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Autor: Manoel Ramirez

„Computerlogbuch der USS Katana. Captain Natall Geodis, Sternzeit 57.957,5: In zwei Stunden werden wir Raumbasis 345 erreichen. Eine größtenteils ereignislose Reise liegt hinter uns. Admiral Jeffersons Delegation hat den Flug auf unserem frisch zusammengeflickten Schiff offenbar trotz Lieutenant Suliks ständiger Sticheleien sehr genossen. Frank Lincolns Weggang hat bei einigen Crewmitgliedern eine große Lücke hinterlassen, andererseits sind viele auch gespannt auf seinen Nachfolger als Sicherheitschef, den wir auf der Station an Bord nehmen werden. Derweil hat sich der neue Elite Force Commander Lieutenant Black hier bereits, berücksichtigt man die erst kurze Anwesenheit, gut eingefügt.“


„Wer sagt dir denn, dass die von hier aus überhaupt kommunizieren können? Schließlich geht das doch von unten aus auch nicht.“ „Wer sagt dir, dass sie's nicht können?“ Elaine senkte betreten den Kopf. Darauf hatte sie keine Antwort. „Pass auf dich auf.“ Dieser Satz war schon mehr gehaucht als geflüstert; beinahe hätte Ramirez ihn gar nicht gehört. „Es ist sieben Uhr. Sie wollten geweckt werden.“ Willowbys Gesicht verschwamm. Manoel Ramirez schlug die Augen auf. Seit einem Monat war Willowby tot, doch dieser Tag verfolgte ihn immer noch – wenngleich inzwischen nicht mehr in jeder Nacht. Er hätte niemals zulassen dürfen, dass sie ihn begleitete. Er benötigte nur eine halbe Stunde bis zum diensttauglichen Aussehen. Heute stand das Abschlussgespräch mit Lieutenant Davia an. Für diese lästige Pflicht hatte Kalen noch vor Ramirez' Beförderung gesorgt. Der Spanier hatte sich dreimal wöchentlich in psychologische Beratung begeben müssen. Er hoffte allerdings, dies nicht auch auf der Katana tun zu müssen – was sollten denn seine neuen Mannschaftskameraden von ihm denken? „Guten Morgen, Manoel“, begrüßte Davia ihn freundlich. „Lieutenant“, entgegnete er höflich distanziert. „Vier Wochen, und Sie reden mich immer noch mit einem Dienstgrad an. Ich habe Ihnen schon beim ersten Gespräch gesagt, Sie sollen mich bei meinem Vornamen nennen. Wie sollen wir sonst jemals ein Vertrauensverhältnis aufbauen?“ „Ich werde in weniger als drei Stunden meinen neuen Posten antreten. Wozu also großartig ein Vertrauensverhältnis aufbauen, wenn wir uns nach einem Ablauf von vier Wochen voraussichtlich eh für eine lange Zeit nicht mehr sehen werden?“ „Weil es notwendig ist, damit ich ihnen helfen kann.“ „Ich brauche keine Hilfe“, antwortete Ramirez mürrisch. „Das sah Commander Kalen vor Ihrem Abschied von der Gladstone offenbar anders.“ „Dann kannte er mich – offenbar – nicht so gut, wie man es vielleicht von einem direkten Vorgesetzten erwartet.“ „Das sehe ich anders. Immerhin hatte er mich gewarnt, dass Sie sich als schwierig erweisen könnten. Zumindest damit hatte er definitiv Recht. Diese Warnung werde ich also nun an Lieutenant Velain weiterreichen müssen.“ Ramirez sah nicht gerade erfreut aus: „Sagten Sie nicht vorgestern, Sie würden mir Diensttauglichkeit bescheinigen?“ „Das werde ich auch, oder besser habe ich schon. Jedoch nur unter der Bedingung, dass Sie mit ihr regelmäßige Sitzungen abhalten. Ich hoffe, ihr gelingt es, Sie zu knacken.“ „Ich hoffe und denke das nicht.“ Davias Miene wurde ernster: „Commander, Sie müssen sich jemandem öffnen. Ich traue Ihnen zwar im Augenblick zu, dass Ihre Erlebnisse Ihren Dienst nicht beeinträchtigen werden. Aber wenn Sie sich weiterhin so störrisch verhalten, wird dieser Verlust – und leugnen Sie nicht, dass es einer war – Sie eines Tages von innen her auffressen.“ „Ich weiß nicht, wovon Sie reden. Wenn das wirklich Ihre professionelle Meinung ist, sollten Sie vielleicht den Beruf wechseln.“ „Also gut, ich sehe schon, Sie wollen Ihren Sturkopf auch heute nicht ablegen. Melden Sie sich regelmäßig bei Lieutenant Velain. Damit betrachte ich diese Sitzung als beendet.“ „Danke“, brummelte Ramirez. Davia blickte dem Spanier noch kurz kopfschüttelnd nach, als er gegangen war. Eigentlich war er ein klassischer Fall: Als leitender Offizier hatte er eine Person verloren, die ihm sehr nahe gestanden hatte. Pflichtbewusst verdrängte er den Verlust und ließ niemanden an sich heran, schon gar keinen Counselor – eine Gruppe von Offizieren, mit der er offensichtlich wie so viele einige Probleme hatte. Leider gab es bei diesen klassischen Fällen noch einen weiteren Aspekt: Sie sonderten sich von ihren Kameraden ab, meinten, den Verlust am besten alleine verarbeiten zu können – sofern sie ihn sich überhaupt irgendwann eingestanden. Als Counselor konnte man nur beharrlich sein und hoffen, irgendwann, meist zufällig, einen Ansatzpunkt für ein offenes Gespräch zu finden.


