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From PathfinderWiki

Tauchstation
Autor: Jade Thunders
Anfangssternzeit: 53594.19
Endsternzeit: 53640.65
Anfangsdatum: 05.08.2376 (11:22 Uhr)
Enddatum: 22.08.2376 (11:33 Uhr)

Tag 3

"Captain auf der Brücke!"

Die junge blonde Kadettin hinter der taktischen Konsole nahm Haltung an, und nicht zum ersten Mal zuckte Lieutenant Tom Carrel innerlich ein wenig zusammen, als ihn die ungewohnte Anrede beim Verlassen des Turboliftes traf.

Einer uralten Marinetradition folgend wurde auch an Bord von Sternenflottenschiffen der befehlshabende Offizier noch immer mit dem Kapitänstitel bedacht – ganz gleich, welchen Rang er eigentlich und offiziell innehaben mochte –, und der respektvolle entsprechende Gruß der Kadettin erinnerte Carrel einmal mehr unangenehm daran, dass die schwere Last der Verantwortung seit nunmehr knapp fünfzig Stunden voll und ganz auf seinen Schultern ruhte.

Mit betont neutraler Miene nahm er im breiten Kommandosessel der Katana Platz und schlug die langen Beine übereinander, die rechte Hand bereits automatisch ausgestreckt nach dem in die Armlehne eingelassenen PADD, das ihm den aktuellen Statusbericht der Diskussektion liefern würde.

Ein neuer Morgen, eine neue Gelegenheit für hunderttausend kleine Dinge, die an Bord schief laufen konnten – und damit im schlimmsten Fall dafür sorgen, dass sie von der Erde aus entdeckt wurden. Oder von einem in das Sonnensystem einfliegenden Schiff gefunden und attackiert. Oder beides zusammen.

Carrel seufzte leise, und fast sofort spürte er den prüfenden Blick Sharkaras auf sich ruhen, die neben ihm im Sessel der Ersten Offizierin saß und scheinbar seelenruhig an einer Tasse frischgebrühtem Raktajino nippte.

"Schlecht geschlafen, Captain?" In ihrer Betonung des letzten Wortes war nur der allerleiseste Hauch von Ironie zu erahnen, womit sie verhinderte, dass Carrel oder irgendein anderes Mitglied der derzeitigen Brückenbesatzung sie der Insubordination bezichtigen und ihre Integrität in Frage stellen konnte. Aber ihre tiefdunklen Augen funkelten spöttisch, und die langsame, elegante Geste, mit der sie sich eine Strähne ihres dunkelrot gefärbten Haares hinter das spitze Ohr schob, wirkte beinahe herausfordernd.

Sharkara machte kaum einen Hehl daraus, dass sie sich selbst als die bessere Wahl für das vorübergehende Kommando über die Untertassensektion angesehen hätte, und die Bevorzugung von Carrel durch Lieutenant Commander Summers betrachtete sie als grobe Fehleinschätzung und persönlichen Affront gegen den ehrgeizigen Kurs, den sie seit ihrem Dienstantritt an Bord der Katana verfolgte. Sie gehörte zu den wenigen Halbvulkaniern in der Föderation, die ihr Leben ganz und gar ihrer menschlichen Seite angepasst hatten, und hinter vorgehaltener Hand sagte viele ihre Crewkameraden von ihr, dass sie beim Erforschen und Ausleben der menschlichen Eigenschaften ihren persönlichen Schwerpunkt unglücklicherweise rein auf die negativen Aspekte gelegt hatte.

"Es war eine unruhige Nacht, Nummer Eins", antwortete Carrel nach kurzem Nachdenken wahrheitsgemäß, und seine ebenfalls nur geringfügig hervorgehobene Betonung am Ende des Satzes, die Sharkara nichtsdestotrotz deutlich auf ihren Platz verwies, brachte ihm einen anerkennenden Blick der blonden Kadettin ein. "Ensign Ta´Markat ist bewusstlos an seiner Station zusammengebrochen, und Miss Goldzweig hielt es für unbedingt erforderlich, mich zeitnah um drei Uhr fünfundzwanzig Bordzeit davon zu informieren."

Hinter sich hörte Carrel ein unterdrücktes Schnauben und fast sofort tat ihm seine letzte Aussage zu Ungunsten der jungen Medizinerin auch schon wieder leid.

Rahel Goldzweig und ihr ebenfalls noch mitten in der Ausbildung zum Arzt steckender Kollege Lan Go Yim waren die einzigen, die auf der Krankenstation zusammen mit einem kleinen Team von Schwestern und Pflegern noch die Stellung hielten, nachdem das MHN und der Rest der medizinischen Abteilung dringender auf Notstation der Antriebssektion gebraucht worden waren, und wie der Rest der behelfsmäßigen, noch relativ unerfahrenen Crew, mit der Carrel zurückgelassen worden war, fühlten auch die beiden sich mit ihrer derzeitigen Verantwortung mehr als ausgelastet und gefordert. Der Großteil der Katana-Besatzung war freiwillig Summers und den verbliebenen Führungsoffizieren gefolgt, nachdem bekannt geworden war, dass man sich auf die Suche nach Captain Arven machte wollte, und nur die Zivilisten und jüngsten Crewmitglieder hatten auf der abgetrennten Diskussektion eine fragliche Sicherheit gesucht, die mit dem Auftauchen von möglichen Gegnern jederzeit wieder gefährdet werden konnte.

Carrel erinnerte sich nur zu deutlich an die stumme Ratlosigkeit auf den weichen Gesichtszügen der jungen Jüdin mit den langen, glänzend schwarzen Haaren, als sie die Ursache für Ta´Markats plötzliche Ohnmacht nicht auf Anhieb herausfinden konnte, und nachdem er auch auf ihre bemühten Versuche hin nicht wieder erwachen wollte, war sie nach und nach immer blasser und verschlossener geworden.

Carrel hoffte inständig, dass der bolianische Navigator sich mittlerweile auf dem Weg der Besserung befand, denn auch wenn sie derzeit lediglich bewegungslos hinter dem Jupiter trieben, so brauchte er doch jedes einzelne seiner wenigen Besatzungsmitglieder, um die Diskussektion in den vielleicht noch vier Wochen Wartezeit, die möglicherweise auf sie zukommen konnten, heil und sicher im Orbit des Planeten zu halten.

Und an die schier unlösbar erscheinende Aufgabe, die sie zu bewältigen hatten, falls Lieutenant Commander Summers, Captain Arven und Commander Needa nicht zurückkehren sollten, mochte Carrel momentan gar nicht erst denken.

Ein geeignetes Wurmloch zurück in das eigene Universum und die eigene Zeit finden... Den Pyramidenschiffen dabei entgehen... Die Antriebssektion und die gesamte Führungs- sowie einen Großteil der regulären Crew alleine in dieser seltsamen, feindlichen Parallelwelt zurücklassen, ohne zu wissen, ob sie noch am Leben waren oder schon längst tot, vielleicht auch hilflos verloren in den Händen der Feinde...

Das Letztere erschien Carrel als der furchtbarste und schwerste Teil des Befehls, den Summers ihm gegeben hatte, und mit jeder Faser seines Bewusstseins widerstrebte es ihm, diesen zu gegebener Zeit auch auszuführen.

Andererseits lasteten die Leben Dutzender unbeteiligter Zivilisten auf den Entscheidungen, die er zu treffen hatte, Leben, die er nicht riskieren durfte, nur um den Commander und das vermisste Außenteam wiederzufinden – und so blieb Carrel letzten Endes nichts anderes übrig, als die Hoffnung auf eine schnelle Rückkehr Summers´ und im besten Fall auch Arvens zu bewahren und heimlich kräftig die Daumen für das Schicksal seiner Führungsoffiziere zu drücken. Der junge Lieutenant war normalerweise nicht besonders abergläubisch, jedenfalls nicht mehr als die meisten seiner Schiffskameraden, aber in den vergangenen Tagen hatte er sich selbst mehr als nur einmal dabei ertappt, wie er halb unbewusst einen stummen Wunsch in Richtung der verschwundenen Antriebssektion schickte. Und er wusste, dass es dem Rest der Crew an Bord nicht anders erging.

Beeilt euch, bevor wir hier noch in ernsthafte Schwierigkeiten gelangen, dachte Carrel und klopfte im Geiste dreimal kräftig auf das polierte Holz der Armlehne. ...Oder bevor ich Sharkara den Hals umdrehe.

Noch immer musterte ihn die Halbvulkanierin mit anmutig hochgezogenen Augenbrauen, und ihr kühler Tonfall sprach Bände, als sie nun erneut das Wort ergriff. "Ich bin über die Ereignisse der Nacht durchaus im Bilde, danke, Captain. Kadett Go Yim hat sich zu Beginn meiner Schicht auf der Brücke gemeldet und berichtet, dass Ensign Ta´Markats Zustand zwar stabil, aber unverändert ist."

Mist.

"Er ist noch immer bewusstlos?" fragte Carrel sicherheitshalber nach, und unter Sharkaras dichten, schwarzen Wimpern verschleierten sich ihre Augen zu einem rügenden Habe-ich-das-nicht-eben-gesagt?-Blick.

"Genauer gesagt liegt er mittlerweile im Koma", sagte sie ruhig und Carrel spürte, wie er blass wurde. "Mister Go Yim meint, er werde es heute Vormittag mit einer weiteren Endotridacyl-Therapie versuchen."

"Danke, Lieutenant." Carrel unterdrückte einen tiefen Seufzer und versuchte stattdessen, sich wieder auf sein PADD zu konzentrieren.

Fliegen Sie, Summers, war sein letzter Gedanke, bevor sein Blick über die schier endlos erscheinenden Zahlenkolonnen zu wandern begann. Fliegen Sie und bringen Sie uns den wahren Captain der Katana zurück.


Ensign Tessa McGowan lief durch die abgedunkelten Korridore der Diskussektion und schaffte es nur mit Mühe, ein brodelnd in ihr aufsteigendes Gefühl des Ärgers zu unterdrücken.

