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Holodeck-Geplänkel
Autor: Lew Sulik
Autor: Mark de Boer

„Das ist also dein neues Projekt, über das du vorhin im Hangar nicht reden wolltest.“ Lew hob den Kopf. Er hatte tief konzentriert an seinem Holodeck-Segelflugzeug gearbeitet und suchte nun irritiert die Quelle der Stimme im Flugzeughangar. In der fast leeren Halle hatte die Stimme zahlreiche Echos geworfen und so war der unerwartete Besucher für Ihn zunächst nicht zu lokalisieren. Dann trat Natalie um das Segelflugzeug herum und strich mit den Fingerspitzen über die Hülle, was Lew mit einem Stirnrunzeln registrierte.

„Natalie. Mit dir hätte ich gar nicht gerechnet...“, murmelte Lew halblaut und mehr zu sich selber als an die Technikerin gerichtet. Er klappte das Verdeck des Cockpits zu und das metallische Klicken des Verschlusssystems hallte im Hangar. Natalie ging weiter um den Bug herum und während sie das Flugzeug musterte sagte sie etwas schelmisch: „Nun ja, deine Geheimhaltung heute hat mich neugierig gemacht. Und du weißt ja, wie wir Frauen sind…“, Sie zwinkerte ihm zu. „Ich musste es mir einfach ansehen.“

„Ah, okay…“, entgegnete der Staffelführer, denn eine bessere Antwort viel ihm spontan nicht ein. Die junge Technikerin hatte so eine Art an sich, die so ganz anders war als er es von anderen Frauen gewohnt war. Er wusste manchmal nicht so recht, wie er adäquat auf ihre geradezu nassforschen Bemerkungen reagieren sollte. Dann deutete er mit einer laxen Handbewegung auf den Flieger neben sich und mit einem seufzen erklärte er: „Da bist du aber noch zu früh dran, die Kleine hier ist immer noch nicht so weit.“

Natalie musste unwillkürlich schmunzeln. Es war mal wieder absolut typisch für einen männlichen Piloten, seine Flugmaschine einen weiblichen Kosenamen zu verpassen. Dies war auffällig bei dieser Sorte Mann und sie konnte dies nicht so recht nachvollziehen. Als Technikerin war sie der festen Überzeugung, ein Flugapparat könne nur männlich sein: Im Grunde einfach zu durchschauen, wenn man das Prinzip einmal verstanden hatte.

Lew warf ein Werkzeug mehr oder weniger bewusst lässig auf einen nahestehenden Werkzeugwagen samt Computerterminal und gab etwas resigniert von sich: „Ich hatte gehofft, heute die Taufe begehen zu können, aber irgendwie stimmt da die Feinjustierung noch nicht.“ Natalie horchte auf. „So? Vielleicht kann ich ja helfen.“. Dann grinste sie ihn an. „Schließlich bin ich ja Technikerin. Was ist es denn?“ Lew zögerte einen Moment. Er hatte die letzten Wochen immer wieder an dem Flugzeug gearbeitet, hatte mühsam jede Information zusammengetragen, die er benötigte und hatte anschließend jeden Handgriff selbst ausgeführt. Es war SEIN Baby. Und es widerstrebte ihm ein wenig, jetzt jemanden zu Hilfe zu holen. Es wäre sicherlich einige Male einfacher gewesen, jemanden darum zu bitten. Aber er hatte es bisher komplett alleine geschafft. Er wollte jetzt nicht damit anfangen, sich helfen zu lassen. Er sah Natalie an und stockte. Sie stand vor dem Flieger, kaute erwartungsvoll an ihrer Unterlippe und blickte ihn mit großen Augen an, die jedem Hundewelpen alle Ehre gemacht hätten. ‚Mann! Wie ich das hasse! Aber so, wie sie mich ansieht, kann ich jetzt unmöglich ‚nein‘ sagen‘, dachte Lew halb verärgert, halb verzweifelt. Auch wenn ihm noch einige halbseidene Ausreden durch den Kopf schossen, er gab auf und überlegte dann: ‚Sie sieht ja schon ziemlich niedlich aus. So gesehen bekomme ich Hilfe und noch etwas fürs Auge. Also warum eigentlich nicht?‘

