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From PathfinderWiki

Verloren geglaubt
Autor: Garrick Andersson
Autor: Dalen Lazarus
Autor: Seeta Yadeel

Unruhig trippelte Adana Lazarus mit den Füßen, wenn sie nicht gerade wie ein Tiger vor und zurück wanderte. Seit über einer Stunde ließ man Dalen und sie in einem kleinen, schäbigen Vorzimmer warten. Es gab Stellen an der Wand, an welchen der Putz mit sich selbst und der Welt nicht zufrieden war und gedachte, herabbröckelnd aus dem Leben zu stürzen. Eine kümmerliche Pflanze in der Ecke gegenüber, die seit langem nicht mehr beachtet zu werden schien, fristete mehr schlecht als recht ihr Dasein. „Setz Dich doch“, bat Dalen. „Du machst mich nervös.“ Doch die Frau des Chef-Wissenschaftlers der Katana dachte nicht daran, sich zu setzen. Während der langen Reise nach Magrathea hatte sie mehr als genug überschüssige Energie angesammelt. Die wollte raus. Sie wollte endlich wissen, was mit ihrem Jungen geschehen war. „Die sollen endlich voran machen. Es ist ja nicht, als wüßten die Behörden erst seit heute, daß wir eintreffen würden“, gab sie verärgert zurück. „Durch Dein Herumgelaufe geht es auch nicht schneller. Außerdem nutzt sich nur der Teppich ab“, versuchte der Tev'Mekianer, sie mit einem kleinen Scherz aufzuheitern. Kurz hochgezogene Mundwinkel waren jedoch alles, was er erntete. Das Geräusch sich nähernder Schritte drang in Adanas Bewußtsein. Sie blieb stehen und drehte sich in Richtung des Eingangs. Der Knauf drehte sich wackelnd und die inzwischen farblos gewordene Tür schwang nach außen auf. Eine blonde, mittelgroße Frau in blauer Sternenflottenuniform trat hindurch. Sie blickte sich um, ging auf Adana zu und streckte die Hand zur Begrüßung aus: „Caressia Silverdale. Ich bin die neue Counselor für die Katana. Frau Lazarus, wie ich annehme?“ Die Angesprochene nahm die Hand entgegen und schüttelte sie kurz. „Ja“, erwiderte sie knapp. „Und sie sind Dalen Lazarus?“, fragte sie den Tev'Mekianer. „Das ist richtig. Es wird allmählich Zeit, daß jemand kommt.“ „Es tut mir außerordentlich Leid, ich mußte seit Ihrer Ankunft die ersten Formalitäten für sie erledigen. Wenn Sie mir bitte folgen würden, sie müssen noch einige Formulare ausfüllen, bevor wir den To..., bevor sie Ihren Sohn sehen können.“ Mit diesen Worten zeigte sie auf die Tür und bedeutete den beiden Anwesenden, das Wartezimmer zu verlassen.


"Die Strahlung erreicht jetzt das erforderliche Niveau!", informierte Regine Bruckner die Brückenbesatzung. Erwartungsvoll richtete sich Natalls Blick auf den Bildschirm vor ihr. Neben ihr beobachtete Garrick Andersson ebenso gebannt das Bild, das sich auf dem Sichtschirm bat. Jeden Moment mußte sich dieses verändern und jetzt die Anomalie anzeigen, die sie im Sorya-System aus ihrem eigenen Universum in dieses "Future"-Universum gezogen hatte, wie er dieses Universum bei sich benannt hatte. "Ms. Bruckner?", fragte Natall nun nach. Es wurde offensichtlich, daß die Ellipse nicht auftauchte. "Ich verstehe das nicht, Captain", meinte Regine, während sie wieder und wieder Abfragen eingab, prüfte, erneut eingab und nochmals gegencheckte. "Es läuft alles planmäßig. Eigentlich müßte die Ellipse bereits aus dem Subraum aufgetaucht sein. Wir wirken verdammt anziehend auf sie", fügte sie dann mit irritiertem Ausdruck in ihrer Stimme an. Für Natall stand fest, daß sich die Ellipse sich nicht in die vermutete Richtung bewegt hatte. Alles andere machte keinen Sinn, war der ausgebildeten Wissenschaftlerin klar. Sie stand aus ihrem Sessel auf. "Brechen Sie ab, Ms. Bruckner. Ich erwarte Ihren Bericht in einer Stunde. Dann setzen Sie Kurs zurück an unseren vorigen Standort. Wir müssen wohl nochmal von vorne anfangen", ordnete Natall an. "Sie haben die Brücke, XO", sagte sie, dann war sie in ihrem Bereitschaftsraum verschwunden.