Die ständige künstliche Dämmerung, in die die heruntergefahrenen Systeme das gesamte Schiff – oder vielmehr das, was davon übriggeblieben war – seit Tagen tauchten, ging ihr gewaltig auf die Nerven, und Tatsache, dass sie wie ein Großteil der hier gebliebenen Crew viel lieber auf der Antriebssektion mitgeflogen wäre, um den Captain zu retten, statt sich wie die geprügelten Hunde hinter dem Jupiter zu verstecken, machte die ganze Sache auch nicht unbedingt besser. Im Hauptmaschinenraum hatte Lieutenant Yadeel zwanzig Leute bestimmt, die mit Carrel zurückbleiben mussten, und wie in den meisten anderen Schiffsabteilungen auch war ihre Wahl dabei auf die jüngeren, unerfahreneren Techniker gefallen, die in einem möglichen Kampf zur Befreiung des Außenteams nicht so schnell und routiniert reagieren konnten wie ihre älteren Kollegen.

Vor der kleinen, schlanken Schottin mit den energisch funkelnden blauen Augen lag nun ein langer, anstrengender, aber insgesamt auch furchtbar öder Arbeitstag im Zweitmaschinenraum der Katana, den sie zwar mit der nötigen Disziplin, jedoch nicht unbedingt mit voller Begeisterung angehen konnte.

Tessa war keine Frau, die vor Stress und Schufterei automatisch zurückschreckte, aber die Erhaltung des gesamten technischen Innenlebens der Untertassensektion mit gerade einmal neunzehn weiteren Ingeneuren war ganz bestimmt nicht die Art von Herausforderung, die sie sich vor ein paar Jahren bei ihrer Einschreibung an der Sternenflottenakademie vorgestellt und gewünscht hatte. Da sich ihre Unternehmungen seit der Separation des Schiffes auf einen gemütlichen Flug im Orbit des Jupiter beschränkten, waren an Bord momentan auch keine großen technischen Kunstgriffe gefragt, und so bestand Tessas Leben neuerdings hauptsächlich aus langwierigen Diagnosen, Routinewartungen und Computerbackups, die sie mangels ausreichender Besetzung im Engineering-Team auch noch einen Großteil ihres Feierabends kosteten.

An diesem Morgen stand eine Stunden andauernde, ziemlich monotone Überprüfung der Lebenserhaltungssysteme auf dem Programm, und obwohl Tessa den Sinn und Zweck dieser Tätigkeit durchaus einsah, so wäre es ihr doch lieber gewesen, sie hätte sie wie immer mit vier ihrer Kollegen teilen und dadurch auf die Dauer von einer knappen Stunde reduzieren können.

"Tessa, warte!"

Eilige Schritte hinter ihr ließen die junge Technikerin für einen Moment lang verharren und lächelnd den Kopf wenden. Wenn auf eine Sache auf diesem verrückten Schiff überhaupt noch Verlass war, dann auf die fast täglich wiederkehrende Konstante, dass Luthar Ames sich erst in der allerletzten Minute vor seinem Dienstbeginn aus dem Bett bequemte.

"Morgen, Ames." Tessa blickte in sein lachendes, schmales Gesicht mit dem silbernen Ohrring an der rechten Seite, und beinahe sofort fühlte sie sich ein wenig besser. Noch ein ungeschriebenes Gesetz der großen Egineering-Familie an Bord der Katana lautete nicht zu Unrecht, dass die ansteckend gute Laune des Bajoraners einem den grauesten Alltag aufhellen konnte, und wieder einmal sah Tessa sich in der Richtigkeit dieser Aussage bestätigt. "Auch schon wach?"

"Gerade aus dem Bett gefallen", grinste Ames und klopfte ihr freundschaftlich auf die Schulter. "Ich habe außerordentlich schöne Träume gehabt, leider dieses Mal aber nicht von dir."

"Bist ein fürchterlicher Charmeur", erwiderte Tessa lachend, und gemeinsam setzten sie ihren Weg zum Zweitmaschinenraum fort. "Na, mit welch wundervoller Aufgabe hat man dich heute betraut?"

Ames hob die Augenbrauen, und sein vielsagendes, strahlendes Lächeln ließ Tessa in gespielter Entrüstung aufstöhnen.

"Lass´ mich raten – du hast Chief Kowanaskow so lange Honig um den Spitzbart geschmiert, bis du wieder den besten Job von uns allen in der Tasche hattest, stimmt´s? ...Luthar Ames, ich warne dich, wenn..."

In diesem Moment öffneten sich mit einem leisen Zischen die Türen des Maschinenraums vor ihnen, und der Anblick, der sich den beiden jungen Ingeneuren bot, ließ Tessa mitten in ihrer scherzhaften Bemerkung erschrocken verstummen.

Oh mein Gott, das ist nicht gut. Das ist ganz und gar nicht gut.

Mit ein paar schnellen Schritten war sie bei dem regungslos am Boden liegenden russischen Chief, der während der Abwesenheit von Seeta Yadeel das Kommando über den Rest des Engineering-Teams innehatte. Ihre schlanken Finger tasteten nach seinem Handgelenk und fanden einen schwachen, unregelmäßigen Puls, der Tessa zusammen mit dem surreal wirkenden Bild der restlichen bewusstlos in sich zusammengesunkenen Besatzungsmitglieder einen eiskalten Schauer über den Rücken jagte.

"Luthar an Krankenstation", hörte sie ihren Freund neben sich sagen, und ihre rastlos umherwandernden Blicke hefteten sich beinahe flehentlich auf den blitzenden silbernen Ohrring unter dem dunklen Haar des Bajoraners. "Bitte schicken Sie sofort medizinische Hilfe in den Zweitmaschinenraum. Wir haben hier einen Notfall!"


 

Tag 6

"Computerlogbuch der U.S.S. Katana, Lieutenant Carrel. Sternzeit 95541, 6; Untertassensektion am siebten Tag nach der Schiffsseparation.

In den letzten vierundzwanzig Stunden sind vier weitere Besatzungsmitglieder der geheimnisvollen Ohnmacht zum Opfer gefallen und liegen nun auf der Krankenstation im Koma. Insgesamt sprechen wir damit nun von achtundzwanzig Fällen, wobei zehn der Betroffenen Zivilisten sind und achtzehn Personen zu meiner Behelfscrew zählen, die damit auf ein bedenkliches Maß zusammengeschrumpft ist. Noch können wir alle Schiffsfunktionen selbst aufrechterhalten, aber wenn die Kadetten Goldzweig und Go Yim zusammen mit den zivilen Wissenschaftlern, die ihnen in der Krankenstation mittlerweile zur Hand gehen, nicht bald die Ursache für die plötzlichen und völlig unwillkürlichen Komafälle herausfinden, dann ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis wir zumindest einen Teil der Kontrolle dem Schiffscomputer übertragen müssen.

Dass das in unserer derzeitigen Lage, die nach wie vor höchste Vorsicht gebietet, ein äußerst riskanter Schritt wäre, brauche ich nicht extra zu erwähnen."


"...Und Sie haben noch immer keine Idee, was diese plötzliche Bewusstlosigkeit verursachen könnte? Haben Sie die Biofilter nach unbekannten Substanzen abgesucht, ein Bakterium vielleicht, das Dr. Lazarus und sein Team versehentlich von diesem unerforschten Planeten mitgebracht haben? Oder irgendetwas, das diese Leute gegessen haben, eine Gemeinsamkeit bei ihren Freizeitaktivitäten?"

Lieutenant Carrel verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich an die kühle Wand in seinem Rücken, versuchte zumindest für einen kurzen Moment lang seine völlig verkrampften Muskeln zu lockern und sich ein wenig zu entspannen. Er wusste, es waren rein rhetorische Fragen, die er Rahel Goldzweig soeben gestellt hatte, Fragen, denen sie und Kadett Go Yim schon längst nachgegangen waren, und die nicht die Lösung des Rätsels darstellen konnten. Ein Blick in das müde, ungewöhnlich blasse Gesicht der jungen Medizinerin sagte ihm, dass sich auch der Zustand der Komapatienten seit seinem letzten Besuch auf der Krankenstation nicht verbessert hatte, und einmal mehr musste Carrel sich einen leicht mutlosen Seufzer verkneifen.

"Nein, Sir, diese Möglichkeiten haben wir schon vor Tagen ausgeschlossen", antwortete Goldzweig leise, aber geduldig, und in ihren großen dunklen Augen schimmerte ein Hauch von Verzweiflung auf. "Wir können die Ursache für den Zustand dieser Leute und die immer neuen Fälle einfach an nichts festmachen, so leid mir das auch tut. Noch bis vor ein paar Tagen waren sie in einem einwandfreien körperlichen Zustand, und auch auf dem Schiff hat sich nichts verändert – es gibt nicht die kleinste Unregelmäßigkeit im Umweltsystem oder bei der Nahrungsreplikation, und auch mehrere Scans konnten keinen Krankheitserreger oder etwas ähnliches in der Luft feststellen." Die Jüdin verstummte und zuckte kurz mit den Achseln, und in dieser Geste lag etwas Hilfloses, das Carrel beinahe ein wenig wütend machte. "Es dürfte eigentlich gar nicht geschehen, Sir, und doch, Sie sehen es ja selbst..."

Goldzweig machte eine Armbewegung, die die vielen belegten Biobetten mit einschloss, und als Carrel ihr mit seinem Blick folgte, blieben seine Augen auf dem hübschen Gesicht des jüngsten Opfers haften, Tessa McGowan, einer Ingenieurin aus dem Maschinenraum, die während ihrer Frühschicht bewusstlos in einer Jeffriesröhre zusammengesunken war und nur mit Mühe geborgen werden konnte. Kurzgeschnittenes, kastanienbraunes Haar umrahmte ihre blassen Züge wie ein Heiligenschein, und ihre schlanke Gestalt zeichnete sich schmal und zerbrechlich unter der weichen Bettdecke ab.