„Na gut.“, meinte er dann, versuchte aber nicht allzu viel Hoffnung in die Stimme zu legen. Er wollte vermeiden, dass er zu hilflos auf sie wirkte. Natalie strahlte daraufhin und ging auf den Werkzeugwagen zu und betrachtete die Abbildungen auf den Computerterminal. Lew zeigte auf einige Bilder und Diagramme und begann: „Bei den Simulationen scheint alles in Ordnung, aber bei den Testflügen reagiert das Flugzeug ganz unruhig. Es ist wie ein starkes Vibrieren das den ganzen Rumpf durchzieht.“ Er brach für einen Moment ab und drehte sich zum Flugzeug um und fuhr fort: „Ich habe zuerst gedacht, es läge an einer falschen Berechnung für die Trimmung oder ein Defekt bei den Tragflächen. Aber damit scheint alles in Ordnung.“ „Kennst du dich mit Segelfliegen aus?“, fragte die junge Technikerin nach: „Das Fliegen in der Atmosphäre ist ein anderes als mit einem Shuttle oder einem der Attack-Fighter.“„Das ist mir schon klar…“, erwiderte Lew etwas beleidigt und mit einem etwas zu aggressivem Unterton, wie er kurz danach selber feststellte. Aber er versuchte das zu übergehen, in dem er schnell weitersprach: „Ich bin schon als Jugendlicher mit so etwas geflogen. Mir liegt das Fliegen im Blut!“

Natalie legte die Stirn in Falten. ‚Hui, da hab ich wohl einen wunden Punkt getroffen.‘, dachte sie still und erwiderte: „So war das ja auch nicht gemeint. Ich wollte nur sichergehen, dass du von den richtigen Voraussetzungen ausgegangen bist.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Hast du irgendwelche Daten von den bisherigen Flügen?“ „Ja, es ist alles noch gespeichert.“, Lew tippte einige Male auf das Terminal ein und weitere Diagramme erschienen. Er selbst schaute nicht mehr genau auf die Skalen und Zahlen, hatte er diese doch schon hunderte Male verzweifelt angeschaut. Natalie jedoch runzelte die Stirn und starrte konzentriert auf den Bildschirm. Dann meinte sie: „Die Vibrationen fangen schon bei 80 Kilometern pro Stunde an?“ „Ja, und das viel zu stark für diese Geschwindigkeit.“, erklärte Lew und verlor etwas in Fliegerlatein als er ausschweifender wurde: „Noch nichts gefährliches, aber je schneller man fliegt, umso schwieriger wird es den Kurs zu halten. Bei Kurvenflügen muss ich sogar aufpassen, dass mir das Baby nicht ausbricht.“ „Hört sich für mich ja so an, als ob beim Luftwiderstand etwas nicht stimmt.“, die Technikerin rief auf dem Computer einige technische Zeichnungen des Gleitflugzeuges auf und betrachtete die Skizzen. Mit einem weiteren Befehl erschienen die Ergebnisse vom virtuell simulierten Windkanal. Einige Sekunden später korrigierte sie sich: „Aber was die Stromlinienform betrifft, hast du wirklich alles richtig berechnet.“

„Sag ich doch!“, antwortete Lew genervt und beinahe verärgert. Doch er kam nicht dazu noch etwas Weiteres zu sagen, denn dann drehte sich Natalie zum Flugzeug um und meinte dann: „Aber sag mal, was für ein Material hast du denn für den Rumpf verwendet?“ „Na ein Faserverbundwerkstoff.“ „Ja schon, aber welcher?“ „Ein relativ neuer. Nennt sich Melotonix-B320-Y.“, war schließlich Lews Antwort und Natalie drehte sich augenblicklich zum Computerterminal um. Schweigend rief sie weitere Dateien auf, führte mehrere Berechnungen durch bis sie verkündete: „Ich hab‘s… das Material ist für deine Konstruktion ungeeignet. Der Rumpf ist auf der gesamten Längsachse für die auftretenden Kräfte nicht stabil genug. Melotronix-B320-Y ist für diese Zwecke zu elastisch, darum die Vibrationen.“ „Aber ich habe das den Computer doch alles durchrechnen lassen!“, widersprach der Anführer des Squadrons energisch, fühlte er sich doch ein wenig in seiner Ehre gekränkt. Doch Natalie, als Technikerin nun voll in ihrem Element, nahm darauf keine Rücksicht und erklärte weiter: „Deine Kalkulationen gehen von Meltronix-B315-Z aus. Der ist etwas schwerer und nicht so leicht zu verarbeiten, dafür aber stabiler. Du hast wohl während der Konstruktion entschieden, das Material zu wechseln?“