Das Ausfüllen der Formulare hatte Adana Lazarus mehr als nur einmal fast an den Rand der Selbstbeherrschung gebracht. Aufgewühlt schwankten ihre Gefühle zwischen hilfloser Wut und magenverknotender Trauer. Das war also die Leichenhalle. Weiß gekachelte Wände verliehen dem Raum eine klinische Kälte, die dem Zweck mehr als angemessen war. Ein leichter Geruch von Verwesung hing in der Luft. Jedes Öffnen der ausgezeichnet gekühlten und luftdicht verschlossenen Kammern entließ unverkennbare Kennzeichen des Todes. Arm in Arm standen die beiden Tev'Mekianer vor einer quadratischen Tür mit der Nummer 31. Caressia stand links von beiden und beobachtete sie aufmerksam. „Dann wollen wir mal“, kommentierte der örtliche Leichenbeschauer das Unvermeidliche. Er öffnete den Schnappverschluß der Kammer und klappte die Tür zur Gänze nach rechts auf. Mit beiden Händen zog er an dem Griff, der die Liege aus der Kälte hervorzog. Ein hellgrünes Tuch bedeckte den Leichnam. Links und rechts an den Ecken hob er es hoch und zog es zurück. Caressia bemerkte, wie sich die Augen der Eltern weiteten. Stille hallte durch den Raum. „Wo ist mein Sohn?“, brachte Adana mit belegter Stimme hervor. Sie sah reihum in die Gesichter der Anwesenden. „Wo ist Atrin?“


„Commander Yadeel, haben Sie einen Augenblick?“ Garrick hatte den Maschinenraum betreten und war zu der Zanderianerin getreten. Diese fragte sich kurz, was der Lulatsch nun wieder von ihr wollen könne, sagte aber so freundlich wie möglich: „Selbstverständlich, Sir.“ – „Gut, gehen wir doch kurz in Ihr Büro“, schlug der Däne daraufhin vor und die beiden Offiziere betraten den kleinen Raum, der durch Scheiben aus transparentem Aluminium vom restlichen Maschinenraum abgetrennt war. Garrick begann auch sogleich: „Bei der Durchsicht der Crewakten ist mir aufgefallen, dass Sie die Prüfungen für Brückenoffiziere noch nicht abgelegt haben, Miss Yadeel.“ Die Chefingenieurin verzog leicht das Gesicht: „Ja, das ist korrekt. Wozu auch? Immerhin bin ich Ingenieurin und kein Kommandooffizier.“ Der Erste Offizier nickte. Irgendwie beschlich ihn gerade das Gefühl eines Deja-Vú. Immerhin hatte er der Ersten Offizierin der Endeavour damals eine ziemlich ähnlich lautende Antwort gegeben. Daher wusste er nun auch, was es zu erwidern galt: „Sie sind Lieutenant Commander und gehören der Führungscrew dieses Schiffes an. Damit sind Sie eine der ranghöchsten Offiziere an Bord.“ Er zögerte kurz, bevor er weitersprach: „Ich würde Ihnen ohne zu Zögern die Verantwortung für Schiff und Crew übertragen, da ich weiß, dass Sie diese Verantwortung durchaus tragen können, aber der Captain und ich würden es begrüßen, wenn wir diese Befähigung auch formal und den Vorschriften entsprechend dokumentierten.“ Die Zanderianerin seufzte: „Commander, ich hatte bislang kein gesteigertes Interesse an einer Kommandoposition. Ich möchte Ingenieurin sein!“ Garrick zog einen Augenbraue hoch: „Tja, ich muss gestehen, dass mir das sehr bekannt vorkommt. Glauben Sie mir, ich hatte auch nie vor, meinen Maschinenraum zu verlassen, aber jener Wunsch wurde damals buchstäblich abgesprengt...“ Er unterbrach sich kurz und schluckte ein Mal. Dann reichte er Seeta ein Datenpadd: „Ich habe den notwendigen Stoff zusammengestellt und einen Prüfungsplan entworfen. Der Zeitplan wurde von mir von den üblichen drei auf sechs Monate gestreckt, damit Sie von dem zusätzlichen Arbeitspensum hoffentlich nicht allzu sehr belastet werden. Ihnen ist natürlich klar, dass der Captain und ich nur beste Prüfungsergebnisse akzeptieren werden. Sollten Sie Fragen zu einem der Themenkomplexe haben, stehen wir Ihnen selbstverständlich jederzeit zur Verfügung. Schönen Tag noch.“ Damit drehte sich der Erste Offizier um und verließ das kleine Büro. Zurück blieb eine Chefingenieurin, die etwas missmutig auf das Datenpadd in ihrer Hand starrte.