"Werden sie überleben, Kadett?" murmelte Carrel nach ein paar angespannten Sekunden des Schweigens leise, und er stellte damit die Frage, die er sich selbst gegenüber in den letzten Tagen immer wieder angestrengt verdrängt hatte. "Werden sie wieder aufwachen?"

"Wenn wir einen Weg finden, an sie heranzukommen, und wenn da noch ein intaktes Bewusstsein vorhanden ist, dass auf unsere Versuche reagieren kann – dann ja." Goldzweig strich sich eine lange, dunkle Haarsträhne aus dem Gesicht und versuchte ein Lächeln, das aber gründlich misslang. "Die gute Nachricht ist, dass ihr Herz-Kreislauf-System nach wie vor sehr stabil arbeitet und dass wir auch regelmäßige Hirnfunktionen messen können. ...Wie gesagt, diese Leute sind eigentlich kerngesund, Captain."

"Ich würde Ihnen gerne glauben, Kadett." Bevor er sich zum Gehen wandte, warf Carrel einen letzten kurzen Blick auf die reglose Technikerin, und er spürte, wie die Last der Verantwortung für sie und die vielen ihrer Kameraden, die wie tot neben ihr in den Biobetten lagen, ihm langsam aber sicher fast die Lüft abzuschnüren begann. "Bitte hören Sie nicht auf, zu kämpfen, Goldzweig. Ich weiß, Sie sind müde und erschöpft, wir alle sind es, aber wir dürfen jetzt nicht aufgeben."

"Aufgeben? Im Leben nicht." Ein Funken neuer Energie blitzte in den Augen der jungen Frau auf, und obwohl sie nach wie vor mehr als übernächtigt aussah, wirkten ihre Bewegungen wieder frischer und motivierter, als sie neben McGowans Liege trat und nach einem Hypospray griff. "Mister Tomari hat eine Medikamententherapie auf der Basis seiner Erfahrungen bei den Calderianern entwickelt, die wir in den nächsten Stunden an einigen Patienten testen werden. Ich erstatte Ihnen Bericht, wenn uns die ersten Ergebnisse vorliegen."

"In Ordnung. ...Viel Glück, Kadett."

Für einen winzigen Moment lang lächelten Carrel und die Medizinerin sich gegenseitig an und spürten einmal mehr das unsichtbare Band, das die auf der Diskussektion gleichsam gestrandete Crew mittlerweile untereinander zusammenhielt.

Wir sitzen alle im gleichen Boot, dachte die Jüdin, nachdem das Schott sich zischend hinter dem befehlshabenden Lieutenant geschlossen hatte und sie sich allein mit den vielen leblosen Männern und Frauen um sie herum wiederfand, deren unausgesprochene Hoffnung auf den wackeligen Schultern zweier Kadetten und einer Handvoll von zivilen Wissenschaftlern ruhte. Wir alle wünschen uns auf die Antriebssektion, wo die Lage zwar noch gefährlicher ist, aber wo man uns sagt, was wir zu tun haben, und wo wir unseren Platz und unsere Vorgehensweise kennen würden. Und uns allen bleibt keine andere Wahl, als durchzuhalten und weiterzumachen.

Jahwe steh´ uns bei.


"...Ich bin hineingeklettert, und sie lag da wie tot." Luthar Ames´ Stimme war gedämpft, aber dennoch konnte man die aufgeregte Hilflosigkeit in ihr deutlich heraushören, als er sich über den Tisch hinweg näher zu seinen Zuhörern beugte und mit unruhig schimmernden Augen fortfuhr. "Ich habe noch versucht, sie anzusprechen, habe sie sogar gepackt und geschüttelt, aber es war bereits zu spät. Go Yim meint, sie wäre zu diesem Zeitpunkt bereits schon längst ins Koma gefallen gewesen, und ich hätte nichts mehr tun können – ...auch wenn ich ein paar Minuten eher dazugekommen wäre."

"Tut mir leid, Ames", sagte Jaori Darides leise, und sie legte ihre schmale, dunkle Hand tröstend auf den muskulösen Unterarm des Technikers. "Ich weiß, es ist das erste Mal, dass du wirklich verschlafen hast, und du konntest doch nicht ahnen, dass Tessa... Dass es sie erwischt hat. Bitte glaub´ den Ärzten, wenn sie sagen, es sei nicht deine Schuld – und dass sie schon länger da gelegen hat."

"Das muss ich wohl", erwiderte der Bajoraner bitter, und ebenso wie er selbst wussten auch seine Freunde, dass er sich dennoch weiterhin schwere Vorwürfe machen würde. Er nahm das noch halb gefüllte Glas mit Jula-Wein, das vor ihm auf dem Tisch stand, und leerte es in einem einzigen langen Zug, schloss dann kurz die Augen, während sich das starke Getränk warm und herb den Weg durch seinen Speiseröhre in seinen Magen hinunter brannte. "Was glaubt ihr, was es ist?" fragte er nach einem kurzen Moment des peinlich berührten Schweigens ablenkend, und die Blicke der beiden Frauen und drei Männer, die ihn in das Schiffscasino begleitet hatten, wirkten fast erleichtert.

"Schwer zu sagen, schließlich bin ich keine Medizinerin", brummte Samtnase von Ennien unschlüssig, und seine fellbedeckten Ohren zuckten ein wenig. "Aber soweit ich weiß, haben auch Goldzweig und Go Yim bisher keine Ursache für die Komafälle herausgefunden, ansonsten würden sie doch schon längst an einem Gegenmittel arbeiten."

"Vielleicht forschen sie alle in der falschen Richtung." Sämtliche Köpfe am Tisch flogen zu Tramelle herum, die zusammen mit vier ihrer Kollegen den kläglichen Rest der Elite-Force-Einheit bildete, der auf Befehl Summers´ hin zurück an Bord der Diskussektion geblieben war. "Vielleicht haben wir es hier gar nicht mit einer Krankheit zu tun."

"Sondern?"

Tramelles eisblaue Augen blitzten auf, und sie senkte ihre Stimme noch ein wenig mehr, bevor sie weitersprach. "Ist euch eigentlich klar, dass noch nie irgendjemand einen anderen tatsächlich hat umfallen sehen? ...Die Opfer wurden alle bereits bewusstlos aufgefunden, aber noch kein einziges Mal sind sie in Anwesenheit anderer Personen zusammengebrochen."

Für ein paar Sekunden lang hing ihre Aussage wie eine drohende Wolke in der Luft, und plötzlich schien es, als wäre das gesamte Casino – das um diese abendliche Zeit trotz der gespannten Lage an Bord gut besucht war – um sie herum verstummt, um dem logisch erscheinenden Schluss zu lauschen, den sie aus ihren eigenen Worten zog, und den insgeheim viele der Besatzungsmitglieder längst in ihren Gedanken hegten, aber noch nie auszusprechen gewagt hatten. "Was ist, wenn wir einen Verräter an Bord haben, der – mit welchen Mitteln auch immer – uns alle im Lauf der Zeit ins Koma befördern wird...?" 

Tag 9

"Ein Verräter?"

Sharkaras elegant geschwungene Augenbrauen schossen in die Höhe, und für ein paar Sekunden lang wanderte ihr Blick nachdenklich aus dem großen Aussichtsfenster hinaus auf die rotbraune Halbkugel Jupiters, die seit nun schon etwas mehr als einer Woche ihr ständiger treuer Begleiter war. "Mir ist dieses Gerücht ebenfalls zu Ohren gekommen, Captain, allerdings habe ich nicht gedacht, dass ihm ein Führungsoffizier bei rechtem Verstand Glauben schenken könnte."

"Ich habe nicht gesagt, dass ich das tue, oder?" erwiderte Carrel nur äußerlich gelassen und widerstand einmal mehr der Versuchung, der Halbvulkanierin den Posten als vorläufige Erste Offizierin ganz einfach zu entziehen, um ein kooperativeres und rein am Wohlergehen der Crew interessiertes Besatzungsmitglied an ihre Stelle zu setzen. Aber wahrscheinlich gehörte die Auseinandersetzung mit unliebsamen und überehrgeizigen Stellvertretern ebenso zum Job eines Raumschiffkommandanten wie die von Zweifeln geplagten, schlaflosen Nächte, die den jungen Lieutenant seit ein paar Tagen quälten.

Die Krankenstation quoll mittlerweile über von komatösen, mitten in der Arbeit oder während der Freizeit einfach zusammengebrochenen Besatzungsmitgliedern und Zivilisten, und vor allem die ersten Kinder, die leblos bei Goldzweig und Go Yim eingeliefert worden waren, hatten Medizinern und Crew gleichermaßen schwer zu schaffen gemacht. Noch jetzt erschauderte Carrel, wenn er an den Anblick der winzigen, zerbrechlich wirkenden Körper dachte, die Rettinghouse und Vabande vom Elite-Force-Team durch die Gänge des Schiffes getragen hatten, und er musste sich bemühen, um seine Gedanken wieder auf das Hier und Jetzt zu lenken und sich nicht ständig zu fragen, was geschehen mochte, falls die Kadetten auf der Krankenstation kein Gegenmittel mehr fanden.

...Und noch immer hatte niemand tatsächlich beobachten können, wie die Männer und Frauen ins Koma gefallen waren. Wenn sich mehrere Personen zugleich im selben Raum befanden, so wurden alle Opfer der Ohnmacht, und langsam wuchs die Angst der verbliebenen Crew davor, durch verschlossenen Türen zu treten, da sich dahinter nicht allzu selten ein erneuter furchtbarer Anblick von reglos zu Boden gefallenen Kameraden bot.

Ein Verräter, der schuld war an der geheimnisvollen Komawelle, und der nach und nach die ganze Untertassensektion in seine Gewalt bringen würde? - ...Carrel musste zugeben, dass die nach wie vor nur hinter vorgehaltener Hand geäußerte Vermutung einiger Besatzungsmitglieder immer mehr und mehr an Wahrscheinlichkeit gewann. Aber was konnte der potentielle Verräter mit dieser Vorgehensweise erreichen wollen? In wessen Auftrag handelte er? Und wie und wann war er an Bord gekommen?