Lew öffnete den Mund und schloss ihn wieder. „Ja, ich glaube schon…“, gab er kleinlaut zu: „Ich dachte, dass der B320 der Nachfolger vom B315 ist und sich genauso verhält.“, meinte er zerknirscht und ärgerte sich nun, dass er in diesem Punkt so unachtsam gewesen ist. Doch Natalie lächelte und zuckte mit den Schultern: „Mach dir nichts draus. Das hätte jedem passieren können. Diese beiden Verbundwerkstoffe sind sich in ihren Eigenschaften ziemlich ähnlich. Der Unterschied liegt wirklich im Bereich von ein paar Zahlen hinter dem Komma. Aber diese Nuancen sind letztlich doch sehr entscheidend.“

„Und was nun?“, fragte Lew nun ratlos. Die Technikerin der Staffel zuckte wieder mit den Schultern: „Eigentlich ganz einfach. Entweder du konstruierst den Rumpf komplett neu und passt ihn so an das Material Melotronix-B320-Y an. Oder du verwendest stattdessen einfach den B315er.“ „Dann lieber das Letztere!“, erwiderte Lew augenblicklich, dem es widerstrebte mit der Konstruktion wieder ganz von Vorne anzufangen. Schließlich hatte sehr viel Wert auf die Flugeigenschaften durch die Konstruktion des Rumpfes gelegt. Dies wollte er nicht wieder völlig umkrempeln. Natalie machte eine ausladende Handbewegung und meinte: „Kein Problem. Auf dem Holodeck ist das ja kein allzu großer Aufwand. Lass den das Holodeck einfach das Material austauschen und fertig.“ „NEIN!!!“, rief Lew fast entsetzt aus, so dass Natalie augenblicklich zusammenzuckte. „Nein.“, fuhr er dann wieder ruhiger fort, nachdem er sich für seinen emotionalen Ausbruch beinahe schämte beim Anblick ihres erschreckten Gesichtsausdruckes: „Ich habe alles selbst mit der Hand zusammengebaut, und das soll auch so bleiben. Wenn es mir nur um das Fliegen selbst gegangen wäre, hätte ich das alles einfacher haben können. Dann hätte ich den Computer alles gleich fix und fertig generieren lassen“ „Okay okay“, versuchte Natalie ihn wieder zu beruhigen und bot an: „Ich kann dir ja helfen wenn du möchtest.“ „

Lew stockte kurz. Eigentlich sollte es ja sein eigenes Projekt werden, und er wollte schon ablehnen. Aber dann gingen ihm wieder ähnliche Gedanken durch den Kopf wie vor einigen Minuten. Er sah Natalie an, die ihn erwartungsfroh anlächelte. ‚Verdammt. Sie sollte für diesen Blick einen Waffenschein tragen!‘, dachte er. „Okay, ein wenig Hilfe kann ja nicht schaden. Und ohne dich hätte ich noch Jahre nach dem Fehler gesucht.“, stimmte er schließlich zu, aber Natalie hatte noch etwas anzumerken: „Aber wenn du erlaubst… ich würde trotzdem den Bug in deiner Konstruktion etwas verstärken und das Cockpit leicht verändern…“ „Wieso?“, fragte Lew verwundert nach: „Ich dachte die Konstruktion wäre sonst in Ordnung?“ „Ja, es ist ja auch nur ein kleiner Schönheitsfehler?“, meinte sie etwas übertrieben tadelnd und Lew hakte fast genervt nach: „Was denn nun?“ „Deine Konstruktion ist ein Einsitzer…“, erklärte Natalie mit einem verschmitzten Lächeln und verkündet frech fordernd: „...aber ich möchte mitfliegen, wenn ich dir schon helfe…“

