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Log 212

From PathfinderWiki

Undercover
Autor: Mark de Boer

Mark ging am Strand entlang. Er spürte den kühlen Sand zwischen seinen Zehen und hörte das leise Knirschen, wenn er seinen Fuß aufsetzte. Ein kühler, aber nicht unangenehmer Wind strich über sein Gesicht. Mark schloss die Augen und genoss den Moment. Er hörte die Wellen und das ferne Kreischen der Möwen, spürte die wärmende Sonne in seinem Rücken und fühlte sich in diesem Moment eins mit der Natur. „Mark…“ Er spürte seinen Namen mehr, als dass er ihn hörte. Er öffnete die Augen und drehte sich um. Er blickte gegen das Sonnenlicht und konnte nur die Silhouette eines Menschen auf dem Damm erkennen. „Mark…“ Wieder hörte er seinen Namen nicht, sondern spürte ihn in sich klingen, als hätte jemand die Saite einer Gitarre gezupft. Er nahm die Hände aus den Hosentaschen und ging auf die Person zu. Mit jedem Schritt wurde das Bild klarer. Es handelte sich um eine Frau. Als er sich ihr bis auf wenige Schritte genähert hatte, erkannte er sie: Annie! Er lief schnell auf sie zu und blieb vor ihr stehen. „Annie!“, kam es ihm mit leiser, fast schon brüchiger Stimme über die Lippen. Sie sah ihn an und ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. Sofort verspürte er die Wärme, die sich in seinem ganzen Körper ausdehnte. Er nahm die Frau in die Arme und küsste sie lange und intensiv. Er spürte ihren Körper, der sich an ihn drückte, spürte ihre Lippen auf seinen Lippen und war ein reiner Ball puren Glücks. Wenn er eben noch geglaubt hatte, er wäre im Paradies, so war dieser Moment das Paradies aller Paradiese. Nach einer süßen Ewigkeit lösten sich ihre Lippen voneinander. Er sah ihr in die Augen. „Oh, Annie. Wie ich das vermisst habe. Wie ich DICH vermisst habe.“, flüsterte er. Sie antwortete mit einem verführerischen Lächeln. Plötzliche spürte er, wie ihn innere Unruhe erfasste. Er fühlte, wie der Wind auffrischte und ihm rau ins Gesicht blies. Verwundert sah er nach unten, wo kleine Wellen seine Füße umspülten. „Was zum…“, murmelte Mark und sah nach oben. Ihm stockte der Atem. Eine riesige Welle rollte auf den Strand und die beiden zu. „Oh Gott!“, stammelte er. „Wir müssen hier weg! Schnell!“ Er fasste Annies Hand und wollte sie vom Deich ins Landesinnere ziehen. Aber sie blieb stehen. Nicht einen Millimeter hatte sie sich vom Fleck gerührt. „Annie! Komm, wir müssen weg! Wir können es schaffen!“ Er zog wieder, aber wieder bewegte sie sich keinen Deut. Er sah sie an und erschrak. Ihr lebendiges Lachen war verschwunden. An seine Stelle war eine starre Maske getreten. Er sah in glasige, traurige Augen. Mark stöhnte auf und stolperte zurück. Er fiel zu Boden. „Annie…“, ächzte er. Dann sah sie ihn an. Er spürte ihren toten Blick auf sich und wand sich vor innerlichen Schmerzen. Dann bewegten sich ihre Lippen. Eine kalte Stimme erklang in seinem Kopf, klirrend und schmerzvoll wie eine Gabel auf Porzellan. „Mark. Warum hast du mich verlassen?“ Tränen liefen ihm über das Gesicht. Er glaubte, sein Kopf würde explodieren. Seine Muskeln waren völlig verkrampft. „Warum hast du mich nicht gerettet?“ Mark wollte antworten, dass das nicht wahr war. Dass er nichts dagegen hatte tun können. Aber seine Gedanken waren zäh wie Honig. Sie wollten sich nicht in Worte verwandeln. Dann spürte er das Prickeln auf seiner Haut. „Nein!“, dachte er. „NEIN!“, schrie er. Aber kurz bevor die Welle ihn erreichte, löste sich seine Umwelt auf. Das letzte, was er sah, war Annie, die ihn vorwurfsvoll ansah, bevor sie von der Monsterwelle fortgespült wurde.