"Sie denken aber darüber nach", unterbrachen Sharkaras kühle Worte Carrels Überlegungen, und einmal mehr musste er erkennen, dass er für die telepathisch geschulte Halbvulkanierin ein offenes Buch zu sein schien. Er räusperte sich und lehnte sich in dem bequemen Ledersessel des Bereitschaftsraumes zurück, der ihm auch nach einer Woche noch seltsam fremd und unpassend vorkam. Sein Blick wanderte über den glänzenden, polierten Schreibtisch, auf dem ein paar Gegenstände ruhten, die Captain Arven gehörten, und plötzlich erschien es ihm wie ein Sakrileg, in ihren privaten Raum eingedrungen zu sein, um dort ihren Platz einzunehmen.

"Es kann nichts schaden, die Elite-Force-Einheit und die Schiffssicherheit in nächster Zeit etwas wachsamer vorgehen zu lassen." Zu Carrels Überraschung widersprach Sharkara diesmal nicht, sondern nickte nur schweigend und erhob sich dann mit einer fließenden, katzengleichen Bewegung, die ihren raubtierhaften Charakter hervorragend zu unterstreichen schien.

"Ich werde Mister Ontus und Miss/ter Burgoyne darüber informieren", sagte sie, und wie immer gelang ihr dabei die spezielle Betonung der Anrede des Hermanten auf Anhieb perfekt. "Sonst noch etwas, Captain?"

"Danke, das ist für den Moment alles, Nummer Eins."

Noch lange nachdem die Türen sich hinter Sharkaras geradem Rücken geschlossen hatten, saß Carrel mit aneinandergelegten Fingerspitzen und verloren wirkendem Gesichtsausdruck in dem Sessel, der eigentlich Tallia Arven gehörte, und sein Blick ging in eine weite Ferne, die nur er zu erkennen vermochte.


"Ich finde es einfach unverschämt, dass sie uns nicht besser über den Stand der Dinge aufklären."

Auf Julia Harders hübschem Gesicht spiegelte sich Ärger wider, während sie die Salatschüssel aus dem Replikator nahm und zum Tisch hinübertrug, wo sie sie so schwungvoll zwischen den Tellern absetzte, dass es laut klirrte. "Martha Kowanaskow hat mir erzählt, dass diese beiden Kadetten ihr nach wie vor etwas über den Zustand ihres Mannes zu verschweigen scheinen, und schön langsam bekomme ich das Gefühl, dass sich hier an Bord viel mehr abspielt als nur eine seltsame Krankheit." Sie strich sich eine Strähne ihres schulterlangen, blonden Haares hinters Ohr zurück und nahm Platz, und ihre großen braunen Augen streiften für einen Moment lang liebevoll das etwa einjährige Mädchen, das neben ihr im Hochstuhl saß und mit den kleinen Fäustchen erwartungsvoll auf die Tischplatte trommelte. "Gleich bekommst du deinen Brei, mein Schatz, ein paar Sekunden noch, ja?"

"Du übertreibst, Liebes", erwiderte Daniel Harder mit einem leicht gereizten Unterton und griff zum Salatbesteck. Seine auf Grund der derzeitigen Situation verlängerte Schicht war vor wenigen Minuten erst zu Ende gegangen, und er trug noch immer seine Uniform, deren grüngelber Kragen wie immer einen interessanten Kontrast zu seinen kupferfarbenen, leicht zerrauft aussehenden Haaren bildete. Normalerweise liebte Julia den Anblick ihres Mannes in "Sternenflottenmontur", wie sie es manchmal scherzhaft nannte, und der Gedanke daran machte sie unheimlich stolz, dass er im Maschinenraum einen kleinen, aber wichtigen Teil dazu beitrug, dass dieser große, strahlend weiße Vogel, der sie alle trug, heil und sicher das All durchqueren konnte.

Aber in den letzten Wochen, in denen die Katana einer Gefahr nach der anderen begegnet war, waren der jungen Ehefrau und Mutter, die mit ihrer Familie zuvor an Bord eines kleinen, ruhigen Forschungsschiffes gelebt hatte, zum ersten Mal auch die Gefahren eines ständigen Lebens an Daniels Seite bewusst geworden, und mehr als nur einmal hatte sie bereut, seiner Versetzung von der Kopernikus weg auf dieses – wie sie es mittlerweile bezeichnete – Horrorschiff so rasch und vorbehaltlos zugestimmt zu haben.

Ihre Lippen bildeten einen dünnen, weißen Strich, während sie ihrer Tochter den vulkanischen Eerja-Brei reichte, den sie liebevoll für sie zubereitet hatte, und erst nachdem die Kleine einen Löffel davon probiert hatte und in ein glückliches Strahlen ausgebrochen war, setzte sie erneut an und sprach mit betont ruhiger Stimme weiter, um das Kind nicht unnötig zu erschrecken.

"Ich übertreibe? ...Daniel, zwei meiner besten Freundinnen hier an Bord liegen im Koma, und ich weiß nicht, ob sie je wieder aufwachen werden. Der kleine Sohn von den Charo´ons ist gestern bewusstlos aufgefunden worden, nachdem seine Mutter nur für ein paar Minuten lang das Quartier verlassen hatte. – Daniel, ein Kind! Er war nicht viel älter als Carey! Willst du, dass deine Tochter das nächste Opfer ist?"

"Natürlich will ich das nicht." Der Ingenieur seufzte leise und legte sein Besteck wieder beiseite. Plötzlich war ihm der Hunger vergangen, und wenn er in die sorgenvollen Augen seiner Frau und in das harmlos-vergnügte Gesicht seines Kindes blickte, verkrampfte sich etwas tief in seinem Inneren.

Die jüngsten Gerüchte, die im Zweitmaschinenraum umgingen, ließen schreckliche Bilder in ihm aufsteigen von einer furchterregenden, schwarzen Gestalt, die lautlos durch sein Quartier huschte und seine junge Frau von hinten packte, ihr etwas an den Hals drückte und injizierte, was Julia ohnmächtig zu Boden sinken ließ. Dann drehte sich der Schatten um und wandte sich seiner Tochter zu, die ihn mit großen, erstaunten Augen musterte, er näherte sich ihr mit boshaft blitzenden Augen... –

Daniel schüttelte den Kopf und versuchte, die angsterfüllten Visionen zu vertreiben; er spürte, wie Julias Blick ahnungsvoll auf ihm ruhen geblieben war. Ich hätte euch beide nie mit an Bord bringen dürfen, dachte er reuevoll und strich Carey kurz über die weichen, blonden Locken, was diese mit einem fröhlichen Gluckser quittierte. Ich war egoistisch zu denken, es würde euch auf der Katana sicher genauso gut gehen wie damals auf der Kopernikus. Ich hätte diese Beförderung niemals annehmen dürfen – ich habe uns alle in Gefahr gebracht damit.

"Julia... Ich verspreche dir, wenn das alles hier vorbei ist, werden wir uns noch einmal gründlich überlegen, ob wir wirklich auf diesem Schiff bleiben. Und wenn du gehen möchtest, dann können wir das jederzeit auch tun. Aber bitte, versprich´ mir eines...-"

Ihre Blicke begegneten sich über den Tisch hinweg, und dann spürte Daniel, wie seine Frau nach seiner Hand griff und sie sanft drückte.

"Versprich´ mir, vorsichtig zu sein, solange ich nicht bei euch sein kann, in Ordnung? Ich möchte nicht... Ich wollte nie, dass euch etwas zustößt."

"Ich weiß."

Die warme Berührung seiner Finger nahm Julia zumindest einen winzigen Teil der Angst, die seit Tagen erdrückend auf ihr lastete, und sie atmete ein paar Mal tief durch. "Ich schaffe das, Daniel. Ich verspreche es dir. Wir alle werden das irgendwie durchstehen." 

Tag 11

"Sir, soeben fliegt ein sehr großes Schiff ins Sonnensystem ein, dessen Konfiguration der entspricht, die wir hier schon einmal beobachtet haben."

Die schlanken Hände der blonden Kadettin huschten über die taktische Konsole, und ihre Stirn furchte sich konzentriert, während sie versuchte, die Daten, die sie mit Hilfe der sekundären Sensorenphalanx erhielt, in eine sinnvolle Interpretation zu bringen. "Sie haben uns nicht entdeckt, Captain", sagte sie schließlich aufatmend, und ihre hübschen grünen Augen blitzen Carrel erleichtert an. "Sie scannen das gesamte System, aber wir stoßen derzeit zu wenig Energie aus, als dass sie uns orten könnten."

"Danke, Miss Eijsselburgh. ...Ensign T´Malis, halten Sie uns sauber auf der anderen Seiten des Saturns, nur Steuerdüsen."

"Aye, Sir."

Angespannt lehnte Carrel sich im Kommandosessel zurück und starrte auf den großen Hauptbildschirm, wo ihr planetengroßes Versteck sich mit beruhigender Gleichmäßigkeit unter ihnen hinwegdrehte. Ob die Fremden zurückgekommen waren, um nach ihnen zu suchen?

Ein Horrorszenario schob sich unaufhaltsam in die Gedanken des jungen Lieutenants, in dem die Crew der Antriebssektion gefangengenommen und gefoltert worden war, bis sie den Aufenthaltsort vom Rest des Schiffes verraten hatte.

Er wusste, in einem Kampf würde er mit der schwerfälligen, relativ unbeweglichen und nur schwach bewaffneten Diskussektion so gut wie keine Chance haben, einem mächtigen gegnerischen Schiff Stand zu halten, und die Vorstellung, in die Gewalt von Feinden zu geraten, entsetzte ihn so sehr, dass sich die feinen Härchen in seinem Nacken kribbelnd aufrichteten.

