein PADD in die Weste und machte ein paar Schritte in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war. Auch wenn er kein mutiger Mann war, würde er den Teufel tun und seine Ladung irgendeinem Dieb überlassen.

Er zückte seinen Typ-1-Phaser, den er sich letztes Jahr besorgt hatte, seitdem vermehrt seltsame Gestalten auf der Station aufgetaucht waren. Leise schlich er zu den Containern, die im Halbdunkeln lagen. Nun konnte er eindeutig identifizieren, dass die unbekannte Person sich zwischen zwei Containern aufhielt. Er holte noch einmal tief Luft. Er hob die Waffe. Ein beherzter Schritt. Ein entsetzter Aufschrei. Die Person fiel zu Boden und hob abwehrend die Arme. „Gailan?“ Quark konnte es nicht glauben, als er die heruntergekommene Gestalt seines Cousins sah. „Quark, du musst mir helfen. Sie sind hinter mir her.“ Quark grinste, als ihm die 111. Erwerbsregel in den Sinn kam.