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From PathfinderWiki

Hochzeit auf Zanderianisch/Die Ankunft
Autor: Seeta Yadeel
Autor: Tannier
Anfangssternzeit: 54372.50
Endsternzeit: 54436.41
Anfangsdatum: 16.05.2377 (23:11 Uhr)
Enddatum: 09.06.2377 (07:00 Uhr)

Seeta kniete neben dem hinteren Torpedolauncher. „Ja, genau. So sollte es funktionieren!“ sagte Dalen an ihrem Kopf, der von der anderen Seite her über den Launcher gebeugt stand.

Gleich nach Ende der Besprechung in der Lounge der Katana waren drei der Führungsoffiziere hierher gekommen. Die Chefingenieurin und der Wissenschaftsoffizier hatten, stets von Lieutenant McCrea beobachtet, einen Torpedo aus „seinem“ Launcher entfernt und statt dessen eine Subraumboje dort deponiert.

Die folgende halbe Stunde hatte die Chefingenieurin der Katana damit verbracht die Boje nach Dalens Anweisungen mit den für den Plan relevanten Daten zu füttern. Dabei hatte sie mehrfach den skeptischen Blick des neuen Sicherheitsoffiziers auf sich gefühlt. Offensichtlich hielt der junge Mann nicht viel von weiblichen Offizieren – was scheinbar insbesondere für Technikerinnen und Sicherheitsoffzierinnen galt.

Für einen kurzen Moment bildeten sich neben ihren Beulen auch Falten auf ihrer Stirn, was ihr einen fragenden Blick ihres Gegenübers einbrachte. Seeta glättete ihre Stirn bewusst wieder und klappte dann das Verdeck der Subraumboje hinunter. Mit schnellen, geübten Griffen verschloss sie die Kapsel wieder.

Bereits während McCrea den Launcher wieder schloss, aktivierte Dalen seinen Kommunikator. „Lazarus an Brücke.“ begann er. Umgehend war die Stimme des Commanders zu hören. „Summers hier.“ beantwortete er Dalens Ruf.

Seeta klappte derweil ihr Engineering Kit zusammen, während McCrea vom Launcher zurücktrat. „Die Subraumboje ist abschlussbereit!“ informierte Dalen Andreas über den Abschluss der Arbeiten.


„Entschuldigen Sie bitte.“ vernahm Livia eine dünne Stimme hinter sich. Die Counselor drehte sich herum und wollte gerade freundlich antworten, als ihr bewusst wurde, dass sie niemanden sah. Erstaunt wanderte ihr Blick nach unten, als sie einen leichten Zug am rechten Bein ihrer Uniformhose fühlte. Dann ging sie lächelnd vor dem etwa siebenjährigen Mädchen in die Hocke, das vor ihr stand.

„Hallo!“ sagte die Schottin zu dem zierlichen, blonden Mädchen mit den grazilen Gesichtszügen. „Wo ist denn Deine Mama?“ wollte sie wissen.

Die Kleine zog ihre Schultern hoch und meinte dann altklug: „Die ist noch im Wissenschaftslabor.“ Livia runzelte die Stirn. Irgendjemand musste doch auf das Kind aufpassen.

Gerade als die Counselor das Kind weiter ausfragen wollte, erschien eine junge Bajoranerin mit einer Horde kleiner Kinder im Schlepptau. „Hallo Miss Reluk.“ Begrüßte Livia die Lehrerin der Bordschule. Diese beachtete die Counselor jedoch kaum. Schmunzelnd beobachtete Livia, wie die Frau das Mädchen in ihre Arme schloss. „Catherine!“ sagte sie, wobei in ihrer Stimme noch die Sorge um ihre kleine Schutzbefohlene nachschwang. „Warum bist Du denn weggegangen?!“ wollte sie wissen.

Livia wollte weiter ihren Aufgaben nachgehen, hörte im Weggehen gerade noch wie Catherine antwortete: „Jemand muss der Counselor doch helfen die Vorbereitungen für die Evakuierung der Antriebssektion zu treffen!“ Lächelnd setzte Livia ihren Weg fort. Auch wenn der Kleinen nun sicherlich eine Lektion ihrer Lehrerin bevorstand, so war sie doch unglaublich süß gewesen.


„Dann mal los mit der Boje, Ensign!“ wies Andreas Marina DeSoto an, die wieder mal die Ops innehatte. Routiniert ließ die junge Frau ihre Finger über die Kontrollen vor ihr gleiten und schon wenige Augenblicke später konnte sie vermelden: „Boje abgesetzt. Zumindest, soweit ich das beurteilen kann.“ Andreas unterdrückte einen Seufzer. Hoffentlich ging das mal alles gut.

Er aktivierte sein Interkom. Wenigstens über das Abfeuern der Boje konnte er sich Gewissheit verschaffen. „Brücke an Lieutenant McCrea.“ formulierte er. Schnell erklang die Antwort seines Nachfolgers. „McCrea hier! Die Boje wurde soeben abgefeuert.“ Andreas seufzte nun tatsächlich auf, was ihm einen erstaunten Blick von Marina einbrachte, die gerade eine blonde Haarsträhne aus ihrem Gesicht gestrichen hatte. Andreas warf ihr einen entschuldigenden Blick zu. Die Crew erwartete in Zeiten der Not Stärke von ihrer Führungsspitze zu sehen. Also setzte er wieder ein zuversichtlicheres Gesicht auf, dann setzte er sich wieder in den freien Sitz des Captains. Jetzt konnte die Crew nichts anderes mehr tun als zu warten und sich auf die Evakuierung vorzubereiten.


Ariell Needa stand neben Kell an dessen Konsole. „Immer noch nichts?“ fragte sie nunmehr zum fünften Mal innerhalb der vergangenen halben Stunde. Kell bewegte seine schmalen Finger über die Kontrollen und sagte dann: „Leider nicht, Ma‘am. Wir befinden uns nach wie vor auf Kurs Richtung bajoranische Sonne.“

Enttäuscht trat die Trill von der Station ihres Flugoffiziers weg. Gab es denn keine Möglichkeit das verdammte Schiff wieder unter Kontrolle zu bekommen? Sie wollte nur ungern auf Plan B zurückgreifen, denn es widerstrebte ihr die gesamte Crew in die Untertassensektion zu schicken und eine Abtrennung durchzuführen, noch dazu bei dieser hohen Warpgeschwindigkeit. Wie zum Teufel war sie nur auf die Idee gekommen, das Kommando über ein Schiff mit so vielen Zivilisten zu übernehmen?

Sie seufzte leise. Das half ihr nun auch wieder nicht weiter. So langsam aber sicher ging ihr auch der Optimismus aus, den sie in den vergangenen Stunden krampfhaft hatte versucht zu verbreiten. Das Herumsitzen und Abwarten, ob die Katana holpernd abgebremst wurde, trieb sie so langsam aber sicher in den Wahnsinn. Sie wussten nicht mal, ob die Boje die Botschaft der Katana sendete. Die Kommunikationsphalanx hatte sich nämlich trotz der vereinten Anstrengungen von Dalen und Seeta weiterhin bockig gestellt.

„Mr. Widar, wie lange noch bis zum Eintritt in die bajoranische Sonne?“ wollte sie wissen. Kell konsultierte erneut seine Kontrollen, so als hätte er es nicht erst wenige Minuten zuvor bei ihrer letzten Anfrage getan. „Zwei Stunden und 25 Minuten.“ gab er die Auskunft, die niemandem auf der Brücke neu war.

Ariell warf Andreas einen fragenden Blick zu. Der stand aus seinem eigenen Sessel auf und trat zu ihr. „Geben wir der Sternenflotte noch 25 Minuten, bevor wir Evakuieren.“ Ariell seufzte. Es war sinnvoll sich an die Vorgehensweise, die auf der Boje vermerkt war zu halten. Also aktivierte sie ihr Interkom. „Needa an MacGregor. Wie weit sind Sie mit der Evakuierung?“ wollte sie wissen. Livias Antwort kam prompt. „Die Zivilisten und Kadetten sind vollständig auf der Untertassensektion.“ bestätigte sie das, was Ariell bereits vermutet hatte.

Der Captain sah Andreas an. „Veranlassen Sie bitte, dass auch das Sternenflottenpersonal die Untertassensektion aufsucht. Nur das essentielle Personal soll auf seinen Posten bleiben. Ich will, dass es im Falle eines Falles schnell geht.“ Andreas nickte und schickte sich an, die entsprechenden Befehle in Umlauf zu bringen.


„Abtrennung in Fünf, Vier, Drei, Zwei, Eins.“ erfüllte Kells Stimme die stille Kampfbrücke. Es war, als würde außer seiner Stimme nichts mehr existieren. Gebannt hielten die anwesenden Offiziere ihren Atem an. Jeder drückte atemlos die Daumen für das schwierige Manöver, das der Asgard am Steuer der Katana durchzuführen hatte. Ariell presste ihre Daumen so fest in ihre Hand, dass sie jeden Moment glaubte, Blut aus ihrer Hand hervortreten zu sehen. Und trotzdem drückte sie mit unverminderter Kraft weiter. Ihr Asgard, der gerade das Schicksal so vieler in seinen fast durchscheinend wirkenden Händen hatte, konnte jedes Quäntchen Glück gebrauchen, das er bekommen konnte.

Der fragliche Asgard jedoch wäre der erste gewesen, der darauf hingewiesen hätte, dass so etwas wie Glück nicht existierte. Wenn die Katana das nun folgende Manöver überleben sollte, dann lag es ausschließlich an seinem fliegerischen Können und nicht an einem nichtexistenten Zustand namens Glück.

Die Frau an der Engineering Konsole hätte nun wieder bei solchen Gedanken aufgeschnaubt und ihn arrogant genannt und ihn gefragt, woher er bloß diesen Anflug von Allwissenheit nehme. Schließlich gäbe es mehr Dinge zwischen den Enden des Universums, als sich die Schulweisheit träumen lasse. Da sie aber nichts von Kells hypothetischen Gedankengängen ahnte, waren ihre Gedanken statt dessen bei ihrer Maschinenraumcrew, die sie auf der Untertassensektion wusste. Sie hoffte, dass ihre Schutzbefohlenen sich in wenigen Augenblicken in Sicherheit befinden würden, allen voran Maggie Kincaid, die Seeta höchstpersönlich aus dem Maschinenraum in die nahende Sicherheit der Untertassensektion befördert hatte – nur um sicherzugehen, dass Maggie nicht aus lauter Treue zur Katana und ihrer Vorgesetzten ihr junges Leben einfach so fort warf.

Auch Andreas Gedanken waren bei seinen Kameraden und ihren Familien auf der Untertassensektion. Innerlich drückte er Livia Mac Gregor seine Daumen bei ihrer ersten Kommandomission, denn ihr würde der Oberbefehl über die Katana obliegen. Er war zuversichtlich, dass sie zurechtkommen würde, bis von der Sternenflotte Hilfe eintraf. Einen kurzen Moment warf er einen Blick auf seine alte Sicherheitskonsole. Seine Beförderung hatte ihm das Leben schwerer – aber zugleich auch wesentlich dankbarer gemacht.

Falyn McCrea fing Andreas Blick für einen Moment auf. Ob er sich wohl auf seinen alten Posten zurücksehnte? Die Verantwortung eines ersten Offiziers war ungleich höher und lastete sicher schwer auf den Schultern des anderen. Er selber hatte derzeit keine Ambitionen auf die Kommandoebene zu wechseln. Sein Blick fiel hinüber zu Marina DeSoto, deren Augen unnatürlich geweitet waren. Hoffentlich kippte die junge Frau nicht vom Stängel – obwohl – wenn das Manöver des Asgards schief lief, dann würde das auch keinen Unterschied mehr machen.

Betroffen sah Marina hinunter auf ihre Finger, die zitterten. Schnell führte sie ihre Hände zusammen um das Zittern zu verbergen. Sie hatte Angst – Angst um ihr Leben, so wie damals, als der Föderationsfrachter Duchess um sein Leben floh. Aber so wie damals würde sie auch heute ihren Mann stehen, dessen war sie sich völlig sicher. Wenn es darauf ankam, würde sie die Befehle des Captains schnell und fehlerfrei umsetzen. Nervös wanderte ihr Blick über die Brücke, bis er auf den Blick des Oldtimers an Bord traf. Dr. Lazarus sah ihr beruhigend in die Augen und strahlte eine Ruhe und Zuversicht aus, die für ihre Nerven Balsam waren. Sie spürte, wie ihr Körper sich ein wenig entspannte und sie ihm einen dankbaren Blick zuwarf.

Dalen erwiderte den freundlichen Blick der jungen Ops-Offizierin. „Ein Jammer!“ dachte der alte Zyniker, der die Chancen des Manövers auf verschwindend gering einschätzte. Aber was brachte es schon, jemanden hier nervös zu machen. Kell, der das Manöver durchzuführen hatte, würde sich von Dalens Untergangsvisionen sicher nicht beeindrucken lassen, aber der Rest der Mannschaft sollte nicht voller Angst in den Tod gehen.

Seine Gedanken wanderten zu seiner Adana. Was für eine Schande, dass sie und die Kinder nun endgültig alleine sein mussten. Er hoffte, dass sie seinen Tod verwinden und wieder glücklich werden würden. Er machte sich keine Illusionen über den wahrscheinlichen Ausgang einer Abtrennung der Untertassesektion bei hoher Warpgeschwindigkeit, aber was hatten sie schon zu verlieren?

„Abtrennung!“ durchdrang Kells Stimme die Gedanken der anderen, denen nun endgültig der Atem stockte. Ein leichter Ruck durchdrang das Schiff, dann wurde die Brückencrew gewaltig durchgeschüttelt. Einige Augenblicke später flog die Antriebssektion der Katana ruhig weiter.


Marina DeSoto seufzte erleichtert auf. Sie lebte noch. Das Abtrennungsmanöver war offensichtlich gutgegangen. Zumindest die Antriebssektion der Katana schien unbeschädigt zu sein. Aber galt das auch für die Untertassensektion?

„Hat die Untertassensektion es auch geschafft?“ brachte sie ihre Zweifel zum Ausdruck. Falyn schnaubte kurz auf. „Wenn sie explodiert wäre, dann würden wir uns das jetzt nicht mehr fragen, dann hätte es für uns auch „bumm“ gemacht“ bemerkte er spöttisch.

Marinas Augen weiteten sich. Sie war sicher nicht weinerlich, aber nun begannen ihre Augen verräterisch zu funkeln. Ariell Needa fuhr zu ihrem Sicherheitschef herum. Was war bloß in den Mann gefahren, dass er sich der jungen Frau gegenüber so unsensibel verhielt.

Als sie gerade den Mund öffnen wollte, bemerkte sie irritiert, dass eine andere Person bereits wie ein Derwisch über die Brücke fegte und sich schon kurz darauf vor Falyn drohend aufgebaut hatte.

Mit funkelnden Augen blickte Seeta zu ihrem neuen Kollegen hoch, der sie um mehr als einen Kopf überragte. „Behalten Sie Ihre unqualifizierten Bemerkungen gefälligst für sich!“ ranzte sie ihn an und sie wäre sicherlich noch um einiges deutlicher geworden, hätte sie nicht bereits die Hand von Commander Summers beruhigend auf ihrer Schulter gefühlt. Kollegial legte er ihr einen Arm um die Schulter und zog sie hinüber zum Turbolift.

„Wir sehen mal im Maschinenraum nach dem rechten!“ rief er über seine Schulter zurück, während die Türen sich bereits hinter den beiden schlossen.

Ariell kratzte ihre gesamte Autorität und Strenge zusammen und meinte, fast säuerlich: „Sarkastische Kommentare sind wenig hilfreich, Mr. McCrea. Ich empfehle Ihnen, solche Kommentare für sich zu behalten.“

Sie trat zurück zu ihrem Sessel und setzte sich hinein. ‚Ach Du meine Güte, ich höre mich an wie meine eigene Mutter!“ dachte Ariell entsetzt. „Statusbericht!“ forderte sie laut.