"Wir wissen noch immer nicht, ob sie uns überhaupt feindlich gesonnen sind", meinte Sharkara neben ihm gelassen, und sie schien damit einmal mehr Carrels Gedanken erraten zu haben. "Sie achten sehr sorgfältig darauf, nicht in den Erfassungsbereich der Erdsatelliten zu geraten, und vieles deutet darauf hin, dass sie die Entwicklung der Menschheit weder stören noch beeinflussen möchten. Sie scheinen also ähnliche ethische Grundsätze wie die Föderation zu besitzen, und vielleicht könnten sie uns sogar dabei helfen, Captain Arven und das vermisste Außenteam wiederzufinden, wenn wir sie nur um Unterstützung bitten."

"Wir haben unsere Befehle, Lieutenant Sharkara", erwiderte Carrel mit einem kurzen Seitenblick auf die Halbvulkanierin. Er wusste, mit diesem knappen Satz hatte er jedes Argument aus dem Feld geschlagen, das sie soeben vorgebracht hatte, und er war fast erleichtert deswegen. Um nichts in der Welt wollte er es derzeit riskieren, sich den Fremden gegenüber zu offenbaren, und so vernünftig die Worte seiner Ersten Offizierin auch klangen, so felsenfest stand sein Entschluss, Summers´ Anweisungen an ihn strikt zu befolgen und jeden Kontakt zu vermeiden. "Wir bleiben in Deckung."

Sharkara nickte kurz und schwieg dann, sie wusste so gut wie jedes andere Mitglied der Brückenbesatzung, dass es keinen Sinn machte, sich gegen eine Entscheidung aufzulehnen, hinter der der Zweite Offizier des Schiffes stand. Ihre Miene war unbewegt, als sie ihre dunklen Augen wieder auf den Hauptschirm heftete, und nur ihre leicht steife Körperhaltung verriet, wie unzufrieden sie mit der derzeitigen Situation war.

"Sir, das unbekannte Schiff dreht wieder ab", meldete Kadett Eijsselburgh nach ein paar Sekunden angespannter Stille auf der Brücke, und Carrel merkte, wie er innerlich tief aufatmete. "Sie verlassen das Sonnensystem und gehen auf Überlichtgeschwindigkeit."

"Vielleicht war das unsere Chance", murmelte Sharkara so leise, dass nur der junge Lieutenant sie hörte, und für einen kurzen Moment lang tauschten sie einen kalten Blick aus, der mehr sagte als tausend Worte.

"In den Bereitschaftsraum, Nummer Eins." Carrel erhob sich, und obwohl ihm das Herz vor Zorn so hart gegen die Rippen hämmerte, dass er dachte, es müsse ihm jeden Moment den Brustkorb zerreißen, bemühte er sich, seine Stimme ruhig und neutral zu halten. Es genügt, es genügt ein für alle Mal, Sharkara!

"Aye, Captain." Sie folgte ihm ohne zu zögern, und ihre gelassene Miene, die sie auch dann noch beibehielt, als sich die Türen des Privatraumes zischend hinter ihr geschlossen hatten, ließ Carrel wissen, dass sie ganz genau ahnte, was nun kommen würde.

Er wirbelte auf dem Absatz herum und blickte ihr direkt in die kühlen, dunklen Augen, ballte die Hände zu Fäusten und stellt trotz all seiner Wut einmal mehr irritiert fest, wie unglaublich schön die junge Frau mit den knisternden roten Haaren, den schön geschwungenen Brauen und den hohen blassen Wangenknochen war.

"Wagen Sie es nicht noch einmal, mir auf der Brücke offen zu widersprechen!"

"Sir, es ist Aufgabe des Ersten Offiziers, den Captain auf alternative Handlungsweisen und Lösungsansätze hinzuweisen." Sharkara, die die Hände auf den Rücken gelegt hatte, hob das Kinn und stand ganz gerade, und plötzlich wurde Carrel bewusst, dass sie tatsächlich als ihre Pflicht angesehen hatte, was ihn eben beinahe vor der gesamten Crew bloßgestellt hätte.

"Nicht, wenn der Captain seine Entscheidung bereits getroffen hat, Lieutenant", sagte er mild und merkte zu seinem eigenen Erstaunen, dass er dabei ein wenig schmunzelte. Sollten alle ihre bisherigen Probleme auf einem simplen Missverständnis beruhen?

"Ich weiß Ihren Rat und Ihre Erfahrung im taktischen Bereich wirklich sehr zu schätzen, Sharkara, und auch Ihren Ehrgeiz, das Schiff vor Schaden zu bewahren. Aber Sie müssen akzeptieren, dass das letzte Wort über alle Entscheidungen nun einmal mir überlassen worden ist, und dass Commander Summers sicher auch seine Gründe dafür hatte, warum er die zeitweilige Befehlsstruktur so und nicht anders angeordnet hat."

"Ich verstehe." Sie hob eine Augenbraue und begegnete Carrels Blick mit respektvoller Anerkennung für seine offenen Worte, und langsam, ganz allmählich, begannen sich ihre Züge zu entspannen. "Ich werde versuchen, in Zukunft darauf zu achten, Sir."

"Danke, Nummer Eins. Weggetreten."

Erst als das Schott sich fest hinter der Halbvulkanierin geschlossen hatte, begann er zu grinsen, und für den Rest des Tages kamen Carrel die vielen Sorgen und Verantwortungslasten, die nach wie deutlich spürbar vor auf ihm ruhten, plötzlich nicht mehr ganz so schwer und erdrückend vor, wie dies bislang der Fall gewesen war.

Er hatte einen kleinen Kampf für sich entschieden und damit eine große Schlacht gewonnen, und zudem war ihm in den letzten zwanzig Stunden kein neuer Komafall von der Krankenstation gemeldet worden.

...Vielleicht war alles nur eine Frage der Zeit, des Fingerspitzengefühls und letztendlich auch einer gehörigen Portion Glücks, dass sich die Dinge für die Crew der Untertassensektion der Katana doch noch zum Guten wenden würden – die Hoffnung darauf würde Lieutenant Tom Carrel jedenfalls noch nicht so schnell aufgeben. 

Tag 13

Halt.

Burgoynes knappe Handbewegung ließ das Elite-Force-Team lautlos verharren, während der Hermant vor die Wartungsnische trat und sein/ihr Phasergewehr hob.

Ein paar Sekunden lang lauschte er/sie angestrengt in die Dunkelheit der Bordnacht hinein, dann gab er/sie erneut ein Zeichen, und Catherine Tramelle und Jean Vabande rückten vorsichtig zu ihm/ihr auf.

Vorwärts.

Sie kletterten in den dunklen Schacht und versuchten, so wenig Geräusche wie möglich zu verursachen, während sie mit raschen und geschmeidigen Bewegungen darin entlang krochen. Die winzige Lampe an Tramelles Handgelenk spendete das einzige schwache Licht, und die junge Frau mit den schimmernden blonden Haaren fühlte sich an uralte Horrorfilme erinnert, in denen finstere Gänge, eine zum Zerreißen angespannte Stille und ein paar furchtlose Helden, die sich der Gefahr tapfer gegenüberstellten, fast immer die Katastrophe einleiteten. Insgeheim verwünschte sie, ihren Verdacht von einem Verräter an Bord der Diskussektion je laut geäußert zu haben. Erst einmal ausgesprochen schien sich das Gerücht zu benehmen wie der berühmte Flaschengeist, sobald der Korken entfernt worden ist; es hatte sich verselbstständigt und spukte seitdem nicht nur in den Köpfen der Besatzungsmitglieder herum, sondern auch in jedem mit gedämpfter Stimme geführten Gespräch, auf jedem schlecht beleuchteten Gang und bei ein paar besonders ängstlichen Naturen sogar nachts im eigenen Schlafzimmer.

Und seit am vergangenen Morgen im Freizeitzentrum neunzehn und im Zweitmaschinenraum erneute fünf Opfer gefunden worden waren, die es in der Nacht zuvor getroffen hatte, breitete sich vor allem bei den vielen Zivilisten an Bord langsam, aber unaufhaltsam eine unterschwellige Panik aus.

Vor ihr verlangsamte Burgoyne sein/ihr Tempo allmählich wieder, und Tramelle umklammerte unwillkürlich ihr Phasergewehr ein wenig fester, während sie auf seinen/ihren nächsten Befehl wartete. Sie hatten fast das Ende des Wartungsschachtes erreicht, und wenn es stimmte, was die rigelianische Wissenschaftlerin Rarta Erides vor einer knappen Viertelstunde gehört und gesehen haben wollte, so erwartete das Team im angrenzenden Verteilerknotenpunkt möglicherweise ein bereits auf alles gefasster Gegner, der seine Entdeckung als Verräter um jeden Preis vermeiden wollte.

Ein leises Geräusch ließ Burgoyne mit erregt glitzernden Augen den Kopf heben, und er/sie bedeutete Tramelle, die Lampe auszuschalten, bevor sie mit erhöhter Vorsicht weiterkrochen und die Gewehre schussbereit vor sich her schoben.

Am Ende des Schachtes versperrte ihnen ein feinmaschiges, metallenes Gitter die Sicht auf den dahinter in völliger Dunkelheit liegenden Raum, und einmal mehr wurden in Tramelle unangenehme Assoziationen an Monstergeschichten und Gruselfilme wach.

Du bist vielleicht eine schöne Elite-Force-Soldatin, schalt sie sich selbst und war gleichzeitig froh, in ihre schützende Rüstung gehüllt zu sein. Die vielen Verrätertheorien haben dir wohl auch schon das Gehirn vernebelt. Lieutenant Thunders würde dir den Kopf zurechtbiegen, wenn sie jetzt hier wäre.

Burgoyne hob die Hand, und seine/ihre drei in die Luft gestreckten Finger, die er/sie nun langsam einen nach dem anderen wegknicken ließ, hatten etwas von einer Signalwirkung auf die junge Frau, das in ihr die gewohnten und jahrelang antrainierten Reflexe wieder einrasten und alle irrationale Angst vergessen ließ.

Drei, zwei, eins – jetzt!