Die sich öffnende Andockschleuse gab den Blick auf einen hünenhaften Menschen frei, der sogleich formal Haltung annahm und sich vorstellte: „Lieutenant Commander Manoel Ramirez. Bitte, an Bord kommen zu dürfen.“ „Erlaubnis erteilt“, entgegnete die Nr. 1 vorschriftsgemäß. „Lieutenant Commander Toreen Akida, Erster Offizier der Katana. Willkommen an Bord.“ Der Spanier ergriff die ihm dargebotene Hand: „Vielen Dank, Sir.“ „Ich hoffe, Sie haben Ihren Erholungsurlaub genossen“, fuhr der Bajoraner fort. „Captain Geodis erwartet Sie in zwei Stunden in ihrem Bereitschaftsraum. Bis dahin haben Sie Zeit, Ihr Quartier und Ihr neues Büro zu beziehen. Womit möchten Sie beginnen?“ „Ich möchte nur kurz diese Tasche hier...“ – er hielt das locker über den Schultern hängende Gepäckstück kurz hoch – “... in mein Quartier bringen und mich vergewissern, dass das restliche Gepäck angekommen ist. Dann möchte ich sofort den Sicherheitsbereich sehen, wenn es geht.“ „Kein Problem.“ Der Erste Offizier tippte auf seinen Kommunikator: „Toreen an Lieutenant Carrel.“ „Carrel hier.“ „Melden Sie sich mit Lieutenant Black in 15 Minuten im Büro des Sicherheitschefs. Toreen Ende.“ Er wandte sich wieder an Ramirez: „Bitte folgen Sie mir.“


Ein kurzer Blick in das Quartier hatte Ramirez genügt, um überblicken zu können, dass sämtliche Koffer abgeliefert waren. Auf der Gladstone hatte er sowieso vergleichsweise wenig Platz gehabt, so dass er nicht allzuviel Zeit für die Einrichtung benötigen würde. Nunmehr hatte Toreen ihn in seinem neuen Büro abgeliefert und die beiden gerufenen Lieutenants vorgestellt. Alexandra Black war selbst noch nicht lange an Bord, hatte ihr Elite Force Team aber nach allem, was Ramirez als Vorbereitung gelesen hatte, bereits gut im Griff. Tom Carrel war unter Frank Lincoln zum stellvertretenden Sicherheitschef ernannt worden und leitete seit dessen Abkommandierung vor einigen Wochen die Abteilung. Jetzt allerdings war es Zeit für die offizielle Ablösung. „Computer, ich übergebe hiermit die Leitung der Sicherheitsabteilung offiziell an Lieutenant Commander Manoel Ramirez. Bitte einen entsprechenden Vermerk in das Logbuch eintragen.“ „Bestätigt.“ Carrel wandte sich an seinen neuen Chef: „Ich gratuliere, Sir.“ „Danke“, erwiderte der Spanier knapp. „Nach meinem Treffen mit dem Captain wünsche ich eine Besprechung mit der kompletten Sicherheit sowie Ihren Leuten, Lieutenant Black.“ Carrel wandte ein: „Commander, heute Abend ist sowieso eine 'halb offizielle' Willkommensfeier für Sie und Lieutenant Black angesetzt. Das ließe sich sicher hervorragend kombinieren.“ „Haben Sie Einwände?“, wandte sich Ramirez an Black „Nein, keineswegs. Könnten wir vorher unter vier Augen sprechen?“ „Das wollte ich sowieso gerade vorschlagen. Warum eigentlich nicht gleich jetzt?“ An Carrel gewandt, sagte er: „Sie können jetzt gehen, Lieutenant. Bitte sorgen Sie dafür, dass die komplette Abteilung heute Abend anwesend ist.“


Das Gespräch mit Black hatte nicht viel Zeit in Anspruch genommen. Sie hatten ihre Zuständigkeiten so aufgeteilt, dass Alex die Sicherheitstrainings konzipieren und überwachen würde. Bei Spezialeinsätzen würde Ramirez ihr auch seine Leute unterstellen, so dass sie gemeinsame Übungseinheiten über die Vorschriften hinaus abhalten würden. Ramirez fiel schon nach den Vorschriften der „Papierkram“ – ein eigentlich überholtes Wort – zu. Mehr hatte es nicht zu klären gegeben, so dass der neue Sicherheitschef schon den Arrestbereich in Augenschein hatte nehmen können. Er hatte einige Verbesserungsideen, die er mit der Chefingenieurin bei Gelegenheit durchgehen wollte. Das Gespräch mit Geodis verlief erwartet kurz. Sie hieß ihn noch einmal an Bord willkommen und erklärte, dass sie sich auf die Zusammenarbeit freue. Zudem lud sie ihn förmlich zu der Willkommensparty für ihn und Black am Abend ein. Bis dahin räumte er seine wenigen Sachen in die Schränke seines Quartiers, die er gerade mal zur Hälfte füllte. Als letztes fand er eine 3D-Aufnahme von sich und Willowby, die auf Fatils letzter Geburtstagsfeier gemacht worden war. Das musste jetzt so etwa sechs Wochen her sein. Nachdenklich betrachtete der Spanier das Hologramm, bevor er es abschaltete und den Sockel im hintersten und untersten Winkel des kleinsten Schranks unterbrachte.