Augenblicke später fand er sich an Bord eines Shuttles wieder. „Schnell! Wir müssen sie finden!“, schrie er und stürmte zu einem der Terminals. Aber das war nicht aktiv. „Schnell! Scannen Sie den Bereich. Wenn wir schnell genug sind, können wir es schaffen, Annie zu retten!“ Aber der Pilot saß einfach nur in seinem Sitz und rührte sich nicht. Mark wurde wütend, griff nach dem Sitz des Piloten und drehte ihn um. Mit einem Schrei des Entsetzens stürzte Mark nach hinten. In dem Sitz saß ein alter Mann. Dem Verwesungszustand nach zu urteilen, war er bereits einige hundert Jahre tot. Aber dennoch konnte Mark erkennen, dass er selbst dieser Mann war. Er konnte sich vor Grauen nicht rühren. Ein Knacken im Com-Kanal riss ihn aus seiner Lähmung. Eine kalte, tote Stimme erklang. „Warum hast du mich im Stich gelassen, Mark?“ Purer Horror erfasste Mark und löschte jeden Gedanken aus. Er fing an zu schreien…

Mit einem erstickten Stöhnen fuhr Mark aus dem Bett hoch. Er atmete schwer und war schweißgebadet. Sein Herz raste, und er starrte minutenlang mit weit aufgerissenen Augen in die Dunkelheit. Dann aktivierte er ein schwaches Nachtlicht. Er schwang seine Beine aus dem Bett und saß vornüber gebeugt auf dem Bettrand. Seine Arme hatte er auf den Knien gestützt und vergrub sein Gesicht in den Händen. Ein Zittern erfasste seinen Körper und ein Schluchzen entrann seiner Kehle. Nach einigen Sekunden beruhigte Mark sich wieder. Er richtete sich auf und atmete mit geschlossenen Augen zwei-, dreimal tief durch. Dann sah er hinter sich aufs Bett, wo Tessa lag und schlief. Leise murmelte sie etwas und drehte sich vom Licht weg. Mark stand auf und ging ins Bad, wo er sich etwas kaltes Wasser ins Gesicht spritzte. Er blickte in den Spiegel und sah einen Mann mit Augenringen, dem das Entsetzen ins Gesicht geschrieben stand. „Scheiße…“, murmelte er und drehte dann den Hahn zu. Die Bilder seines Albtraums verschwanden langsam, aber viel zu langsam. Aber eines verschwand nicht. Annies kalte, tote Stimme, die ihn fragte: „Warum hast du mich im Stich gelassen, Mark?“