Leider war Kell der einzige, der einen solchen Bericht anzubieten hatte, weil der Virus die meisten anderen Konsolen inzwischen völlig unbrauchbar gemacht hatte. „Wir befinden uns weiterhin auf Kurs bajoranische Sonne. Zeit bis zum Einschlag: 1 Stunde und 50 Minuten.“

Dalen hatte lediglich eine Theorie bezüglich des Ruckelns anzubieten. „Ich vermute, dass die Erschütterungen von Schildkollisionen zwischen der Antriebs- und der Untertassensektion herrühren, als wir diese überholten. Es sollte allerdings zu keinen Schäden gekommen sein.“ spekulierte er. Needa nickte. Sie ging davon aus, dass seine Vermutungen, so wie stets, akkurat waren.

Ariell nickte grimmig. „Das bedeutet, die Sternenflotte hat weitere 90 Minuten für den Rettungsplan, danach sollten auch wir uns mittels der Rettungskapseln von hier verdrücken.“


„Wir sind alle ein wenig mit den Nerven runter, Lieutenant.“ bemerkte Andreas, nachdem die beiden den Weg zum Maschinenraum schweigend zurückgelegt hatten. Die junge Zanderianerin sah ihren Kollegen nachdenklich an, dann nickte sie kurz. Sie selber hätte unter normalen Umständen wahrscheinlich gelassener auf Falyns Bemerkung reagiert. Der junge Sicherheitschef stand schließlich genauso unter Druck wie sie selber. Aber trotzdem.

„Nun, wie sieht es aus?“ holte Andreas sie aus ihren Gedanken. Schnell trat sie an die Konsole, vor der er bereits stand. Erfolglos versuchte sie, Zugang zu den Kontrollen des Warpkerns und der anderen Maschinen zu erlangen. Frustriert schüttelte sie ihren Kopf. „Nichts zu machen, alles unverändert. Ich komm nicht mal an die manuellen Überbrückungen ran.“

Andreas seufzte. Wieso hatte er bloß genau das erwartet? „Summers an Brücke.“ aktivierte er seinen Kommunikator. Der gab jedoch nur ein Klicken von sich, das darauf hindeutete, dass keine Verbindung zur Brücke hergestellt wurde. Entnervt drehte er die Augen zur Decke.

„Lieutenant Yadeel, ich werde zurück auf die Brücke gehen und persönlich Bericht erstatten. Wie es aussieht, haben wir jetzt auch noch die schiffsinterne Kommunikation verloren.“ Er drehte sie herum um den Maschinenraum zu verlassen.

Seeta warf einen kurzen Blick auf „ihre“ Maschinen um sich herum, dann zuckte sie die Schultern und lief Andreas hinterher. Bereits wenige Schritte hinter den Türen des Maschinenraums hatte sie ihn erreicht, was ihr einen fragenden Blick von ihm einbrachte.

„Ich kann hier sowieso nichts tun und ohne die Kommunikation zur Brücke sollte ich besser dort sein, dann kann ich eher helfen.“ meinte sie erklärend. Andreas lächelte sie an und dann traten sie gemeinsam den Rückweg zur Brücke an.


Livia MacGregor fühlte sich ein wenig verloren im großen Sessel des Captains. Eigentlich gehörte sie nicht hierher, aber Captain Needa hatte darauf bestanden, dass sie die Untertassensektion der Katana leitete. „Sie haben ein Brückenexamen erfolgreich abgelegt, es wird Zeit, dass Sie es einmal in einer echten Kommandomission nutzen.“ Livia hatte sich daraufhin schwer sträuben können und so saß sie nun hier im Sessel des Captains, auch wenn sie nicht wirklich viel tun konnte als auf Rettung durch die Sternenflotte zu warten.

Eigentlich war sie recht ruhig. Dalen Lazarus und Seeta hatten die Lebenserhaltungssysteme so gut, wie es eben ging vor dem Virus geschützt, jetzt galt es nur noch auf die Rettung durch die Sternenflotte zu warten.

Vor einigen Minuten hatte sie beobachtet, wie das Schiff aus der Warpgeschwindigkeit auf Unterlichtgeschwindigkeit fiel. Eine direkte Bedrohung bestand damit für die Leute auf der Untertassensektion nicht – auch die Nahrung und das Wasser würden ihnen so bald nicht ausgehen, denn es befanden sich Notrationen für mehrere Monate an Bord. Und so lange würden sie hier sicher nicht festsitzen. Trotzdem hatte Captain Needa darauf bestanden, dass sie alle Notrationen mitnahm, denn die verbliebenen Personen auf der Antriebssektion würden schon in zwei Stunden keine Verwendung mehr dafür haben. Entweder war die Antriebssektion bis dahin unter Kontrolle oder die verbliebenen sechs Personen befanden sich in gut ausgerüsteten Rettungskapseln.

Ruhig lag Livias Blick auf dem Bildschirm vor ihr, der so ziemlich alles war, was noch funktionierte. Als unvermittelt ein schlankes, weißes Schiff vor dem Hintergrund der nur noch langsam dahin ziehenden Sterne auftauchte, stand sie erleichtert aus ihrem Sessel auf. Endlich war die Rettung da.


Zu dieser Zeit erreichten Andreas und Seeta den Turbolift. Zu ihrer Verwunderung öffneten sich die Türen jedoch nicht sogleich automatisch. Erstaunt sahen die beiden sich an. „Das Liftsystem?“ fragte Seeta. Andreas nickte. „Das Liftsystem.“ bestätigte er, dann wandte er sich der nächstgelegenen Jeffriesröhre zu und entfernte die Abdeckung davon. Dann war er innerhalb von wenigen Augenblicken darin verschwunden und Seeta blieb nichts anderes übrig als hinter ihm in die enge Röhre zu klettern.


Livia hatte während der vergangenen Minuten gespannt den Atem angehalten. Was jetzt passieren würde? Sicherlich würde das andere Schiff zunächst versuchen die Katana zu rufen, jedoch keine Antwort erhalten. Dann würde der Captain des anderen Schiffes die Katana scannen lassen und feststellen, dass sich über tausend Personen an Bord befanden. Anschließend würde er ein Außenteam zusammenstellen, um auf der Katana nach dem rechten zu sehen.

Livia stand aus ihrem Sessel auf und zog ihre Uniform glatt. Jeden Moment musste es so weit sein. Und tatsächlich – etwa eine halbe Minute später erschien ein bläuliches Schimmern, das von blauen Lichtpunkten durchzogen wurde. Eindeutig ein Transporterstrahl. Die bläulichen Punkte verschwanden und setzten sich zu drei Personen zusammen – einer trug rot, einer blau und einer gelb – offensichtlich ein Standard-Außenteam. Die Frau im roten Kragen trat, nachdem sie sich kurz orientiert hatte, auf Livia zu. „Ich bin Commander Tellers von der U.S.S. Nina. Ihr überstürzter Aufbruch von Sternbasis 323 hat einige Fragen aufgeworfen.“ meinte sie locker. Livia hielt ihr ihre eigene Hand hin und entgegnete: „Ich bin Counselor Mac Gregor und werde Ihnen gerne alle ihre Fragen beantworten.“


Ariell runzelte die Stirn. „Sollten die beiden nicht lange im Maschinenraum angekommen sein?“ fragte sie Falyn McCrea. Der nickte zustimmend. „Längst.“ bemerkte er. Marina DeSoto aktivierte das Interkom. „Brücke an Maschinenraum.“ sagte sie. Irritiert prüfte sie die wenigen Anzeigen, die sich ihrer Konsole überhaupt noch entlocken ließen. „Die schiffsinterne Kommunikation ist jetzt auch ausgefallen.“ bemerkte sie, dann schlug sie leicht auf die Oberfläche der Konsole, die gerade völlig schwarz geworden war. „Das war’s.“ bemerkte sie. Ariell seufzte. „Hat irgendwer vielleicht eine Uhr?“ fragte sie entnervt, was ihr allgemeines Kopfschütteln einbrachte. Kell meldete sich zu Wort. „Wir haben gegenwärtig noch 105 Minuten bis zum Eintritt in die bajoranische Sonne.“ Ariell ging zurück zu ihrem Sitz. „Behalten Sie das im Auge, Kell. Ich will in 10 Minuten informiert werden. Und Marina,“ fügte sie hinzu, „gehen Sie runter zum Maschinenraum und bringen Sie mir einen Statusbericht.“


Seeta ergriff die kräftige Hand, die ihr entgegengestreckt wurde, und ließ sich von Andreas aus der engen Röhre in den Verteilerkreis helfen, der aufrechtes Stehen ermöglichte. Erschrocken machte sie einen Schritt zurück, als sie sich nur wenige Zentimeter von ihm entfernt wiederfand. Einen Moment wusste sie nicht, was sie sagen sollte und stellte verwundert fest, dass er offensichtlich auch befangen war. Verlegen strich er sich Haar, das von dem Kriechen durch die Jeffriesröhre verwuschelt war, aus der Stirn. Genauso süß musste er aussehen, wenn er morgens aus dem Bett krabbelte, stellte Seeta in Gedanken fest. Sofort errötete sie und nun schob sie sich verlegen die schwarzen Haare aus dem Gesicht. Er räusperte sich. „Wenn ich mich nur erinnern könnte, ob wir Abzweigung 48 Alpha oder Beta nehmen müssen, um zur Brücke zu kommen“ murmelte er. Sie sah sich kurz um, dann trat sie zielstrebig vor Röhre 48 Alpha und löste die Abdeckung. „48 Alpha.“ sagte sie, völlig sicher. Jetzt endlich würde ihr die ständige Krabbelei durch die Röhren endlich mal etwas nutzen.

Schnell schlüpfte sie in die Röhre vor ihr und Andreas konnte gerade noch sehen, wie ihr Hinterteil darin verschwand, eh er selber hinein stieg.


Irritiert betrachtete Marina DeSoto die Turbolifttür, die sich nicht öffnete. Alarmiert drehte sie sich zu Captain Needa um, als ihr bewusst wurde, dass das Liftsystem inzwischen wohl auch versagte.

„Captain, es scheint, dass die Lifte nicht mehr funktionieren.“ meldete Marina sich zu Wort. Ariell fuhr herum und trat nun ebenfalls vor den Turbolift. Aber auch bei ihr öffneten sich die Lifttüren nicht. Auf dem Absatz wirbelte sie zu Kell herum. „Mr. Widar, wie lange noch?“ wollte sie wissen. Der konsultierte die mittlerweile einzige funktionstüchtige Konsole auf der Brücke. „104 Minuten.“ gab er ungerührt die gewünschte Auskunft. Ariell schluckte. Das ließ ihnen nicht viel Zeit zu den Rettungskapseln zu gelangen. Beherzt öffnete sie ein Panel und holte magnetische Griffe hervor. Einen davon warf sie Falyn McCrea zu. „Helfen Sie mir!“ rief sie.

Reaktionsschnell fing der junge Mann den Gegenstand auf und trat neben Ariell. Schnell hatte er begriffen, um was es der Frau ging. Gemeinsam legten sie die Magnetgriffe auf die Turbolifttüren, dann zogen sie sie gemeinsam auseinander. Anschließend warf Ariell einen vorsichtigen Blick in den Schacht. Weit und breit war keine Kabine zu sehen.

„Was wird aus Summers und Yadeel?“ wollte McCrea wissen. „Sie werden versuchen, hierher zurückzukommen.“ gab er zu bedenken. Ariell antwortete prompt: „Wir können nicht länger auf sie warten. Sie haben vom Maschinenraum aus einen wesentlich kürzeren Weg zu den Fluchtkapseln als wir von hier.“ Marina gab zu bedenken: „Aber wie sollen wir sie von der Situation informieren? Uns steht die schiffsinterne Kommunikation leider nicht mehr zur Verfügung.“ Ariell legte ihren Kopf kurz schief, dann sah sie zu Kell hinüber, der noch immer an seiner Konsole saß. „Haben Sie noch Zugriff auf die Alarmsysteme, Mr. Widar?“ wollte sie wissen. Der Asgard nickte. Ariell grinste. „Geben Sie Befehl das Schiff zu Evakuieren.“

Kell nickte und schon kurze Zeit danach wurde die Brücke in rotes Licht getaucht. Ein greller Alarmton füllte die Ohren der Anwesenden, zwischen dem eine Computerstimme ertönte: „Schiff evakuieren! Schiff evakuieren!“

Ariell seufzte kurz, dann hangelte sie sich hinüber zur im Lift angebrachten Leiter. „Dann wollen wir mal.“ meinte sie, während sie sich bereits an den Abstieg machte.


Seeta glaubte, dass ihr die Ohren abfallen würden. Gerade hatte sie noch die herrliche Ruhe der Jeffriesröhren umgeben, dann brach auf einmal die Hölle los. Neben dem Alarm dröhnte auch noch die Computerstimme: „Schiff evakuieren! Schiff evakuieren!“ Sie hielt an und drehte sich so gut es eben ging zu Andreas um. Der warf ihr einen schmerzvollen Blick zu. Auch er empfand den gellenden Alarm nicht gerade als angenehm. „Ich vermute, das ist Captain Needas Art uns zu sagen, dass wir nicht zur Brücke zurückkehren sollen sondern uns zu einer Fluchtkapsel durchschlagen sollen.“ bemerkte er.

Seeta nickte zustimmend. Diese unorthodoxe Handlungsweise passte zu Ariell Needa. Andreas versuchte in Seetas Gesicht zu sehen. „Finden Sie den Weg?“ wollte er wissen. Sie nickte zuversichtlich. „Kein Problem.“ meinte sie. „Ich habe seit wir aus dem Trockendock gelaufen sind so viel Zeit in diesen Jeffriesröhren beim Reparieren der diversen Schäden verbracht, dass ich mich hier wie in meiner Westentasche auskenne.“

Summers machte eine aufmunternde Kopfbewegung, dann setzten die beiden sich wieder in Bewegung, diesmal mit Ziel auf die nächstgelegenen Fluchtkapseln.


Eine halbe Stunde später krabbelten Ariell Needa, Marina DeSoto, Falyn McCrea, Dalen Lazarus und Kell Widar immer noch durch den Turbolift. Die Frisuren der Damen fingen inzwischen an, sich aufzulösen und alle bemerkten die Anstrengung, die sie unternahmen. Falyn McCrea fragte sich, wie Needa wieder aus dem Lift kommen wollte. Sie hatte zwar zwei von den Magnet-Öffnern mitgenommen, aber wie wollte sie die Tür mit den Dingern an der Leiter hängend öffnen? Sie würde nie ausreichende Kraft dazu aufwenden können. Aber da ihrer aller Optionen derzeit sehr begrenzt waren kletterte er einfach weiter hinter Marina DeSoto her.


Ächzend schob Seeta eine weitere Abdeckung zur Seite. Die letzte, wie sie hoffte, denn hinter dieser Abdeckung befand sich, wenn sie sich nicht völlig irrte, der Zugang zu den Backbordfluchtkapseln. Behände kletterte sie aus der beengenden Jeffriesröhre hinaus und machte schnell für ihren Begleiter Platz, der sich aufstöhnend auf den Boden plumpsen ließ. Mitleidig sah sie ihn an. Wenn es für sie in der Röhre schon beengend war, wie mochte es dann erst für den 1,90 Meter-Mann sein? Sie trat zu ihm und half ihm auf die Beine.