„Also doch eine Konstruktionsänderung…“, kommentierte Lew trocken der bei der Sache schon lange keinen Spaß mehr verstand. Als Natalie endlich erkannte, dass er ihre Aussage nicht als Scherz aufgefasst hatte, lachte Sie und korrigierte schnell: „Ich meinte nur, wir sollten später – wenn sich dieser Entwurf bewährt hat - einfach auf dieser Basis einen Zweisitzer konstruieren. Ich würde schließlich auch mal gerne wissen wie das ist, so ganz ohne Antriebssystem zu fliegen.“ „Es ist die herrlichste Art zufliegen die man sich überhaupt vorstellen kann.“, fing Lew sofort an zu schwärmen: „Man spürt von Anfang an förmlich am ganzen Körper den Auftrieb den die Tragflächen wie von selbst erzeugen. Keine störenden Geräusche eines Antriebssystems. Nur der Wind der einen umweht und die Thermik die einen trägt. Dieser Art zu fliegen kommt denen eines Vogelflugs am Nächsten. Es ist ein unbeschreibliches Erlebnis wenn du zusammen mit einem Habicht in der gleichen Thermik immer weiter in die Höhe kurbelst, als würdet ihr um die Wette fliegen.“

Die junge Technikerin traute sich beinahe nicht ihn zu unterbrechen, so sehr machte er einem faszinierten und abwesenden Eindruck, während er vom Gleitflug in einer Atmosphäre erzählte. Doch dann nutzte sie eine kurze Pause die er machte und riss ihn dann doch aus seiner Faszination: „Das hört sich wunderbar an. Aber bis es mal soweit ist, ist an deinem Flugzeug glaub ich noch einiges zu tun…“ „Das fürchte ich auch…“, kommentierte er dann etwas resigniert. Für diesen Tag war seine Holodeck-Zeit so gut wie aufgebraucht, weshalb die Sache vorerst wieder verschieben musste. Auch die Halbschalenbauweise für die er sich entschieden hatte, nahm ihre Zeit in Anspruch und erforderte zu Weilen auch die helfenden Hände von holographischen Mitarbeitern. Vor seinem inneren Auge sah er schon, wie er erneut mit dem Zuschneiden und laminieren des Faserverbundwerkstoffes begann. Lew meinte dann sarkastisch lächelnd: „Weißt du, was das Bescheuertste ist? Ich schleppe nun schon zum vierten Mal den Sekt für die Taufe zum Holodeck. Und das völlig umsonst.“ Natalie sah ihn an. „Wo hast du den denn überhaupt?“ „Im Werkzeugwagen, unten rechts die große Tür.“

Natalie ging zu dem Wagen und entnahm eine große Flasche: „Wow. Wolltest du damit den Segelflieger taufen oder waschen? Die ist ja riesig.“ Dann grinste sie Lew an: „Aber wir müssen den Sekt ja nicht verschwenden. Immerhin haben wir das Problem gelöst, das ist ja auch ein Grund zum Feiern!“ Und noch ehe Lew irgendwas erwidern konnte, hatte sie die Flasche auch schon geöffnet. Sie goss den Alkohol in zwei Holo-Gläser, die sie vom Computer hatte materialisieren lassen, und gab eines davon Lew. Sie stießen an. „Auf dein Projekt, Lew.“ „Na ja, jetzt kann man wohl von unserem Projekt sprechen.“, erwiderte Lew und nahm einen kräftigen Schluck. Soweit er das beurteilen konnte, war es ein ganz passabler Sekt. Das schien Natalie ähnlich zusehen denn sie meinte, nachdem sie am Glas genippt hatte: „Eigentlich ist der fast zu schade um ihn über ein Flugzeug auszuschütten.“ Lew lachte und bestätigte, bevor er einen weiteren Schluck nahm: „Tja, in dem Fall baden wir besser unsere Kehlen darin.“