Wuchtig trafen die Stiefel des Hermanten auf das Abdeckgitter, und es polterte mit einem Getöse aus der Verankerung und zu Boden, das nach der minutenlangen Stille doppelt schlimm in Tramelles Ohren gellte.

Für ein paar Sekunden lang huschten ihre Blicke durch den scheinbar leeren kleinen Raum, der nur zu gelegentlichen Wartungsarbeiten an den Verteilerleitungen diente und deshalb derzeit nicht genutzt wurde, dann machten ihre scharfen Sinne eine winzige Bewegung in den Schatten einer Ecke aus.

"Elite Force, stehen bleiben!"

Drei Gewehre summten drohend auf, dann sprang Burgoyne aus dem Schacht und landete mit einem geschmeidigen Satz direkt vor der schmalen Gestalt, die ganz offensichtlich vor ihm/ihr flüchten wollte.

"Tramelle, Licht!"

Die junge Frau hob ihren Arm, damit der schwache Schein den Raum direkt vor ihrem Teamleader erhellen konnte, und der fahle, weiße Strahl leuchtete in ein schmales, kleines Gesicht mit unzähligen Sommersprossen, dessen Besitzer geblendet blinzelte.

"Elite Force? Ich habe doch gar nichts getan!"

Die Erleichterung ließ Tramelle im ersten Moment laut auflachen, und auch Vabande neben ihr grinste amüsiert.

"Da haben wir Dr. Erides´ schwarzen Schatten – der junge Ben Romero. ...Sag´ mal, was machst du denn hier, mein Freund?"

Burgoyne war vor dem Kind in die Hocke gegangen, und der etwa achtjährige Junge zuckte mit den Achseln und schniefte leise. Offenbar hatte ihm das Eintreffen des Elite-Force-Teams einen tüchtigen Schrecken eingejagt, denn in seinen großen, blauen Augen schwammen Tränen, und erst, als der Hermant fürsorglich nach seinen Händen griff, schien er sich wieder einigermaßen zu beruhigen.

"Ich habe mich versteckt", sagte er leise und so entschuldigend, als habe er Angst, die Soldaten würden ihn für seinen Ausflug ins Innenleben des Schiffes in die nächstbeste Arrestzelle werfen. "Vor dem Verräter. ...Ich will nicht, dass er mich nachts holen und bewusstlos machen kommt. Ich habe Angst."

"Okay, Kleiner." Burgoyne, der/die nie besonders viel Federlesens um eine Sache machte, packte den Jungen und hob ihn kurzerhand auf seinen/ihren Arm, wo dieser sich mit einem bewundernden Ausdruck auf dem Gesicht an seine/ihre schwarze Rüstung schmiegte und zögernd zu lächeln begann. "Ich beschütze dich jetzt so lange, bis wir dich zurück zu deinen Eltern geschafft haben. Du brauchst also keine Angst mehr zu haben, einverstanden?"

"Einverstanden." Ben strahlte nun regelrecht, und mit einem belustigten Seufzer deaktivierte Tramelle ihr Gewehr und hängte es sich über die Schulter.

Kein Verräter, kein Kampf, keine Ergreifung.

Und noch immer keine Lösung für die seltsamen Vorgänge an Bord, die zweifellos auch in dieser Nacht wieder einige Opfer unter ihnen finden würden.


"Scan des Systems ist abgeschlossen, Captain."

An der taktischen Konsole streckte Eijsselburgh kurz den Rücken und lächelte, als Carrel sich mit einem dankenden Nicken zu ihr herumdrehte. "Keine fremden Schiffe in Reichweite unserer Sensoren."

"Halten Sie die Augen trotzdem offen, Kadett", meinte der Lieutenant freundlich und nahm einen Schluck von seinem duftenden Mate-Tee, während er seinen Sessel wieder in Richtung des Hauptbildschirms schwenkte und die Beine übereinander schlug. "Wir laufen nur noch auf dreißig Prozent, da wäre eine plötzliche Entdeckung unserer Position vermutlich fatal."

"Aye, Sir."

Die kleine Kommunikationseinheit in der Armlehne piepste leise, und Carrel aktivierte sie mit einem sanften Druck auf die entsprechende Schaltfläche. "Brücke."

"Maschinenraum, Ensign Harder, Sir. Die Computersteuerung der Lebenserhaltung wurde justiert und funktioniert nun einwandfrei."

"Danke, Mr. Harder, gute Arbeit. Bitte informieren Sie mich, wenn auch die anderen computergestützten Backup-Systeme online sind. Brücke Ende." Carrel unterdrückte ein Seufzen und heftete seine Augen stattdessen wieder nachdenklich auf den Hauptschirm, betrachtete wohl schon zum zwanzigsten Mal an diesem späten Nachmittag die gewölbte Oberfläche Jupiters und fragte sich, wie lange sie noch durchhalten würden.

Die vielen Ausfälle in der Besatzung hatten es mittlerweile notwendig gemacht, dass der Bordcomputer selbstständig einen Teil der Schiffsfunktionen steuerte, und obwohl Carrel nicht wirklich wohl dabei war, so wusste er doch zumindest, dass die Maschinenraumcrew ihr Möglichstes tat, um das Ausmaß dieser Automatisierung so gering wie möglich zu halten.

Wie lange noch? Wie lange, bis Summers zurückkehrt? Oder wie lange, bis keiner von uns mehr übrig ist, um auf ihn und die Antriebssektion zu warten?

"Sharkara an den Captain."

Die scharfe, kühle Stimme der Halbvulkanierin unterbrach seine sorgenvollen Gedankengänge, und Carrel war ihr beinahe dankbar dafür.

...Bis er hörte, was sie zu sagen hatte.

"Wir haben einen neuen medizinischen Notfall aufgefunden", sagte die Ersten Offizierin, und das leichte Zögern, bevor sie weitersprach, ließ dem jungen Lieutenant eine grausame Ahnung eiskalt über den Rücken jagen. "...Sir, ich denke, es ist erforderlich, dass Sie hier herkommen. – Wir sind in Ihrem Quartier."

Oh nein. Oh bitte nein...

"Ich bin unterwegs", sagte Carrel, und seine eigene Stimme kam ihm plötzlich fremd vor.

Mit schweren, steifen Beinen, die er kaum zu spüren schien, erhob er sich aus dem Kommandosessel und ging zum Turbolift im rückwärtigen Bereich der Brücke, nahm nur noch undeutlich wahr, wie sich mehrere Augenpaare fragend auf ihn richteten.

"Ensign T´Malis, Sie übernehmen."

Während der kurzen Fahrt zum Quartiersdeck konnte er nicht denken und nicht fühlen, das Einzige, was in sein Bewusstsein vordrang, war das harte, schnelle Pochen seines Herzens, das mit jedem Schlag schmerzender und ängstlicher dahinzujagen schien.

Nein, bitte...

Wie in einem Alptraum öffneten sich die Türen zu seinem Zuhause vor ihm, und dann sah er sie auch schon, sah Sharkaras schlanke Gestalt, die sich gemeinsam mit Go Yim über den regungslos am Boden liegenden Menschen beugte, sah ein dünnes rotes Blutrinnsal aus den schwarzen Haaren hervortropfen und die vertrauten Gesichtszüge, die ihn starr und wie tot anblickten...

Corey.

Carrel wusste nicht, wie, aber plötzlich saß er neben seinem Partner auf dem Boden, hielt seinen Kopf in den Händen und wischte ihm sanft das bereits halb eingetrocknete Blut von der Schläfe, während Sharkara ihm ungewöhnlich mitfühlend eine Hand auf die Schulter legte.

"Mister Penteiras hat ihn gefunden, als er ihn wegen einiger Spezifikationen für das Freizeitdeck aufsuchen wollte", sagte sie leise, und ihre dunklen Augen schimmerten ernst. "Es tut mir sehr leid, Captain."

"Warum blutet er?" Carrel merkte erst, dass er diese Frage gestellt hatte, als sich Kadett Go Yim erklärend an ihn wandte.

"Er hat sich den Kopf am Tisch angeschlagen, als er ohnmächtig zu Boden gestürzt ist, aber Sie müssen sich deswegen keine Sorgen machen, Sir. Es ist nur eine Schramme."

Deswegen nicht.

"Liegt er bereits im Koma?"

Der Mann, der ihm so vertraut war wie kein anderer Mensch an Bord, wie kein anderer Mensch überhaupt, fühlte sich seltsam kalt und steif an, und hilflos strich Carrel ihm eine Haarsträhne aus der blassen Stirn.

Du hast doch so gern gewettet, Corey. Komm, bitte mach´ die Augen auf und wette mit mir, dass du völlig gesund bist. Wette meinetwegen wieder einmal, dass ich als Captain der Katana noch total versagen werde in den nächsten Wochen. ...Aber bitte, bitte, schau´ mich an und sag´ etwas!

"Ja, Sir. Wir bringen ihn gleich auf die Krankenstation zu den anderen." Go Yim erhob sich und streckte die langen Beine, einen ehrlich bedauernden Ausdruck auf seinen fein geschnittenen, olivfarbenen Gesichtszügen. Obwohl er seit Tagen nahezu ununterbrochen im Dienst war, wirkte der junge Mediziner kaum müde, und seine schwarzen, mandelförmigen Augen blitzten Carrel verständnisvoll an. "Wir werden für ihn tun, was in unserer Macht steht, Captain."

"Danke, Kadett."

"Sir...", hörte er Sharkaras Stimme leise und wie durch Watte an seiner Seite. "Sie sollten auf die Brücke zurückkehren, Sir. Wir können hier nichts mehr tun."

Ich bin noch immer im Dienst. Ich bin der Captain. Ich muss meine Pflicht tun.

Er spürte die Hand der Halbvulkanierin wie stützend in seinem Rücken, und plötzlich fühlte der Lieutenant sich unendlich erschöpft.

Ich muss weitermachen. Es ist meine Pflicht.

"Ich komme zurecht, Nummer Eins." - Hatte er das gesagt?