„Danke schön." meinte er, immer noch stöhnend. Langsam und vorsichtig begann er alle seine Glieder zu strecken. In seinem linken Bein fühlte er ein leichtes Kribbeln, als es wieder ordentlich durchblutet wurde. „Kommen Sie!“ sagte die kleine Zanderianerin und zog sanft an ihm. „Wir sollten zusehen, dass wir hier wegkommen. Es kann nicht mehr allzu lange dauern, bis die Katana die Sonne von Bajor erreicht.“ Andreas beschloss, seine Beine später zu sortieren und sich und die hübsche junge Frau, die neben ihm stand, in Sicherheit zu bringen. Und so stieg er gemeinsam mit Seeta in eine der Fluchtkapseln.


„Da wären wir!“ rief Ariell Needa, als sie neben einer Turbolifttüre ankam, die genauso aussah wie die vielen anderen, an denen die kleine Gruppe vorbeigeklettert war. Sie drückte Marina DeSoto einen der Öffner in die Hand und kletterte weiter zum unteren Ende der Tür, dann schlang sie ihre langen Beine so gut es eben ging um die Leiter.

Ein kurzer Blick nach oben zeigte ihr, dass Marina bereits ebenso an der Leiter hing und sich nun weit über den gähnenden Abgrund lehnte, um ihren Griff möglichst in der Mitte der Tür festmachen zu können. Schnell machte sie es ihrer Ops-Offizierin nach und hängte sich ebenfalls über den Abgrund.

Falyn beobachtete die beiden Frauen von weiter oben. Sie hatten fast etwas von Piratenbräuten, die mit offenen Haaren in der Takelage hingen. Fehlte nur noch ein Phaser zwischen den Zähnen, dann wäre das Bild komplett gewesen. Widerstrebend musste er zugeben, dass beide Frauen sich wacker geschlagen hatten beim Abstieg hierher. Vielleicht taugten die beiden Frauen doch als Vorgesetzte und Kollegin.

„Jetzt!“ rief Ariell, wobei ihre Stimme von den Wänden des Schachts widerhallte. Und dann zogen bei beiden Frauen mit aller Kraft, denn hier ging es letzten Endes tatsächlich um das sprichwörtliche Leben. Millimeter um Millimeter schoben die Türen des Lifts sich auseinander, es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis sie endlich geöffnet waren. Dann schob Marina sich als erste durch die Tür auf einen Gang hinaus, Falyn und Dalen kletterten schnell hinterher. Als nächster schob Kell seinen schmächtig wirkenden Körper durch die Lifttüre auf den Korridor. Behände kletterte Ariell einige der Sprossen der Leiter wieder rauf, dann schwang sie sich neben die Anderen in den Korridor.


Wunschgemäß hatte die Kapsel sich von der Katana gelöst. Schneller, als die Augen der beiden Insassen es erfassen konnten, war das weiße Schiff außer Reichweite. Alles an Bord der Kapsel funktionierte tadellos, was Seeta darauf schob, dass die Kapseln vom Bordcomputer der Katana unabhängige Systeme hatten.

Andreas versuchte, seine Beine auszustrecken. Seeta sah ihn amüsiert an. „Leider sind diese Kapseln nicht für den Komfort von solch großen Menschen konzipiert worden.“ Andreas musste ihr zustimmen. „Hoffentlich kommen wir bald hier raus.“ meinte er daher nur. Er konnte es kaum erwarten seine Beine wieder auszustrecken. Erst die Krabbelei durch die Jeffriesröhren und jetzt das gequetschte Sitzen hier. Er wandte sich zu seiner Begleiterin um und stellte fest, dass sie sich nur wenige Zentimeter von ihm entfernt befand. Schon wieder fühlte er, wie Verlegenheit in ihm aufkam. Wieso fühlte er sich bloß wie ein Teenager, der das erste mal verliebt ist? Er war ein erwachsener Mann und kein Halbwüchsiger mehr. Es würde ihm doch wohl möglich sein, ein paar Stunden mit einer Frau alleine zu sein.

Er räusperte sich. „Funktioniert der Transmitter?“ fragte er, nur um die Stille zu überbrücken und die Verlegenheit abzuschütteln. Sie löste sich aus seinem Blick. Wieso fühlte sie sich wie ein hypnotisiertes Kaninchen. Hätte sie nicht bereits gesessen, so hätte sie sicher einen Stuhl gebraucht. Umständlicher als eigentlich erforderlich überprüfte sie das Gerät. „Funktioniert tadellos.“ bemerkte sie schließlich und drehte sich zurück. Wieder fühlte sie seinen Blick mit einer Intensität, die sie sonst nicht gefühlt hatte. ‚Was ist nur mit dir los, Yadeel?‘ beschimpfte sie sich selber. ‚Es ist doch nur Andreas Summers, der Typ, mit dem Du bis vor kurzem noch von Station zu Station gescherzt hast.‘ Aber vielleicht war das der Knackpunkt. Sie hatte ihn immer gemocht, seinen Sinn für Humor und seine beständige Freundlichkeit, guten Willen und seinen wundervollen Optimismus stets zu schätzen gewusst. Und nun, wo ihr bewusst wurde, wie gut er aussah, wie wundervoll sein Haar aussah, wenn es so zerwuschelt war wie jetzt. Instinktiv streckte sie ihre Hand danach aus. Ob es sich so weich und zugleich kräftig anfühlte, wie es aussah? Entsetzt ließ sie ihre Hand wieder sinken, als ihr bewusst wurde, was sie gerade um ein Haar getan hätte.

Sie lief puterrot an und wandte sich den Kontrollen im Cockpit zu. „Wir haben Kurs auf Bajor, das ist der nächste bewohnbare Planet. Wir werden ihn in 3 Wochen erreicht haben.“ sagte sie und in Gedanken setzte sie hinzu: ‚Und wenn uns nicht vorher jemand rettet, werde ich verrückt!‘


Livia stand am Fenster von Captain Needas Bereitschaftsraum. Sie fühlte sich hier nicht so recht wohl, der Raum schrie aus allen Ecken förmlich: ‚Büro von Captain Needa‘, aber hier war es immer noch besser als auf der Brücke, die sie für den Moment einem der Fähnriche überlassen hatte. Während sie die Sterne vorbeiziehen sah, waren ihre Gedanken bang bei den auf der Antriebssektion verbliebenen. Sie schloss für einen kurzen Moment die Augen. Sie war nicht wirklich gläubig, aber sie hoffte, dass, wenn es einen Gott gab, er ihren Kollegen beistehen würde.


Zur selben Zeit richtete Ariell sich wieder auf. Jetzt war nicht die Zeit, müde von der Kletterei durch den Turboliftschacht auf dem Boden liegen zu bleiben. Die Zeit drängte. Sie ergriff die von Dalen hingehaltene Hand und ließ sich von dem älteren Mann aufhelfen. Auch wenn er häufig schroff war, so schien er doch ein Kavalier der alten Schule zu sein.

Schon bald standen alle fünf wieder auf ihren Füßen. „Wir sollten uns besser beeilen!“ meinte Ariell, während sie auch schon loslief. Jeder Moment konnte über Leben oder Tod entscheiden und so spurteten alle fünf, was die Beine hergaben, wobei Kell sich trotz seiner kurzen Beine wacker schlug. Schließlich war es soweit. Außer Atem gelangten die fünf letzten Besatzungsmitglieder der Katana bei den Rettungskapseln an. “Schnell!“ rief Needa, die befürchtete, jeden Moment mit Wucht gegen die Oortsche Wolke des bajoranischen Systems zu schlagen. Flink kletterte Marina DeSoto in eine der Kapseln, die sich schnell von der Bordwand der Antriebssektion löste. Als nächstes beobachtete Needa wie Dr. Lazarus und Lieutenant McCrea sich in eine der Kapseln zwängten. Als sie sicher war, dass auch diese beiden gestartet waren schlüpfte sie selber neben Kell in eine der übrigen Rettungskapseln. „Los geht’s!“ rief sie und schon Sekundenbruchteile später fühlte sie, wie die Kapsel sich von der Katana löste und hinter dem Schiff zurückblieb.


Die Kampfbrücke der Katana lag verlassen in das rote Licht des Alarms getaucht da. Noch immer raste das Schiff mit schier unglaublicher Geschwindigkeit seiner Zerstörung entgegen. Nicht mehr lange würde es dauern, bis das schlanke, weiße Schiff entweder an der Oortschen Wolke zerschellen würde oder nur Augenblicke später in der bajoranischen Sonne verglühen würde. Verlassen lagen die Flure, die sonst von Leben pulsierten, da und im Maschinenraum pulsierte das blaue Licht des Warpkerns schneller und immer schneller. Längst war der akustische Alarm verstummt, einzig das rote Licht flackerte vor sich hin. Sollte dies das Ende der Katana sein? Sollte die Reise des Schiffes so schnell vorüber sein?


Inzwischen saßen Dalen und Falyn schon eine ganze Weile nebeneinander im Cockpit der kleinen Rettungskapsel. Sie konnten nichts weiter tun als auf ihre Rettung warten. Falyn hatte versucht Smalltalk zu betreiben, jedoch schnell festgestellt, dass der knorrige Wissenschaftler offensichtlich nicht viel von Smalltalk hielt. Seine Antworten waren ausnahmslos einsilbig und ermunterten nicht zum Weiterreden. Also lehnte sich Falyn in seinem Sitz zurück so gut es ging. Wenn es nach ihm ging, dann war eine Unterhaltung nicht unbedingt erforderlich.

Der Tev’Mekanier warf seinem Sitznachbarn einen Blick von der Seite her zu. Der junge Mann hatte sein Temperament noch nicht genügend unter Kontrolle. Offenbar musste er noch lernen, sich nicht zu leicht anmerken zu lassen, was er dachte und fühlte. Eine Fertigkeit, die er selber perfekt beherrschte. Niemand an Bord der Katana wusste um die Intensität, mit der er seine Familie vermisste. Hätte er sie doch mit an Bord gebracht. Aber Adana hatte damals nicht mit ihm kommen wollen. Sie hatte die Kinder zuhause auf Tev’Mek aufziehen wollen und letzten Endes war es in seiner Heimat nicht ungewöhnlich, dass die Kinder nicht mit beiden Elternteilen aufwuchsen. Aber dann hatte er auf der Katana beobachten können, wie liebevoll Eltern und Kinder hier miteinander umgingen. Sicher, es gab Streit wie in jeder Familie, aber letzten Endes schienen alle von dem Familienleben zu profitieren. Er beschloss, sich die Geschichte auf dem Weg nach Bajor durch den Kopf gehen zu lassen.


Zur selben Zeit auf einer weit entfernten Raumstation erwachte Tannier im Dunkeln, geweckt durch einen dumpfen, klingelnden Ton. Eine Stimme suggerierte ihm, an den Bildschirm in seinem Arbeitszimmer zu kommen. „Einkommende Nachricht, bitte bestätigen“ wiederholte die wohlklingende weibliche Computerstimme. „Licht!“ befahl Tannier dem Computer. Das angehende Licht blendete ihn für eine Sekunde. „Computer wie spät ist es?“ Der Computer reagierte prompt und gab an „Es ist 5:30 Erdstandardzeit.“ ‚Das war’s wohl mit meinem freien Tag.‘ dachte Tannier. Er stand auf, streifte sich ein Gewand über und schlurfte noch etwas schlaftrunken in seinen Büroraum. ‚Einen Vorteil hat es ja, Minbari zu sein.‘ dachte er. ‚Man verliert morgens keine Zeit damit, sich zu waschen, wenn man nachts ein Sekret absondert, das einen reinigt‘.

In seinem Büro angekommen, setzte er sich auf seinen Stuhl und nahm das Gespräch an. Auf seinem Bildschirm erschien ein wunderschönes Frauengesicht mit langen braunen Haaren, welche bis unter den an ihrem Kopf befindlichen Knochenkranz wuchsen. Tannier wusste sofort, dass es sich um Delenn handelte und nahm Haltung an. Pflichtbewusstsein war etwas, was er in seiner langen Ausbildung auf Minbar gelernt hatte. Er war sofort hellwach und bereit für seine Order. Delenn begrüßte ihn mit einem freundlichen Lächeln und bat ihn, sich in einer Stunde im Büro von Captain Sheridan einzufinden. Nachdem er seine Befehle erhalten hatte, verbeugte er sich höflich und deaktivierte seinen Bildschirm. ‚Eine Besprechung mit Delenn und dem Captain... was mag mich da nur erwarten?‘ Er schüttelte diesen mulmigen Gedanken ab, ging zu seinem Schrank und zog sich seine Ranger Uniform an. Nachdem er anständig gekleidet war, ging er runter zum Zokkola, welcher mehr einem Basar glich, als dem Handelszentrum einer Raumstation, um zu frühstücken.


Immer weiter raste die verwaiste Katana auf die bajoranische Sonne zu. Nichts, was die Crew versucht hatte, hatte geholfen, das Schiff vor dem nun nahenden Untergang zu bewahren.

Rechts und links tauchten unvermittelt vier weitere, ebenso schnelle Flugkörper mit blau glühenden Warpgondeln auf. Schnell verteilten sie sich um die Katana herum, so dass bald ein Schiff jeweils zu ihrer rechten, linken, über und unter ihr lag. Eine kurze Weile rasten die fünf Schiffe gemeinschaftlich nebeneinander her, dann sandten die vier anderen Schiffe gelbliche Strahlen aus, die sich an der Hülle der Katana aufzulösen schienen. Millimeterweise blieben die anderen Schiffe hinter der Katana zurück. Das stolze Schiff begann, wie ein Wildpferd, das von Cowboys eingefangen wird, zu buckeln und zu bocken, aber die Energie der Katana reichte nicht aus, sich gegen die vier anderen Schiffe durchzusetzen. Langsam, ganz langsam verlor das Schiff an Tempo. Im Maschinenraum explodierte eine Konsole, die einen Techniker, der hieran gesessen hätte, in den Tod gerissen hätte. Weiter verlangsamte sich die Geschwindigkeit des Schiffes, bis nach einer Zeit, die wie eine Ewigkeit erschien, die Katana von den anderen Schiffen abgebremst unter Warp fiel.

Im Maschinenraum flackerten die Lichter des Warpkerns noch einmal kurz auf, dann wurde es auf dem gesamten Schiff dunkel.


Tannier begrüßte einige seiner Freunde und traf pünktlich im Büro des Captains ein, wo Sheridan und Delenn bereits auf ihn warteten. „Bitte setzen sie sich Mr. Tannier.“ begrüßte Sheridan den jungen Minbari. Tannier verbeugte sich und nahm Platz. „Sie haben sicherlich von dem Schiff aus dem Paralleluniversum gehört, welches vor ein paar Wochen Babylon 5 besucht hat, oder?“ fragte ihn der Captain. „Gewiss.“ antwortete Tannier „Ich habe alle Aufzeichnungen zu diesem Treffen studiert.“ „Sehr gut.“ antwortete Sheridan „Botschafterin Delenn und ich haben beschlossen, dass es von Vorteil wäre, diplomatische Beziehungen zu dieser Föderation aufzunehmen. Wie sie sicherlich gehört haben, haben bereits einige White Star Schiffe Kontakt zur Föderation hergestellt. Wir haben von ihnen ein Programm zum Austausch von Offizieren erhalten und glauben, dass uns dies helfen könnte, dieses für uns total fremde Universum besser zu verstehen.“ „Wir wollen nun einen unserer Offiziere auf das Sternenflottenschiff Katana schicken“ meldete sich nun auch Delenn zu Wort „und wir haben dabei an Sie gedacht.“ Tannier bebte vor Aufregung. Es fiel ihm sichtlich schwer seine Neugier zu verbergen als er antwortete „Sehr gern Sir, ich bin sofort zum Abflug bereit Sir“. Lachend hob Sheridan die Hände. „Ganz so schnell werden Sie uns nun doch wieder nicht los, Mr. Tannier. Wir haben einen Nial Jäger für sie vorbereitet. Sie treffen sich am Sprungtor zum Universumswechsel mit der White Star 55 in einer Woche.“ sagte der Captain und fügte mit einem Lächeln hinzu „Noch Fragen Mr. Tannier?“ „Nein Sir!“ entgegnete Tannier, stand auf, verbeugte sich und ging in Richtung Tür, als Delenn ihm hinterher rief: „Viel Glück Tannier.“ Tannier drehte sich um, bedachte sie mit einem Lächeln und ging.