Natalie kicherte und zog ihre Uniformjacke aus die sie an den Werkzeugwagen hing. Lew beobachtete das Ganze mit verstohlenen Blicken. ‚Das Shirt betont ihre Figur bestens‘, musste er sich eingestehen: ‚Komisch, dass mir das zuvor nie aufgefallen ist.‘. Sie setzte sich auf einen Schemel vor dem Flugzeug und schenkte sich und Lew ein weiteres Mal von dem schäumenden Getränk ein. Während dessen fragte sie den passionierten Segelflieger: „Hat dein…Baby…denn schon einen bürgerlichen Namen?“ Lew zog sich eine etwas größere Kiste heran um sich neben Natalie zu setzen. Er griff nach dem ihm dargebotenen Glas und entgegnete: „Wieso denn? Baby reicht doch vollkommen?“ „Oder meintest du vielleicht Babe?“, grinste sie frech und Lew überlegte kurz bis er entgegnete: „Na ja, Sugar Baby wäre noch eine Option.“ Lachend stießen sie wieder an und dieses Mal trank auch Natalie weniger zaghaft.




„Ich glaub es wird Zeit zu gehen.“, meinte Natalie Bardal wenig entschlossen und kaum überzeugend. Sie blieb noch einige Zeit sitzen und schaute, leicht schwindelig, ihr Gegenüber an. Dann grinste sie breit, völlig grundlos wie ihr auffiel. Lew erwiderte das mit einem Lächeln und antwortete: „Na, etwas Holodeckzeit habe ich noch.“ „Ja. Aber ich muss jetzt wirklich gehen. Tut mir leid.“, war ihre prompte Reaktion, worauf sie dieses Mal auch schnell aufstand. Sie schwankte leicht und versuchte sich am Werkzeugwagen festzuhalten. Dieser gab augenblicklich nach und rollte einige Zentimeter davon, wodurch sie ihre Stütze verlor und zu taumeln begann. Lew sprang instinktiv auf und hielt sie fest, wodurch er gerade noch ihren Sturz verhindern konnte. Zunächst hing sie unsicher in seinem linken Arm, bis sie sich durch seine Hilfe wieder aufgerichtet hatte. Nun standen sich beide ganz nah gegenüber, fast wie bei einer Umarmung. Lew spürte ihre Körperwärme und wie ihre Brüste seinen Oberkörper berührten.

„Ich glaube, ich müsste jetzt so etwas sagen wie: Oh mein Retter!“, kicherte sie unsicher und versuchte angestrengt nicht in seine Augen zu schauen. Doch dann trafen sich ihre Blicke, worauf ihr Kichern wieder verstummte. Unwillkürlich, ohne dass sich einer von beiden hätte wehren können nährten sich ihre Lippen. ‚Das darf doch jetzt nicht wahr sein!‘, schoss es ihr noch durch den Kopf, dann küssten sie sich bereits und alle Gedanken und Zweifel verstummten für einen kurzen Moment. Ihre zaghaften Berührungen wurde zu einer Umarmung und die Küsse intensiver. Doch nach ein paar Sekunden meldeten sich ihre inneren Stimmen wieder. ‚Was zum Teufel machst du da eigentlich‘, hämmerte ihr schlechtes Gewissen ihr immer wieder ein. Plötzlich folgte sie ihrer inneren Eingabe und löste sich ruckartig aus seinen Armen und stammelte verlegen: „Ich glaube… das ist keine gute Idee…“.

Damit drehte sie sich schnell um und verließ den völlig verdutzten und sprachlosen Lew mit schnellen Schritten, wobei sie mit einem knappen Befehl vom Computer den Ausgang verlangte. Als dieser mit sich bereits öffnenden Torflügen erschien rannte sie durch die noch schmale Öffnung auf den Korridor. Kaum hatte sich der Ausgang wieder verschlossen verdeckte das Holodeck diesen wieder mit einer Projektion und somit war an der Stelle nur noch die Metallwand des Hangars zu sehen.