„Sie meinen, das hier ist nicht Ihr Sohn Atrin?“, fragte Doktor Silverdale verwundert. „Natürlich ist er das nicht. Ich werde doch wohl meinen eigenen Sprößling wiedererkennen“, gab Adana zurück. Der Leichnam vor ihnen war die blasse Hülle eines jungen Mannes. Dessen verunstalteter Kopf ohne Zeichen von Haaren zeugte von einem Leben, das für ihn nicht leicht gewesen sein mußte. Dalen konnte eine gewisse Ähnlichkeit mit seinem Sohn nicht abstreiten, doch auch er war überzeugt: „Ganz sicher. Das ist nicht mein Sohn.“ „Wen haben wir denn dann vor uns?“, fragte Caressia in die Runde. Der Angestellte des Leichenhauses zuckte ratlos mit den Schultern. Dabei nahm er einen Block mit Stift aus seinem Kittel. „Das wird wohl die Polizei herausfinden müssen. Ich kann also eintragen, daß die hier liegende Person nicht Atrin Lazarus ist?“, fragte er die Eltern. Seine Routine in diesen Dingen machte deutlich, daß er solcherlei Verwechslungen nicht zum ersten Mal erlebt hatte. Nach einem beiderseitigen Nicken Dalens und Adanas machte er seine Notiz, hob die um den Hals der Leiche gebundene Karteikarte hoch, Strich den Namen und machte ein Kreuz bei dem Punkt „Unbekannt“.


Zur selben Zeit starrte Atrin an die Decke seiner Einzel-Zelle. Wieder und wieder fragte er sich, wie er in diese Lage hineingeraten war. Die Eintönigkeit der Wände lullten ihn ein und so kehrte er immer zu seiner Gefangennahme zurück. Nachdem sie ihn in seiner Studentenbude zu Boden gestoßen hatten, waren seine Hände gefesselt worden. Sie hatten ihm einen schwarzen Sack über den Kopf gezogen. An den Armen war er grob gepackt und wieder aufgerichtet worden. Als er aus dem Haus geführt worden war, hatte er jegliches Gefühl für Zeit und Raum verloren. Er konnte nicht mehr sagen, wie lange er herumgefahren worden war. Hier in der Zelle wußte er nicht einmal, in welchem Gefängnis er sich befand. Atrin war sich keines Vergehens bewußt. Er war kein Verbrecher. Sie behandelten ihn aber wie einen. Ausgequetscht hatten sie ihn. Er konnte schon nicht mehr zählen, wie oft er befragt worden war. Er war müde. Sie hatten ihn oft nicht schlafen lassen ... willkürlich das Licht in der Zelle angemacht und angelassen. Der Tev'Mekianer verdammte die Datensammelwut der Behörden. Wer mochte wissen, welche kleinen unbedeutenden und harmlosen Daten-Stückchen sie aus seinem Leben kopiert, ausgeschnitten, zusammengesetzt und festgestellt hatten, daß er eine Gefahr für den Planeten bilden würde. Verdammte Polizei, verdammte Anti-Terrorgesetze.


„Ich will auf der Stelle den Verantwortlichen sprechen“, ereiferte sich Dalen Lazarus am Bildschirm eines Kommunikationsgeräts. Der Angestellte des Leichenhauses hatte sie freundlicherweise ins Sekretariat genommen und ihnen die Geräte zur Verfügung gestellt. Das uninteressierte, aber nicht weniger freundliche Gesicht am anderen Ende der Leitung brachte den Doktor zur Weißglut. „Der Chef-Inspektor ist leider seit einiger Zeit im Außeneinsatz, möchten Sie nicht doch eine Nachricht hinterlassen?“, bot sein Gegenüber mit einer fast übertrieben zuckersüßen Stimme an. „Noch einmal, ich will wissen wo mein Sohn ist, in der Leichenhalle jedenfalls nicht. Der Inspektor ist verantwortlich für den Fall und hat mich über Lichtjahre hinweg antanzen lassen. Jetzt kann er wenigstens einen Anruf von mir entgegennehmen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß er ohne ein Kommunikationsgerät vor Ort ist. Stellen Sie mich bitte durch oder geben Sie mir seinen Geräte-Code durch, damit ich ihn selbst kontaktieren kann“, erwiderte Commander Lazarus und tat sein Bestes, seinen mehr als nur leicht erhöhten Blutdruck nicht in seine Stimme fließen zu lassen. „Doktor Silverdale“, hörte Dalen am Rande den Bediensteten des Sekretariats flüstern. Er wandte sich kurz um und sah aus den Augenwinkeln wie Caressia und Adana auf ein zweites Display blickten. Verblüfft sagte seine Frau: „Was soll das heißen, die Katana ist weg? Ena?!“