Es tat ihm weh seine langjährige Freundin Delenn zurückzulassen und auch Babylon 5, was für ihn zu einer zweiten Heimat geworden war. Doch er sah voller Hoffnung in die Zukunft und freute sich schon jetzt auf die vor ihm liegenden Abenteuer. Es drangen ihm so viele Gedanken in den Kopf. Wird die Crew mich akzeptieren? Welchen Posten werde ich dort übernehmen? Kann ich den Anforderungen gerecht werden? Mit einem verschmitzten, dumm- glücklichen Gesichtsausdruck ging er in sein Quartier und bereitete seine Abreise vor.


Erleichtert streckte Andreas Summers seine Beine. Vor wenigen Minuten hatte ein Schiff die kleine Rettungskapsel geborgen. Jetzt würde er zwar die angenehme Gesellschaft aufgeben müssen, dafür brauchte er aber auch nicht länger in der beengten Kapsel zu sitzen. Aus den Augenwinkeln bemerkte er Seetas amüsierten Gesichtsausdruck über seine Erleichterung.

Er wandte sich an die kleine Bajoranerin, die sie begrüßte. „Mein Name ist Kira Nerys, Kommandantin von Deep Space Nine. Willkommen an Bord der Defiant.“ Die Offiziere der Katana stellten sich ebenfalls vor. „Andreas Summers.“ bemerkte Andreas, dann zeigte er auf Seeta „Und das ist Lieutenant Yadeel, Chefingenieurin der Katana.“ Kira Nerys nickte beiden zu. Dann machte sie eine einladende Handbewegung. „Kommen Sie, wir können die Unterhaltung auch auf dem Weg zur Messe fortsetzen.“ sagte sie, während sie sich auch schon zum Gehen umwandte. Die beiden angesprochenen folgten. „Haben Sie eine Nachricht von der Katana und ihren Crewmitgliedern?“ wollte Summers dann wissen. Nerys hatte die Frage erwartet und hatte daher auch die Antwort parat. „Die Untertassensektion wurde von der Nina geborgen und wird von ihr derzeit nach Deep Space Nine transportiert. Wir sind die nächste Station in diesem Gebiet. Die Roosevelt hat die restlichen Fluchtkapseln aufgesammelt. Captain Needa und die anderen befinden sich bereits auf Deep Space Nine. Sie selber waren weiter von der Station entfernt, da sie offensichtlich früher ausgestiegen sind.“

Seeta nickte. „Ich verstehe. Und die Antriebssektion?“ wollte sie dann wissen. Nerys trat durch die letzte Tür auf die Brücke. „Haben wir schon Nachricht von der Antriebssektion?“ gab sie die Frage an ihre Brückencrew weiter. Der Steuermann der Defiant drehte sich zu ihr um. „Gerade eben kam Nachricht, dass das Schiff gestoppt wurde. Es ist jetzt ohne jede Energie und wird von den vier Schiffen, die es gestoppt haben, zur Station gezogen.“


Am nächsten Vormittag materialisierte ein erster Trupp auf der immer noch dunkel daliegenden Katana. Die an den Armen befestigten Lampen durchschnitten das Dunkel, das im Maschinenraum herrschte. Seeta stellte einen tragbaren Generator neben der Hauptenergieleitung ab. Schnell befestigte sie den Generator daran. Einige Augenblicke später wurde der Maschinenraum in das matte Licht der Notbeleuchtung getaucht. Der Trupp deaktivierte die Lampen.

„Nicht viel, aber immerhin.“ bemerkte Ariell Needa. Sie drehte sich zu ihren Mitarbeitern um. „Als erstes will ich, dass dieser Virus aus unseren Systemen entfernt wird.“ Sie nickte zu Dr. Lazarus und Lieutenant Yadeel hinüber. „Mr. McCrea, bitte überprüfen Sie den Status des Schiffes, ich will möglichst schnell wissen, ob wir noch irgendwelche unerwünschten Überraschungen an Bord haben.“ Sie winkte zu Andreas Summers hinüber. „Sie kommen bitte mit mir auf die Brücke. Ich will sehen, wie es dort aussieht.“ damit verließ sie den Maschinenraum.


Zwei Tage später war klar, dass der Virus aus den Systemen der Katana beim Absturz des Computers gelöscht worden war. Es war dem Ingenieursteam ohne Schwierigkeiten gelungen, die Systeme der Katana wieder hochzufahren. Die meiste Zeit war mit Nachforschungen, Sicherheitsupdates und der Reparatur von kleineren Schäden verbracht worden, die entstanden waren, als die Katana sich getrennt und als sie gewaltsam abgestoppt worden war. Leider waren die Log-Dateien beim Absturz des Systems beschädigt worden. Nach Auskunft von Dalen Lazarus und Seeta Yadeel würde es noch einige Zeit dauern, bis sie die beschädigten Dateien repariert haben würden. Vorher würde jede Auskunft über die Herkunft des Virus bloße Spekulation sein.

Ariell Needa hatte die Gelegenheit genutzt den Aufenthalt auf der Station, die ihr bei ihren Besuchen so ans Herz gewachsen war, auf eine volle Woche zu verlängern. Jeder hatte ein wenig Erholung nötig und das würde den Abteilungsleitern Gelegenheit geben, das Schiff auf Herz und Nieren zu prüfen. Der schöne Urlaub wurde jedoch jäh unterbrochen, als sie einen Ruf von Admiral Remmington erhielt.

„Sie werden einen neuen Austauschoffizier bekommen. Er wird morgen früh mit einem dieser Whitestarschiffe auf der Erde eintreffen. Bereiten Sie sich auf Ihren sofortigen Abflug zur Erde vor.“ teilte der Admiral Needa, die in ihren Bereitschaftsraum gegangen war, mit. „Er kommt aus dem Babylon 5 Universum und ist den Angaben nach ein Minbari.“ fügte er hinzu. „Ja Sir, wir werden uns unverzüglich auf den Weg machen. Needa Ende.“ bestätigte sie den Befehl des Admirals. Kurz nachdem sie den Satz beendet hatte, erlosch auch das Bild des Admirals auf dem Bildschirm. Ariell stand auf und holte sich einen Tee am Replikator. „Ein neuer Austauschoffizier, was mag mich da nur erwarten?“ dachte sie, dann ließ sie Kurs auf die Erde nehmen.


Am Morgen seiner Abreise begab Tannier sich zum Zokkola, setzte sich an die Bar und betrachtete noch einmal das geschäftige Treiben auf dieser ihm so vertrauten Station, als ihm plötzlich von hinten jemand an die Schulter fasste. Tannier drehte sich um und blickte in die Augen des Sicherheitschefs Michael Garibaldi, welcher sich lachend zu ihm setzte. „Ich habe von Ihrer Versetzung gehört. John hat es mir erzählt.“ begann Michael das Gespräch und bestellte sich ein Glas Mineralwasser. „Ein wenig beneide ich Sie schon, es waren ein paar sehr hübsche Frauen an Bord. Und die Abenteuer die sie dort erleben werden...“ sprach er in seiner flapsigen Art weiter. „Wir werden Sie hier vermissen.“ sagte Michael nach einer kurzen Pause mit einem ernsten Gesichtsausdruck. „Ich werde das alles hier auch sehr vermissen.“ meldete sich nun auch Tannier mit einem leicht melancholischen Ton zu Wort. „Babylon 5 ist für mich zu einer zweiten Heimat geworden, aber ich blicke auch voller Freude in die Zukunft.“

„Kommen Sie mit, ich möchte ihnen etwas zeigen.“ sprach Michael in einem schon fast befehlenden Ton. Er erhob sich, forderte Tannier auf es ihm gleich zu tun und beide gingen über den Zokkola in Richtung Beobachtungslounge. „Was wollen sie mir zeigen?“ fragte Tannier ihn, als er zu Garibaldi aufgeschlossen hatte, der schnellen Schrittes den basarähnlichen Marktplatz von Babylon 5 überquerte. „Ich dachte einem Minbari gebührt eine so neugierige Art nicht.“ lachte Michael ihn an. Tannier antwortete mit einem breiten Grinsen, was bei ihm ein wenig merkwürdig aussah: „Ich bin ja auch kein gewöhnlicher Minbari.“ „Da haben Sie auch wieder recht.“ bestätigte Michael die Aussage des Minbari.

Endlich erreichten sie die Beobachtungslounge. Sie war dunkel und die Schutzwände außerhalb der großen Fenster, die den Blick auf die Sterne zuließen, waren heruntergefahren. „Was wollen Sie mir denn jetzt zeigen?“ warf Tannier in den dunklen Raum, der sich mit einem Mal erhellte und den Blick auf reichlich gedeckte Tische und viele Lebewesen freigab, alle standen mit einem Glas in der Hand und starrten Tannier an. Michael Garibaldi, der sich inzwischen auch ein Glas geholt hatte, wandte sich zuerst an Tannier und dann an die Gäste.

„Dies ist eine alte Tradition von der Erde. Wenn ein geschätztes Mitglied einer Station, oder eines Raumschiffes seinen Posten verlässt, wird ihm zu Ehren eine Abschiedsparty gegeben. Und nun bitte ich Sie, bedienen Sie sich und machen Sie sich eine schöne Zeit.“ Ein kurzer Applaus sowie die Worte „Hört! Hört!“ erklangen und die Leute machten sich übers Buffet her.

Tannier stand noch immer in der Tür und obwohl es ihm keiner ansehen konnte, war er doch sehr gerührt. ‚Sie sind alle gekommen,‘ dachte er ‚nur meinetwegen.‘ Er blickte in die Runde. An einem der hinteren Tische standen Londo Mollari, der Botschafter der Centauri und G’Kar, wieder Mal lauthals streitend, einen Tisch weiter erkannte er Commander Ivanova, die sich mit Marcus und einigen Minbari über die nächsten Missionen der Ranger unterhielt. Lyta war auch da und Tannier sah mit einem Schmunzeln, dass Zack Allen mal wieder versuchte sie „anzubaggern“, wie Michael es so gerne ausdrückte. In der Mitte des Raumes standen John Sheridan und Delenn, Arm in Arm und unterhielten sich mit Michael.

‚Nun mal auf ins Getümmel!‘ dachte Tannier sich und ging auf seine alten Freunde zu, um sich von ihnen zu verabschieden und noch ein wenig mit ihnen zu feiern.


Nach zwei weiteren Stunden gemütlichen Beisammenseins besann sich Tannier, dass es nun Zeit wurde seine Mission anzutreten. Er verabschiedete sich von allen, die nun geschlossen standen und ihm noch mal zuprosteten, sogar Londo und G’Kar standen nebeneinander ohne sich anzuschreien. Lächelnd verbeugte Tannier sich und begab sich zu Andockrampe 2.

Sein Kampfflieger stand bereit und er begab sich gleich an Bord, seine Finger glitten über die Kontrollen und der Nial Jäger startete. Er flog Richtung Sprungtor und bemerkte, wie die Station hinter ihm plötzlich sämtliche Waffensysteme aktiviert hatte.

„Delenn, vielen Dank für diese Geste.“ sagte er zu sich selbst. Er wusste, dass diese Geste von Delenn stammte. Es war eine alte Minbari Tradition für ein an- oder abfliegendes Schiff die Waffensysteme zu aktivieren, um ihm seinen Respekt zu bezeugen.

Plötzlich entdeckte Tannier ein Paket. Er konnte sich nicht erinnern es mit genommen zu haben. Es war mit Minbarischriftzeichen versehen. Er öffnete es und erbleichte, als er sah, was sich im Inneren des Paketes befand. „Das Triluminarium, unser heiligstes Artefakt, davon haben wir doch nur noch drei!“ Seine Gedanken überschlugen sich, dann entdeckte er die Notiz die daneben lag. Sie war von Delenn. „Lieber Tannier, ich weiß, Du musst überrascht sein, aber ich möchte, dass Du das Triluminarium an Dich nimmst. Es soll Dir Halt geben und Dir in der fremden Welt ein Stück Heimat vermitteln. Und da ich wusste, dass Du es nie annehmen würdest, habe ich es hier für Dich hinterlegt. Viel Glück, alter Freund.“

Voller Freude verpackte er alles wieder und nahm, nachdem der Computer ihm signalisiert hatte, dass das White Star Schiff schon auf ihn wartete, Kontakt mit ihm auf. „Sim’wa Linn Da’lehn“ sprach ihn der Captain der White Star an und leitete die Andocksequenz ein.

Nachdem er an Bord war, wurde sofort der Abflug eingeleitet. „Wann erreichen wir die Erde?“ fragte Tannier. „In zehn Stunden, Sir.“ erhielt er prompt die Antwort. „Ich ziehe mich solange in das Sanktum zurück, benachrichtigen sie mich 10 Minuten bevor wir die Katana erreichen.“ beauftrage Tannier den Captain der Whitestar. „Jawohl, Sir.“ antwortete dieser, dann zog Tannier sich zurück und meditierte. Äußerlich gab er sich sehr gelassen, doch im Inneren kochte er vor Aufregung und Nervosität. Die alten Fragen drängten sich wieder in seinen Kopf. Werden sie mich mögen? Kann ich den Anforderungen gerecht werden? Er schüttelte diese Gedanken ab und wurde wieder sicherer. „Ich werde das schon schaffen.“ sagte er zu sich selber.


„Computer zeige mir die Akte von Tannier.“ verlangte Ariell Needa, kaum dass die Katana im Erdorbit angekommen war. Der Computer rasselte die üblichen Informationen runter und Ariell hörte sich alles in Ruhe an, während sie ihren Tee trank. Plötzlich zuckte sie ein wenig zusammen. „Computer, wiederhole das Alter des Offiziers.“ Der Computer gehorchte und gab wahrheitsgemäß an: „50 Erdenjahre.“ ‚Na Toll.‘ dachte Ariell. ‚Sie hätten mir ruhig einen jüngeren schicken können.‘ Obwohl sie sich bewusst war, dass die reichliche Erfahrung des neuen Mitgliedes ihrer Crew in vielen Fällen wohl hilfreich sein könnte, hatte sie doch so ihre Zweifel, ob er sich so schnell in die Gruppe integrieren würde, da er bestimmt in den alten Sitten seines Volkes feststeckte.

Ein leiser Summton riss sie plötzlich aus ihren Gedanken. „Needa hier, was gibt’s?“ fragte sie. „Hier Summers, unser neues Besatzungsmitglied ist eingetroffen und bittet an Bord kommen zu dürfen.“ hörte sie die Stimme ihres ersten Offiziers. „Sagen Sie ihm er soll sich zum Beamen bereit machen, ich werde ihn in Transporterraum 2 empfangen.“ gab sie an. „Aye, Ma’am“ bestätigte Summers seine Befehle.

Ariell machte sich auf den Weg. Als sie im Transporterraum ankam, signalisierte sie dem Chief den Neuankömmling an Bord zu beamen. Das obligatorische Summen erklang und die Luft über der Transporterplattform leuchtete in dem bekannten Blau. Ariell war leicht erschrocken als sie in das noch jugendliche Gesicht des Minbari blickte. Ihrer Schätzung nach wäre er nicht älter als 25 Jahre gewesen. Auch der Rest seines Körpers deutete keine Spur von einem solchen Alter an, er war durchtrainiert und machte durch den Knochenkranz an seinem Kopf einen sehr würdigen Eindruck. Ariell brachte ihre Gedanken wieder unter Kontrolle und ging auf ihn zu.