‚Wow‘, dachte Lew zum ersten Mal wieder etwas seit dem Kuss. Der Sekt hatte es wirklich in sich und so war er sich für einen Moment nicht ganz sicher, ob er das vorherige Ereignis tatsächlich erlebt hatte oder ob ihm sein durch Alkohol vernebelter Geist einen Streich gespielt hatte. Aber dann war er sich doch ziemlich sicher, dass er noch wenige Sekunden zuvor Natalie geküsst hatte. Er starrte immer noch ein Loch in die Luft, genau in der Richtung in vorhin noch das Tor des Holodecks zu sehen gewesen war. Dann schaute er zurück zur Sektflasche und ihm war, als ob seine visuelle Wahrnehmung der Kopfbewegung mit einiger Verzögerung folgte. Beim Anblick der fast leeren Sektflasche war er noch mehr erstaunt und er fragte sich: ‚So eine Menge Alkohol auf nüchternem Magen und sie räkelt sich jetzt nicht mit mir auf dem Boden? Unmöglich!‘

Mit dem Gefühl, als würde der Boden schwanken ging er zum Werkzeugwagen, wo immer noch ihre Jacke hing. Er ergriff ihre Jacke und betrachtete sie für eine Weile nachdenklich. Ihr Geruch stieg ihm von ihrem Kleidungsstück in die Nase und rief die Erinnerung an die Umarmung und die Küsse wieder deutlich wach. Die Erinnerung wieder abschüttelnd hing er ihre Jacke auf eine Tragfläche seines Flugzeuges und wandte sich wieder dem Werkzeugwagen zu. Völlig sinn- und planlos begann er aufzuräumen, wobei er in seiner Trunkenheit eine nur noch größere Unordnung verursachte. Gleichzeitig dachte er wieder über Natalie nach. Hatte er ihre Signale falsch gedeutet? Er war sich unsicher, hatte er sich doch nie groß um Signale gekümmert. Irgendwie hatte sich sonst immer alles ganz von selbst ergeben, zumindest meistens. Doch dieses Mal war alles völlig anders verlaufen, als er es gewohnt war. Erst jetzt realisierte er, wie sehr die junge Technikerin den Kopf verdreht hatte und das ganz sprichwörtlich.

Das Chaos auf der mobilen Werkzeugbank betrachtend schmiss er die Werkzeuge in seinen Händen wieder frustriert hin. Er drehte sich um, und zwar mit so viel Schwung, dass er sich für einen Moment besinnen und gegen den Schwindel ankämpfen musste. Dann schnappte er sich die Sektflasche vom Boden, hob an und trank den Rest in einem Zug aus. ‚Scheiße‘, dachte er auf einmal: ‚Irgendwas läuft hier eindeutig falsch!‘



Natalie stolperte mehr in ihr Quartier, als dass sie lief. „Ich hab eindeutig zu viel getrunken.“, dachte sie. „Und was immer das für ein Zeug war, es war kein Synthehol.“ Sie ging ins Bad, um sich etwas frisch zu machen. Aber sie beließ es bei ein paar Spritzern Wasser ins Gesicht, als sie merkte, dass ihr schlecht wurde, sobald sie den Kopf nach unten nahm. Sie trank gierig ein paar Schluck Wasser. Sie setzte sich auf die Toilette, schloss die Augen und konzentrierte sich auf ihre Atmung. Die Übelkeit verschwand tatsächlich nach ein paar Momenten, aber es blieb ein leichtes Schwindelgefühl. Sie fühlte, wie sie immer müder wurde. Also stand sie vorsichtig auf und begann, sich langsam auszuziehen, während sie sich auf den Weg ins Schlafzimmer machte. Vor dem Spiegel machte sie nochmal Halt. Sie sah ihr Spiegelbild, das sie müde und leicht schwankend ansah. Sie streckte ihm die Zunge raus. „Oh Gott, bin ich besoffen.“, kicherte Natalie. „Aber es war ein schöner Abend.“ Sie taumelte ins Schlafzimmer und fiel aufs Bett, während sie sich die Hose abstreifte. In ihrem Zustand war es sehr anstrengend. Erschöpft und müde blieb sie auf ihrem Bett liegen. Dann drehte sie sich mühsam auf den Rücken und starrte an die Zimmerdecke, die sich unentwegt drehte. Natalie schloss die Augen, aber das Gefühl, dass sich alles um sie herum drehte, blieb. „Ja, ein schöner Abend.“, murmelte sie. „Hat er mich wirklich geküsst?“ Sie war sich nicht mehr so sicher. Sie tastete mit den Fingern nach ihren Lippen, um sich zu vergewissern. „Doch, er hat es wirklich getan!“ Sie zog die Stirn kraus. „Und was bedeutet das jetzt?“ Sie wurde unruhig. „Oh, wie soll ich mich denn nun im Hangar ihm gegenüber verhalten? Will er etwa mehr von mir?“ Sie überlegte angestrengt und schüttelte schließlich energisch den Kopf, was ihr einen erneuten, heftigen Schwindelanfall mit aufsteigender Übelkeit bescherte. Sie brauchte einen Moment, um sich wieder zu erholen und auf ihren vorherigen Gedanken zu konzentrieren. Noch während sie sich konzentrierte, schlief sie ein.