Er wusste, dass er keinen Schlaf mehr finden würde. Also ging er in sein Wohnzimmer und nahm eine Flaschen aus einem Regal. „Diesen Whiskey hatte ich eigentlich für besondere Stunden aufbewahrt.“, dachte er traurig. Dann stieß er ein humorloses Lachen aus. „Wenn das keine besondere Stunde ist, weiß ich es auch nicht…“, murmelte er und goss sich ein Glas halbvoll ein. Er nahm das Glas und blickte einen Moment in die goldene Flüssigkeit, dann leerte er das Glas in einem Zug. Wieder füllte er das Glas und trank es in einem Zug aus. Er setzte die Flasche erneut ans Glas, überlegte es sich dann aber anders. Er nahm einen tiefen Schluck direkt aus der Flasche. Mark setzte sich und seufzte schwer. Wieder nahm er einen kräftigen Schluck. Er fühlte, wie der Whiskey sich in seinem Inneren in Wärme verwandelte. „Verdammter Mist!“, fluchte er leise in sich hinein. „Warum hab ich nur den Rat vom Counselor befolgt?“, dachte er missmutig und nahm einen weiteren Schluck. Der Alkohol und die bleierne Müdigkeit entfalteten langsam ihre Wirkung, so dass sich seine Gedanken unbeeinflusst auf Wanderschaft begeben konnten. Er erinnerte sich an die ersten Sitzungen mit der neuen Counselor Preja, nachdem Silverdale auf diesem verdammten Planeten umgekommen war. Vor einiger Zeit hatte sie dann den Vorschlag gemacht, er solle doch einfach mal seiner alten Heimat einen Besuch abstatten, um so mit der Vergangenheit abzuschließen und ein neues Leben in der Gegenwart anfangen zu können. Mark hatte sich darauf eingelassen und hatte Landurlaub genommen, um sich seine holländische Heimat anzusehen, wie sie jetzt aussah. Zunächst hatte es auch gut geklappt. Es hatte sich alles total verändert. Kaum etwas erinnerte ihn noch an den Stil, den die Häuser zu seiner Zeit gehabt hatten. Dann aber war er auf eine alte Gedenktafel gestoßen, die der Tausenden von Opfern einer ungeheuren Überschwemmung gedachte. Zurück auf dem Schiff hatte er weitere Nachforschungen betrieben. Das Ergebnis gefiel ihm gar nicht. 2112, ein knappes Jahr nach seinem Verschwinden in die Zukunft, war eine Methaneisplatte in der Nordsee abgerutscht und hatte einen Tsunami mittlerer Größe ausgelöst. Die Dämme an der Küste waren dieser Riesenwelle nicht gewachsen, so dass die kompletten Niederlande sowie weite Teile West- und Norddeutschlands davon überrollt wurden. Es gab unsagbar viele Tote. Seine Familie war zu der Zeit gerade unterwegs, so dass sie die Tragödie überlebt hatten. Aber Annie hatte zu den Opfern gehört. Sie war wie so viele von der Welle im Schlaf überrascht worden und im Bett ertrunken. Er erinnerte sich noch an den Schmerz und die kalte Ohnmacht, die ihn übermannt hatte. Das Schlimmste aber war die Erkenntnis, dass sie den Tsunami überlebt hätte, wenn er nicht verschwunden wäre. Sie hatten lange für einen Trip durch Asien gespart. Die Reise sollte 2112 stattfinden, wenn sie genug Geld zusammen hatten und er das Projekt abgeschlossen hatte. Mark machte sich große Vorwürfe. Die Logik sagte ihm, dass er keine Schuld an Annies Tod trage, aber seine Seele sagte etwas anderes. Nun wurde er jede Nacht von diesem Albtraum heimgesucht. Jede Nacht wurde er mit Schrecken wieder wach und konnte anschließend nicht wieder einschlafen. So lag er stundenlang im Bett, starrte an die Decke und versuchte, das Bild der toten Annie aus seinem Traum aus seinem Kopf zu verdrängen, das sich dort eingenistet hatte. Mark seufzte. „Wenigstens hat sich Preja einige weitere Behandlungsstunden gesichert.“, dachte er sarkastisch. „Mal sehen, was sie beim nächsten Mal dazu zu sagen hat.“ Er nahm einige weitere Schlucke aus der Flasche und legte sich auf das kleine Sofa. Er spürte den Alkoholrausch und, wie die Müdigkeit ihn übermannte. Wenigstens hatte der Alkohol seinen Albtraum vertrieben. Heute Nacht würde er wieder einschlafen, aber er wusste, dass es kein erholsamer Schlaf werden würde…


„Also ich muss sagen, das ist der beste Auftrag seit langem.“ Lew saß lässig in der Ecke der schummrig beleuchteten Bar, die sich in dem Zivilkomplex großer Beliebtheit erfreute. Es gab nur wenige freie Plätze, und die Kellnerinnen waren eifrig damit beschäftigt, die Bestellungen entgegenzunehmen, Getränke zu bringen und sich der Avancen einiger Gäste zu erwehren. „Irgendwie schon.“, stimmte Mark zu, während er der aufreizend gekleideten Sängerin auf der Bühne zusah, die mit vollem Körpereinsatz Songs aus dem halben Quadranten vortrug. „Allerdings ist es nur mäßig schmeichelhaft, dass der Captain uns am ehesten zutraut, dass wir Kontakt zu Schmugglern aufbauen können.“ Lew lachte leise und nahm einen Schluck seines Bieres, während er seinen Blick über die Menge streifen ließ. „Ich habe eben nicht gerade eine weiße Weste, und du hängst einfach zu viel mit mir rum. Das färbt ab. Aber wenn ich mir einige Gestalten hier so ansehe, sind wir absolute Chorknaben. Ich glaube, hier gibt es mehr Knastjahre, als wir alt sind.“ Lew grinste breit und ergänzte: „Na ja, jedenfalls als ich alt bin. Bei dir weiß ich das nicht so genau.“ Mark brummte nur etwas Unverständliches, trank aus und stand auf. „Was ist los?“, fragte Lew irritiert. „Ich brauch frische Luft.“ Ohne ein weiteres Wort schnappte sich Mark seine Jacke und ging hinaus.