„Ich bin Captain Ariell Needa, ich freue mich, Sie hier an Bord begrüßen zu können.“ sprach sie ihn, mit einem Lächeln auf den Lippen, an. „Danke Captain,“ erwiderte der neue Offizier „ich bin Lieutenant Tannier und ich freue mich schon, unter Ihnen dienen zu können.“ „Sehr schön. Hätten Sie Interesse das Schiff zu besichtigen?“ beantwortete sie seine höflichen Worte. „Sehr gerne, nach Ihnen.“ sprach Tannier und deutet mit einem Lächeln Richtung Tür. „Gut, wir fangen im Diners an, das ist die Offiziersmesse. Hier kommen alle zusammen, um zu Essen oder um sich nach Feierabend noch ein bisschen mit Freunden zu unterhalten. Außerdem können Sie mir dort ein bisschen mehr von sich erzählen.“ antwortete sie mit einem Zwinkern. „Ich freue mich schon.“ sagte Tannier und folgte seinem neuen Captain. ‚Sie macht einen freundlichen und kompetenten Eindruck, es wird bestimmt eine Freude mit ihr zu arbeiten‘ dachte er. Als sie das Diners erreichten setzten sich beide an einen freien Tisch und bestellten sich was zu trinken. „Also dann schießen Sie mal los, Sie sind wirklich schon 50 Jahre alt? Sieht man Ihnen gar nicht an.“ begann Ariell erneut mit einem Lächeln das Gespräch. „Oh, danke schön für das Kompliment, aber wenn man eine Lebenserwartung von 190 Jahren hat, sollte man mit 50 auch noch nicht so alt aussehen, oder?“ antwortete Tannier und mit einem Schmunzeln blickte er seinen neuen Captain an. Lachend antwortete Ariell ihm. „Da haben Sie auch wieder Recht.“

Die offene, freundliche Art ihres neuen Mannschaftsmitgliedes gefiel Ariell, obwohl sich bei ihr noch einige Zweifel einschlichen, ob er als Elite Force Commander geeignet war. Er wirkte ein bisschen zu freundlich auf sie und sie wusste genau was es bedeutete, ein Elite Force Team zu formen, wie es Jade gelungen war. Das ging nicht nur mit Freundlichkeit. Doch vielleicht machte sie sich umsonst Sorgen. Er wäre von der Sternenflotte nicht für diesen Posten empfohlen worden, wenn er nicht die Ambitionen dazu hätte.

„Ich habe die Aufzeichnungen ihrer Missionen studiert, hier scheint ja immer was los zu sein.“ sagte Tannier. „Das stimmt, Urlaub machen können Sie hier nicht.“ stellte Ariell fest. Irgendwie erinnerte der Captain Tannier an Michael Garibaldi. Sie hatte eine ebenso freundliche Art und scheute sich auch nicht davor, alle Fragen zu stellen, die sie interessierten.

„So, ich denke Sie brennen darauf, die Brücke zu sehen und die anderen Führungsoffiziere kennen zulernen?“ wollte Ariell wissen. Tannier nickte zustimmend. „Aber natürlich Captain.“ beantwortete er ihre Frage.

So erhoben sich beide von ihren Plätzen und gingen zum nächstgelegenen Turbolift. „Computer, Brücke.“ befahl Ariell und der Computer tat wie ihm geheißen.

Als Tannier und der Captain auf der Brücke ankamen, richteten sich erwartungsgemäß alle Blicke auf den Neuankömmling und Captain Needa begann sogleich, ihm die anderen Führungsoffiziere vorzustellen.

Da wäre zuerst Commander Summers, ein gutaussehender Erdling, der Tannier mit einem warmen Lächeln begrüßte. Dann die Chefingenieurin, die ihn mit einer Mischung aus Skepsis und Bewunderung anblickte. Der Wissenschaftsoffizier Dalen Lazarus, eine Spezies die Tannier noch nie zuvor gesehen hatte, der seinem Beruf als Wissenschaftler alle Ehre machte, indem er Tannier kurz musterte und sich dann ohne eine Miene zu verziehen wieder an seinen Bildschirm wandte. Der Sicherheitschef Falyn McCrae, welcher ihn argwöhnisch anblickte und jeden Schritt, den Tannier machte, zu überwachen schien. Die Schiffscounselor Livia MacGregor, auch sie bedachte Tannier mit einem Lächeln. Und dann zuletzt noch der Conn- Offizier Kell Widar, ein Asgard wie man ihm gleich mitteilte, auch ein Austauschoffizier, aus dem Stargateuniversum, der ihn zwar freundlich begrüßte, dessen Gesicht jedoch keinerlei Emotion zeigte.

„Wenigstens bin ich nicht der einzige Auswärtige.“ ging es Tannier durch den Kopf. Nachdem der Captain ihm jeden vorgestellt hatte, verbeugte sich Tannier in alter Minbari Tradition, stellte sich vor und begab sich dann gleich an seine Station hinter der Counselor. Er begann mit einer Analyse der taktisch- strategischen Daten und der Spezifikationen des Schiffes, bevor er sich die Daten seines neuen Teams anschaute, welches er künftig in allerlei gefährliche Situationen führen würde. Er blickte bei seiner Arbeit kurz auf und schaute sich noch mal das geschäftige Treiben seiner neuen Kollegen an. Ja, er fühlte sich hier schon jetzt wohl.


Am nächsten Tag war es auf der Brücke der Katana ruhig. Jeder ging seiner Beschäftigung nach. Ariell lehnte entspannt in ihrem Sessel und tauschte einige scherzhafte Bemerkungen mit Andreas Summers, ihrem ersten Offizier aus. Falyn McCrae beobachtete das leichte Geplänkel der beiden. Marina DeSoto überwachte die Energieverteilung für einige minderwichtige Vorgänge in Maschinenraum und Wissenschaftslabor, die reine Routine waren. Es war derzeit nicht mit irgendwelchen Schwierigkeiten zu rechnen – aber dann gab es auf der Katana auch immer die merkwürdigsten Überraschungen. So auch jetzt, als ein Ruf von der Erde einging. Erstaunt betrachtete Marina die Angaben für Absender und Empfänger des Rufs. Sie aktivierte das Interkom. „DeSoto an Yadeel. Uns erreicht gerade ein Ruf von der Erde für Sie. Es ist privat.“ bemerkte sie.


Seeta krabbelte im Maschinenraum aus einer der zahlreichen Jeffriesröhren hervor. Sie hatte gemeinsam mit Maggie Kincaid, ihrer ganz persönlichen Nummer Eins im Maschinenraum, an einigen Einstellungen gebastelt um die Effizienz des Warpkerns zu vergrößern. Die beiden Frauen waren dabei sehr entspannt vorgegangen. Es war kein Befehl des Captains zu Verbesserungen ergangen, der Warpkern arbeitete hervorragend, sondern es war eher zu einer Art Freizeitvergnügen für die beiden jungen Frauen geworden hier und da noch ein halbes Prozentpünktchen mehr aus den Maschinen herauszuquetschen – schließlich wusste man ja nie, wann man dieses Prozentpünktchen mal brauchen würde. Die Zanderianerin legte ihren Plexscanner auf einen Tisch, strich sich die Haare aus der Stirn und aktivierte dann ihren Kommunikator während sie bereits mit langen, energiegeladenen Schritten auf ihr Büro zuging. „Bitte legen Sie das Gespräch in mein Büro. Ich nehme es dort entgegen.“ beantwortete sie die Anfrage.


Wenige Augenblicke später saß sie vor ihrem Schreibtisch und drehte ihr Interkom zu sich herum. Sie aktivierte es und als sie das Gesicht sah, das ihr entgegen blickte, verwandelte sich ihr unverbindlicher Gesichtsausdruck nacheinander in Freude und dann in Misstrauen. Schnell warf sie einen Blick auf den Chronometer. Wie spät es jetzt wohl auf der Erde sein mochte? Sie entschied sich, es mit der Schiffszeit zu versuchen. "Guten Abend, Mamja.“ begrüßte sie ihre Mutter, die derzeitige Matriarchin der Yadeel-Sippe.

„Guten Morgen, Seeta.“ antwortete Taraana Yadeel, eine hochgewachsene Frau, die ein Erdenmensch auf etwa 65 Jahre geschätzt hätte. „Ich wusste nicht, welche Zeit auf diesem Schiff ist, auf dem Du herumreist, deshalb habe ich es einfach gleich nach dem Aufstehen versucht.“ Die Missbilligung in der dunklen, machtvollen Stimme der grauhaarigen Frau war nicht zu überhören. Taraana hatte die Entscheidung ihrer Tochter, zur Sternenflotte zu gehen, nie gebilligt und das würde sie wohl auch nie tun. Der einzige Grund, aus dem sie überhaupt zugestimmt hatte, bestand darin, dass es Seeta so möglich gewesen war, eine alte Schuld der Familie an die Menschen zurückzuzahlen. Für sie bestand kein Grund mehr für Seeta, weiter an Bord dieses Schiffes zu bleiben und sie wollte verdammt sein, wenn sie ihre jüngste Tochter nicht dazu bekommen würde, ihre Pflichten ihrer Familie und ihrem Volk gegenüber einzulösen.

Seeta versteifte sich und stellte sich innerlich auf eine harte Diskussion mit ihrer Mutter ein. Sie beiden hatten diese Unterhaltung wohl schon mehrere duzende Male aufs heftigste geführt und nie hatten sie eine Übereinstimmung erzielen können. Das würde auch heute noch nicht der Fall sein. Sie war einfach noch nicht bereit.

Taraana, die wusste, dass eine Auseinandersetzung zu nichts führen würde, hob gebieterisch die Hand. „Sag jetzt nichts, Jadana.“ Seeta zuckte zusammen. Ihre Mutter hatte sie lange nicht mehr beim Kindheitskosenamen genannt. „Ich bin alt geworden.“ sagte die Frau mit den tiefen Furchen im dunklen Gesicht. „Ich werde die Bürde der Führung der Familie an Deine Schwester weitergeben. Die Zeremonie wird in einer Woche stattfinden. Ich möchte Dich bitten ihr als Temonata beizuwohnen.“ Seeta schluckte. Ihre Mutter erwies ihr eine große Ehre, die eigentlich nicht ihr gebührte. Traditionell kam diese Ehre der zweitgeborenen Tochter zu, nicht ihr. Aber sie konnte nicht gut ablehnen, dazu war die Aufgabe, die ihr in der bevorstehenden Ralai-Zeremonie angeboten wurde, zu wichtig – und so wie alle Kinder von Taraana Yadeel beherrschte auch sie diese Aufgabe im Schlaf. Sie kannte die Worte, die sie zu sprechen hatte, auswendig – die Gesten, die es auszuführen galt, beherrschte sie mit schlafwandlerischer Sicherheit. Also nickte sie einfach nur. „Ich werde da sein.“ bestätigte sie die Bitte ihrer Mutter. Dann beendete sie die Verbindung.


Kaum fünf Minuten später verließ Seeta durch die sich öffnenden Türen den Turbolift und trat auf die Brücke. „Ich müsste Sie mal sprechen, Captain!“ sagte sie und ging auch schon auf den Bereitschaftsraum zu. Ariell sah ihrer Chefingenieurin einen Moment amüsiert nach, bevor sie sich aus ihrem Sessel erhob und ebenfalls in Richtung ihres Bereitschaftsraums strebte. Gleichzeitig erreichten die beiden Frauen die Tür und Ariell ging voraus in ihr Büro. Sie setzte sich auf die Couch, wartete bis die andere Frau Platz genommen hatte und sagte dann: „Worum geht’s?“

Seeta zauderte einen Moment und meinte dann: „Meine Mutter hat mich gebeten einen wichtigen Platz in einer Zeremonie auszufüllen. Es wird in einer Woche auf der Erde stattfinden. Zuhause auf Kuba.“ Ariell entspannte sich. „Was für eine Zeremonie ist es denn?“ wollte sie dann wissen. Sie wusste so gut wie nichts über zanderianische Bräuche und war begierig, etwas darüber zu lernen. Seeta rutschte ein wenig hin und her. „Es handelt sich um die Ralai-Zeremonie, in der eine Matriarchin die Herrschaft über die Sippe an ihre älteste Tochter abgibt. Neben den beiden Frauen nimmt Temonata, eine Art Zeremonienmeisterin teil. Ihre Aufgabe ist es, die Rituale durchzuführen, die Macht von der Mutter auf die Tochter zu übertragen.“ Ariell nickte. Das hörte sich hochinteressant an. Zu Schade, dass sie nicht dabei sein konnte um zuzusehen. „Außerdem ist es ihre Aufgabe später, nach dem Ende der Zeremonie eine Art Ansprache auf die neue Matriarchin zu halten um so den Zuschauern gegenüber ihre ausdrückliche Zustimmung zum Machtwechsel zu geben.“ Ariell grinste. Da war ihre Möglichkeit, eine zanderianische Zeremonie mit anzusehen. „Wären auch Fremde als Gäste zugelassen? Wie wäre es mit einer Trillhybridin?“ fragte sie spitzbübisch, was ihr einen leicht erstaunten Blick der anderen einbrachte. „Es ist eine öffentliche Zeremonie, jeder ist zugelassen.“ Ariell nickte lebhaft. „Dann werde ich dabei sein. Ich gebe Ihnen und jedem anderen, der dabei sein will, frei. Wir haben sowieso noch keine neuen Befehle erhalten. Im Moment sitzen wir alle nur mehr oder weniger rum.“ bemerkte die erste Frau des Schiffes, während sie auch schon auf die Tür zum Bereitschaftsraum zulief. Sie war gespannt, wie das nächste Woche ablaufen würde.


Seeta lehnte ihre Stirn entnervt an das Sicherheitsglas des Fensters ihres Quartiers. Hätte sie gewusst, was ihr bevorstand, so hätte sie der Bitte ihrer Mutter sicher nicht entsprochen. Aber da sie es nun mal nicht gewusst hatte, hatte sie auch nicht abgelehnt.

Alles hatte ganz normal angefangen. Seeta hatte sich in die traditionelle dunkle Robe gekleidet. Gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrer ältesten Schwester hatte sie den ausschließlich von vielen Kerzen erleuchteten Raum betreten. Auf den vordersten Sitzkissen knieten ihre Geschwister und deren Partner, dahinter deren zahlreiche Kinder. Danach kamen gemischte Reihen, gefüllt mit befreundeten zanderianischen Familien. In der hintersten Reihe konnte sie den glänzenden Haarschopf von Ariell Needa ausmachen. Neben ihr entdeckte sie Lieutenant Tannier. Mit Needas Anwesenheit hatte sie gerechnet, jedoch nicht mit der des neuen Crewkollegen. Aber dann waren Minbari von je her an den Bräuchen anderer Völker interessiert gewesen. Schnell wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder der bevorstehenden Zeremonie zu.

An einer großen, dicken Kerze, die zwischen den drei Frauen brannte, entzündete Taraana eine blutrote Kerze. Sie stand auf und hob sie empor. „Die Steine hatten mich zur Führung dieser Sippe berufen. Sie haben mich stets würdig geleitet.“

Seeta stand auf und hielt ihrer Mutter ihre geöffneten Hände entgegen. „Ich war Zeuge Deiner weisen Führung!“ sagte sie. Taraana verbeugte sich und hielt dann die Kerze schräg über Seetas Hände, so dass einige Tropfen in deren geöffnete Hände fielen. „Möge auch mein Nachfolger die Sippe weise leiten.“

Seeta ergriff die Kerze mit beiden Händen und wandte ihren Körper ihrer Schwester Hadja zu. „Mögest auch Du die Sippe weise leiten.“ wiederholte sie die Worte ihrer Mutter.

Die schwarzhaarige Hadja erhob sich nun ebenfalls. Sie verneigte sich zuerst vor ihrer Mutter und dann streckte sie ihre Hände Seeta entgegen. „Möge auch ich die Sippe weise leiten.“ wiederholte sie die Worte, die zuvor Mutter und Schwester gesprochen hatten.