Langsam erhob auch er sich und warf einen letzten Blick auf die leblose Gestalt am Boden, weigerte sich tief in seinem Inneren zu glauben, was er sah, und hatte mit einem Mal den Eindruck, ein Gefangener in einer surrealen Welt aus Angst, Schmerz und Leid zu sein.

"Ich bin auf der Brücke."

Er verließ das Quartier, und nur zu deutlich war er sich der besorgten Blicke bewusst, die ihm folgten.

Aber er würde nicht versagen. Er würde weiterkämpfen, er würde dieses Schiff und seine Crew nicht enttäuschen.

Und wenn es ihm das Herz zerriss. 

Tag 17

Dafür wollte ich nicht Medizinerin werden, dachte Rahel Goldstein niedergeschlagen, während sie dem kleinen Tisk Charo´on ein paar Schweißperlen von der Stirn tupfte und gleichzeitig aus den Augenwinkeln beobachtete, wie Luthar Ames sein stummes Gebet am Bett von Daniel Harder beendete.

Der junge Bajoraner hatte bislang jedem seiner Kameraden, der zum neuen Opfer des Komas wurde, spirituellen Beistand geleistet, und seine tiefgläubige, ehrliche Geste rührte die junge Kadettin und ließ sie bereuen, ihre eigene Religiosität seit ihrem Eintritt in die Sternenflotte meistens allzu sehr vernachlässigt zu haben.

Vielleicht bestraft man mich jetzt dafür, dachte sie bitter und legte den feuchten Lappen beiseite, strich ein letztes Mal sanft über die leicht gewellte Stirn des catarianischen Kindes und erhob sich dann, um die Lebensfunktionen ihrer restlichen Patienten zu überprüfen. Vielleicht soll dies hier meine ganz persönliche Hölle sein.

Ihre Blicke schweiften durch die Krankenstation und über die vielen Dutzend Bio- und Notbetten, die im Lauf der letzten Wochen hier hineingepfercht worden waren, und wenn sie daran dachte, dass im angrenzenden Lagerraum ungefähr noch einmal so viele Patienten lagen, konnte sie förmlich spüren, wie ihr der Mut sank.

Seit Tagen hatte Rahel kaum geschlafen und gegessen, und so verwunderte es sie auch nicht besonders, dass ihr der Boden plötzlich wie Watte vorkam, als sie ein paar Schritte zum nächsten Bett hinüber machte und einen raschen Blick auf die Anzeigen über dem Kopf von Chief Kowanaskow machte.

Ihr Kamerad Go Yim schien die Anstrengung der alleinigen Verantwortung besser wegzustecken als sie selbst; mit einer Tasse dampfenden Kaffees in der Hand stand er neben zwei Wissenschaftlern an der kleinen Laboreinheit in einer Ecke des Raumes und hatte kritisch die Stirn gerunzelt, während er die neuesten Untersuchungswerte zu analysieren versuchte.

Er blüht auch noch auf bei dem ganzen Mist hier, dachte Rahel neidisch und pustete sich eine kleine, schweißfeuchte Haarsträhne aus den Augen. Vielleicht bin ich einfach nicht geeignet als Ärztin. Vielleicht sollte ich diesen Beruf anderen überlassen, die besser mit dem Druck umgehen können als ich.

Sie seufzte leise und beugte sich über die nächste Patientin, Antja Eijsselburgh, eine junge Kadettin, die zusammen mit drei weiteren Brückenoffizierin zusammengebrochen war, während Lieutenant Carrel glücklicherweise gerade im Astrometrischen Labor beschäftigt gewesen war.

Direkt neben der hübschen blonden Frau zeichneten sich die schlanken Umrisse von Lieutenant Sharkara unter der Decke eines Notbettes ab, und das wallende, dunkelrote Haar umfloss ein Gesicht, das auch im Koma noch unheimlich beherrscht und autoritär wirkte.

"Rahel." Lans leiser Ruf ließ die junge Frau zusammenzucken, und sie errötete leicht, während sie zu ihm hinüberging und die beiden zivilen Wissenschaftler mit einem knappen Kopfnicken begrüßte.

"Was ist?"

"Sieh´ dir das bitte mal an." Go Yim trat beiseite und gab Rahel den Blick frei auf den kleinen Monitor, den er schon seit Minuten nachdenklich betrachtet hatte.

Überrascht hob Goldzweig eine Augenbraue, und plötzlich spürte sie, wie ein Hauch von Hoffnung sich schmetterlingszart in ihr rührte und sanft in ihrer Brust niederzulassen schien. Ganz vorsichtig, wie um die Empfindung nicht wieder zu verscheuchen, beugte sie sich tiefer über die langen Zahlenkolonnen und merkte, wie ein überraschtes Lachen in ihr aufstieg.

"Was ist das?"

"Ich habe es in der Lunge von Dala Janis gefunden, und ich denke, wir haben einfach Glück gehabt, dass der Atmungszyklus einer Muri´Enaherin so ganz anders funktioniert als der der meisten anderen Spezies."

"Wir haben diese Rückstände bei keinem Patienten bisher entdeckt, nein." Rahel lächelte. "Es sieht aus wie eine Sporocyste, aber genaueres werden wir wohl erst durch einen Mikrophasenscan erfahren."

"Dein Spezialgebiet, nicht wahr?" Go Yims schwarze Augen blitzten sie fröhlich an. "Deine Doktorarbeit. Sporocystische Pilze. - ...Rahel, ich hoffe, du hast schon fleißig daran gearbeitet in den letzten Monaten."

Sie lachte, und zum ersten Mal seit langer Zeit schien sie wieder zu wissen, wer sie war und wo sie hingehörte. Hier ist mein Platz. Und wir werden etwas bewegen. ...Wir geben nicht auf, nicht jetzt!

"Ja, das habe ich allerdings. Wenn also einer der Herren wohl so freundlich wäre, mir in den nächsten paar Stunden im medizinischen Labor zu assistieren...?" 

Tag 19

Tränen liefen über Julia Harders hübsches Gesicht, während sie aus dem Fenster auf die Halbkugel Jupiter hinabstarrte und zu fühlen glaubte, wie die Kälte des Weltraums langsam, aber unaufhaltbar zu ihr ins Zimmer drang und ihren Körper erfasste, bis sie entsetzt erschauderte.

Obwohl es bereits zwei Uhr nachts war, saß sie noch immer mit angezogenen Beinen auf der Couch im Wohnzimmer ihres Quartiers, und als sie nun kurz zum hohlen schwarzen Viereck der Schlafzimmertür hinüberblickte, hinter der sie seit zwei Tagen nur noch entsetzliche Einsamkeit und Stille erwartete, verstärkte sich der Entschluss in ihr, auch weiterhin einfach sitzen zubleiben und darauf zu hoffen, vielleicht irgendwann einmal in einen erschöpften Schlummer zu sinken.

Du fehlst mir so, Daniel...Du fehlst mir so unendlich. Und ich habe solche Angst, dass du nie wieder zu mir zurückkehren wirst.

Neben ihr quengelte Carey leise im Schlaf, und automatisch streckte Julia die Hand aus, um dem Kind kurz über die Stirn zu streicheln und die Decke wieder ein wenig fester um ihren kleinen Körper herum zu wickeln.

Wieder schob sich das Bild ihres Mannes vor alles, was sie sah – sein regungsloses, leichenblasses Gesicht, sein schlaffer Körper unter der sterilen blauen Decke des Biobettes, seine ungewöhnlich ordentlichen, nur noch schwach glänzenden Haare.

"Ich bete für ihn zu den Propheten", hatte einer seiner Kollegen, ein junger Bajoraner mit hellwach schimmernden braunen Augen tröstend zu Julia gemeint, und als sie sich jetzt an seine Worte erinnerte, musste sie sich sehr beherrschen, um nicht laut aufzuschluchzen.

Wenn es euch irgendwo dort draußen tatsächlich gibt, Propheten, dann bitte, bitte hört uns und gebt mir meinen Mann zurück...

Erneut zuckte Carey unruhig zusammen, und Julia blickte besorgt auf sie hinab, während sie sich ein paar Tränen aus den Augenwinkeln wischte. Ob die Kleine auf ihre Weise mitbekommen hatte, was mit ihrem Dad passiert war, und ob der psychische Druck, unter dem Julia stand, auch sie belastete?

"Tut mir leid, mein Schatz", murmelte die junge Frau leise und griff nach der kleinen, leicht geballten Hand ihrer Tochter, um ihr sanft über die winzigen Finger zu streichen. "Ich verspreche, ich bin für dich da, egal, wie es weitergeht."

Carey gab einen kurzen Laut von sich – und dann sackte ihr Köpfchen plötzlich kraftlos zur Seite, und ihre Hand, die Julia noch immer liebevoll umfasst hielt, erschlaffte.

"Carey? Carey, Schatz!"

Mit einem Satz war Julia auf den Beinen und nahm ihre Tochter auf den Arm, schüttelte sie vorsichtig und spürte, wie unaufhaltsam Panik in ihr aufstieg. "Carey, Liebes, mach´ die Augen auf, bitte! Carey!"

Das Kind reagierte nicht, und mit einem Mal merkte Julia, wie auch ihre Knie weich worden und wie es in ihrem Kopf brummend zu dröhnen begann.

Oh mein Gott, es ist soweit... Diesmal sind wir an der Reihe... Daniel, Hilfe!

Mit einiger Mühe bettete sie ihre kleine Tochter zurück auf die Couch und sank neben ihr in die weichen, dunklen Polster, blinzelte, als der Raum um sie herum sich zu drehen und zu schwanken begann, und nur am Rande nahm sie ein helles, goldenes Flirren wahr, das in ihren Augenwinkeln zu tanzen schien.

Was ist das?

Julia runzelte die Stirn und kniff die Augen zusammen, und plötzlich sah sie es. Wie feiner, schimmernder Staub kam irgendetwas aus den Schlitzen der Belüftungsanlage gestoben und löste sich scheinbar sofort wieder in Luft auf, ein wunderschöner, aber auch beängstigender Anblick, da niemand in ein paar Minuten mehr würde feststellen können, dass es hier gewesen war, und dass es vermutlich die Schuld trug an der Ohnmacht von Carey und von Julia selbst.