Vor der Tür atmete er tief durch. Auch wenn die Luft in dem Schuppen wirklich nicht gut war, so war das nicht der wirkliche Grund für seine Flucht. Der Schlafmangel der letzten Wochen zehrte an seiner Substanz. Er fühlte sich müde und war gereizt und unkonzentriert. Gestern war er sogar so erschöpft gewesen, dass er sich heimlich eine Dosis Omega-Adrenalin verpasst hatte, als er in seinem Fighter saß. Er wusste, dass er sich auf einem gefährlichen Weg befand, wenn dies zur Gewohnheit werden sollte. Aber das Gefühl war wirklich erhaben gewesen. Und genau das hatte er in dem Moment gebraucht. Er versuchte zwar, sich nichts von seinen Problemen anmerken zu lassen, aber er konnte an der Art, wie Tessa ihn manchmal ansah, erkennen, dass ihm das nicht immer gelang. Er würde einiges mit Preja zu besprechen haben nächste Woche. Und dann würde er auch mit Tessa reden und ihr erklären, was derzeit mit ihm los war.

Während er seinen Gedanken nachhing, war er ziellos umhergelaufen und mal diesem, mal jenem Weg gefolgt. Ihm war völlig entgangen, dass er sich so von den Hauptpassagen entfernt hatte. Als er jetzt aufsah, fand er sich vor einer Gasse wieder, die im Zwielicht lag.

Marks Sinne regten sich und schlugen Alarm. Er konnte zwar nichts erkennen, hatte aber das ungute Gefühl, dass er nicht alleine war. Schnell trat er an die Wand und in den Schatten. Auch wenn er sich nicht sicher sein konnte, dass alles nicht bloße Einbildung seiner überreizten Nerven war, so ging er lieber auf Nummer sicher. Er wartete eine Weile und wollte schon sein Versteck verlassen, als aus der Gasse zwei Hünen heraustraten und mit schnellem Schritt davongingen.

Er blieb einige weitere Sekunden im Schatten und überlegte. Irgendwas sagte ihm, dass die beiden alles andere als koscher waren. Er beschloss, den Männern zu folgen. Er ließ einen gebührenden Abstand zu den beiden, aber bei deren Statur fiel es ihm leicht, sie nicht aus den Augen zu verlieren. Und so folgte er den beiden durch diverse kleinere Gassen in größere Gänge. Er konzentrierte sich, um nicht entdeckt zu werden, aber auch um sich nicht zu verirren. Dieser ganze Komplex war ihm noch nicht wirklich vertraut. Die Riesen bogen schließlich in einen Hinterhof ab. Mark lief an dem Eingang vorbei und hatte im Vorübergehen die kurze Gelegenheit, die Gesichter der Männer zu erkennen, als ihnen jemand eine Tür öffnete und so Licht auf deren Gesichter fiel.

Mark atmete überrascht ein und lief schnell weiter, bevor er noch entdeckt werden konnte. Er war sich sicher, dass er eine heiße Spur hatte.