Seeta hielt die Kerze schräg, so dass einige Tropfen auf die Hände ihrer Schwester tropften. „So soll es mit dieser starken Kerze besiegelt sein. Möge Dein Blut so stark sein, wie diese Kerze.“

Hadja nahm die Kerze entgegen und umschritt damit das kleine Podest, auf dem die Frauen standen, dann blieb sie vor den Zuschauern stehen und hob die Kerze in die Höhe. „Seht, so stark wie diese Kerze ist die Sippe der Yadeels!“ rief sie mit lauter Stimme. Dann stellte sie die Kerze in ihre Halterung zurück. Mutter und Töchter traten vor die Zuschauer und erhoben ihre Hände zum Himmel, zwei von ihnen getrocknetes Wachs auf den Handflächen, eine von ihnen mit reinen Händen.

Dann war die Zeremonie vorbei, die drei Frauen schlossen sich in die Arme und führten die versammelte Gesellschaft in die große Halle auf der Hazienda der Yadeels.


Zuerst war alles ganz entspannt gewesen. Seeta hatte es genossen sich endlich mal wieder im Schoß ihrer Familie zu befinden. Alle waren da gewesen. Ihre Eltern, ihre vielen Geschwister und all ihre Nichten und Neffen. Auch die Matriarchinnen vieler anderer Familien hatten ihrer Mutter die letzte und ihrer Schwester die erste Ehre erwiesen und wie bunte Kleckse in all den Zanderianern saßen hier und dort ihre Kollegen von der Katana. Jetzt, wo sie sich ungehindert im Raum umblicken konnte, entdeckte sie mehr von ihnen, als vorhin bei der Zeremonie.

Seltsamerweise wanderte ihr Blick immer wieder zu Andreas Summers hinüber, mit dem sie in der vergangenen Woche mehr Zeit denn je verbracht hatte. Irgendwie waren sie sich ständig über den Weg gelaufen und hatten sich jedes Mal ausnehmend gut miteinander unterhalten.

Hadja stand auf und schlug mit ihrer flachen Hand auf den Tisch. „Liebe Gäste.“ begann sie mit ihrer Ansprache, nachdem sie sich nach alter zanderianischer Sitte Gehör verschafft hatte.

„Ich freue mich, dass Sie alle hierher gekommen sind, um diesen Freudentag mit mir und meiner Familie zu feiern. Dies ist ein schöner Tag für die Familie Yadeel, denn heute wurde gemäß den uralten Traditionen die Bürde der Führung von einer Frau zur anderen weitergegeben. Dieser Tag ist umso schöner, weil heute meine jüngste Schwester mit uns feiern kann, die aus dem Weltraum zu uns zurückgekehrt ist.“ Freundlich nickte Hadja zu ihrer jüngeren Schwester hinüber.

„Mit großem Stolz kann ich heute Abend verkünden, dass Seeta sich entschlossen hat, nun endlich den Bund der Steine mit Cariad einzugehen. Endlich werden alle Kinder von Taraana den ihnen vorbestimmten Weg gehen. Herzlichen Glückwunsch!“ Seeta glaubte, sich verhört zu haben. Ihre Schwester verkündete hier in aller Öffentlichkeit, dass sie vorhabe zu heiraten? Einen Moment lang trat ein grimmiger Ausdruck auf ihr Gesicht. Wieso wusste sie bisher noch nichts davon, dass sie heiraten wollte?

Die Gesichter der Anwesenden drehten sich zu ihr herum. Schnell setzte sie ihr bezauberndstes Lächeln auf und beschloss, ihrer Schwester erst später die Meinung zu sagen. Wem war mit einer öffentlichen Szene schon gedient? Darunter würde doch nur das Ansehen der Familie leiden.


Andreas fühlte, wie sich in seinem Magen einer kleiner Knoten bildete. Sie wollte heiraten? Wieso hatte sie ihm das nicht erzählt? Nicht, dass er einen Anspruch auf Kenntnis ihres Privatlebens gehabt hätte, aber nachdem sie sich die ganze Zeit so gut verstanden hatten, hätte sie es ihm doch erzählen können, dass sie schon seit vielen Jahren verlobt war. So zumindest hatte er es die Leute tuscheln hören, nachdem Seeta und Hadja den Raum verlassen hatten, um ein „privates Gespräch“ zu führen, wie Seeta es genannt hatte, als sie ihre Schwester förmlich aus dem Raum zerrte. Verstohlen warf er einen Blick zu der Person, die er als den Bräutigam identifiziert hatte. Ein freundlich wirkender Mann. Schwarzes Haar, so wie alle Angehörigen von Seetas Volk es offenbar hatten, die Hautfarbe einige Töne dunkler als Seetas eigene. Überhaupt schien ihre Haut für eine Zanderianerin sehr hell zu sein. Ihr stand das, wie er fand. Aber an dem Mann war nichts dran, was besonders gewirkt hätte. Sein ständiges Lächeln wirkte eher etwas dämlich, zumindest empfand er das so. Irritiert warf er einen Blick auf die Tür, die sich hinter den beiden Yadeel-Schwestern, der ältesten und der jüngsten, geschlossen hatte. Offensichtlich war gerade irgendein Gegenstand zu Bruch gegangen. Was machten die beiden da drinnen bloß? Seeta sollte jetzt hier draußen sein, an der Seite ihres Bräutigams und die Glückwünsche der Gäste entgegennehmen. Statt dessen war sie mit Hadja verschwunden. Sehr merkwürdig, das ganze.


Kaum hatte die Tür sich hinter den beiden Yadeel-Schwestern geschlossen war Seeta auch schon wütend auf ihre älteste Schwester losgegangen. Die beiden hatten nie viel miteinander gemein gehabt und sich meist nur leidlich verstanden, aber das hier schlug zumindest nach Seetas Meinung dem Fass den Boden aus.

„Kannst Du mir mal verraten, was das sollte?“ fauchte sie ihre Schwester an. „Du weißt ganz genau, dass ich derzeit nicht an Heirat denke.“ setzte sie, nicht minder kraftvoll hinzu. Ihre Schwester lächelte sie süffisant an und setzte sich hinter den breiten Schreibtisch der Matriarchin. „Seeta, jetzt ist ein für alle mal Schluss mit Deinem aus der Reihe tanzen. Du wirst endlich, so wie alle anderen Frauen auch, Deine Pflichten gegenüber der Sippe erfüllen.“

Seeta verdrehte ihre Augen zum Himmel. Fing das schon wieder von vorne an? „Das kommt nicht in Frage.“ stellte sie fest. „Die Zeiten, in denen das zanderianische Volk vom Aussterben bedroht waren, sind vorbei. Es ist nicht mehr erforderlich, dass jede Frau 10 Kinder bekommt.“

Ihre Schwester nickte grimmig. „Mag sein, aber Cariad wurde Dir kurz nach eurer Geburt versprochen. Ihr seid aneinander gebunden, schon länger als Du Dich überhaupt erinnerst.“

Seeta schob ihr Kinn stur vor. „Ja, und?“ fragte sie provozierend.

Hadja schob ihr Kinn in der gleichen Weise vor. Es war klar, dass keine der beiden Schwestern auch nur eine Handbreit Boden aufgeben würde, ohne erbittert darum zu kämpfen. „Und die Leute reden bereits über ihn, weil Du Dich weigerst endlich den Bund mit ihm einzugehen.“

Seeta schluckte. Ihre Schwester hatte gerade einen Punkt gemacht. Sie mochte Cariad und wollte nicht, dass die Leute über ihn tuschelten. Sie setzte sich auf einen der Stühle vor dem Schreibtisch. „Dann sollte ich vielleicht die Verlobung lösen. Das gäbe ihm die Gelegenheit, sich eine Gefährtin zu suchen.“ meinte sie vage.

Hadja schnaubte verächtlich. „Du musst ja doch eines Tages heiraten, warum dann nicht Cariad? Du magst ihn doch.“ bemerkte sie. Seeta nickte zögerlich. „Und Du willst doch auch nicht, dass er sein Gesicht verliert. Sie würden sich das Maul über ihn zerreißen, wenn Du ihn sitzen lässt.“ fügte Hadja hinzu. Seeta sah erschrocken auf und schüttelte entsetzt den Kopf. An diese Möglichkeit hatte sie noch gar nicht gedacht.

Hadja kam um den Tisch herum und kniete sich vor Seeta hin. „Du kannst nicht ewig davonlaufen und wenn es keinen anderen gibt, den Du heiraten willst, dann solltest Du jetzt endlich Cariad heiraten.“ sagte sie, während sie sanft die Hand der jüngeren Frau drückte. ‚Andreas!‘ tauchte der Name einen Moment in ihren Gedanken auf. Schnell verscheuchte sie ihn wieder. Die Beziehung, die sie derzeit zu Commander Summers unterhielt, war nicht der Art. Also nickte sie schließlich zögerlich. „Also gut.“ meinte sie. „Aber ich werde trotzdem nach der Hochzeit nicht hier bleiben. Ich gehöre an Bord der Katana.“ Hadja nickte. „Cariad kann Dich sicher begleiten.“ meinte sie vermittelnd und nicht ganz unzufrieden. Sie hatte geschafft, was ihre Mutter in den vergangenen 15 Jahren nicht geschafft hatte. Seeta hatte eingewilligt zu heiraten.


Der Rest des Tages war wie ein Alptraum an Seeta vorbeigezogen. Lächelnd hatte sie die vielen Gratulationen entgegengenommen, ohne überhaupt mitzubekommen, was um sie herum vorging. Sie wollte nicht denken oder fühlen, weil sie dann sicher auf der Stelle schreiend davongelaufen wäre, so wie sie es bisher jedes Mal getan hatte, wenn das Thema Heirat aufgekommen war. Später am Abend, in ihrem Quartier auf der Katana erinnerte sie sich dunkel, Gratulationen von Ariell Needa und Andreas Summers entgegengenommen zu haben, wobei Andreas Lächeln irgendwie halbherzig gewirkt hatte. Sie hatte gesehen, wie er bald danach die Feier verlassen hatte. Sie hatte ihn beneidet. Sie hatte sich nichts sehnlicher gewünscht, als sich in ihrem Bett in ihrem Quartier auf der Katana eingewickelt in eine Decke verstecken zu können. Aber es hatte noch volle 5 Stunden gedauert, bevor die Feierlichkeiten endlich beendet gewesen waren und sie in das Quartier, das inzwischen ihre Heimat war, zurückgekehrt war.


„Wann ist denn der große Tag, Lieutenant?“ erklang Ariell Needas Stimme unvermittelt in Seetas Rücken. Mit einem aufgesetzten Lächeln drehte sie sich herum. „Übermorgen.“ meinte sie, nicht gerade wenig einsilbig. ‚Nanu?‘ dachte Ariell. Das hörte sich nicht nach dem überschäumenden Glück einer jungen Braut an. Zumindest bei sich selber hatte sie das ganz anders in Erinnerung. „Wo wird die Zeremonie denn stattfinden?“ wollte sie wissen. Seeta behielt ihr aufgesetztes Lächeln bei. „Auf der Hazienda meiner Familie.“ gab sie an. Ariell spürte es deutlich in ihren Trillflecken. Da stimmte etwas nicht. Die junge Braut war ungefähr so gesprächig wie eine Frau auf dem Weg zum Schafott. „Wird es eine zanderianische Zeremonie?“ fragte sie. Seeta nickte lediglich zur Bestätigung. „Bin ich eingeladen?“ fragte Ariell spitzbübisch. Das entlockte der anderen Frau das erste ehrliche Lächeln seit Beginn des Gespräches. „Natürlich sind Sie eingeladen. Und alle anderen auch, wenn sie wollen. Fast alle zanderianischen Rituale sind öffentlich.“ Needa nickte knapp. „Okay, ich will doch dabei sein, wenn meine Chefingenieurin den glücklichsten Tag ihres Lebens verbringt.“ Und schon war sie wieder draußen. Denn der unglückliche Gesichtsausdruck ihrer Chefingenieurin hätte ihre Trillflecken garantiert zum Brennen gebracht.


Andreas Summers wurde das Gefühl nicht los, dass ganz und gar etwas mit dieser Hochzeit nicht stimmte. Seeta war seit gestern Abend unglaublich verschlossen. Sie bekam kaum die Zähne zu einem „Hallo.“ auseinander und immer, wenn sie sich nicht beobachtet fühlte, rutschte dieses aufgesetzte glückliche Lächeln von ihrem Gesicht und statt dessen war dort Trostlosigkeit zu lesen. Selbst ein weniger aufmerksamer Beobachter hätte bemerkt, dass hier etwas faul war im Staate Dänemark. Aber wie sollte er herausfinden was los war, wenn die Frau ihm seit dem vergangenen Abend aus dem Weg ging? Immer, wenn sich die Gelegenheit zu einem Gespräch ergab, musste sie gerade dringend irgendetwas erledigen. Was sollte er also tun, um herauszubekommen was los war? Schade dass Jade Thunders nicht mehr an Bord war. Sie hätte bestimmt herausgefunden, was mit der anderen Frau los war, die beiden waren Freundinnen gewesen. Nachdenklich wanderte sein Blick über die Brücke, bis er schließlich auf Livia MacGregor hängen blieb. Auf sein Gesicht trat ein breites Grinsen. Die Frau war wie gemacht für das, was es zu tun galt.


Gollwyn Maddigan stürzte ohne Anzuklopfen in Admiral Cenellys Büro. „Guten Morgen, Winnie.“ begrüßte der eine seiner fähigsten Lehrkräfte. Winnie ließ sich in den Sessel vor Cenellys Schreibtisch fallen und grüßte ihn mit einem: „Hallo Herb.“ Herb schob Winnie eine Tasse und die Kanne mit dem frisch gebrühten Kaffee hin. Winnie schenkte sich ein und schüttete dann drei Löffel Zucker in den Kaffee. Seine Frau pflegte ihm zu sagen, er habe sie nicht alle, aber er kippte weiter viel zu viel Zucker in seinen Kaffee, rührte nicht um und erzeugte so einen Riesenzuckersatz am Boden der Tasse.

„Ich hörte, die Katana braucht einen neuen Chefarzt, nachdem Bashir das Schiff verlassen hat und jetzt wieder auf Deep Space Nine Dienst tut.“ kam er ohne Umschweife zur Sache. Herb sah seinen alten Freund amüsiert an. „Hmm.“ bestätigte er das Gerücht, das der Mediziner gehört hatte. „Ich will den Job.“ schoss Winnie auf sein Ziel los. Cenelly musste schmunzeln. Der Mann hatte wieder diesen ausgesprochen sturen Ausdruck auf dem Gesicht, wie stets, wenn er sich nicht von etwas abbringen lassen wollte. Herb machte ein unbewegtes Gesicht und meinte: „Ich kann Dich ja mal empfehlen, aber das heißt nicht, dass sie Dich auch nehmen.“ Winnie leerte seine Tasse Kaffee mit einem Schluck und stand dann auf. Gerade hatte es zur ersten Stunde geläutet. Zeit die jungen Mediziner von Starfleet auf ihren Dienst vorzubereiten. Er trat zur Tür und legte seine Hand auf die Klinke, dann wandte er sich erneut zu Herb Cenelly um. „Sei nicht albern, Herb. Wenn der Direktor von Starfleet-Acadamy einen qualifizierten Mediziner für ein Schiff voller Kadetten vorschlägt, dann wird das Headquarter ganz bestimmt nicht nein sagen.“ meinte er locker, dann war er auch schon aus der Tür verschwunden.