Am nächsten Morgen wachte sie mit dumpfen Kopfschmerzen auf. „Ooohhh, geht’s mir dreckig!“, jammerte sie, als sie sich aufrichtete und ihr Magen rebellierte. „Ich werde nie wieder Alkohol trinken…“ Sie stand vorsichtig auf. Ihre Knie zitterten, und sie fror erbärmlich. Sie hatte die ganze Nacht ohne Pyjama im Bett gelegen – natürlich auf der Bettdecke statt darunter. Sie machte einen Schritt und sah ihre Hose total zusammengeknüllt auf dem Boden liegen. Sie beugte sich herunter, um sie aufzuheben. Gerade noch rechtzeitig merkte sie, wie ihr Kreislauf zusammensackte. Sie ließ sich wieder aufs Bett fallen und wartete, bis das Schwächegefühl aus den Beinen und dem Magen wieder verschwunden war. Diesmal war sie vorbereitet und ging in die Hocke und angelte sich die Hose. Sie machte sich weiter auf ins Bad. „Jetzt erst mal eine schöne Dusche, um wieder in Schwung zu kommen.“, dachte sie. Unterwegs sammelte sie weitere Kleidungsstücke ein, bis sie schließlich im Bad stand und ihre komplette Kleidung von gestern in den Armen hielt. Sie sah in dem Spiegel in das Gesicht einer völlig übermüdeten und verkaterten Frau, die gar nicht so recht wusste, was geschehen war. Sie legte die Kleidung zur Seite und stützte sich schwer auf das Waschbecken. „Was für eine Nacht…“, stöhnte sie. Sie trank etwas Wasser, gähnte ausgiebig und starrte wieder in ihr Spiegelbild. Plötzlich weiteten sich ihre Augen. „Oh Gott!“, stöhnte sie auf. „Lew hat mich gestern geküsst!“ Ihr war mit einem Mal alles wieder eingefallen. „Wie war es nur dazu gekommen? Warum hat er das getan? Will er mehr? Empfindet er etwas für mich?“ Tausend Fragen stürzten auf sie ein. Sie musste erst mal wieder einen klaren Gedanken fassen. Sie zog sich aus und ging unter die Dusche. Nach ein paar Minuten fühlte sie sich wieder als Mensch. Aber die wirren Gedanken kreisten immer noch in ihrem Kopf. „Meint er es ernst oder war es nur der Alkohol?“ Schließlich verzog sie das Gesicht. „Nein, er hat nie irgendwelche Signale von sich gegeben, dass er an mir interessiert ist. Ich hätte sicher was gemerkt. Oder etwa nicht?“ Sie grübelte eine ganze Weile, während sie sich die Zähne putzte. „Doch, ich hätte das gespürt. Aber da war nix.“ Sie schwieg eine Weile. „Schade eigentlich.“ Sie zog sich an und dachte über ihren letzten Satz nach. „Wieso hab ich das gedacht? Empfinde ich etwa mehr? Ich meine, er ist echt süß. Und der Kuss war auch nicht unangenehm. Aber er war ziemlich linkisch. Und auch Lews ständige sexistische Bemerkungen und Sprüche sprachen eher für einen unreifen Jungen.“ Das war sicher nicht das, was sie wollte. Sie nahm einen Schluck Tee, den sie sich zwischenzeitlich repliziert hatte. Schließlich schüttelte sie den Kopf. Sie hatte beschlossen, das Ganze auf den Alkohol und die ausgelassene Stimmung zu schieben. Dieser Kuss war nichts, für das man eine Freundschaft riskierte. Zufrieden mit ihrer Entscheidung nahm sie einen weiteren Schluck Tee und verließ ihr Quartier in Richtung Hangar.