Mark war todmüde. Er hatte dem Ermittlerteam zwei Stunden Rede und Antwort gestanden. Captain Alizondo und Captain Andersson sahen nicht minder geschafft aus. McBride hatte die beiden geradezu herbeordert, und zumindest Andersson hörte sich dabei so an, als sei er gerade aus dem Schlaf geklingelt worden. Einzig Lew saß betont gelangweilt in seinem Stuhl. Ihm machte es offenbar mehr aus, dass er nicht mehr in der Bar sitzen konnte. Jon Savarro sah den Niederländer prüfend an. „Interessant. Ich fasse zusammen: Sie haben also einen Nausikaaner und einen Orioner beobachtet, die aus einer Gasse gestürmt sind. Sie sind ihnen quer durch den Zivilkomplex gefolgt und haben dann beobachtet, wie sie ein Gebäude in einem Hinterhof betraten?“ Mark nickte, worauf Allister McBride übernahm. „Und Sie sind sich sicher, dass die beiden zu den Schmugglern gehören?“ „Nein, sicher natürlich nicht. Sie haben sich auffällig verhalten, mehr nicht. Aber die Nausikaaner und auch die Orioner sind dafür bekannt, dass sie nicht gerade gesetzestreu sind. Sie schmuggeln, morden, rauben, zerstören. Also in meinen Augen ist das zumindest eine Spur.“ „Da sprechen aber eine Menge Vorurteile aus Ihnen, Lieutenant. Das passt nicht gerade zu einem Sternenflottenoffizier.“, rügte Captain Andersson. „Trotzdem würde ich Ihren Piloten zustimmen, Captain.“, entgegnete McBride. „Es mag ein Zufall sein, dass wir an einem Ort, an dem wir nach Schmugglern suchen, einen Nausikaaner und einen Orioner finden. Aber ich denke, es ist tatsächlich eine Spur, der wir nachgehen sollten. Zumal unsere bisherigen Befragungen nicht viel erreicht haben. “ Er wandte sich an Mark. „Würden Sie die Gasse und den Hinterhof wiederfinden, Lieutenant?“ „Ich denke schon. Ich kann Ihnen auf einer Karte zeigen, wo es war.“ „Das war nicht ganz das, was ich meinte. Bitte nicht falsch verstehen… Sie haben scheinbar ein Näschen dafür, wo etwas Krummes gedreht wird, Mister de Boer. Wir hätten Sie gerne weiterhin vor Ort.“ „Ich muss widersprechen, meine Herren.“, schaltete sich Garrick ein. „Wir hatten abgesprochen, dass Undercover-Einsätze meiner Besatzung allein durch mich befehligt werden.“ „Captain. Wir sprechen hier nicht von einem Undercover-Einsatz. Lieutenant de Boer und Lieutenant Sulik werden nirgends eingeschleust. Wir wollen lediglich, dass sie weiterhin im Zivilkomplex die Augen offen halten und nach unseren beiden Verdächtigen sehen. Sie sollen nicht eingreifen, nur observieren.“ Der lange Däne schwieg einen Moment und dachte nach. Schließlich seufzte er hörbar. „Okay. Unter diesen Bedingungen stimme ich einem Einsatz zu. Lieutenants de Boer und Sulik, da Sie beide ohnehin gerne mal obskure Orte aufsuchen, dürften Sie sich dort sehr wohl fühlen. Aber eines stelle ich klar: Sie halten sich aus Schwierigkeiten heraus. Wenn Sie etwas entdecken, informieren Sie uns. Sie werden keine Kamikaze-Aktionen fahren. Ist das klar?“ Savarro nickte zufrieden. „Da wir das geklärt haben, lassen Sie uns die Details Ihres Einsatzes besprechen.“


„Privates Logbuch Mark de Boer, Sternzeit 61936.0.

Neun Nächte habe ich mir jetzt schon um die Ohren geschlagen, ohne diesen Nausikaaner oder Orioner nochmal zu Gesicht bekommen zu haben. Das Ganze ist in meinen Augen ohnehin die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Ich habe mich immer wieder in die Nähe der Gasse und des Hinterhofs begeben. Allerdings achte ich darauf, nicht zu sehr aufzufallen und mich nicht zu lange dort aufzuhalten. Aber scheinbar sehe ich derzeit fertig genug aus, so dass ich nicht als totaler Fremdkörper angesehen werde.

Unabhängig von meinem Auftrag ist es aber schon erschreckend, wie schnell sich hier eine Parallelwelt mit kriminellen Zweigen gebildet hat. Dieser Auftrag hat aber auch Auswirkungen auf meine Beziehung zu Tessa. Unsere Dienstpläne sind verschoben, so dass ich sie kaum noch zu Gesicht bekomme. Ich habe ihr gesagt, dass es sich um einen Auftrag handelt, darf ihr aber mehr nicht verraten. Ich bin mir nicht sicher, wie lange sie sich noch damit zufrieden gibt. Ich befürchte, ihre Skepsis steigt, denn gestern hat sie mir gesagt, dass sie mich und Lew gesehen hat, wie wir in den zivilen Bereich gegangen sind. Wenn wir nicht bald ein Ergebnis erzielen, werde ich Captain Andersson bitten, mich abzuziehen. Ich werde mein Privatleben nicht irgendeiner Ermittlung opfern.