Andreas Summers betrat Livia MacGregors Büro. Er war zum ersten Mal hier und sah sich neugierig um. Auf den ersten Blick unterschied sich das Büro kaum von anderen, wären da nicht die beruhigenden grünen Wände, die so untypisch für Starfleet waren und das breite, bequeme Sofa, auf dem Livia mit ihren Patienten Platz zu nehmen pflegte.

„Guten Morgen, Mr. Summers.“ begrüßte Livia ihren Besucher aus ihrem bequemen Bürostuhl. Der beantwortete den Gruß der Counselor ebenso freundlich und ließ sich dann ihr gegenüber auf einen Stuhl fallen. Gespannt sah Livia den ersten Offizier der Katana an. Was ihn wohl zu ihr führte?

Summers stützte seine Arme auf den Schreibtisch auf und meinte dann: „Miss MacGregor, ich kann mich nicht des Eindrucks erwehren, dass an dieser Hochzeit irgendwas faul ist.“ kam er ohne Umschweife zur Sache.

Livia zog fragend eine Augenbraue in die Höhe, wie selbst Spock es nicht hätte eindrucksvoller machen können. „Wie kommen Sie darauf?“ wollte sie dann wissen. Andreas überlegte nur kurz und meinte dann: „Seeta, ich meine, Miss Yadeel, wirkt nicht wie eine glückliche Braut. Da ist nichts von überschäumender Freude zu sehen.“ Livia überlegte nur kurz, dann meinte sie: „Nicht jeder trägt seine Freude nach außen.“

Summers schüttelte seinen Kopf. So einfach lag die Sache mit Sicherheit nicht. „Nicht Lieutenant Yadeel. Die Frau wäre in einer Partie Poker hoffnungslos verloren. Man kann ihr jede Gefühlsregung vom Gesicht ablesen. Deshalb bin ich ja so besorgt!“ fasste er seine Gedanken in Worte.

Livia schmunzelte. „Wollen Sie mir etwas bestimmtes sagen, Mr. Summers?“ fragte sie dann. Summers nickte energisch. „Sie geht mir seit neuestem aus dem Weg, so dass ich kein Gespräch anknüpfen konnte. Vielleicht ist sie ja eher bereit mit einer Frau zu sprechen.“

Livias Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. „Und da haben Sie an mich gedacht?“ wollte sie wissen. Nun zögerte Andreas doch. Ob er seine Kompetenzen überschritt? Doch dann nickte er. „Ja.“ meinte er freimütig. „Sie haben die nötige Erfahrung und Fingerspitzengefühl.“

Er sah Livia ernsthaft an. „Bitte.“ fügte er hinzu. Sie nickte. „Ist in Ordnung, ich werde mich einmal mit Lieutenant Yadeel unterhalten. Mir kam diese plötzliche und überstürzte Hochzeit nämlich auch komisch vor. Vor allem, wo sie bisher nie von Heirat geredet hatte. Sie erschien mir auch nicht der Typ dafür zu sein. Zu unabhängig.“

Andreas stand auf und hielt der Counselor die Hand hin. „Danke.“ meinte er. Livia ergriff seine Hand und fragte: „Warum ist Ihnen das eigentlich so wichtig, Mr. Summers, dass Sie dazu extra herkommen, um mit mir darüber zu sprechen?“ wollte sie dann doch noch die Frage loswerden, die sie insgeheim beschäftigt hatte. Dann ließ sie seine Hand wieder los und er trat vom Schreibtisch zurück.

„Das ist eine gute Frage.“ meinte er, dann wandte er sich um und verließ das Büro.


Nach seiner ersten Vorlesung betrat Winnie Maddigan sein altes Steinhaus. Er liebte es, die Pausen zwischen den Vorlesungen zuhause zu verbringen, wann die immer die Zeitverschiebung San Fransisco - Rhosyr es ihm erlaubte. „Hallo!“ rief er und nur wenige Augenblicke später ertönte lautes Gebell hinter dem Garten. Er grinste. Es konnte sich nur noch um Sekunden handeln.

Und so war es auch. Kaum schaffte er es, seine Aktentasche auf einem alten, rustikalen Holzstuhl abzulegen, da kamen auch schon zwei braune Derwische laut bellend angerannt, die ihn Bruchteile von Sekunden später laut bellend ansprangen und erst von ihm abließen, als er beide Hunde ausgiebig gestreichelt und gekrault hatte. Anschließend ging Winnie gemeinsam mit Bonnie und Clyde durch das Haus in den sommerlichen Garten.

Sein Blick fiel hinüber zum Planschbecken, in dem sich seine beiden Kinder vergnügten. Er schmunzelte. Die alte Weisheit galt doch immer noch: Gib kleinen Kindern eine Wanne voller Wasser und sie sind stundenlang zufrieden.

Während er hinüber zum Becken ging, um eine Weile mit seinen Kindern zu spielen, trotteten die braunen Setter hinüber zu einem im Schatten stehenden Schreibtisch, an dem eine Frau mit Stift und Padd saß.

Auch Eleyne Maddigans Blick fiel hinüber zu ihrem Mann und den Kindern. Sie streichelte die Setter kurz, dann ließ sie Arbeit Arbeit sein und ging hinüber zum Becken.

„Hallo Winnie!“ sagte sie, während sie ihm einen Kuss auf seine Lippen hauchte. Sie schob sich die roten Haare aus dem Gesicht und beugte sich zu Gwennie hinunter, die begehrte von ihrer Mutter auf den Arm genommen zu werden. Es konnte ja wohl nicht angehen dass Alwyn, ihr älterer Bruder, der einzige war, der auf dem Arm eines der gemeinsamen Eltern saß. Denn der hatte sich, kaum hatte der Vater das Becken erreicht, in seine Arme geworfen.

Lachend besah Eleyne sich die Uniform ihres Mannes. Er würde eine frische benötigen, bevor er zu seiner nächsten Vorlesung zurückkehren konnte. Spielerisch spritzte sie ihren Mann mit einer Hand voll Wasser voll. Die beiden „Herren“ der Familie konnten diese Beleidigung der Mutter jedoch nicht auf sich sitzen lassen und so entbrannte innerhalb weniger Minuten eine hitzige Wasserschlacht zwischen den Männern und den Frauen der Familie Maddigan.

Die Setter zogen es jedoch vor sich das Ganze aus der Entfernung, faul auf dem Bauch liegend anzusehen. Wenn einmal ein Spritzer in ihrer Nähe landete, hoben sie nicht mal ihre Köpfe vom Boden hoch.

Eine halbe Stunde später war die Wasserschlacht zumindest für die Erwachsenen beendet. Japsend lagen sie nebeneinander im saftigen, grünen Gras und erholten sich von der Herumtollerei mit den Kindern. Winnie drehte sich auf die Seite und betrachtete seine Frau. Auch mit 40 Jahren wirkte sie auf ihn so attraktiv wie mit 25, als er sie kennen gelernt hatte.

„Ich habe heute die Versetzung auf die Katana beantragt.“ meinte er. Seine Frau nickte nur träge. Sie hatten das Für und Wider des Lebens auf einem Raumschiff wieder und wieder in den vergangenen Wochen diskutiert. Winnie hatte von dem Moment an, als er erfuhr, dass der Posten des Chefarztes auf der Katana frei wurde, den Job haben wollen. Aber die Familie war auf der schönen Erde zu verwurzelt gewesen, um ihr Leben hier unten einfach so aufzugeben.

Nach Wochen der Diskussionen waren er und Eleyne sich dann einig geworden: Er sollte sich auf die Stelle bewerben. Eleyne konnte auch auf der Katana schreiben und die Kinder könnten die dortige Schule besuchen. Das Haus hier auf der Erde würde ihnen für Besuche stets zur Verfügung stehen. Winnies Eltern, die auch in dem kleinen Örtchen Rhosyr lebten, sollten darauf aufpassen. Schließlich freuten sich sogar alle auf den Umzug auf das Schiff. Nun brauchte nur noch Starfleet ja zu sagen.


Livia MacGregor ließ sich im Diners neben Seeta Yadeel nieder. Die junge Frau hatte so offensichtlich aus allen Poren: „Gesellschaft unerwünscht!“ geschrieen, dass die Counselor gar nicht erst gefragt hatte, ob sie sich dazu setzen konnte. Die junge Zanderianerin hätte es mit Sicherheit in ihrer momentanen Verfassung fertig gebracht mit „Nein.“ zu antworten. Erstaunt sah Seeta auf, als die Counselor auf einmal neben ihr saß. Mürrisch nickte sie ihr zu und stocherte dann weiterhin lustlos in ihrem Mittagessen herum.

„Ich freue mich schon, an ihrer Hochzeit teilnehmen zu dürfen.“ sagte Livia dann trocken. Seeta nickte wortlos und füllte dann ihre Gabel mit einer Portion ihres Mahls.

„Kennen Sie ihren Verlobten eigentlich schon lange?“ fragte sie dann ziemlich unverblümt. Seeta schnaubte und antwortete dann mit einem: „Nicht besonders raffiniert, ihre Fragestellung.“ Livia schmunzelte. Die Dame war scheinbar noch schlechter gelaunt, als sie zuerst gedacht hatte.

Ihre Stimme wurde weich. „Seeta, wir alle machen uns ein wenig Sorgen um Sie. Diese Hochzeit kommt so... plötzlich. Und Sie wirken nicht wie die typische glückliche Braut.“

Seeta seufzte. Irgendwann hatten diese Fragen ja kommen müssen. Sie hatte sie, schon als der Captain sie aufsuchte, erwartet und sie war sicher, dass auch Summers versucht hatte, mit ihr zu reden. Sie entschloss sich, sich lieber in ihr Schicksal zu fügen und gleich mit der Sprache herauszurücken. Dann würde das unangenehme Gespräch wenigstens bald vorüber sein. „Das liegt daran, dass ich nie vorhatte Cariad zu heiraten.“ begann sie.

Das entlockte Livia nun doch einen sehr erstaunten Gesichtsausdruck. Mit allem hatte sie gerechnet, aber nicht damit. „Wieso denn das?“ fragte sie dann. Seeta beantwortete ihre Frage zaudernd. „Wir beide sind schon ewig verlobt. Seit seiner Geburt. Wissen Sie, mein Volk ist sehr klein und es ist Brauch, Kinder gleich bei ihrer Geburt zu verloben. Es wird erwartet, dass sie, wenn sie erwachsen sind, heiraten und einen ganzen Stall voll Kinder bekommen.“ Ihr Gesicht bekam einen angewiderten Ausdruck, dann fuhr sie fort: „Nachdem mein Volk von der Seuche bis auf wenige ausgelöscht war, wurden diese Maßnahmen notwendig, um den Erhalt unseres Volkes zu gewährleisten.“ Livia nickte. So unschön es sich auch anhörte, so machte es doch Sinn.

„Inzwischen ist unser Volk nicht mehr vom Aussterben bedroht,“ beendete Seeta ihre Ausführungen, „aber die Sitten sind geblieben. Ich wollte nie heiraten, aber mir ist kürzlich bewusst geworden, wie sehr ich damit dem Ansehen meiner Familie und der Familie meines Verlobten schade. Also werde ich ihn heiraten.“

Livia blieb für einen Moment der Mund offen stehen. „Aber lieben Sie ihn auch?“ fragte sie dann. Seeta lächelte. „Ja.“ meinte sie dann. „Er steht mir fast so nahe wie mein jüngerer Bruder Shadan. Aber ich liebe ihn nicht so, wie man einen Mann, den man heiratet, lieben sollte." fügte sie hinzu.

Livia wurde nachdenklich. „Glauben Sie, dass das ausreicht, um mit ihm zusammenzuleben. Und selbst falls es zum Zusammenleben ausreicht, was ist mit dem „Stall voll Kinder“? Reicht es dazu ihn zu lieben wie einen Bruder?“ gab sie zu bedenken.

Seeta schluckte. An diesen Aspekt der Ehe hatte sie bisher nicht denken wollen. Ob es ihr wohl möglich wäre, mit ihm intim zu werden? Das wäre ja als würde sie mit ihrem eigenen Bruder schlafen. Unwohl schüttelte sie ihren Kopf, um die Gedanken wieder los zu werden. Es nützte alles nichts. Sie hatte zugestimmt, nun gab es für sie keinen Weg mehr zurück.

Lustlos ließ sie die Gabel, die sie immer noch in der Hand hielt, wieder auf den Teller sinken. Dann verabschiedete sie sich von Livia und trug ihr Tablett zur Recycling-Station.


Als der Summer ihres Bereitschaftsraums ertönte, rief Ariell Needa kurz: „Herein!“ dann wandte sie wieder ihre gesamte Aufmerksamkeit dem Gespräch mit Admiral Remmington zu. In letzter Zeit hörte sie oft von dem Admiral, zu oft für ihren Geschmack. Sie bedeutete Livia MacGregor es sich in einem der Stühle bequem zu machen, während sie selber ihr Gespräch beenden würde.

„Sein Name ist Gollwyn Maddigan.“ bemerkte Remmington gerade. „Er wird seine Familie mit an Bord bringen, eine Frau und zwei Kinder. Außerdem seine zwei Hunde, wenn ich das recht mitbekommen habe. Sie sollten sich auf ein wenig Leben auf ihrem Schiff einrichten.“ Ariell nickte nur stumm. ‚Als ob es auf diesem Schiff jemals an Leben gemangelt hätte.‘ dachte sie sarkastisch, während sie den Admiral anlächelte und meinte: „Natürlich, Sir!“ Ein Hoch auf die hohe Kunst der Diplomatie, die es ihr oft ermöglichte das Gegenteil von dem, was sie gerade dachte, zu sagen. Insbesondere, wenn sie mit ihren Vorgesetzten sprach. Remmington lächelte ebenso freundlich zurück und beendete dann die Verbindung. Ariell wandte sich ihrer Counselor zu und sagte diesmal, was sie dachte: „Counselor, was verschafft mir das Vergnügen?“ Sie hatte schon so eine Ahnung um was es gehen könnte, wenn sie die Zeichen um sich herum richtig gedeutet hatte.

Und tatsächlich wurde sie nicht enttäuscht. „Es geht um Lieutenant Yadeel.“ beantwortete Livia MacGregor ihre Anfrage erwartungsgemäß.


„Das ist eine gute Frage.“ hallte es in Andreas Kopf immer wieder nach. Warum ging ihm diese unerwartete Hochzeit eigentlich so nahe? Er führte keine Beziehung der Art zu Seeta wo derartige Gefühle angebracht gewesen wären. Sie waren Kollegen, bestenfalls Freunde, nichts weiter. Aber wieso fühlte er sich dann nicht wohl bei dem Gedanken, dass sie heiraten wollte? Er schüttelte widerwillig den Kopf. Egal was es war, schon morgen Abend würde sie eine verheiratete Frau sein und dann würde sich ihre Beziehung ganz sicher nicht über eine Freundschaft hinaus entwickeln, das wusste er genau. Irgendwo in seinem Inneren war er ein sehr altmodischer Mann, für den die Frau eines anderen Mannes absolut tabu war. Fast wünschte er sich, es hätte sich in der Rettungskapsel etwas zwischen ihnen ergeben – irgendwas. Er hatte geglaubt, als sie ihre Hand ausstreckte, dass Sie ihn hatte berühren wollen. Aber sie hatte nichts gesagt, deswegen hatte er das Gespräch später nicht darauf gebracht. Was wenn er sich geirrt hatte?

Was, wenn er sich nicht geirrt hatte? Dann hätte er vielleicht eine nähere Beziehung zu ihr haben können. Er wäre nicht abgeneigt gewesen. Sie hatte manchmal ein etwas hitziges Temperament, aber sie war stets loyal und ehrlich. Und ihre gelb-grünlich leuchtenden Augen hatten schon was für sich, wenn sie so lebendig funkelten.

Wieder schüttelte er seinen Kopf. Das waren Hätte-Wäre-Wenns. Sie würde morgen heiraten. Er musste sich diese Hätte-Wäre-Wenns aus dem Kopf schlagen.