Das Rätsel... Die Krankheit... Das ist es! Das ist die Lösung!

Verzweifelt kämpfte die junge Frau gegen die Bewusstlosigkeit an, die sie schwarz und erstickend zu überwältigen drohte, und auf einmal spürte sie einen schmalen, vertrauten Gegenstand in ihren Fingern, brauchte ein paar Sekunden, bis sie begriff, was es war, und wusste schlagartig, was sie zu tun hatte.

Festhalten, ich muss es festhalten...

Ächzend zog sie sich an der Couchlehne in die Höhe, und auf ihren sanften Daumendruck hin erwachte das Laminatspray vibrierend zum Leben, hinterließ feine, warme Tröpfchen auf ihren Wangen und an der Wand und näherte sich in Julias zitternden Händen immer weiter dem geheimnisvollen Goldstaub, der nach wie vor lautlos aus dem Belüftungsschacht rieselte.

Erst vor wenigen Stunden hatte die junge Frau versucht, sich mit Hilfe ihres Lieblingshobbies ein wenig abzulenken. Als sie noch ein Kind war, hatte ihr ihre Großmutter gezeigt und beigebracht, wie man mit Hilfe eines einfachen Konservierungsmittels wunderschöne Pflanzen und Blüten nicht nur für die Ewigkeit bewahren, sondern auch zu hübschen Arrangements zusammenstellen konnte, und Julias Werke hatten auf der Kopernikus zahlreiche triste Gänge und Räume verschönert.

An diesem Tag hatte sie das Laminatspray seufzend zur Seite gelegt, nachdem sie durch ihre Unkonzentriertheit bereits die dritte Miniajos-Blume vollkommen versengt und verklebt hatte, und dass es ihr nun bei ihren entsetz- ten Versuchen, sich selbst bei Bewusstsein zu halten, zwischen die Finger geraten war, erschien Julia beinahe wie ein Wunder.

Ich muss es festhalten...

Nur noch undeutlich nahm sie wahr, wie sie die Düse des kleinen Gerätes auf das flirrende Schimmern richtete und abdrückte, dann hörte sie einen unterdrückten Schrei und sackte kraftlos zu Boden.

Julia begriff noch, dass sie selbst es war, die geschrieen hatte – danach überrollte sie die Ohnmacht, und Schwärze umfing sie.


Lieutenant Carrel stieg aus dem Turbolift und eilte mit langen Schritten den Gang entlang, spürte, wie ihm das Herz dabei hart gegen die Rippen hämmerte.

Er hatte allein in der Beobachtungslounge gesessen und nachdenklich aus dem Fenster geblickt, als Kadett Goldzweigs Ruf ihn erreichte, und der glockenhelle, triumphierende Unterton in ihrer angenehmen Stimme hatte ihm einen Schauer über den Rücken gejagt.

"Sie müssen sofort in die Unterkunft der Harders kommen, Sir. ...Sir, ich denke, wir haben es!"

Corey, dachte Carrel, während seine Augen suchend über die Nummern an den Quartierstüren glitten. Corey, halt´ durch, vielleicht wird jetzt alles gut.

Das Erste, was er sah, als das Schott sich zischend vor ihm öffnete, war Kadett Go Yim, der behutsam ein kleines Mädchen von etwa einem Jahr auf den Arm hielt und es mit einem Tricorder untersuchte.

Dann erblickte er Goldzweig, die neben einer bequem aussehenden Couch mit breiten, dunkelblauen Polstern auf dem Boden kniete und mit dem Finger vorsichtig an etwas herumzupfte, das den gesamten Boden und die Wand unterhalb des Belüftungsgitters bedeckte.

Sie sah auf, als Carrel neben sie hintrat, und ihr ebenmäßiges Gesicht, das in den letzten Tagen so erschöpft und mutlos gewirkt hatte, strahlte ihn mit unverhohlener Freude an.

"Bingo, Captain. ...Und Jahwe sei Dank." 

Tag 20

"Computerlogbuch der U.S.S. Katana, Lieutenant Carrel. Nachtrag.

Die Pilzsporen aus Julia Harders Quartier sind noch einmal genauestens von Kadett Goldzweig untersucht und einwandfrei als die Ursache für die vielen Komafälle in den letzten Tagen und Wochen identifiziert worden. Viele der mittlerweile mit dem Antibiotikum behandelten und wieder erwachten Besatzungsmitglieder berichten ebenfalls von einem feinen goldenen Staub, der kurz vor ihrer Ohnmacht durch das Belüftungssystem geflogen kam, und der sich scheinbar sofort wieder zu Luft auflöste, und auch die in der Lunge von Kadett Janis gefundenen Proben stimmen mit der Zellstruktur des Pilzes überein.

Noch wissen wir noch nicht hundertprozentig, woher er stammt, Lieutenant Sharkara vermutet allerdings, dass er von dem Außenteam mit an Bord gebracht worden ist, das kurz vor der Separation der Untertassensektion auf den unbekannten Planeten hinuntergebeamt war. Die spezielle Struktur und Fortpflanzungsweise der Pilze hat eine Entdeckung durch unsere Biofilter und internen Scanner verhindert, und wir haben es allein dem glücklichen Zufall und Miss Harders geistesgegenwärtiger Reaktion zu verdanken, dass wir nicht nach und nach alle Opfer des außerirdischen Organismus geworden sind.

Wir können nur hoffen, dass die Crew auf der Antriebssektion von all diesen Problemen verschont geblieben ist, oder dass sie zumindest die Gefahr durch den Pilz schnell erkennen und beseitigen konnten. All unsere guten Wünsche sind nach wie vor bei Commander Summers und seiner Crew, und noch haben wir auch die Hoffnung auf eine heile und wohlbehaltenen Rückkehr unseres Captain nicht aufgegeben."


Coreys Lider flatterten kurz, dann hoben sie sich, und ein verwunderter Blick traf den am Bett sitzenden Carrel, der die rechte Hand seines Partners fest umschlossen hielt und sie jetzt sanft drückte.

"Guten Morgen", sagte der Lieutenant schlicht und lächelte. "Schön, dass du wieder bei mir bist."

Neben den beiden schlossen Daniel und Julia Harder sich in die Arme, und quer über die Krankenstation hinweg war das fröhliche Lachen von Rahel Goldzweig zu hören, die gerade die Biowerte einer noch ziemlich benommen wirkenden Tessa McGowan überprüfte und auf eine scherzhafte Bemerkung Luthar Ames´ hin grinsend den Kopf schüttelte.

"...Ja, Ensign, vierzehn Tage am Stück kann man allerdings als ziemlich gesunden Schlaf ansehen!"

Es war erstaunlich, wie schnell die jungen Mediziner gemeinsam mit ihren freiwilligen Helfern ein Gegenmittel für die vom Pilz befallenen Körpersysteme repliziert hatten, und Kadett Go Yim hatte es Carrel damit erklärt, dass die beiden verschiedenen Proben – einmal die des Pilzes in seinem Fortpflanzungsstadium aus dem Quartier der Harders und einmal die nach der Einnistung im Körper aus Kadett Janis´ Lunge – langwierige Labortests auf Wirkung und Wachstumsweise hin so gut wie überflüssig gemacht hatten. Hinzu war Kadett Goldzweigs fundiertes Wissen über sporocystische Pilze gekommen, die kichernd verkündet hatte, das Thema ihrer Doktorarbeit auf Der Goldzweig-Go Yimsche Pilz – Eine völlig neue Erkrankung und ihre Heilung zu ändern.

Carrel spürte eine Bewegung neben sich, und als er aufsah, blickte er in Sharkaras noch immer ziemlich blasses, aber lächelndes Gesicht, das ihn mit ruhig schimmernden Augen musterte.

"Ich habe gehört, Sie hätten das Schiff auch ohne mich zur Zufriedenheit aller geführt, Captain?"

"Es ist sehr schwergefallen, Nummer Eins."

Für einen winzigen Moment lang legte die Halbvulkaniern ihm anerkennend ihre schlanke Hand auf die Schulter, dann nickte sie kurz und legte wieder wie gewohnt die Arme hinter den Rücken.

"Möchten Sie, dass ich die Brücke in den nächsten Stunden für Sie übernehme, Sir?" Ihr Blick streifte kurz Corey, der ihr grinsend zuzwinkerte, und Carrel schmunzelte und zuckte mit den Achseln.

"Wenn Sie sich bereits wieder fit genug fühlen, Lieutenant... Dann halten Sie einfach die Dinge am Laufen, in Ordnung?"

"In Ordnung", erwiderte Sharkara leise, und ihr dunkelrotes Haar knisterte leise, als sie sich umwandte und die Krankenstation mit langen, energievollen Schritten verließ.

Carrel sah ihr nach, bis er merkte, wie Corey fragend zu ihm aufblickte, und lächelnd wandte er sich wieder seinem Partner zu und erlaubte es sich für den Moment, seine ungeteilte Aufmerksamkeit demjenigen Menschen zu schenken, der ihm am meisten bedeutete.

"Was ist?"

"Ist wirklich alles in Ordnung?" fragte Corey halblaut und hob eine Augenbraue. "Soweit meine Erinnerung zurückreicht, befehligst du ein nur halb vollständiges Schiff, und wir verstecken uns vor übermächtigen Feinden in unserem eigenen Sonnensystem, das allerdings einem zeitverschobenen Paralleluniversum entsprungen ist."

"Richtig." Carrel schmunzelte erneut, und als er sich vorbeugte, um seinem Lebensgefährten einen Kuss auf die Stirn zu hauchen, spürte er, wie tiefe Dankbarkeit ihn ergriff. "Aber weißt du was? Mit dieser tollen Crew an Bord kann das alles nur gut gehen. ...Wir schaffen es, du wirst schon sehen. - Da wette ich mit dir."