Mark de Boer Ende.“


Lew saß in seinem Lieblingssessel in der Bar und trank genüsslich sein Bier. „Also diese Bar gefällt mir sehr. Und ich hoffe, dass wir hier noch ein wenig unserem Auftrag nachgehen können.“ „Ich glaube schon. Wir haben die beiden nicht mehr gesehen. Wer weiß, ob sie überhaupt noch da sind. Also schauen wir einfach weiter.“ „Wen suchen Sie denn? Mich vielleicht?“ Vor ihnen stand eine Frau, die Mark auf Mitte 30 schätzte. Ihrer Aufmachung nach zu urteilen, arbeitete sie nicht in der Bar. Sie war zwar elegant, aber gleichzeitig zu aufreizend gekleidet, als dass sie hier einfach nur ein Gast sein konnte. Ihre Haut hatte einen warmen Bronzeton mit etwas dunkleren Flecken vom Haaransatz an ähnlich einem Trill. Leichte Knochenwülste akzentuierten ihr Gesicht. Mark sah seinen Freund kurz an, der andeutungsweise die Schultern zuckte. Er stand auf und bot der Unbekannten einen Platz an. „Leider nein, denn dann wäre unsere Suche jetzt zu Ende.“ Die Frau nickte ihm lächelnd zu und setzte sich. Sie stellte sich als Viviane vor. Als eine Kellnerin an den Tisch kam, bestellte sie einen Altairianischen Grand Premier und wartete, bis sie wieder alleine waren, bevor sie das Wort ergriff. „Sie sind seit einigen Tagen regelmäßig hier. Davor habe ich sie nie gesehen. Was treibt sie denn hierher?“ „Oh wir waren schon ab und zu mal hier, aber sehr selten. Wir hatten viel damit zu tun, unser Schiff wieder aufzubauen. Was macht denn eine Frau wie Sie hier in dieser Bar?“ Viviane zog die Augenbrauen hoch. „Sie kommen von der Katana? Wie aufregend.“ Sie legte eine Hand auf Marks Arm. „Wie ist es so in den anderen Universen? Gibt es dort auch so viele verschiedene Rassen?“ „In den meisten Universen schon. Aber wir haben auch schon Universen besucht, in denen es nur Menschen gab und Androiden. Es ist immer sehr interessant.“ Mark zögerte ein wenig, warf Lew einen Blick zu und entschloss sich zu einem Wagnis. „Und es gibt dort so viele interessante Dinge. Kunst, Schmuck, Alltagsdinge, sogar Kleidung.“ Er griff in seine Hosentasche, holte eine Münze heraus und ließ sie spielerisch durch die Finger gleiten. „Oder solche Münzen. Hier könnte man ganze Museen mit diesen Dingen füllen. Jedem Sammler würde das Herz aufgehen.“ Viviane warf einen interessierten Blick auf die Münze. „Das glaube ich gerne. Aber es dürfen aktuell ja keine Händler durch das Wurmloch. Also gehen die Sammler wohl leer aus.“ „Ja, so scheint es wohl.“ Es trat ein kurzer Moment der Stille ein. Viviane trank ihren Champagner aus und stand auf. „Ich muss leider wieder los. Es war mir ein Vergnügen, Sie beide kennengelernt zu haben. Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder. Vielen Dank für den Champagner.“ Sie drehte sich um und verließ die Bar.

Die beiden Männer sahen ihr hinter. „Wow!“, entfuhr es Mark. „Allerdings. Wirklich eine Klassefrau. Aber im Flirten bist du echt eine Niete. Hättest du mich mal lieber rangelassen. Da wäre mehr bei rausgekommen.“ Mark boxte Lew auf den Oberarm. „Du bist mit Natalie zusammen. Vergiss das nicht!“ Lew rieb sich den Oberarm und schimpfte los. „Ach, und was ist mit Tessa? Du darfst also?“ „Quatsch. Wie du ja schon festgestellt hast, habe ich nicht mit ihr geflirtet. Ich hatte das Gefühl, sie war nicht zufällig an unserem Tisch. Wir waren wohl auffällig genug. Sie wollte herausfinden, wer wir sind. Also habe ich einfach mal eine Fährte gelegt. Jetzt warten wir ab, ob es zu etwas führt.“ Lew nickte nachdenklich. „Ach, ich hab mich schon gewundert. Und woher hast du diese Münze? Du hast doch wohl nicht selbst irgendwas aus den anderen Universen mitgenommen?“ „Quatsch. Das ist eine Münze aus den Niederlanden aus meiner Zeit, die ich ständig mit mir rumschleppe. So eine Art Talisman. Ich habe einfach nur gepokert. „ Er grinste Lew an, der zurückgrinste. „Trink aus, heute passiert hier nichts mehr. Ich will nach Hause. Vielleicht ist Tessa noch wach.“