Ariell Needa schüttelte ihren Kopf. So was, das hatte sie schon lange nicht mehr gehört. So oft dachte man, dass in einem so aufgeklärtem Zeitalter wie dem, in dem sie lebten, so archaische Bräuche wie arrangierte Heiraten eigentlich nicht mehr existieren sollten. Und doch taten sie es, in mehr Kulturen als der Durchschnittsföderationsbürger glaubte. Sie hätte jedoch nie gedacht, dass es jemals einen ihrer eigenen Schutzbefohlenen betreffen würde.

Aber nun war es so weit – und sie wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte. Die Sternenflotte erwartete ganz sicher von ihr, dass sie die Bräuche der auf der Erde lebenden Zanderianer respektierte, zudem war ihre Chefingenieurin eine durchaus patente Person, die sich gewöhnlich selbst zur Wehr setzten konnte.

Aber galt das auch, wenn es um ihre eigene Familie ging? Ariell glaubte, die Antwort zu kennen. Seeta hing mit ihrem ganzen Herzen an ihrer Familie. Ihre Wurzeln, ihre Kultur waren ihr sehr wichtig, das spürte man gleich, wenn man ihr Zimmer betrat. War sie nicht förmlich dazu verpflichtet, sich schützend vor jedes Mitglied ihrer Mannschaft zu stellen, das nicht in der Lage war sich vor irgendetwas zu schützen? Und Seeta wollte nicht heiraten, da brauchte man sich die junge Frau im Moment nur anzusehen, um das mit Sicherheit zu wissen.

Captain Needa ging hinüber zum Replikator. „Darjeeling, heiß.“ bestellte sie einen ihrer Lieblingstees, dann ging sie mit der Tasse hinüber zu ihrer Couch und ließ sich in die Kissen zurücksinken.

Aber was konnte sie schon tun, was Counselor MacGregor nicht gelungen war? Wenn die ausgebildete Psychologin nicht helfen konnte, wer dann?


Die Koffer waren dann schnell gepackt gewesen. Eleyne Maddigan hielt die Haustür in der Hand und warf einen letzten, traurigen Blick in das Haus, das sie vor 10 Jahren als junge Braut gemeinsam mit ihrem frisch vermählten Bräutigam betreten hatte. Die Koffer waren bereits an Bord der Katana gebeamt worden, nun blieb ihr nur noch, die Kinder bei ihren Eltern abzuholen und dann mit ihnen die wenigen Schritte bis zur nächsten Transporterstation zurückzulegen. Winnie würde sie und die Kinder an Bord bereits erwarten, er hatte die vergangenen sechs Stunden, in denen sie das Haus gereinigt hatte, damit verbracht, sich in der Krankenstation schon mal umzusehen und sein Personal kennen zulernen. Eleyne Maddigan verschloss die Tür ihres alten Heimes, dann machte sie sich in ihr neues Heim auf.


Am nächsten Morgen betrachtete Seeta sich in ihrem Spiegel. Unzufrieden drehte sie sich in der leuchtend blauen Robe hin und her, zupfte hier und zupfte dort. Eigentlich saß das Kleidungsstück perfekt und die junge, schlanke Frau gab eine ausgesprochen gute Figur darin ab, aber Seeta war ganz und gar nicht mit sich zufrieden und dabei war sie normalerweise überhaupt nicht eitel. Nein, sie war unterbewusst einfach wild entschlossen, den heutigen Tag schrecklich zu finden. Und so war sie gleich zu Beginn mit ihrem eigenen Aussehen unzufrieden.

Mit kreuzunglücklichem Gesichtsausdruck trat sie vom Spiegel zurück und ließ sich verdrossen in einen Sessel fallen. Ob sie sich einfach den Rest es Tages in irgendeiner Jeffriesröhre verkriechen sollte? Sie zog eine Grimasse. Das würde ihr leider auch nicht weiterhelfen. Sie würde schnell gefunden sein und ein solches Verhalten war dann wohl doch zu kindisch.

Sie drückte sich wieder aus dem Sessel hoch. Es half ja alles nichts. Wenn sie sich und die Familie nicht völlig blamieren wollte, dann blieb ihr wohl nichts anderes übrig als zu heiraten. Also konnte sie es genauso gut auch schnell hinter sich bringen. Damit legte sie die Kette aus den glänzenden Hämatiten um ihren Hals und verließ ihr Quartier.


Die Führungsriege der Katana war zwei Stunden später vollständig in Galauniformen in der Halle der Yadeels versammelt. Wie bereits am vorletzten Tag bildeten sie auch hier wieder bunte Kleckse in der Schar der versammelten Zanderianer, die ausnahmslos in schwarzen Roben erschienen waren. Offensichtlich hatten diese Leute ein Faible für diese weiten, fließenden Gewänder.

Ariell fühlte erneut, wie ihre Flecken juckten. Sie hatte sich letzten Endes entschlossen nichts zu unternehmen. Seeta war eine erwachsene Frau, der sie kaum in ihr Privatleben reinreden konnte. Wenn sie es für erforderlich hielt ihre eigenen Wünsche und Gefühle hintenan zustellen, dann war das allein ihre Entscheidung.

In diesem Moment öffneten sich zur linken und zur rechten zwei Türen und die Brautleute traten ein, beide in leuchtendes Indigo-Blau gehüllt. Unter lautem Steine-Geklappere, das vom Publikum erzeugt wurde, indem sie zwei Steine, die sie in ihren Händen hielten aneinander schlugen, gingen beide in die Mitte des Raumes. Unter anhaltendem Steine-Geklappere schlossen sich die Anwesenden zu einem Ring um die beiden.

Als die beiden sich die Hände reichten, hörte das Geklapper schlagartig auf. Die plötzlich entstandene Stille veranlasste Livia dazu, instinktiv ihren Atem anzuhalten.

Eine alte Frau, die wohl an die hundert Jahre sein musste, trat vor, in ihren Händen zwei lange Ketten mit den selben schwarz schimmernden Steinen, die Seeta und Cariad an Ketten um ihre Hälse trugen.

Andreas war bei Seetas Eintreten beinahe der Atem gestockt. Sie sah so schön aus in diesem leuchtenden Blau, das ihre zarte Haut und das pechschwarze Haar so gut zur Geltung brachten. Verdammt noch mal, diese Zeremonie sollte besser keine Stelle haben an der es hieß: „Wer einen Grund weiß, warum diese zwei Personen nicht getraut werden sollten, der möge jetzt sprechen oder für immer schweigen!“, wenn er sich nicht völlig zum Trottel machen wollte.

Seetas Blick wanderte von Cariad hinüber zu ihrem Crewkollegen, der es ihr in der letzten Zeit so angetan hatte. Sie mochte ihn, mehr als sie jemals zuvor einen Mann gemocht hatte. Mehr als sie Cariad mochte. Die Gefühle, die sie für Andreas hatte, waren zarter und verwirrender, als die, die sie Cariad entgegenbrachte. Ob es sich so anfühlte, wenn man verliebt war? Wie sollte sie das bloß wissen, sie war noch nie verliebt gewesen. Als ihre Freundinnen anfingen mit Jungs auszugehen, hatte sie ihre Nase unter die Abdeckungen von Shuttles gesteckt.

Die Alte mit den Steinen hatte das Brautpaar inzwischen erreicht. Sie hob die Steinketten hoch über ihren Kopf, was von den anwesenden Zanderianern mit lautem Geschrei quittiert wurde. Tannier zog erschrocken seinen Kopf ein. Die Riten der Zanderianer hatten nicht viel mit den Riten der Minbari gemeinsam. Seetas Gedanken rasten. Aber was wenn sie für Andreas tatsächlich mehr empfinden konnte als bloße Freundschaft? Wenn Sie ihn liebte? Dann warf sie gerade womöglich ihre Chance auf privates Glück weg.

Die Alte ließ die Steine wieder sinken und begann, eine der langen Ketten um den Arm des Bräutigams zu winden, wobei sie sich von seinen Oberarmen zu seinen Händen vorarbeitete.

Wieder flog Seetas Blick zu Andreas hinüber. Einen Moment lang glaubte sie in seinen Augen ertrinken zu können und dieselben zarten Gefühle wie ihre eigenen in ihnen zu erkennen. Sie fühlte, wie der erste Stein ihre linke Handfläche berührte. Er fühlte sich kalt an, viel zu kalt auf ihrer Hand. Eilig löste sie ihre Hände aus Cariads und dann sprang sie förmlich zurück. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Was war sie nur im Begriff zu tun? Die Familie und einen guten alten Freund zu enttäuschen. „Ich kann nicht.“ flüsterte sie heiser, dann bahnte sie sich einen Weg aus der Halle hinaus. Weg – nur weg, war alles, was sie noch denken konnte.


Eine Viertelstunde später hatte Seeta sich ausgeweint. Sie wischte sich mit ihrem Handrücken die Tränen vom Gesicht und hob ihr Gesicht der Sonne entgegen. Sie war ein Kind der Sonne, sie würde auch den neuerlichen Skandal, den sie ihrer Familie verursacht hatte, überstehen. Das Leben ging weiter und in einigen Stunden würde sie wieder im Maschinenraum der Katana ihrer Arbeit nachgehen.

Seeta stand vom Boden auf und schüttelte sich den Sand von der hellblauen Robe. Sie legte die wenigen Schritte bis zum einsamen Strand zurück, beruhigend fühlte sie das kühle Nass an ihre Knöchel schlagen. Sie richtete ihren Blick hinaus auf das beruhigende Auf und Ab der Wellen draußen auf dem Ozean. Sie konnte nicht einschätzen wie lange sie so dagestanden hatte, als sie das leise Geräusch von Schritten im Sand hörte. Sie drehte sich nicht um, sondern hielt ihren Blick weiter aufs offene Meer gerichtet.

„Ich kann Dich gut verstehen.“ hörte sie die weiche Stimme ihres jüngeren Bruders. Seeta warf ihm einen dankbaren Blick zu. „Mir wird selber ganz mulmig bei dem Gedanken, dass mir das auch noch bevorsteht.“ Seeta sah Shadan erstaunt an. Er hatte niemals so wie sie selber offenen Widerstand gegen diese Sitte geäußert. Auch er war, so wie sie selber, bereits seit seiner Geburt mit einer anderen Zanderianerin verlobt.

Seine Augen leuchteten in einem warmen gelbbraun, das an reifen Sherry erinnerte. „Ihr Name ist Yadana. Ich liebe sie und ich werde sie oder keine heiraten.“ sagte er mit einer Leidenschaft, die sie an ihm sonst nicht kannte. Seeta streckte ihre eigene Hand aus und drückte die ihres jüngeren Bruders sanft. „Erzähl mir von ihr.“ meinte sie, dann hakte sie sich bei ihm unter und gemeinsam spazierten sie, wie so oft in ihren Kindertagen am Wasser vorbei.


Zufrieden sah Ariell Needa sich am nächsten Morgen auf ihrer Brücke um. Alle ihre Offiziere waren erschienen, die Katana war zum Abflug bereit. Die Crew der Katana hatte Zuwachs bekommen. Das Elite-Force-Team verfügte wieder über einen Führer – vom Clan der Sternenreiter und außerdem ein Priester der religiösen Kaste - hatte sie sich sagen lassen, was immer das auch bedeuten mochte. Und über die Krankenstation würde fortan ein schrulliger Mann die Oberaufsicht haben, der sogar eine dieser altmodischen Brillen im Gesicht trug. Needa hatte im Gang heute morgen auf dem Weg zur Brücke bereits einen Run-In mit den Hunden des Arztes gehabt, riesigen, braunen Viechern. Die Frau des Arztes, eine rothaarige, feingliedrige Schönheit hatte sich hundertmal bei ihr dafür entschuldigt, dass Bonnie sie angesprungen und ihre Uniform mit Haaren versehen hatte und das Tier gemeinsam mit der anderen Bestie namens Clyde in das Quartier der Maddigans zurückgezogen, aus dem lautes Gestreite der beiden Kinder zu hören gewesen war. Es kam Leben in die Bude – der Admiral hatte nicht übertrieben.

Needas Blick wanderte über ihre Offiziere. Andreas Summers saß in seinem Sessel und holte gerade die aktuellen Berichte aller Stationen ein. Livia MacGregor ließ ihren Blick ebenso wie sie selber neugierig über die Brücke schweifen. Marina DeSoto hatte derweil kaum einen Blick für die anderen übrig, sie war wie stets mit ihrer Konsole beschäftigt. Dalen Lazarus Blick hing gedankenverloren in der Luft. Nur er alleine wusste, dass er immer noch überlegte, ob er seine Familie nun an Bord holen sollte oder nicht. Kell Widar saß regungslos an seiner Konsole und wartete darauf, dass Captain Needa Befehl gab, den Orbit der Erde zu verlassen. Tannier, der neue Kollege, war immer noch damit beschäftigt sich mit den für ihn ungewohnten Kontrollen an seiner Konsole vertraut zu machen. Hier sah alles doch wesentlich anders aus als auf einer Whitestar, aber er war sicher, sich zurechtfinden zu können. Lange würde es nicht mehr dauern, dann würde er sich fühlen, als hätte er nie was anderes getan. Falyn McCrea hatte sich indes auf der Katana eingelebt. Der Alltag hatte sich inzwischen eingestellt und er hatte schon festgestellt, dass auf diesem Schiff wohl niemals Langeweile ausbrechen würde. Gollwyn Maddigan sah sich noch ein wenig ungewohnt auf der Brücke um. Er hatte noch niemals auf einem Raumschiff gedient. Er freute sich auf die neue Herausforderung und er würde seine Kadetten in den nächsten Wochen auf Herz und Nieren prüfen. Niemand von Bord der Katana würde nicht optimal in seine Prüfungen an der Academy gehen, dafür würde er höchstpersönlich Sorge tragen.

Seeta betrachtete nachdenklich Andreas Hinterkopf. Sie hatte sich mit ihrem Bruder am Vorabend noch lange unterhalten und jetzt war sie fest entschlossen herauszufinden, was sich zwischen ihr und dem Commander abspielte. Es hatte eine heiße Diskussion in den Reihen ihrer Familie gegeben, aber letzten Endes war die Verlobung nach der geplatzten Heirat gelöst worden. Die Familie hatte ein wenig an Ansehen verloren, aber Seeta war sicher, dass sich alles wieder normalisieren würde, wenn erst mal ein wenig Gras über die Sache gewachsen war.

Andreas Summers drehte seinen Computer von sich fort. „Wir sind abflugbereit.“ stellte er dann das Offensichtliche fest. Er stand aus seinem Sessel auf und legte die Strecke bis zur Ops und Conn mit schnellen Schritten zurück. Er drehte sich zu Needa herum und wartete auf ihre Befehle.

„Mr. Widar, verlassen Sie den Orbit der Erde.“ gab Ariell den erwarteten Befehl. Kells Finger sausten über die Kontrollen der Conn, dann verließ die Katana den heimischen Orbit der Erde.

Andreas drehte sich herum und ging zu seinem Sitz zurück. Kurz fing er Seetas Blick auf. Er war fest entschlossen herauszufinden, ob etwas zwischen ihnen war. Man bekam nicht oft eine zweite Chance. Er setzte sich in seinen Sessel und beobachtete, wie die Katana erst Jupiter und dann Saturn hinter sich zurückließ.

Als das Schiff auch Pluto passiert hatte, setzte auch Ariell Needa sich in ihren Kommandosessel. „Mr. Widar, setzen Sie Kurs aufs Wurmloch. Ich will auf direktem Weg ins Babylon-5-Universum. Zeit endlich diese tolle Kommunikationsphalanx auszuprobieren, die wir bei unserem letzten Besuch auf Basis 323 erhalten haben. Warp 7.“

Damit flog die Katana einem neuen Abenteuer entgegen.